
Wofür Autorenfotos gebraucht werden, was es bei der Aufnahme zu beachten gilt und wie hoch ihr Nutzen ist – unser Autor Oliver Wenzlaff hat es für Sie herausgefunden.
Wofür Autorenfotos gebraucht werden, was es bei der Aufnahme zu beachten gilt und wie hoch ihr Nutzen ist – unser Autor Oliver Wenzlaff hat es für Sie herausgefunden.
Frankfurter Buchmesse. Eine Frau steht vor einem Autorenfoto, auf dem ein Autor für sein Buch wirbt. „Ich kannte den jungen Mann nicht, der einen da mit einem Blick ansieht, der fast schon privat ist. Da konntest du als Frau nicht anders, du musstest da hingucken. Ich bin glücklich verheiratet, ich darf das sagen.“
Die Frau ist Karin Schmidt-Friderichs, heute Vorsteherin vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Ihr Verlag heißt Hermann Schmidt und dort heißt es: „Das Produkt ist der Star. Wir nutzen nur ganz selten Autorenfotos. Wir verzichten sogar in der Vorschau darauf.“ Ein Ausnahmefall, denn ansonsten gilt: Autorenfotos tauchen überall auf, sie sind von großer Bedeutung. „Besonders für die Programmvorschau“, sagt Alina Jahrmarkt von Rowohlt. Sie organisiert die Fotoshootings dort. Weiter seien Fotos für die Buchhandlungen ein Muss, um neue Werke und Lesungen mit Plakaten oder Aufstellern zu bewerben. „Natürlich sind die Autorenfotos auch für die Presse sehr wichtig. Von den Redaktionen wird mittlerweile vorausgesetzt, dass wir Bildmaterial mitliefern.“ Außerdem werde das Autorenfoto oft für die Buchklappe verwendet. „Bei Sachbüchern kommt es sogar vor, dass wir es auf dem Cover abbilden.“
Foto für das Exposé
Auch bevor ein Verlag gefunden ist, sind Autorenfotos im Einsatz. „Wir fragen für unsere Website immer Fotos an“, sagt Michaela Gröner, Mitinhaberin der Literaturagentur erzähl:perspektive. Etwa 80 Prozent der Bilder, die sie bekommt, sind Privataufnahmen. „Wir verwenden die Autorenfotos auch für unsere Exposés. Es reicht, wenn der Verlag einen ersten groben optischen Eindruck von den Autoren bekommt.“ Die Stoffe seien natürlich wichtiger. Profifotos werden im frühen Stadium offensichtlich nicht erwartet.
Und abseits der Verlage?
Im Selfpublishing wird extrem auf die bildlastigen sozialen Netzwerke gesetzt. Das tun Verlage längst auch, doch ist die Öffentlichkeitsarbeit dort häufig breiter gefächert und schließt bildlose Kanäle wie das Radio mit ein. „Manche Autoren lassen auf ihren Social-Media-Kanälen auch darüber abstimmen, welches Foto auf die Buchklappe kommen soll“, sagt Claudia Toman. Sie ist selbst Autorin, aber auch freiberufliche Fotografin und Coverdesignerin.
Das Bild als Verkaufsargument
Die Idee, Aufmerksamkeit über Fotos zu generieren, ist nicht neu. „Lange vor Instagram und Facebook haben Autoren bereits gewusst: Wir sind zum Bildnis verdammt“, so Professor Matthias Bickenbach vom Institut für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Köln. Er hat bereits von Baudelaire, der über 150 Jahre tot ist, folgenden Satz gefunden: „Das Portrait ist ein Verkaufsargument.“ Jener Baudelaire habe nach einem Gerichtsprozess gegen seine Blumen des Bösen die zweite Auflage mit einem Porträt erscheinen lassen wollen, um sein Image zu korrigieren – er galt als lüsterner Unmensch.
Wenig neue Regeln
Auch die Regeln des Fotografierens haben sich über die Jahre kaum verändert. „Baudelaire hat sich 1856 mit einem dunklen Anzug und einer Hand in der Tasche fotografieren lassen, lässig, als Dandy. Das wirkt immer noch modern“, so Bickenbach. Mehr noch: „Das Autorenfoto ist im Grunde genommen recht stereotyp.“ Man sehe einen Menschen, vielleicht ein Brustbild, aber eben vor allem das Gesicht als Pars pro Toto der ganzen Person.
Die Angst
Ziemlich verbreitet scheint dabei die Angst vor dem eigenen Autorenfoto: „Autoren berichten immer wieder davon. Sie erstarren zu Posen, sie entdecken Züge an sich, die sie nie zuvor wahrgenommen haben“, so Bickenbach. Sie fühlten sich festgenagelt an den Augenblick, der ihrer Person nicht entspricht, hätten Sorge, dass man sie mit ihrem Bild verwechselt.
Auch Claudia Toman beobachtet eine gewisse Angst: „Die meisten Autoren sind nicht geübt darin, sich selbst schön zu finden. Selfpublisher sind tendenziell etwas lockerer. Je jünger sie sind und je mehr sie sich in den sozialen Netzwerken bewegen, desto eher sind sie die Kamera gewohnt.“ Kennen also die eigene Schokoladenseite. „Aber auch hier gibt es viele Autoren, die sich nicht fotogen finden.“ Einige hätten schlechte Erfahrungen mit Fotostudios gemacht, seien in Posen gezwungen worden.
Die Kontrolle behalten?
Die Schweizer Autorin Julia Weber berichtet über schlechte Erfahrungen außerhalb von Studios: „Dass es Bilder gibt, die bei öffentlichen Anlässen von mir gemacht werden und die ich dann erst in der Zeitschrift oder wo auch immer sehe“, sagt sie, „das kann unangenehm sein.“ Gerade weil sie die Pressebilder nicht kontrollieren könne. Lediglich dadurch, wie sie sich vor der Kamera verhalte, könne sie hier ein Stück weit die Kontrolle behalten.
