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Das treibt mich an – Sandra Uschtrin über die Autorenwelt

Autorenwelt-News
Sandra Uschtrin
Motivationsbild Sandra

Sandra Uschtrin über die Autorenwelt und ihre Träume

Warum bin ich Mitgründerin der Autorenwelt? Was treibt mich an? Warum pumpe ich da so viel Zeit, Arbeit und Geld hinein? Und wovon träume ich, wenn ich an die Zukunft der Autorenwelt denke?

Wo anfangen? – Wilhelm meint, das sei doch leicht: »Überleg einfach, warum du dein komplettes Erbe in die Autorenwelt gebuttert hast. Warum hast du das gemacht?«

Kind der Zeit

Natürlich bin ich, Jahrgang 1960, ein Kind meiner Zeit.

In der Schule haben wir nicht nur Schiller und Goethe gelesen, sondern auch Hochhuths »Stellvertreter«, »Die Ermittlung« von Peter Weiss, »Den geteilten Himmel« von Christa Wolf oder »Die Aula« von Hermann Kant. Heinrich Bölls Vision von der »Einigkeit der Einzelgänger« und dass Autor*innen sie praktizieren sollten, davon träume auch ich.

Bücher prägen.

Wir hatten damals am Ostseegymnasium Timmendorfer Strand ein halbes Jahr lang das Wahlfach Marxismus/Leninismus, die DDR lag ja nur ein paar Steinwürfe weit weg, unerreichbar, um meine Großeltern in Schwerin zu besuchen.

Mich mit unterschiedlichen Gesellschaftssystemen zu beschäftigen – auch später im Studium – hat mich geprägt. Meine Magister-Arbeit ging über die Science Fiction in der DDR.

In der besten aller Welten – wie leben wir dort zusammen?
Wie gestalten wir Zukunft zum Wohle aller?

1977 kamen die EMMA heraus und Ursula Scheus Buch »Wir werden nicht als Mädchen geboren – wir werden dazu gemacht«. Feminismus bedeutet mir viel.

Artikel und Bücher transportieren Ideen, rütteln auf. Ich habe ihnen und damit denen, die sie schreiben, sehr viel zu verdanken.

Wie kann ich diesen Menschen etwas zurückgeben?
Mit der Autorenwelt.

Elternhaus

Viele Menschen haben das Ziel, irgendwann möglichst reich zu werden. Teure Klamotten. Ein schnelles Auto. Ein eigenes Haus. Menschen mit diesen Lebenszielen haben in ihrer Kindheit und Jugend oft etwas entbehren müssen. Das war bei uns nicht so.

Wir lebten in einem großen Haus. Mein Vater klagte nie über zu wenig Geld, er klagte über zu hohe Steuern. Er war selbstständig – wie ich. Arbeitete von daheim – wie ich. »Wehe, du kommst mir mit einem Beamten nach Hause!«, drohte er halb im Scherz.

Nach dem Tod meiner Eltern haben meine Schwester und ich unser Elternhaus verkauft.

Als Unternehmerin investierte ich das Geld in mein Unternehmen.

Endlich konnte ich eine Firma damit beauftragen, meinen Internetauftritt neu zu bauen. Es entstanden zwei neue Websites: eine Website für den Verlag (uschtrin.de) und eine für alles Zukünftig-Digitale – die Autorenwelt (autorenwelt.de).

Ich liebe es, mein Ding zu machen und Ideen umzusetzen.
Die Autorenwelt ist dafür eine wundervolle Spielwiese.

Für Autor*innen – mit Autor*innen

Das »Handbuch für Autorinnen und Autoren« gibt es seit 1985. Seit 1997 erscheint es im Uschtrin Verlag. 2005 kam die Autorenfachzeitschrift »Federwelt – Zeitschrift für Autorinnen und Autoren« hinzu, 2015 die Zeitschrift »der selfpublisher«.

Seit vielen Jahren engagiere ich mich also »für« Autor*innen – gerne würde ich mehr »mit« ihnen tun beziehungsweise sie selbst tun lassen.

Lange vor der Autorenwelt, 2008, notierte ich: »Ich möchte, dass die AG [damals dachte ich an eine Aktiengesellschaft] und die Plattform ein Instrument in der Hand der AutorInnen wird (und bleibt!) und vermögensbildend für sie wirkt.« Oder auch: »Ich möchte, dass es ein bundesweites Literaturportal gibt, das finanziell nicht vom Staat oder von einzelnen Bundesländern abhängig ist und doch ungleich besser arbeitet als alle öffentlich bezuschussten Portale zusammen.«

Mit der Autorenwelt haben wir das in der Hand.

