
Zauberwort „Ortsmarke“: Lokalzeitungen wollen „lokalisierbare“ AutorInnen
Lokal- oder Heimatzeitungen, manchmal liebevoll-geringschätzig „Käseblätter“ genannt, berichten über „Lokales“: über das Dorffest in Hintertupfingen, über Hundekot auf den Straßen von Uhlenbusch, über die Kaninchenzüchter-Jahreshauptversammlung in Kleinweltwinkel. Sie berichten auch über AutorInnen – sofern sie Einwohner von Hintertupfingen, Uhlenbusch oder Kleinweltwinkel sind. Denn nur in dieser Hinsicht sind sie für die Lokalredaktion interessant.
Warum? Wenn Deutschland im WM-Finale gewinnt, kann das jeder im Fernsehen verfolgen. Aber wenn Oma Trude für 50 Jahre Mitgliedschaft im Roten Kreuz eine goldene Ehrennadel erhält oder wenn die kleine Julia beim Vorlesewettbewerb in der Grundschule den ersten Preis bekommt – diese Nachrichten werden nie über den dpa-Ticker laufen, und die Tagesschau wird garantiert nicht über die beiden berichten. Genau hier hat die Lokalzeitung ihre Nische. Sie bietet ihren LeserInnen Informationen von nebenan, die sie aus anderen Medien nicht bekommen, dafür aber über Leute, die man wahrscheinlich persönlich kennt. Die Identifikation mit der Heimatzeitung ist dadurch sehr viel höher als bei den großen überregionalen Zeitungen. Medienfachleute nennen das eine „hohe Leser-Blatt-Bindung“. Eine Zeitung, in der regelmäßig mein Bild erscheint, bestelle ich nicht so leicht ab wie die ZEIT oder die FAZ. Einer meiner Chefredakteure hat daher die Parole ausgegeben: „Jeder unserer Leser soll sich mindestens einmal pro Jahr in der Zeitung wiederfinden.“
Die Zeitungsredaktion hat also durchaus Interesse daran, lokale AutorInnen bekannt zu machen. Woran sie aber kein Interesse hat: an literaturwissenschaftlich-sachkundigen Interpretationen eines Werkes. Für den Lokalredakteur sind Sie als AutorIn einzig und allein interessant als „lokalisierbare“ Person.
Auf die Zielgruppe einstellen
Vergessen Sie daher all Ihre hochfliegenden Pläne und literarischen Ideale. Wer seine Nachricht der Lokalzeitung schmackhaft machen will, muss sich auf die Interessen der Lokalredakteure einstellen. Wenn ich als Einwohnerin eines 700-Seelen-Dorfes in der Nähe von Hildesheim also mit einem ausgefeilten Fantasy-Roman mit tausend literarischen und genreuntypischen Finessen an die Lokalredaktion herantrete, reduziert sich das in der Zeitung auf die Botschaft: „Silliumerin schreibt Buch.“
Wer aus der Provinz kommt, ist hier ausnahmsweise im Vorteil. Eine Silliumerin, die ein Buch schreibt, hat bei ihrer Heimatzeitung wesentlich größere Chancen als AutorInnen, die in Berlin oder Hamburg leben und zusammen mit Hunderten von anderen Schreibenden um die Aufmerksamkeit der Journalisten buhlen. Etwas vergrößern können Sie Ihre Chancen aber auch als Großstadtpflanze, indem Sie möglichst kleinteilig arbeiten: Schauen Sie doch einmal nach, ob es nicht eine Stadtteilzeitung gibt, die ausschließlich über Ihr Viertel berichtet.
Kontaktaufnahme: Nichts geht über E-Mails
Die Ortsmarke ist auch das Wichtigste, wenn Sie per E-Mail Kontakt zu einer Redaktion aufnehmen wollen: Nutzen Sie die Betreffzeile. Es ist die wichtigste Zeile der gesamten Mail. Schreiben Sie nicht: „Pressemitteilung“ – das merkt der Redakteur schon selbst beim Öffnen. Schreiben Sie: „Karlheinz König aus Krähwinkel veröffentlicht Roman“. Oder „Lesung in Schlumpfhausen“. Oder „Polkwitzer Autor mit Literaturpreis ausgezeichnet.“
Eine Redakteurin, deren Mailadresse auf der Zeitungshomepage steht, findet sich gewöhnlich in tausend für sie völlig überflüssigen Mailverteilern wieder und bekommt täglich mehr Elektropost, als sie braucht. Rigoroses Löschen ist die einzige Chance, das Postfach halbwegs übersichtlich zu halten. Ohne knackige Betreffzeile könnte ihr Text also hoffnungslos untergehen.
In Ratgebern zur Verlags- oder Jobsuche steht oft, es sei ungeheuer wichtig, bei den AnsprechpartnerInnen anzurufen oder sogar persönlich aufzutauchen. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wo die Leute das herhaben. Einige LiteraturagentInnen und VerlegerInnen sind inzwischen so genervt von solchen Anrufen, dass sie auf ihren Homepages ausdrücklich darauf hinweisen, dass sie keine telefonische Kontaktaufnahme wünschen. Für JournalistInnen gilt Ähnliches.