Auch nur Menschen
„Autoren werden auch nicht lieber oder weniger gern fotografiert als andere Menschen“, sagt Heike Bogenberger. Sie ist Fotografin und hat sich auf Autorinnen und Autoren spezialisiert. „Ich arbeite am liebsten und beinahe ausschließlich analog. Meist reduziere ich mich auf 72 Bilder, das entspricht zwei Filmen, einer in Farbe und einer in Schwarzweiß.“ Momentan umfasst ihr Archiv etwa 160 Literaten, darunter auch ein paar unveröffentlichte.
Wann ist ein Autorenfoto gut?
Für Bogenberger ist ein Bild gelungen, sofern es sie berührt. „Wenn es etwas auslöst in mir, wenn es sich nicht im einmaligen Betrachten erschöpft, sondern nachhallt, im besten Sinne zeitlos ist. Ich mag es, wenn der Mensch auf dem Bild mir nahekommt, etwa durch einen intensiven, unverstellten Blick oder einen intimen Moment der Selbstvergessenheit, einen Blick nach innen.“ Beim Fotografieren richte sie sich nach dem, was ihr gefalle und was in der Begegnung mit der jeweils anderen Person möglich sei.
Ein gutes Autorenfoto zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass es zum Zielmedium passt. Gabriele Schmidle, Prokuristin bei Literaturtest, einer Agentur für Buch-PR: „Geht es um den Webauftritt? Um Pressefotos? Um ein Foto, das im Buchumschlag abgedruckt wird? Oder um eine Bildstrecke für die sozialen Medien? Vielleicht übernimmt der Autor für einen Tag den Instagram-Kanal seines Verlags und braucht dafür gutes Bildmaterial? In welchem Kontext wird der Autor für welches Medium fotografiert?“ Ein Selfie vom Urlaub am Strand scheide in den meisten Fällen aus. Selfies seien generell schwierig.
Zwei Arten von Fotos
Olaf Fritsche, Autor und Hobbyfotograf, sagt, dass man immer zwei Arten von Bildern haben sollte: „Eins, wo wirklich nur das Gesicht drauf ist. Das eignet sich für die Buchrückseite. Und eins, wo der Hintergrund zum jeweiligen Buch passt.“ Damit könnten Lesungen beworben werden. „Ich habe beispielsweise ein unterhaltendes Sachbuch über Meeres-Mythen geschrieben und mich vor einem Schiff fotografiert.“ Dabei sei das Schiff im Hintergrund bewusst unscharf gehalten, damit es nicht zu sehr ablenke.
Die Effekte?
Zwischenfazit: Autorenfotos sind überall und können offensichtlich ein Verkaufsargument sein. Aber wie viel tragen sie tatsächlich zum Erfolg eines Werks oder eines Autors, einer Autorin bei?
„Ich kenne zwei Schauspieler, die sind tatsächlich der Autorin Judith Hermann auf ihrer Lesereise zu Sommerhaus, später zu vielen Lesungsorten in Deutschland hinterhergereist“, sagt Susanne Schleyer. Sie ist auf Autorenfotografie – unter anderem aus der gehobenen Belletristik – spezialisiert. Die beiden seien von dem Werk der Autorin so begeistert gewesen, aber erst endgültig durch das Foto zu wahren Fans geworden. „Die Autorin als Popstar, bei der man sich auch zehn Lesungen an zehn verschiedenen Orten anhört ...“
Schleyer, die über 1.200 Schriftsteller*innen fotografiert hat, berichtet außerdem von Fällen, bei denen Fans Autorenfotos von ihr in Leinwandgröße bestellten und sich ins Büro hängten. „Eine schöne permanente Gratis-Werbung.“ Fotos könnten sogar ein Zünglein an der Waage sein: „Nehmen wir an, ich habe zwei Bücher zur Auswahl, die inhaltlich beide gut sind, und ich kenne die Autoren noch nicht. Wenn dann jeweils ein Autorenfoto auf dem Buchrücken oder sogar auf dem Cover ist, würde ich mich für das Buch entscheiden, auf dem der Autor, die Autorin sympathischer wirkt.“
Allerdings gebe es Grenzen. Eine große Zeitung habe zum Beispiel lieber von einer anderen Autorin Fotos haben wollen, „da ihnen die Erstangefragte nicht hübsch genug war. Da ging es nicht mehr um Inhalte.“ Schleyer hat den Tausch abgelehnt. „Das ist entwürdigend.“ Bei männlichen Autoren sei ihr das in 30 Jahren Berufstätigkeit noch nie untergekommen.
Nur fürs Aussehen gebucht?
Ich frage auf der Autorenseite nach. Julia Weber: „Ich hatte zum Glück bis jetzt nie das Gefühl, dass ich wegen meines Aussehens irgendwo eingeladen wurde oder eben auch nicht.“ Harald Martenstein, Autor und Kolumnist, sagt ebenfalls: „Ich glaube nicht, dass Autoren für irgendetwas gebucht werden, nur weil sie gut aussehen. Es kommt hauptsächlich auf die Texte an. Das heißt aber nicht, dass man keine Arbeit und keine Gedanken in die fotografische Inszenierung investiert.“
Martenstein schreibt zwei Kolumnen. Eine davon im Berliner Tagesspiegel, wodurch er die Macht der Bebilderung wahrscheinlich häufiger spürt als andere: „Da wird jedes Mal eine stilisierte Zeichnung meines Gesichts gezeigt. Ich habe dem damals zugestimmt, weil ich gehofft hatte, dann auf der Straße nicht erkannt zu werden. Aber die Zeichnung ist realistisch genug, dass meine Hoffnung enttäuscht wurde.“
Wie steht es um die Veranstalter?
