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Zoë Beck und ihre Lektorin Catherine Beck im Gespräch

Federwelt
Anne Weiss
Zoë Beck und Catherine Beck

#5 Zoë Beck und ihre Außenredakteurin Catherine Beck im Gespräch mit Anne Weiss: wie aus einem Tweet gemeinsame Textarbeit wurde, wie man seine Wunschlektorin beim Verlag durchsetzt und wie wichtig Ehrlichkeit für ein gutes Lektorat ist

Was genau macht ein gutes Elternteam fürs Buchbaby aus? Was müssen Autorinnen und Autoren in der Zusammenarbeit mit dem Lektorat beachten – und umgekehrt?

Seit einer Weile befrage ich dazu Buchteams aus denen, die Texte schreiben, und denen, die ihnen den Feinschliff verleihen. Den Auftakt machten in Heft 133 Markus Heitz, der Fantasy und Horror schreibt, und seine Lektorin Hanka Leo – dort findet ihr auch einen längeren Beitrag dazu, was aus meiner Sicht gute Zusammenarbeit im Lektorat ausmacht.
Diesmal geht es um die Bestsellerautorin Zoë Beck, die in vielen Rollen in der Medienwelt unterwegs ist: als Verlegerin, Übersetzerin, Synchronregisseurin, Dialogbuchautorin ... Ihre Bücher erscheinen unter anderem bei Suhrkamp und Heyne, sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet – mit dem Friedrich-Glauser-Preis und dem Deutschen Krimipreis etwa.
Zoës Textredakteurin ist Catherine Beck, die Literaturwissenschaft und Philosophie studiert hat und frei für Droemer Knaur, Heyne, Ullstein und andere Verlage arbeitet. Wie man mit seiner Lektorin redet, erzählen die beiden in diesem Interview. Wie man auf gar keinen Fall miteinander reden sollte, dazu findet ihr im Randstreifen wieder einen Kasten mit Sätzen, die die Zusammenarbeit vergiften.

Autorin und Textredakteurin tragen den gleichen Nachnamen, das ist schon ungewöhnlich ... Seid ihr etwa verwandt – oder wie habt ihr euch gefunden?
Zoë Beck: Nein, wir haben uns auf Twitter kennengelernt. Catherine war die Textredakteurin einer befreundeten Autorin und folgte mir auf Twitter. Eines Nachts schrieb ich dort, dass ich am Verzweifeln sei, weil mein damaliger Roman Brixton Hill mit Redaktionsvorschlägen zurückgekommen war, die gar nicht dem entsprachen, was ich wollte. Hätte ich diese Änderungen angenommen, wäre es nicht mehr mein Buch gewesen. Natürlich hätte ich die Arbeit der Redakteurin ignorieren können, aber ich bin der Meinung, dass eine gründliche Textarbeit notwendig ist – genau wie ein dramaturgisches Lektorat zuvor. Man kann sich nicht selbst lektorieren oder redigieren. Man übersieht immer etwas, weil man zu nah am Text ist. Dazu braucht es dann eine, die weiß, wie man schreibt, wohin man will, was stilistisch passt … Catherine bot nach meinem Tweet spontan an, mir bei der Überarbeitung zu helfen.

Wie hast du es geschafft, deinen Verlag zu überzeugen, Catherine zu beauftragen – es hatte ja schon eine Textredaktion gegeben?
Zoë Beck: Ich kontaktierte meine Lektorin und sagte, dass ich die Textredakteurin wechseln möchte. Ich habe sachlich detailliert begründet, warum die Textredaktion stilistisch nicht zu mir und diesem Buch passt. Natürlich war das für mich erst mal eine fürchterliche Situation. Die Person, die freiberuflich an meinem Text gearbeitet hat, war sehr nett und hatte auch ein sehr gutes Händchen für andere Genres. Ich wollte nicht, dass sie wegen mir eventuell keine weiteren Aufträge vom Verlag bekommt oder in einem schlechten Licht dasteht. Ich habe mich sehr bemüht zu erklären, dass es einfach an mir liegt. Die zuständige Lektorin hat das sehr gut verstanden. Ich erzählte also von Catherine, die im Verlag schon bekannt war, und der Wechsel war damit kein Problem. Das war vor sechs Jahren. Und ich muss sagen, sie hat mich damals gerettet – und danach immer wieder.