Autor*innen stärken

Viel Zeit verbringe ich damit, Autor*innen mit Informationen und Wissen zu versorgen. Zum Beispiel: Was sollte in einem guten Verlagsvertrag stehen – und was nicht?

Autorinnen/Künstler sind oft verhandlungsschwach. Viele lassen sich bei Vertragsangelegenheiten über den Tisch ziehen. Das auszunutzen halte ich für verwerflich.
Verlagsverträge, die einseitig zum Nachteil der Autor*innen sind, sind unmoralisch. Ich habe zu viele miese Verlagsverträge gesehen, also Verträge zu Ungunsten der Autor*innen. Gerade auch von großen Publikumsverlagen. Sind sie auf diese Art groß geworden?

Zwar sitzen alle in der Buchbranche in einem Boot. Nur leider erinnert der Bootstyp an eine Galeere: Rudern tun die Autorinnen. Die meisten Worturheber, auf deren Arbeit die gesamte Wertschöpfung basiert, können noch immer nicht von ihrer Arbeit leben. Viele von ihnen stehen finanziell sogar weit schlechter da als früher (etwa weil die Midlist wegbricht), während Verlagsleute, Buchhändler, Bibliothekarinnen oder Kulturamtsleiter zumindest ein Auskommen haben.
Ist das fair?

Verlags- und Buchhandlungsmitarbeiter*innen bekommen während der Corona-Krise Kurzarbeitergeld; Autor*innen könnten doch einfach Hartz IV beantragen, heißt es vielerorts.

Wann reden Autor*innen endlich über Geld?
Auf der Autorenwelt ginge das.

Und: Wann erziehen Autor*innen Verlage endlich dahingehend, mit ihnen faire Verträge abzuschließen? Welche Erziehungsmaßnahmen da denkbar wären? Spontan fallen mir Fairtrade-Siegel für Verlage ein. Mit einer Datenbank im Hintergrund, in der Verlagsverträge gesammelt werden. Oder Boykott-Aufrufe ... Sit-ins vor Messeständen ...

Auf der Autorenwelt lassen sich Datenbanken leicht einbinden.

Autorenverbände stärken

»Wie viel verdient man als VS-FunktionärIn?« – Eine Umfrage für das »Handbuch für Autorinnen und Autoren«, 6. Auflage 2005, ergab: nichts. Es gab damals, wenn überhaupt, nur eine schmale Aufwandsentschädigung/Reisekostenerstattung. Imre Török, jahrelang Landes- und später Bundesvorsitzender des Verbands deutscher Schriftsteller*innen (VS), schuftete und schuftete und schuftete. Für die gute Sache. Einfach so. Aus Solidarität mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Unentgeltlich. Ehrenamtlich. (Wie viel man über eine aktive VS-Verbandsmitarbeit derzeit dazuverdienen kann, weiß ich nicht.)

Ich finde: Das sollte anders sein. Das »Ende der Bescheidenheit« sollte auch für diejenigen gelten, die sich für die Belange ihrer Kolleginnen und Kollegen abrackern.

Wenn wir bei der Autorenwelt einen Teil des Geldes, den wir mit dem Autorenwelt-Shop einnehmen, an das Netzwerk Autorenrechte weitergeben, dann wünsche ich mir, dass die Netzwerker*innen dieses Geld für sich ausgeben. Wer sich in den Autorenverbänden für seine Kolleginnen und Kollegen engagiert, sollte eine Aufwandsentschädigung erhalten, die es wert ist, diese Bezeichnung zu tragen. Vollzeit- und Teilzeitstellen wären hilfreich – die über 50 Angestellten des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels arbeiten auch nicht für umme.

Die Aussicht, dass uns das über den Autorenwelt-Shop eines Tages gelingen kann, motiviert mich sehr stark.