Wirkt hier ebenfalls die Macht der Bebilderung? „Ja“, sagt Mica Bara. Sie ist Schauspielerin, studiert Kriminologie, Kriminalistik und Polizeiwissenschaft. Als Autorin veröffentlicht sie regelmäßig Kurztexte auf Sweek, einer Selfpublishing-Plattform. Ihr erster Sammelband ist 2019 bei Wreaders erschienen, einem unabhängigen Kleinverlag, der über BoD veröffentlicht. Sie meint, Veranstalter buchen lieber jemanden für eine Lesung, wenn sie schon vom Foto her denken, dass derjenige gut ist. „Auch wenn das natürlich falsch ist. Ich persönlich habe aber mit Fotos solche Erfahrungen nicht gemacht.“
Andere Erfahrungen?
„Ich habe einmal einen Wettbewerb gewonnen“, erzählt sie. „Meine Geschichte handelte von einem Coming-out einer homosexuellen jungen Frau. Der Text wurde mit einem Foto von mir abgedruckt, auf dem ich eher jugendlich und zerbrechlich wirke.“ Und einige Leser*innen hätten in dem Text, wahrscheinlich auch aufgrund des Fotos, eine autobiografische Geschichte gesehen. „Dabei hat der Wettbewerb das Motto vorgeben, nicht mein Leben, der Text ist fiktiv. Für mich war das jetzt keine extrem schlechte Erfahrung. Ich bin ein offener Mensch und liebe Diversität. Aber ich sehe eine Gefahr, dass man in Autorenfotos zu viel reininterpretiert.“
Sind Schauspieler*innen expressiver?
Gute Fotos bleiben dennoch wichtig. Bara hat dabei als schreibende Schauspielerin einen Vorteil: „Was uns vielleicht leichter fällt, sind die Posen. „Schauspieler versuchen nämlich, alles zufällig wirken zu lassen. Wer als Autor die Chance hat, mal einen Schauspielkurs zu machen, sollte das gerne tun. Autoren können sich in Figuren hineinversetzen, sonst könnten sie nicht schreiben. Oft reicht ein kleiner Schubser durch so einen Kurs, und sie können sich auch vor der Fotokamera so präsentieren, wie sie es im Kopf haben.“
Schwer zu messen
Insgesamt gilt laut Bickenbach: „Der konkrete Effekt, den das Bild auf den Erfolg hat, ist schwer zu messen.“ Es sei eine Beigabe zum Buch und zur Person, die ihre Funktion erfüllen kann, einen guten Eindruck zu machen und eine Art von Nähe zu schaffen. Aber letztlich bleibe das Foto ein Werbemittel. Die Chefredakteurin der Federwelt gibt zu: „Wenn es bei einem Interview-Angebot heißt ‚Der oder die hat ganz tolle Fotos, die ihr kostenfrei abdrucken könnt‘ und ich habe eine ähnlich interessante Person ohne Foto zur Auswahl bei knappem Heftplatz, entscheide ich mich für die mit dem Knallerfoto, das ich dann eventuell auch fürs Cover vorschlage.“
Manchmal bleibt die Wirkung gering, manchmal aber ist sie enorm und reicht sogar über den Literaturbetrieb hinaus: „Einer unserer Autoren hat einen Job als Model für Brillen bekommen“, so Karin Schmidt-Friderichs. Sie vermutet, dass seine Fotos der Auslöser waren. „Er hat diesen selbstbewussten, beinahe schon harten Blick, wo man denkt: So würde sich nicht jeder hinsetzen und in die Kamera gucken.“
„Kopf-Icons gehören, zumal online, dazu“
Marc Reichwein im Gespräch mit Oliver Wenzlaff
Marc Reichwein ist Redakteur im Feuilleton der Welt und Welt am Sonntag. Über mögliche Effekte von Autorenfotos hat er journalistische und literaturwissenschaftliche Texte verfasst.
Herr Reichwein, warum plädieren Sie dafür, das Thema Autorenfoto ernster zu nehmen?
Weil wir in einer Mediengesellschaft nach dem Iconic Turn leben. Alles, was kommuniziert wird, wird auch visuell kommuniziert. So wie das literarische Feld Buchumschläge erfinden musste, als der freie Buchmarkt entstand und Bücher sich auch über ihre Hülle verkaufen mussten, so hat das 20. Jahrhundert das Autorenfoto erfunden. Im 21. Jahrhundert regiert Facebook, wo die Gesichtsprostitution schon im Name steht. Auch im Journalismus vertraut niemand mehr auf die bloße Strahlkraft eines Artikelschreiber-Namens, Kopf-Icons gehören, zumal online, dazu.
Kennen Sie Fälle, wo ein Autorenfoto eine Karriere nachweislich beflügelt hat?
Die Germanistik hat eigene Abhandlungen zum Porträt von Judith Hermann geschrieben, das ihren Erzählungsband Sommerhaus, später begleitet und Anteil an der Success Story hat. Literaturwissenschaftlich wurde die Bedeutung dieser werkexternen und werkbegleitenden Verpackung von Literatur dann unter dem Begriff der Paratexte gefasst.
Zerstört ein schlechtes Autorenfoto die Chancen auf redaktionelle Berichterstattung?
Nein. Kein gelungenes Buch oder wichtiges Literaturthema wird an einem Foto scheitern. Aber ein tolles Porträt erhöht gerade dann die Chancen auf prominentere Platzierung – und Aufmerksamkeit beim Leser –, wenn das Thema ohnehin eher Kür als Pflicht ist. Online-Medien funktionieren visueller denn je.
Was passiert, wenn Sie bei der Welt unbrauchbares Fotomaterial bekommen?Wenn die Verlage keine gescheiten Autorenfotos zur Hand haben, suchen wir selbst über Bildagenturen. Findet sich nichts, hilft manchmal der optische Umweg, etwa durch eine thematische Bebilderung – ohne Porträt.
Was möchten Sie Autoren noch als Rat mit auf den Weg geben?