Wie entsteht via Social Media denn gleich so ein enges Vertrauensverhältnis?
Catherine Beck: Dass Zoë mir überhaupt auf Twitter gefolgt ist und wir uns persönliche Nachrichten schreiben konnten, war einer vorherigen Albernheit von mir geschuldet und eher Zufall. Als dann plötzlich der Tweet kam, habe ich kaum eine Sekunde überlegt. Umgekehrt war ich unglaublich überrascht, dass sie mir so spontan vertraut und den Text schickt. Weil ich große Lust hatte, mit ihr zu arbeiten, habe ich das komplette Wochenende durchgeackert, und Montagmorgen stand die durchgesehene Fassung. Zoë hatte schon noch mal bei unserer Bekannten nachgefragt, wer und wie ich so bin – aber der Rest lief tatsächlich so spontan ab.
Ich verstehe Zoë einfach – ihren Stil und was sie wie sagen will. Das ist wie bei Begegnungen: Natürlich kann Nähe gelernt und geübt werden, aber wenn sie von Anfang an da ist, vereinfacht das alles. Twitter ist im Wesentlichen eine textorientierte Plattform, und wenn man aufmerksam liest, kann man da schon ein grundlegendes Gefühl bekommen, wie jemand mit Sprache umgeht ... Andererseits posen da auch viele, das darf man nicht vergessen. Wir haben dann schnell festgestellt, dass wir auch dasselbe Lieblingstheater in Berlin haben – die Schaubühne – und uns in Sachen Gewichtung und Gestaltung von Inhalten oft einig sind.

Arbeitet ihr schon im Exposé-Stadium zusammen oder erst am fertigen Manuskript? Wie läuft das üblicherweise ab?
Zoë Beck: Erst am fertigen Text, also am fast fertigen: nachdem das Verlagslektorat draufgeschaut hat, ob noch größere Änderungen nötig sind – also das strukturelle Lektorat schon geschehen ist. Catherine ist für den Feinschliff da.
Catherine Beck: Zoë plottet sehr gründlich und versiert – ich komme wirklich erst ins Spiel, wenn es um die Nuancen und die Politur geht. Ich arbeite inzwischen seit 16 Jahren als Freie Lektorin und gehe immer davon aus, dass alles, was dasteht, einen Grund hat – die Autorin oder der Autor hat sich was dabei gedacht. Genauso möchte ich im Gegenzug auch meine Eingriffe und Vorschläge behandelt wissen. Wenn das die Basis bildet, sollte nicht allzu viel schiefgehen.

Was schätzt ihr aneinander?
Zoë Beck:
Catherine sagt sehr deutlich, respektvoll und fundiert ihre Meinung, und ich kann ihr komplett vertrauen. Sie unterstützt mich, will sich nicht selbst im Text verwirklichen, verbiegt nicht die Sprache. Außerdem kann man toll mit ihr ins Theater oder Essen gehen, praktischerweise wohnen wir beide in Berlin, haben ähnliche Unverträglichkeiten. Ich liebe sie sehr.
Catherine Beck: Ich kenne sehr viele schreibende Menschen – und nur wenige, die so unglaublich gründlich und professionell arbeiten wie Zoë. Niemals lädt sie aus geistiger oder praktischer Faulheit Arbeit auf den Rücken anderer ab. Sie macht sich über alles Gedanken und ist trotzdem nicht zu stolz zuzugeben, wenn sie mal eine Kleinigkeit übersehen hat. Dass sie so vertrauen kann, macht sie vertrauenswürdig. Und wir können tatsächlich wunderbar Freizeit miteinander verbringen ...