Vorbild Börsenverein

Apropos Börsenverein. Dieser Verband, in dem sich rund 4.500 Verlage, Buchhandlungen, Zwischenbuchhändler und andere Medienunternehmen zusammengeschlossen haben, hat nicht nur über 50 bezahlte Mitarbeiter*innen, von denen viele etwa 220 Tage im Jahr acht Stunden täglich für die Interessen der Mitglieder arbeiten, er hat auch das Geld, ordentlich Lobbyarbeit zu machen. 2018 beliefen sich die Einnahmen auf 8,2 Millionen Euro. Für den Posten »Lobbyarbeit/Interessenvertretung« gab der Börsenverein rund 735.000 Euro aus und für »Öffentlichkeitsarbeit/Marketing« 1,47 Millionen Euro.(1) Mit diesem Geld lässt sich arbeiten.

Was müssten die Worturheber*innen tun, um endlich ähnlich schlagkräftig zu werden?
Wie viele Autorinnen und Übersetzer gibt es überhaupt?(2)
Ist es von Vorteil, dass es – wie derzeit – für fast jedes Genre einen eigenen Verein gibt?
Für Verbandsarbeit braucht es heutzutage keine Gebäude, deren Unterhalt viel Geld verschlingt. Es genügen virtuelle Räume.

Auf der Autorenwelt hätten alle Platz.

Thalia und Amazon

Kürzlich hat Thalia, die bundesweit größte Buchhandelskette(3), erklärt, man wolle aus der Tarifbindung aussteigen und ab sofort ein erfolgsabhängiges Vergütungssystem einführen. Was das für die rund 6000 Beschäftigten in den rund 350 Filialen bedeutet, kann man sich denken. Der Jahresumsatz von Thalia beträgt etwa 1,2 Milliarden Euro.(4)

Der Autorenwelt-Shop zahlt direkt oder indirekt (via Netzwerk Autorenrechte[5]) 7% vom Bruttoladenpreis je verkauftes Buch an die Autor*innen. Um mal zu träumen: Bei 1,2 Milliarden wären das 84 Millionen Euro, die zusätzlich (neben den Verlagstantiemen) an die Autor*innen und ihre Verbände flössen.
Immer wichtiger wird der Online-Buchhandel. 2019 betrug der Umsatzanteil des Internetbuchhandels in Deutschland 20%.(6) Rund 1,86 Milliarden Euro wurden online erwirtschaftet.(7)

Womit wir beim Marktführer Amazon wären. handelsdaten.de schätzt Amazons Gesamtumsatz mit Büchern und Medien für 2019 in Deutschland auf 1,3 Milliarden Euro.(8) Aufgrund der Corona-Pandemie dürfte Amazon 2020 stark zugelegt haben.

Um mal zu träumen: Was wäre, wenn der Autorenwelt-Shop so groß wäre wie Amazons Buchsparte in Deutschland? Es sind die Leserinnen und Leser, die bestimmen, wo sie ihre Bücher einkaufen. Viele, die bei Amazon ihre Bücher kaufen, wissen nicht, wie schlecht es den Autor*innen geht. Viele suchen online nach einer Alternative.

Die Autorenwelt ist diese Amazon-Alternative.

Wobei: Der Autorenwelt-Shop will kein zweites Amazon werden. Jeff Bezos ist nicht mein Vorbild.

Verantwortungseigentum

Oft habe ich mich gefragt, welche Rechtsform für das, was mir vorschwebt, am besten geeignet wäre. Eine (gemeinnützige) Aktiengesellschaft? Eine GmbH & Co. KG? Eine Genossenschaft? Eine Stiftung? Oder einfach ein eingetragener Verein?

Wilhelm Uschtrin, Angelika Fuchs und Sandra Uschtrin stoßen auf die Gmbh-Gründung an.

2015 gründeten wir – Wilhelm Uschtrin, Angelika Fuchs und ich – erst einmal ganz profan eine GmbH, die Autorenwelt GmbH. (Mein Vater, der eine OHG hatte, übersetzte »GmbH« wegen der beschränkten Haftung so: »Gesellschaft mit beschissenem Hemd«.) Doch zufrieden waren wir mit dieser Rechtsform nicht.

Vor einiger Zeit entdeckte Wilhelm eine neue Rechtsform: Verantwortungseigentum. Diese neue Rechtsform ist in Dänemark schon weit verbreitet, in Deutschland wird dafür gerade getrommelt.

»Verantwortungseigentum beschreibt eine Form von Eigentum an einem Unternehmen, bei der unternehmerische Nachhaltigkeit generationenübergreifend sichergestellt werden kann und der Zweck des Unternehmens höchste Priorität genießt. [...] Verantwortungseigentum macht es möglich, dass Unternehmen langfristig selbstständig und ihren Werten treu bleiben können. Gewinne und Vermögen werden nicht für individuelle Zwecke entnommen, sondern dienen dem Unternehmenszweck und der Entwicklung des Unternehmens.«(9) Ein solches Unternehmen gehört quasi sich selbst und kann kein Spekulationsobjekt werden. Getragen wird es von Menschen, die sich mit den Zielen des Unternehmens verbunden fühlen.