Scherzhaft habe ich mal geschrieben: Liebe Schriftsteller, könnt ihr bitte mal die Hände aus Eurem Gesicht nehmen? Gewisse Posen neigen halt zur Realsatire. Übrigens ist im Wallstein-Verlag eine tolle Studie zur Bildnispolitik von Autorschaft erschienen.
Linktipps
– www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/v/littheo/glossar/paratextualitaet.html
– www.welt.de/kultur/literarischewelt/article200063622/dichterdran-Darf-man-ueber-das-Aussehen-von-Schriftstellerinnen-schreiben.html
„Ich habe darüber nachgedacht, ein männliches Model zu engagieren“
Bernard Cornwell im Gespräch mit Oliver Wenzlaff
Bernard Cornwell, geboren 1944 in London, hat rund 60 zumeist historische Romane geschrieben. Viele davon wurden verfilmt, unter anderem Das letzte Königreich, zu sehen auf Netflix.
Mister Cornwell, hatten oder haben Sie Probleme damit, fotografiert zu werden?
Ich genieße es nicht, vor der Kamera zu sehen. Aber ich nehme an, dass das als Autor normal ist, oder? Konkrete Schwierigkeiten hatte ich aber nie. Es ist einfach etwas, dass man akzeptieren muss, so wie man zum Zahnarzt geht. Verlage wollen Fotos von Autoren, also müssen sich Autoren fotografieren lassen.
Suchen Sie die finalen Bilder selbst aus?
Ich habe mich nie für ein Autorenfoto entschieden. Das überlasse ich dem Verlag oder wem auch immer. Ich kann ja ohnehin nicht viel dafür, wie ich aussehe. Obwohl meine Frau hier wahrscheinlich widerspricht. Ich habe immer mal wieder darüber nachgedacht, ein männliches Model zu engagieren, das sich für meine Person ausgibt. Aber irgendwie glaube ich, dass das am Ende nicht allzu gut ausgehen würde.
Haben Sie den Eindruck, dass ein gutes Foto im Klappentext zum Verkaufserfolg beitragen kann?
Sowas habe ich noch nie gehört. Guter Gott, ein Buch wählen auf Basis des Autorenfotos? Wenn das ein echter Faktor wäre, würden wir alle damit enden, nur noch Bücher von Models zu kaufen.
Ich habe genau die Frage mal auf Facebook getestet – zumindest da scheint der Planet ein von Bildern getriebener Ort zu sein …
Dann ist es in der Tat eine seltsame, bildgesteuerte Welt. Nun, ich werde dann doch das männliche Model für mich engagieren.
Was sagen Sie zu typischen Posen oder Accessoires auf Autorenfotos?
In vielen Fällen ist es eher wenig Fantasie, die in ein Autorenfoto fließt. Die Versuchung ist groß, uns als nachdenklich abzulichten oder gegen ein Buchregal gelehnt. Oder mit einem Stift. Autoren, die ihre ersten Bücher veröffentlichen, tendieren zu einem Lächeln. Je länger sie dabei sind und je erfolgreicher sie werden, desto eher verwandelt sich das Lächeln in etwas Ernstes. Das ist mir aufgefallen. Ich versuche, weiter zu lächeln!
Ihr Fazit?
Fotos sind nur dann wirklich wichtig, wenn der Autor ein echter Star ist. Ein Schauspieler vielleicht? Wenn er oder sie ein bekanntes Gesicht hat, will man das Foto womöglich sogar prominent auf das Buchcover bringen. Für den Rest von uns? Da kommt es nicht auf das Foto an.
Drei Bilder im Eignungstest: Welches eignet sich als Autorenfoto?
Ein Selbstversuch
Die folgende Kritik bezieht sich ausdrücklich nicht auf die Fotografinnen, denn für Setting, Inszenierung und Bildauswahl ist allein unser Autor verantwortlich. Selbst in die Bildbearbeitung hat Oliver Wenzlaff teilweise eingegriffen. „Ich finde alle drei Fotos, so wie sie jetzt sind, total schön. Auch der Prozess war spannend. Man lernt viel über sich. Eine Fotografin meinte, wenn man sich ablichten lässt, ist das immer wie eine kleine Therapie.“
Gabriele Schmidle, PR-Agentur Literaturtest
Zum Foto „Geländer“: „Das ist natürlich nicht so klassisch, aber es wirkt irgendwie witzig. Es provoziert auch ein wenig. Du kannst mich nicht sehen, aber ich sehe dich. Man muss ja nicht alles erkennen. Es gibt immer wieder Künstler, die sich nicht zeigen, ein Beispiel ist Cro. Das bleibt trotzdem ein gewagter Schritt, und hier wäre ich mir nicht sicher, ob das Foto gut genug inszeniert ist. Die Säule lenkt zu sehr den Blick auf sich, weil da so viel drauf zu sehen ist. Und wer wie hier auf Humor setzt, sollte auch für ein humorvolles Buch werben. Einen Mann, der ernste Ratgeber schreibt, würde ich hier nicht vermuten. Das weiße Hemd ist übrigens in Ordnung, wenn es authentisch ist. Der Hintergrund ist auch sehr schön. Das Foto ist am Linkshänder-Tag aufgenommen worden? Deshalb ist die linke Hand zu sehen? Das ist eine schöne Backstory für die sozialen Medien, aber sie macht das Bild nicht besser oder schlechter für ein Buchcover.“