Zoë spielt Klavier, hat als Musikerin Wettbewerbe gewonnen und Konzerte gegeben – wie wichtig ist Musikalität, und habt ihr da eine gemeinsame Ebene?
Zoë Beck:
Gut klingen soll ein Text natürlich auch. Und tatsächlich haben wir eine große Schnittmenge an Musik, die wir beide gern hören. Tori Amos zum Beispiel!
Catherine Beck: Genau: Musikalität der Sprache, überhaupt die Gewichtung der Sprache – auch da sind wir uns einig. Plotgetriebene Texte vernachlässigen diese Ebene öfter mal; das finde ich dann immer ein wenig schade. Musikalität im Ausdruck zu erreichen und die Sätze dennoch nicht ausschweifend zu bauen oder sie mit schweren Girlanden zu behängen, das macht uns beiden Freude.

Gibt es auch mal Streit oder Missverständnisse? Was beachtet ihr, um Arbeit und Privates auseinanderzuhalten?
Zoë Beck:
Untereinander? Nein. Ich gebe ihr selbst dann meine Texte, wenn dieser Arbeitsschritt von Verlagsseite nicht bezahlt wird. Bei kleineren Projekten, Kurzgeschichten zum Beispiel, oder bei Neuauflagen älterer Sachen zahle ich ihre Arbeit eben privat.
Einmal gab es furchtbaren Ärger, weil sich die für meinen Roman zuständige Person – obwohl sie von vornherein darüber informiert war und alles komplett transparent ablief – persönlich angegriffen fühlte. Lange Geschichte. Es führte dazu, dass ich mit dieser Person gar nicht mehr zusammenarbeiten konnte und im Verlag einen neuen Lektor bekam. 
Catherine Beck: Bisher nicht und hoffentlich nie. Es würde mir wahnsinnig schwerfallen, Zoë zu sagen, wenn ich einen Text von ihr tatsächlich missglückt fände. Dass ich es sagen würde, wissen wir beide, und weil wir ehrlich miteinander umgehen, würden wir eine solche Situation wohl auch überstehen. Ich würde den Text in einem solchen Fall wohl an jemand anderen „abgeben“ und nicht anfangen, ihr meine Vorstellungen unterzujubeln.
Berufliches von Privatem zu trennen fällt uns einerseits leicht, weil uns eben noch andere Interessen verbinden – andererseits ist das gar nicht immer nötig, weil wir ja nicht unter unserer Arbeit leiden. Eher im Gegenteil.
Zoë Beck: Wenn es um die konkrete Textarbeit geht, sprechen wir auch nur über den Text und klammern alles andere für eine Weile aus – und der Fokus wirkt.

Gab es einen Moment in der Zusammenarbeit, der euch enger zusammengeschweißt hat?
Catherine Beck: Dass Zoës Roman Schwarzblende zum Beispiel genau so endet, wie er es tut, habe ich ihr ganz am Ende und in tiefster Nacht noch mal beherzt bestätigt. Das war ein solcher Moment – ihr den Rücken zu stärken. Es ging um eine leitmotivische Formulierung, und das kennen sicher viele: Wenn man zu intensiv über einen Satz nachdenkt, ist man irgendwann unentschlossen. Zoë arbeitet viel nachts, darum fand unser letztes Telefonat dazu gegen zwei Uhr statt. Aber: Am nächsten Morgen hätte sie es auch allein als vollkommen richtig betrachtet.

Wie weit geht das Vertrauen zur Lektorin? Darf sie was im Alleingang erledigen, ohne weitere Rücksprache?
Zoë Beck:
Ja, sie darf das. Sie weiß, wie weit sie gehen kann und wohin ich will.
Catherine Beck: Das darf ich, weil ich Zoë verstehe und nicht versuche, mich mittels ihrer Arbeit selbst auszudrücken. In kreativen Arbeitsfeldern – und Lektorate haben eben auch einen gewissen kreativen Anteil – ist es immer besonders unangenehm, wenn sich der unterstützende Part gewissermaßen huckepack verwirklichen möchte. Und ganz egal, wie groß mein Anteil am endgültigen Text auch sein sollte – mein Platz ist immer in der zweiten Reihe. Wer sich mit nach vorne drängeln will, sollte wirklich darüber nachdenken, ob er den richtigen Job hat.

