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Schreibsoftware im Test: Papyrus Autor

der selfpublisher
Wolfgang Tischer

Schreibsoftware im Test

 

Papyrus Autor – weitaus mehr als eine Textverarbeitung

 

Autor: Wolfgang Tischer

 

Begreift man Schreiben als Handwerk, sollte die Textverarbeitung das wichtigste Werkzeug des Autors sein. Es erstaunt, dass die meisten Autoren ihrer Schreibsoftware wenig Beachtung schenken. Sie tippen ihre Texte mit Word, LibreOffice oder OpenOffice, weil sie diese Programme kennen und seit Jahren verwenden.

Es gibt aber eine kleinere Zahl von Autoren, für die das eingesetzte Schreibprogramm sehr wichtig ist. Bei Treffen, Seminaren und im Netz diskutiert und streitet diese Gruppe oft darüber, welches Programm denn nun das beste sei. Es sind Diskussionen, wie sie bei Themen wie Autos, Religionen oder Computerbetriebssystemen zu hören sind. Die Schreibsoftware wird zur Glaubensfrage.

Papyrus Autor hat in den letzten Jahren eine wachsende Zahl von Anhängern gewonnen – auch und gerade unter Selfpublishern. Doch es sind immer wieder Stimmen zu hören, die die Software als unübersichtlich und kompliziert bezeichnen.

Die Geschichte von Papyrus reicht lange zurück. Die Software existierte schon, als Atari noch eine Computerfirma war. Heute gibt es Papyrus für Mac- und Windows-Systeme. Mit dem Kauf einer Lizenz erwirbt man die Software für beide Welten.

Papyrus Autor wird in Deutschland programmiert. Das merkt man unter anderem bei der Sprach- und Stilanalyse, die nichts mit einer banalen Rechtschreibprüfung gemein hat, wie sie von Word angeboten wird. Papyrus Autor wurde speziell für (Buch-)Autoren entwickelt. Auch das unterscheidet das Programm von Word. Seit langer Zeit arbeiten die Entwickler von Papyrus eng mit dem Bestsellerautor Andreas Eschbach zusammen, der viele Funktionen des Programms angeregt hat. Auch sonst ist das Papyrus-Team für Anregungen aus dem Kreis der Anwender dankbar und setzt vieles davon in den regelmäßig erscheinenden Updates um.

Aktuell ist die Version 8 erschienen, die speziell für deutsche Selfpublisher eine Reihe neuer Funktionen mitbringt.

Die Oberfläche

Startet man Papyrus Autor 8, fällt Nutzern der Vorgängerversion sicherlich auf, dass die Menüs mit farbigen Icons bunter und ansprechender gestaltet sind. Zudem lassen sich mehrere offene Dokumente nun wie bei Web-Browsern als Tabs in einem Fenster darstellen.

Dennoch kommt die Oberfläche nicht cool und trendy daher wie einige der neuen Textprogramme – speziell für den Mac. Papyrus wirkt optisch immer noch etwas altbacken mit unzähligen Icons und Menüpunkten. Ein Graus für diejenigen, die nur den Text sehen wollen, sich durch Menüleisten abgelenkt fühlen und für die bereits die Rechtschreibprüfung ein Eingriff in die dichterische Freiheit darstellt.

Jedoch: Papyrus Autor kann auch einfach. Sie wollen nur den Text sehen? Am besten Grün auf Schwarz und ohne Menüs und Textmarkierungen? Für Papyrus kein Problem. Sie können blitzschnell zwischen einer einfachen textfokussierten Ansicht und einer Ansicht mit allen Bearbeitungsmöglichkeiten und einer tief gehenden Textanalyse umschalten. Sie müssen nur wissen wie.

Die größte Stärke von Papyrus ist die Konfigurierbarkeit – und gleichzeitig ist es die größte Schwäche. Denn was für das Erscheinungsbild gilt, gilt nahezu für alle Papyrus-Bereiche, egal ob Stilanalyse oder Speichervorgang: Sie können dieses Programm so perfekt an Ihre eigenen Bedürfnisse anpassen, dass Sie sich nicht vorstellen können, jemals wieder einen Roman mit einer anderen Software zu schreiben.

Das wiederum kann grauenhaft für diejenigen sein, die sich nicht die Zeit nehmen wollen, die Möglichkeiten von Papyrus zu erkunden. Natürlich kann man einfach drauflosschreiben, doch dann ist Papyrus Autor wie jede andere Textverarbeitung auch und das Potenzial ungenutzt. Stattdessen ärgert man sich, dass einiges eben nicht so funktioniert wie beim gewohnten Microsoft Word.