Zu „Don’t Panic“: „Da ist ein leichter Glanz auf der Haut. Ein Arm auf einer Stuhllehne ist nahe am Klischee, aber es passt hier gerade noch. Das wären auch schon alle Kritikpunkte. Das Foto ist technisch hervorragend und funktioniert insgesamt gut. Natürlich ist der Autor hier schon durch das T-Shirt ein ganz anderer Typ. Auch durch die Haare. Der Eindruck ist jünger und szeniger. Klar, die Message auf der Kleidung ist hier stark im Vordergrund, aber sowas kann man mal machen. Die Botschaft Don’t Panic zeigt für mich in Richtung Selbsthilfeschinken. Einen Krimi oder einen historischen Roman würde ich bei einer solchen Inszenierung nicht vermuten, das würde einfach nicht passen. Das Foto ist am Gedenktag von Douglas Adams aufgenommen? Die Kleidung ist bio und nachhaltig, so wie Bücher nachhaltig wirken können? So etwas sind schöne Geschichten, die man zur Entstehung des Fotos erzählen kann. Aber alles sollte im wahrsten Sinne ein rundes Gesamtbild bleiben. Wenn etwas nicht zum Buch passt, stellt man sich zu viele Fragen, die nicht unbedingt positiv sind.“
Zu „Blaustich“: „Das Foto ist zu dunkel, es macht den Eindruck, dass es auf einem Rummel entstanden ist. Die Gesichtsfarbe passt eher zur Blue-Man-Group, nur in lila. Die Schärfe des Fotos liegt zu weit vorne und damit an der falschen Stelle, der Autor ist etwas verschwommen. Der Kapuzenpulli wäre fein, wenn man etwas eher Lockeres oder Abenteuerliches ausdrücken oder unterstreichen will. Das Foto wäre in jedem Fall für einen Klappentext unbrauchbar, vielleicht würde es für Facebook noch reichen. Es sieht einfach nach einem Freizeitfoto aus. Das Gebilde hinter dem Autor ist kein Rummel, sondern ein Kunstwerk? Es heißt Synergie und soll das Zusammenwirken von Raum, Licht und Zeit symbolisieren? Es steht vor der Frankfurter Messe? Ein gewisses Zusammenwirken von Autor, Buch, Buchmesse und Kunst ist vor dem Hintergrund natürlich gegeben. Aber selbst wenn hiermit die Geschichte einer Synergie bebildert werden sollte: Das Foto bleibt nur sehr bedingt geeignet.“
Heike Bogenberger, Autorenfotografin
Zum Foto „Geländer“: „Was als gelungenes Bild betrachtet wird, hängt ganz oft ja vom Kontext ab. Auf dem Klappenfoto eines Buchumschlags möchte man den Autor üblicherweise zeigen, hierfür wird man dieses Bild kaum verwenden. Eher schon kann ich es mir in der Verlagsvorschau vorstellen, mit einem bestimmten Bezug zum beworbenen Buch. Die Pose auf dem Bild ist eigenwillig und humorvoll, ein Versteckspiel vielleicht. Das Foto unterläuft die üblichen Gestaltungsregeln, was ich an sich nicht schlecht finde. Auf die Idee, dass das Bild am Tag des Linkshänders aufgenommen wurde, wäre ich von selbst nicht gekommen.“
Zu „Don’t Panic“: „Schrift ist ganz automatisch ein Signal und fügt dem Bild, ob gewollt oder nicht, eine Bedeutungsebene hinzu. Hat die Aufschrift auf dem T-Shirt einen Bezug zum Thema, leuchtet mir das ein. Ansonsten wäre mir das typografisch zu massiv, die Schrift lenkt zu stark von der Person ab. Abgesehen davon gefällt mir das Foto, der direkte Blick, die Farbgebung, die zarte Mauerstruktur im Hintergrund, das Licht. Es eignet sich gut als Schmuckbild in der Vorschau. Um das Zitat von Douglas Adams zu erkennen und den Bezug zu organischer Kleidung zu verstehen, braucht man auch hier erklärenden Text.“
Zu „Blaustich“: „Schwierig. Die dominante Farbe, zumal im Gesicht. All die ablenkenden Formen, Farben und künstlichen Lichtquellen im Vorder- und Hintergrund. Dass es sich bei der Installation im Hintergrund um ein Kunstwerk handelt, habe ich nicht erkannt. Ich habe an eine Achterbahn gedacht, vielleicht weil meine Augen bei dem Motiv Achterbahn fahren, ich weiß gar nicht, wohin zuerst schauen. Auch dieses Bild unterläuft Gestaltungsregeln, aber auf eine Weise, die mich nicht anspricht.“
Alina Jahrmarkt, Rowohlt Verlag
Zum Foto Geländer: „Wir haben Autoren bei uns im Verlag, die mit mehreren Pseudonymen arbeiten. Für jemanden, der anonym bleiben will, könnte ich mir so etwas vorstellen: Der Autor versteckt sich hinter einem Namen und hier versteckt er sich auch bildlich gesprochen. Sonst wäre es aber unbrauchbar. Dass die linke Hand hier bewusst eingesetzt ist, versteht man nicht.“
Zu „Don’t Panic“: „Das Foto ist gut ausgeleuchtet, der Gesichtsausdruck ist freundlich, das Lächeln zeigt keine Zähne, ist aber natürlich. Das ist ein gutes Foto, das würde ich verwenden, wenn es zu dem jeweiligen Werk passt. Meine einzige Kritik wäre, dass der Körper angeschnitten ist. Fotografen denken oft in Ausschnitten. Wir benötigen das Bild aber eher ohne festen Ausschnitt, um im Nachhinein auch Typo und Ähnliches setzen zu können. Bei dem T-Shirt würde ich die Schrift wegretuschieren.“
Zu „Blaustich“: „Der Autor lächelt, sieht dabei aber noch natürlich aus. Und wenn es hier um jemanden geht, der seine Leidenschaft als Kirmes-Tester entdeckt hat, könnte das eventuell passen. Der Blaustich ist natürlich extrem. Das müsste man aufhellen. Das ist ein Kunstwerk im Hintergrund? Das ist nicht zu erkennen.“
Dos and Don'ts – neun Anstöße für bessere Autorenfotos
1. Botschaft und Marke schärfen
Michaela Gröner, Literaturagentin: „Unabhängig davon, wie gut oder schlecht die Aufnahmen sind, die wir bekommen, zeigt sich dabei fast immer eine erstaunlich gute Einschätzung, wie die Autoren als Marke gesehen werden möchten. So, wie die meisten auch wissen, welches Genre und über welche Themen sie schreiben wollen. Die meisten treffen es so, dass alles gut zusammenpasst.“