Was ratet ihr schreibend oder redaktionell Tätigen, wenn sie unzufrieden mit ihrem „Partner” oder ihrer „Partnerin“ sind?
Zoë Beck:
Unzufrieden zu sein heißt nicht, dass die Arbeit der anderen Person schlecht ist. Es heißt, dass man nicht auf derselben Wellenlänge ist, einen anderen Geschmack hat, einen anderen Stil … Man muss darüber dringend miteinander reden. Ich habe jedes Mal sehr gelitten, wenn so etwas passiert ist, und es ist oft passiert.
Einmal hatte ich eine Leseprobe abgegeben, und die Lektorin sagte: „Aber das ist ja noch reduzierter und kühler als sonst!“, und ich sagte: „Ja, super, oder?“ Sie fand es richtig scheiße, ich fand es richtig gut. Wenn man dann nicht zueinanderfindet, wird es sehr qualvoll, für beide. Ich habe irgendwie immer gemerkt, dass sich die Lektorin etwas anderes von mir wünscht, und ich konnte es ihr nicht liefern. Nach zwei Titeln habe ich dann bei einem anderen Verlag weitergemacht. Wie gesagt, ich glaube, dass alle Texte ein gutes Lektorat vertragen können – ich halte mich nicht für perfekt und nicht alle meine Entscheidungen für richtig. Lektorate und Textredaktionen, die noch mal genau draufschauen und in die Richtung arbeiten, in die die Autorin will, sind eine riesige Hilfe. Man bekommt einen Blick für die eigenen stilistischen Schwächen, dafür, welche Unwörter man benutzt, wann man sich endlos wiederholt, wo man nicht präzise genug ist … Das schult für den nächsten Text.
Catherine Beck: Wenn es nicht passt, sollte man nicht allzu sehr versuchen, es zu erzwingen. Das gilt sowohl für die stilistische als auch für die persönliche Ebene, wobei ich letztere gar nicht so stark gewichte. Ein, zwei grundlegende Gespräche bringen ans Licht, ob es was werden kann oder nicht. Wenn nicht – trennen. Das ist natürlich aufwendig und unschön. Dann muss man den Verlag – der sich natürlich auch was beim Gespann Autor/in-Redakteur/in gedacht hat – darum bitten, ein neues Team zu bilden. In meinen 16 Jahren Berufspraxis ist mir das aber nur zweimal passiert, grundsätzlich steht ja immer erst mal für alle das jeweilige Buch im Vordergrund. Autor/in, Verlag und ich wollen dasselbe, nämlich einen gelungenen Text auf die Beine stellen, und je sympathischer sich alle sind, desto schöner ist es. Aber es geht ja nicht darum, gemeinsam in den Urlaub zu fahren.
Beim Lektorat geht es nicht um Empfindlichkeiten, sondern vielmehr um das, was dabei entsteht: um eine Richtung, einen Reifeprozess als Autorin oder Autor, vielleicht auch um eine Kursänderung bei den Themen oder im Stil. Beweglich, aber nicht beliebig – so sollte ein gutes Lektorat sein.

Hinweis: In der Federwelt-Ausgabe Nummer 142 erzählen die niederländische Bestsellerautorin Elma van Vliet und ihre Verlagslektorin Ilka Heinemann, wie sie zu der ungewöhnlichen Arbeit über Landesgrenzen hinweg gekommen sind. Sie verraten außerdem, wie sie die Idee zu der erfolgreichen Erzähl-mal-Reihe ausgetüftelt haben und auch neue Produkte zusammen entwickeln …

Linktipps

 

Autorin: Anne Weiss | www.bonnerweiss.de | [email protected]
Erschienen in: Federwelt, Heft 139, Dezember 2019
Foto: privat

 

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Dieser Artikel steht in der Federwelt, Heftnr. 139, Dezember 2019: /magazin/federwelt/archiv/federwelt-62019
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