Zielgruppen

Den meisten Luxus bietet Papyrus Autor für Romanautoren. Eine Figurendatenbank hilft, die Eigenschaften der Charaktere zu verwalten, damit keine Widersprüche entstehen. Der Zeitstrahl hilft, die logische Abfolge der Handlung im Blick zu behalten, selbst wenn mit vielen Rück- und Vorblenden gearbeitet wird. Beides zusammen kann wiederum helfen, Nebenfiguren zu reduzieren und zusammenzufassen. Szenen, Schauplätze und wichtige Ereignisse lassen sich markieren, um sich über den Navigator rasch im Text und in der Handlung zu bewegen. Neu in der Version 8 ist das sogenannte „Denkbrett“. Hier lassen sich Personen, Orte oder Beziehungsgefüge grafisch darstellen und bei Bedarf reißbrettartig verschieben. Das kann visuell orientierte Autorinnen und Autoren bei der Plot-Planung unterstützen.

Selbst Copy-and-Paste von Textstellen fühlt sich mit Papyrus anders an. Zum einen passt Papyrus beim Textverschieben die Leerzeichen logisch an, sodass doppelte oder fehlende vermieden werden. Darüber hinaus können beliebig viele Textfragmente im Klemmbrett zwischengespeichert werden. Textstellen können in Papyrus zum „Geist“ oder zur „Mumie“ werden. Dies hilft, alternative Versionen eines Absatzes oder eines ganzen Kapitels weiterhin im Blick zu behalten. Papyrus unterstützt auch das Nachverfolgen der Änderungen, doch ein alternativer „Geistertext“ bleibt besser im Zugriff.

Mächtig sind all diese Funktionen in ihrem Zusammenspiel: Ist die Szene notwendig, in welcher der Mörder bei seiner Mutter Kaffee trinkt? Hilft sie dem Leser, sein Motiv zu verstehen, oder ist sie überflüssig und langweilig? Statt sie zu streichen, bleibt sie erst einmal im Text. Vielleicht stellt sich später heraus, dass die Szene als Rückblende besser wäre. Hier kann der Zeitstrahl bei der Positionierung helfen.

Fast überflüssig zu erwähnen, dass sich der Zeitstrahl ebenfalls konfigurieren lässt. Er hilft dem Krimiautor bei der minutiösen Planung eines Mordes, lässt aber auch die Autorin von historischen Romanen mühelos durch die Jahrhunderte springen.

Papyrus ist für Belletristik- und Sachbuchautoren geeignet. So assistiert Papyrus bei der Dokumentation von Recherche-Ergebnissen. Mit dem Text lassen sich zusätzliche Informationen abspeichern. Das können Notizen sein, aber auch Fotos und Grafiken, Websites und sonstige Links. Wer mit dem Firefox-Browser arbeitet, kann sich sogar ein Plug-in installieren, um bei der Recherche im Web Daten direkt an Papyrus zu übergeben. Das geht so weit, dass die Web-Adresse abgespeichert wird, wenn Texte oder Bilder per Copy-and-Paste übernommen werden.

Stilanalyse und Typografie

Die beeindruckendsten Fähigkeiten von Papyrus Autor sind Stilanalyse und Rechtschreibprüfung. Von ihnen profitieren nicht nur Belletristik- und Sachbuchautoren, sondern auch Journalisten, Blogger und alle „Textarbeiter“. Wer nun müde lächelt und an die Rechtschreibprüfung seiner alten Textverarbeitung denkt, der hat noch nicht erlebt, was Textverarbeitung und -analyse wirklich bedeuten. Zum einen hat Papyrus den kompletten Duden mit seinem Wortschatz, Regeln und Schreibempfehlungen integriert. Hier lässt sich einstellen, welchen Regeln man folgen möchte und welchen nicht. Allein der Duden-Wortschatz ist weit von den Wortbeständen anderer Programme entfernt.