Olaf Fritsche, Autor und Ghostwriter: „Man sollte sich vorher überlegen, was man übermitteln will.“
Heike Bogenberger, Fotografin: „Wenn ein Autor gewohnt ist, sich selbst zu inszenieren, kann das durchaus spannend sein und eine eigene Dynamik entstehen lassen. Bringt jemand schon allzu konkrete Vorstellungen mit, schränkt dies aber auch meinen Gestaltungsspielraum ein.“
Susanne Schleyer, Fotografin: „Was will man als öffentliche Person von sich zeigen? Wie will man gesehen werden? Das ist vielleicht das Wichtigste, woran man vor dem Fototermin denken sollte, davon leitet sich vieles ab. Und das ist nicht nur bei einem klassischen Shooting so, sondern auch bei öffentlichen Auftritten. Will man einen Fotografen in die eigene Wohnung lassen? Will man viel Privates verraten? Was hat das mit dem eigenen Werk zu tun? Will man aus der Reihe fallen? Vieles hat der Autor, die Autorin selber in der Hand. Oft muss ich Autoren und Autorinnen vor sich selbst schützen, weil sie die Bewertung der Fotos unterschätzen.“
2. Nicht wie alle anderen sein
Harald Martenstein, Autor und Kolumnist: „Es gibt ja auch Autoren, die auf das Schwarzweiß aus einem Fotoautomaten schwören. Na ja. Oder auf Lomografie. Das war mal ganz witzig. Bis alle das gemacht haben.“
Karin Schmidt-Friderichs, Verlegerin und Börsenvereins-Vorsteherin: „Es ist gar nicht so leicht, eine Gegenwelt abseits der Klischees zu bauen. In einer Welt, in der Instagram ein Leitmedium ist und es mehr Feedback auf Bilder gibt als auf Worte. Die erste Währung sind Likes und Herzchen, auch für Bücher.“
Gabriele Schmidle, Prokuristin der PR-Agentur Literaturtest: „Das aufgestützte Kinn, mit den Händen die Wange umfassen, den Rücken zur Kamera wenden, und der Kopf dreht sich scheinbar überrascht zur Linse, die Zigarette in der Hand ... Das war früher bei fast allen Fotos männlicher Autoren zu sehen und außerdem noch bei Hannah Ahrendt.
Ein Buch oder ein Schreibutensil in der Hand. Das Bücherregal im Hintergrund. Der Blick in die Ferne. Übertriebene Wut oder Trauer im Gesicht. Verschränkte Arme. Allerdings heißt das nicht, dass sowas alles nicht mehr geht. Wenn es passt und authentisch wirkt, ist fast alles erlaubt. Nur müssen sich alle Beteiligten bewusst sein, dass man nahe am Klischee ist.“
Olaf Fritsche: „Zitate sind erlaubt. Ich habe einmal die typische James-Bond-Pose kopiert, allerdings mit einem Stift statt einer Pistole. Erwachsene erkennen das Zitat, Kinder finden es einfach so gut, weil es geheimnisvoll aussieht. Abgesehen davon ist der Stift ja sowieso die Waffe der Autoren. Zumindest für Notizen.“
Heike Bogenberger: „Wenn die Person, die ich fotografiere, in den Pausen raucht, wenn das zu dieser Person gehört, fange ich das auch ein. Ob die Bilder Verwendung finden oder nicht, darüber entscheiden dann andere. In einer Ausstellung zeige ich das Bild durchaus, wenn es mir gefällt.“
Matthias Bickenbach, Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft: „Es gibt typische Gestaltungsmittel der Posen. Etwa der direkte Blick zum Betrachter. Das ist ein klassisches Motiv, es soll Souveränität und Nähe vermitteln. Das Profil und der Blick in die Ferne wirken demgegenüber heroisch und heute etwas abgehoben. Zur Kennzeichnung der Autorschaft sind Schreibtisch, Stifte oder die Bücherwand im Hintergrund obligate Mittel, die alle ihre eigene, lange Tradition bis zurück auf die Gelehrtenbilder der frühen Neuzeit haben.“
3. Die Basics beachten – oder brechen
Gabriele Schmidle: „Ein gutes Autorenfoto muss zunächst einmal technisch gut sein. Das heißt, dass es vernünftig ausgeleuchtet ist, dass die Schärfe stimmt, dass der Autor passend im Bild positioniert ist. Das sind die Basics.“
Heike Bogenberger: „Ich mag es, Gesichter anzuschneiden. Fotografiere auch mal gegen das Licht. Oder stelle bewusst nur den Hintergrund scharf. Ein Verlag wird diese Bilder in der Regel nicht brauchen können. Vielleicht aber finden genau diese Bilder Eingang in eine Ausstellung oder ein Fotobuch. Auch Schwarzweiß ist bei Verlagen heute leider selten gefragt. – Ich bin schon ein Purist, auch in der Bearbeitung nachher, ich verändere an den Bildern so wenig wie nur möglich. Was jemanden an einem Bild fesselt, kann ja ganz unterschiedlich sein, eine ungewöhnliche Perspektive, ein spannender Ausschnitt, eine geheimnisvolle Unschärfe, ein bewusst eingesetzter Regelbruch. Ein Bild muss für mich in keiner Weise perfekt sein, allzu glatte Bilder langweilen mich.“
4. Wiedererkennbar bleiben
Claudia Toman, Autorin, Fotografin und Coverdesignerin: „Die Leser sollen bei einem Treffen ja nicht überrascht werden, dass ein Autor auf den Fotos 30 Kilogramm leichter aussieht oder vielleicht grundsätzlich überhaupt nicht wiederzuerkennen ist.“