Seit letztem Mai sind wir dabei, die Autorenwelt GmbH in Verantwortungseigentum zu überführen. „Gewinne des Unternehmens«, so heißt es in unserer neuen Präambel, »werden nicht privatnützig ausgeschüttet, sondern entweder reinvestiert oder für gemeinwohlorientierte Zwecke verwendet«.

Bald haben wir die Umwandlung der Autorenwelt in Verantwortungseigentum abgeschlossen.

Auch nach außen hin machen wir damit deutlich: Die Autorenwelt agiert zum Wohle der Autorinnen und Autoren.

Ihr könnt uns vertrauen und auf uns bauen.

Anmerkungen

(1) Die Zahlen stammen aus dem Jahresbericht 2018/2019 des Börsenvereins des deutschen Buchhandels e.V., Seite 40f. Der aktuelle Jahres- und Finanzbericht 2019/2020 ist derzeit nur für Mitglieder des Börsenvereins einsehbar.

(2) Die VG WORT schüttete 2019 laut Geschäftsbericht an 48.397 Autor*innen Bibliothekstantiemen-Gelder aus; insgesamt gab es 275.024 wahrnehmungsberechtige Autor*innen. Bei der Künstlersozialkasse waren im Bereich Wort 41.220 Autorinnen und Journalisten versichert. Ihr durchschnittliches Jahreseinkommen betrug zum 1. Januar 2020 22.349 Euro, siehe: www.kuenstlersozialkasse.de/service/ksk-in-zahlen.html

(3) »Seit Jahren gibt es im deutschen Buchhandel eine starke Tendenz zur Konzentration. Rund 10 Prozent der Buchhandlungen machen über zwei Drittel des Umsatzes aus. Zu den bundesweit führenden Anbietern gehören die Buchhandelsunternehmen Thalia (Thalia Holding), Hugendubel sowie Weltbild. Daneben gibt es Universitäts- und Fachbuchhandlungen wie z. B. Schweitzer Fachinformationen und Lehmans Media sowie größere Filialisten auf regionaler Ebene wie Mayersche Buchhandlung, Heymann, Osiander. Etwa 90 Prozent der Buchhandlungen in Deutschland sind kleinere, unabhängige Buchläden.« In: Der deutsche Buchhandel, www.handelsdaten.de/branchen/buchhandel

(4) Die Zahlen stammen aus dem Artikel von Gudrun Giese: »Herber Angriff am Jahresbeginn. Thalia I – Buchhändler will deutschlandweit erfolgsabhängiges Vergütungssystem einführen«. In: ver.di publik, 1-2021, Seite 5.

(5) Die Autorenwelt zweigt von jedem Buch, das im Autorenwelt-Shop gekauft wird, 7% vom Bruttoladenpreis ab, und gibt es direkt oder indirekt an Autor*innen weiter. Direkt meint: Kann sie dieses Geld einem Autor konkret zuordnen (weil dieser am kostenlosen Autorenprogramm teilnimmt), wird es dem Autor gutgeschrieben. Indirekt meint: Kann dieses Geld keiner bestimmten Autorin zugeordnet werden (weil sie sich noch nicht beim Autorenprogramm angemeldet hat oder nicht mehr lebt, Beispiel: Ingeborg Bachmann), fließt das Geld in einen digitalen Geldtopf. Das Geld, das sich dort ansammelt, geht an Autorenvereinigungen, bisher an das Netzwerk Autorenrechte. Siehe auch: Autorenwelt unterstützt Netzwerk Autorenrechte mit 6.288,66 Euro

(6) (7) Der deutsche Buchhandel, www.handelsdaten.de/branchen/buchhandel

(8) www.handelsdaten.de/buchhandel/ranking-umsatz-top-unternehmen-buchhandel-dach-2019

(9) www.verantwortungseigentum.de

 

Blogbilder
Foto oben: Caleb Hernandez Belmonte auf Unsplash
Foto unten: Wilhelm Uschtrin, Angelika Fuchs und Sandra Uschtrin feiern die GmbH-Gründung.

 

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