Noch weiter geht die Stilanalyse. Sie hilft beim Aufspüren von überflüssigen Füllwörtern wie auch, doch und natürlich. Eigene zu häufig benutzte Wörter lassen sich aufnehmen. Wird ein Wort zu oft in zu kurzem Abstand verwendet? Auch das wird sofort angezeigt, und ein umfangreicher Thesaurus steht bereit. Lange und unübersichtliche Sätze werden markiert, und Papyrus spürt sogar Passivkonstruktionen und Nominalstil („Amtsdeutsch“) auf. All das erspart keinen Lektor, hilft jedoch bereits beim Schreiben, Schwachstellen und ungewollte „Schreibticks“ zu vermeiden. Damit man von all diesen Hilfen und Markierungen nicht abgelenkt wird, lassen sich sogenannte Sets definieren, von denen Papyrus bereits einige mitbringt. So kann man den Text zunächst ohne Hinweise und Anmerkungen runtertippen. Per Mausklick schaltet man dann auf „Überarbeiten“ und erhält eine Reihe hilfreicher Markierungen, um den Text zu optimieren. Die Krönung ist schließlich die Lesbarkeitsanalyse. Wird sie aktiviert, färbt Papyrus die Absätze farblich ein. Je „roter“ die Anzeige, desto unlesbarer und komplizierter schätzt die Software den Absatz ein. Auch hier verblüfft das Ergebnis der maschinellen Analyse.

Wer viele Dialoge schreibt, kann den übrigen Text mit einem Klick ausblenden. Die Dialogpassagen treten nun deutlich hervor, um Plausibilität und Realitätsnähe zu überprüfen.

Während Word nur „typografische Anführungszeichen“ bietet, lassen sich bei Papyrus die unterschiedlichsten Varianten einstellen, beispielsweise die ästhetisch schöneren und beim Buchsatz ruhiger wirkenden umgekehrten französischen Anführungszeichen.

Auch die Einzüge bei Absätzen behandelt Papyrus mit Version 8 typografisch korrekt. Stehen Absätze direkt hintereinander, erfolgt ein Einzug. Nach Überschriften und Leerzeilen wird der Einzug aufgehoben.

Textausgabe und Textübergabe

Das Team hinter Papyrus ist seit geraumer Zeit auf den beiden großen Buchmessen in Frankfurt und Leipzig zu finden. Hier hat es auch den Selfpublishern gut zugehört, und Version 8 bringt spezielle Verbesserungen, die vor allen Dingen die Ausgabe und Formatierung betreffen. Papyrus erlaubte es schon in der letzten Version, die Datei als fertiges E-Book im EPUB- oder MOBI-Format abzuspeichern. In Version 8 wurde die Ausgabe nochmals optimiert, um die Dateien für die populären Plattformen Amazon KDP und Tolino vorzubereiten. Sämtliche relevanten Informationen, aber auch Metadaten wie Inhaltsangabe und Autorenbeschreibung lassen sich erfassen. Sind die Daten vollständig, wird mit einem Klick ein Impressum erzeugt. Ebenso können ganze Titeleien für E-Book und Printversion automatisch erzeugt werden, die man danach gegebenenfalls noch manuell anpassen kann.

Papyrus bringt eine ganze Reihe sinnvoller Dokumentvorlagen mit, hierzu zählen jetzt auch die Dateiformate für Amazons Print-on-Demand-Dienstleister CreateSpace und den Anbieter epubli. Weitere populäre Dienstleister sollen folgen.

Setzt man beim Schreiben die korrekte Dokumentvorlage ein, kann man später mühelos sowohl die PDF-Variante für den Print-on-Demand-Anbieter als auch die E-Book-Datei erzeugen.

Auch das Umformatieren eines Textes in Normseiten geschieht mit Papyrus auf Knopfdruck. Dabei wird automatisch ein neues Dokument angelegt, die Ursprungsversion bleibt erhalten. So lässt sich schnell prüfen, wie umfangreich der Text in Normseiten ist, ohne den Text vollständig in dieser spröden Formatierung zu schreiben.

Überhaupt: Zielvorgaben! Auch sie sind enorm hilfreich. Hat man eine Deadline? Den Leserinnen bereits einen Erscheinungstermin in Aussicht gestellt? Oder das persönliche Ziel, pro Tag mindestens 1.000 Wörter zu schreiben? Den NaNoWriMo vor Augen? Mit Papyrus lassen sich all diese Ziele erfassen, und ein kleiner grüner oder roter Balken zeigt an, wie viele Zeichen oder Wörter man noch schreiben sollte oder wie viele Tage es noch bis zur Abgabe oder geplanten Veröffentlichung sind. Auch beim Redigieren und Überarbeiten ist die visuelle Zielkontrolle hilfreich. Papyrus unterstützt darüber hinaus die umfangreiche Versionierung einer Textdatei.