Heike Bogenberger: „Mir ist wichtig, dass sich der Mensch vor meiner Kamera wohlfühlt. Deshalb empfehle ich, sich zum Fototermin nicht anders zu kleiden oder zu schminken als sonst auch.“
Gabriele Schmidle: „Soll sich eine Frau für ein Foto anders schminken? Oder ist das schon eine Aussage, dass sie als Autorin vielleicht nicht sie selbst ist?“
Susanne Schleyer: „Ich glaube, der Autor, die Autorin bleibt in der Regel wiedererkennbar. Ich jedenfalls würde mir nicht extra die Haare abschneiden oder blondieren lassen. Bei Schauspielern ist das anders. Sie werden bewusst optisch verändert, damit sie bestimmte Rollen bekommen. – Aber warum sollte die Autorin ihr optisches Image ändern? Dass die Haare mit der Zeit mal kürzer oder länger sind, davon rede ich nicht. Ich rede von einem radikalen Wandel extra für das Marketing. Ich habe vorhin angesprochen, dass Vorüberlegungen wichtig sind. Wenn diese Überlegungen fundiert sind, hast du auch die Kraft, den glücklicherweise nicht häufigen Veränderungswünschen an die Autoren etwas entgegenzusetzen.“
Harald Martenstein: „Mein Verlag hat die Vorstellung, ein Foto von mir in oder auf meinen Büchern unterzubringen. Das Foto wird glücklicherweise von Zeit zu Zeit ausgetauscht. Wenn Kollegen meinen, dass sie lieber ein 30 Jahre altes Foto wieder und wieder verwenden, dann ist Eitelkeit hier kontraproduktiv.“
5. Mit Gedankentricks arbeiten
Olaf Fritsche: „Für Kinderbücher darf ein Autor gerne etwas lebendiger aussehen. Ich stelle mir immer vor, dass ich beim Shooting eine Horde Kinder um mich herum habe. Man muss sich in die Rolle versetzen. Dann passen sich Mimik und Körperhaltung von selbst an. Ich versuche immer, vor allem mit den Augen zu lachen. Wenn die Augen lachen, lacht der Mund automatisch mit. Bei einem Foto für ein Kinderbuch habe ich mich auf den Boden gesetzt. Das sieht man auf dem Ausschnitt, den der Verlag gewählt hat, nicht, aber ich transportiere dadurch eine passende Stimmung.“
Claudia Toman: „Meine erste Frage, wenn ich Autoren fotografiere: Wie machst du ein Selfie? Die Antwort ist oft extrem hilfreich. Es hilft auch, wenn man ehrliche Komplimente macht. Ich finde Augen generell sehr wichtig. Wenn man ehrlich sagt, dass sie leuchten, dann leuchten sie gleich noch viel mehr. Wenn Augen dann vielleicht noch das Licht günstig einfangen, werden sie zu Diamanten. Den schönsten Blick fängt man wahrscheinlich dann ein, wenn Autoren an ihre Geschichten denken. Visualisere deine geheimnisvollen Figuren, und schon wirst du selbst ein wenig geheimnisvoll.“
Gabriele Schmidle: „Gute Fotografen sind immer auch gute Kommunikatoren während des Shootings, manche arbeiten mit Gedankenspielen, sie lenken ihre Autoren dahin, dass sie sich etwas vorstellen, um einen vielleicht passenderen Ausdruck auf die Gesichter zu bekommen.“
Susanne Schleyer: „Ich habe Autoren schon Wodka eingeschenkt, um sie vor der Kamera zu entspannen, oder ihnen Traubenzucker gegeben, weil sie Jetlag hatten und so müde waren, dass sie sich nicht mehr konzentrieren konnten. Und ich bereite mich immer auf ein Shooting inhaltlich vor. Entweder ich habe das Buch gelesen oder recherchiere über den Autor, die Autorin. Reden hilft und ist sehr notwendig während des Fototermins. Mindestens ein Drittel der Arbeit beim Fotografieren ist Psychologie, eher mehr.“
6. Den Ort als Unterstützer sehen
Heike Bogenberger: „Wenn wir in der Stadt fotografieren, wo die Person zuhause ist, lasse ich sie einen Ort wählen, den sie mag, der ihr etwas bedeutet – von dort spazieren wir dann los. Sehr selten, aber toll ist es, die Leute zu Hause zu fotografieren, dort sind sie oft deutlich gelöster. Eines meiner schönsten lachenden Portraits ist in einer Küche entstanden – ein natürliches Lachen einzufangen ist ein seltenes Glück, auf Kommando ist so etwas gar nicht möglich.“
Harald Martenstein: „Manchmal kommt ein Fotograf zu mir nach Hause und tut so, als sei er gar nicht da. Dann schießt er plötzlich wie ein Heckenschütze los.“
Susanne Schleyer: „Der Ort des Shootings ist ganz entscheidend und prägt das Bild. Die Person ist umgeben von einer erzählerischen Umgebung. Ich habe Sibylle Lewitscharoff im Zoo vor einem Löwenkäfig fotografiert. Das passte inhaltlich zu ihrem Roman Blumenberg. Der Käfig als Ort prägte natürlich das Foto maßgeblich mit. Man kann aber auch vor scheinbar langweiligen Motiven wie schmutzigen Wänden oder Mülltonnen fotografieren, sofern das einen Sinn für den Bildinhalt ergibt. Die Auswahl ist entscheidend und schon kleine Details können diesen Inhalt transportieren. Zum Beispiel das Shooting von Sten Nadolny und Jens Sparschuh für das Cover von Putz- und Flickstunde. In ihrem Buch haben die beiden vergleichend über ihre Armee-Erlebnisse berichtet. Der dazu passende Ort war ‚die Pampa‘ Brandenburgs. Die Autoren standen im spärlichen Grün, so wie man sich Soldaten im Einsatz vorstellt. Vor Ort dachten wir, dass eigentlich noch etwas Schlamm fehlt. Aber der Tag war sonnig, alles war trocken und wir hatten kein Wasser mit. In einem unserer Autos fanden wir eine Flasche Gin im Kofferraum, warum auch immer die dort war. Also haben wir spontan Brandenburger Sand mit Gin gemischt und hatten unseren Schlamm, der dann auf die Schuhe geschmiert wurde.“