Damit Papyrus all die Informationen ablegen kann, wird ein eigenes Dateiformat mit der Endung pap verwendet. Je nachdem, welche Funktionen des Programms eingesetzt werden, kommen weitere Datenbank-Dateien für Personen, Recherche und sonstige Daten hinzu. Papyrus legt dann ganze Projektordner an, in denen die Dateien abgelegt werden. Dies kann sogar in der Cloud geschehen (etwa in einem Dropbox-Ordner). Theoretisch können so mehrere Leute auf die Datei zugreifen, ein gleichzeitiges Bearbeiten wie bei Google Docs ist nicht möglich.

Das eigene Dateiformat stellt jedoch ein Problem dar, wenn andere am Text arbeiten sollen – beispielsweise ein Lektor. Wenn dieser mit Word arbeitet, kann Papyrus den Text zwar als Datei mit der Endung doc speichern, dabei gehen aber viele Informationen verloren. Papyrus selbst kann das seit einigen Jahren verwendete docx-Format auch in Version 8 nicht einlesen. Das doc-Format bereitet Papyrus bei einfachen Texten keine Probleme, setzt man jedoch Notizen und das Nachverfolgen von Änderungen ein, liest Papyrus nicht alle Informationen hundertprozentig korrekt ein. Zudem sind die Verknüpfungen zu Personen und Rechercheinfos verloren. Leider fehlt ein Dokumentabgleich, mit dem man die Änderungen des Lektors automatisch zurück ins ursprüngliche Papyrus-Format bringen könnte. Die mangelnde Kompatibilität macht die Zusammenarbeit mit Nicht-Papyrus-Anwendern schwierig. Darüber sollte man sich rechtzeitig Gedanken machen, bevor man das Dokument an einen Lektor schickt. So richtig reibungslos funktioniert dies derzeit nur, wenn auch die Lektorin oder der Lektor die gleiche Papyrus-Version einsetzt. An dieser Stelle des Arbeitsablaufs klafft leider eine Lücke, und die Brücke darüber ist wackelig.

 

Fazit: Was bringt Papyrus dem Selfpublisher?

Papyrus ist weitaus mehr als eine Textverarbeitung. Ideenfindung, Plotten, Recherche, Schreiben und Überarbeiten, Zeitmanagement und Dateiformatierungen – Papyrus deckt sämtliche Arbeitsschritte ab oder unterstützt dabei.

Selfpublisher, die Papyrus nicht kennen, sollten sich das Programm unbedingt ansehen. Auf der Website www.papyrus.de steht eine Demoversion inklusive Duden-Korrektor bereit, die vier Wochen lauffähig ist. Die Stilanalyse ist in der Demo auf einseitige Dokumente beschränkt.

Von Selfpublishern wird viel Eigendisziplin verlangt, und eines der Erfolgsgeheimnisse liegt in mehrteiligen Werken oder Serien. Hier bietet Papyrus eine optimale Unterstützung, um Storyline, Charaktere und Zeitverlauf im Blick zu behalten – auch über mehrere Bücher hinweg. Zielvorgaben helfen bei der Selbstmotivation. Und bei der Ausgabe als E-Books sind keine weiteren Programme und Konverter erforderlich.

Voraussetzung ist, dass man sich auf all das einlassen möchte und sich die Zeit nimmt, sich in die Software-Funktionen einzuarbeiten, die umfangreich dokumentiert sind.

Mit aktuell 179 Euro für die Vollversion ist Papyrus Autor gemessen an seinen Möglichkeiten ein günstiges Programm. Daneben wirkt Word wie ein Textzwerg für den Büroalltag.

Bewertungsübersicht

Pro

+ Speziell für Autoren entwickelt und konzipiert

+ Personendatenbank, Denkbrett und Zeitstrahl unterstützen bei der Stoffentwicklung

+ Hervorragende, schnell arbeitende Duden-Rechtschreibprüfung und Stilanalyse

+ E-Books und PDF-Druckvorlagen direkt aus dem Programm heraus abzuspeichern

+ Speichern von Recherche- und Metadaten

+ Zielvorgaben

Contra

- Nicht intuitiv zu bedienen

- Längere Lernphase erforderlich

- Fehlende Kompatibilität mit anderen Formaten und beim Textaustausch

- Umständlicher Installations- und Update-Vorgang

 

Autor: Wolfgang Tischer | www.literaturcafe.de
In: der selfpublisher, Heft 1, März 2016