Claudia Toman: „Ich finde es gut, wenn man Autoren da fotografiert, wo sie ihre Bühne haben. Das Messeumfeld erscheint mir natürlich, die Autoren fühlen sich schon mal automatisch wohl: Sie haben das Gefühl, zuhause zu sein.“
7. Bild und Bewegtbild gemeinsam angehen
Gabriele Schmidle: „Ich plädiere immer dafür, über das Foto als Instrument für die Öffentlichkeitsarbeit hinauszudenken. Es empfiehlt sich, einen Autor auch gleich im bewegten Bild festzuhalten. Das können Ansagetexte in die Kamera sein, die in einen Buchtrailer geschnitten werden, aber auch Interviews bis hin zu einer ganzen Homestory, um Einblick in die Arbeitsabläufe des Schreibens zu geben. Auch hier gilt: Die Maßnahmen müssen auf das Ziel abgestimmt sein. Interviews eigenen sich für die Ansprache von Bloggern, die sofort sehen, ob sich eine Autorin eventuell für einen Clip auf ihrem YouTube-Kanal eignet. Die Direktansprache der Kamera, wenn jemand zum Beispiel sein Buch zusammenfasst, kann für die Vertreterkonferenzen der Verlage eingesetzt werden. Der Autor überzeugt dann in dieser Runde selbst, und die Vertreter wiederum tragen ihre Begeisterung unverfälscht zu den Buchhändlern, indem sie das Video dort vorspielen. Da reichen schon 90-Sekunden-Clips, wenn sie gut gemacht sind.“
Olaf Fritsche: „Einmal kam der N3 auf meinen Verlag zu und wollte Videomaterial von mir. Der Sender wollte sehen, ob ich mich für das bewegte Bild eigne. Mein Verlag hatte leider keins und hat dann mich gefragt. Aber wir waren zu langsam. Die Chance, ins Fernsehen zu kommen, war damit erst mal verpufft.“
8. Zeit für das Shooting mitbringen, aber nicht überbewerten
Heike Bogenberger: „Was meinen Bildern immer guttut, ist Zeit. Eine Stunde ist für mich ideal, um etwas Vertrauen entstehen zu lassen, um sich einander zu öffnen. Die Kamera ist für mich wie ein Schlüssel, zu mir selbst wie zum anderen.“
Harald Martenstein: „Zwischen der Qualität des Produkts und dem Zeitaufwand besteht kein Zusammenhang. Das ist wie bei einer Kolumne. Manchmal ist ein Text schnell fertig und er ist gut. Manchmal sitze ich eine Woche dran und es wird nichts. – Bizarrerweise wollen Fotografen das oft nicht akzeptieren, dass der große Treffer sofort gelungen ist, und machen trotzdem weiter.“
Claudia Toman: „Ich fotografiere ungefähr eine Stunde lang. Die Fotos der ersten 15 Minuten sind dabei in der Regel die schlechtesten. Das ist die Aufwärmphase. Die Autoren sollen Vertrauen in sich selbst haben, aber auch in mich: Ich bitte sie, nicht zwischendurch auf das Display zu gucken. Wenn sie auf dem Display zufällig ein Foto entdecken, dass ihnen nicht gefällt, verkrampfen sie.“
9. Profis ranlassen (oder selbst ein halber Profi werden)
Matthias Bickenbach: „Natürlich ist es eine Kunst, eine Person zu porträtieren und den Eindruck zu gestalten, man sehe den ganzen Menschen, seinen individuellen Charakter. Die Magie des Autorenporträts inszeniert eine vermutete Ähnlichkeit von Werk, Bild und Person, die freilich rein imaginär ist.“
Olaf Fritsche: „Als ich mit dem Schreiben angefangen hatte, habe ich zuerst mit einem Profi-Fotografen gearbeitet. Das hat Spaß gemacht, aber wäre mir auf Dauer zu teuer geworden. Ein Shooting kostet schon mal 200 oder 300 Euro. Seit einigen Jahren mache ich meine Fotos selbst. Ich habe eine Spiegelreflexkamera, die ich mit Fern- oder Zeitauslöser nutzen kann, eine Reihe von Blitzen und ein kleines Fotostudio.“
Gabriele Schmidle: „Ein professioneller Fotograf bringt den richtigen Blick für den Bildaufbau, für Situation und Person mit. Und für die Aussage. Passen Gestik, Mimik und Kleidung zu den Themen, für die jemand einsteht? Ein Sachbuchautor zum Konfliktmanagement zum Beispiel sollte eine gewisse Offenheit und Nahbarkeit mitbringen, fehlender Augenkontakt wäre sicherlich kontraproduktiv.“
Harald Martenstein: „Ich lasse mich da vom Fotografen manipulieren. Ich bin da ein Anpasser. Ganz anders als bei meinen Texten, wo ich mir nicht reinreden lasse und auch mal anecke. Ich glaube daran, dass Leute, die ihr Geld mit einer Profession verdienen, ihr Handwerk auch verstehen. Jeder hat seinen Stil und seine Methode. Ich rede ihnen da nicht rein.“
Claudia Toman: „Autoren bewerben sich nicht um einen Job, sie bewerben eine Geschichte oder ein Thema. Darauf muss das Foto neugierig machen. – Autorenfotografie ist eine Nische der Werbefotografie. Mit eigenen Gesetzen.“
Autorin: Oliver Wenzlaff | www.instragram.com/thewenzlaff
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Blogbild: Angelo Pantazis auf Unsplash
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