Kurz und effektiv!
In einer Zeitungsredaktion brennt oft die Erde. Der Journalist ist möglicherweise gerade am Schreiben und hat nur noch wenig Zeit bis zum Andruck. Oder er ist auf dem Sprung zu einem Termin. Oder im Gespräch mit jemand anderem. Vielleicht tippt er gerade den Bericht über einen tödlichen Verkehrsunfall, wenn Sie plötzlich in der Redaktion auftauchen und ihm Ihr Kinderbuch unter die Nase halten. Natürlich freut sich ein Journalist über Nachrichten. Aber gehen Sie einmal davon aus, dass er gerade arbeitet, wenn Sie vorbeischauen. Dafür wird er nämlich bezahlt. Und, nein, er hat keine Zeit, für Sie einen Privatkurs abzuhalten über das Thema: „Wie schreibe ich meine Pressemitteilungen so, dass sie in die Zeitung kommen?“ Also: Gestalten Sie die Kontakte lieber kurz und effektiv.
Ich persönlich halte die E-Mail für das genialste Kommunikationsmittel. Sie laufen nicht Gefahr, in eine Konferenz hereinzuplatzen oder der Redakteurin beim Hetzen zu einem verpassten Termin in die Flugbahn zu geraten. Und Sie haben gleich alle notwendigen Informationen übermittelt. Im Gespräch könnte es schließlich passieren, dass Sie die Hälfte vergessen oder irgendetwas sagen, was Sie eigentlich gar nicht in der Zeitung sehen wollten. Sie sind AutorIn, Sie können schreiben. Also nutzen Sie auch den schriftlichen Weg, genau das ist Ihre Kompetenz.
Der frühe Vogel ...
Ihren Mailverteiler haben Sie hoffentlich schon lange vor dem Erscheinen des Buches zusammengestellt. Welche Zeitungen werden in Ihrem Ort gelesen? Die meisten werden Sie bereits aus Ihrem Briefkasten kennen. Ihre abonnierte Tageszeitung gehört dazu, ferner die Umsonst-Blätter, die Ihnen ungefragt zugestellt werden, manchmal auch ein Gemeindeblatt oder lokale Veranstaltungsmagazine. Die Recherche im Internet, zum Beispiel auf der Homepage Ihrer Stadt oder Ihres Dorfes, lohnt sich. Auch ein Blick ins Zeitungsregal des Supermarktes oder der Tankstelle hilft oft weiter.
Warum der Mailverteiler schon lange vor Erscheinen des Buchs fertig sein sollte? Aus dem gleichen Grund, aus dem Sie auch die Pressemitteilung selbst bereits vor dem Veröffentlichungstermin versandfertig vorliegen haben sollten: Journalismus ist – im Gegensatz zum Bücherschreiben – ein schnelles und schnelllebiges Geschäft. Ein Buch, das bereits seit Monaten auf dem Markt ist, hat seinen „News-Wert“ verloren. Es mag sein, dass Sie Jahre lang geschrieben haben an dem Buch. Aber die Pressemitteilung muss schnell raus. Halten Sie also alles bereit bis zum Tag X, bis das Buch im Buchhandel lieferbar ist, und dann drücken Sie auf „Senden“.
Ein Wort noch zum Thema „Sammelmail“ und „sichtbarer Verteiler“: In Autoren-Ratgebern zum Thema „Verlagssuche“ wird zu Recht davon abgeraten, ein Manuskript mit einer Massen-Mail und Standardanschreiben an 100 Lektoren gleichzeitig zu schicken. Jawohl, das ist unhöflich und zeugt von oberflächlicher Recherche und geringem persönlichen Interesse am betreffenden Verlag. Das lässt sich jedoch nicht 1:1 auf die Presse-Arbeit und Ihre Mails an Zeitungsredaktionen übertragen. Natürlich ist es für die Pflege eines guten Pressekontakts nicht schlecht, ab und zu eine persönliche Mail zu schreiben. Aber: Als Redakteurin einer Tageszeitung weiß ich es sehr zu schätzen, wenn ich sehen kann, ob eine Information ausschließlich an mich gerichtet ist, ober ob die Konkurrenz die gleiche Mail bekommen hat. Ich falle jedenfalls nicht vor Schreck aus allen Wolken, wenn ein Autorenporträt, das ich mir für die Wochenend-Ausgabe aufgehoben habe, schon am Freitagmorgen bei meinem Mitanbieter im Blatt steht. Also: In diesem Falle ausnahmsweise einmal ein Plädoyer gegen den sonst üblichen und höflichen Mailversand per Bcc.
Die Pressemitteilung: knapp und anekdotenreich
Machen Sie sich klar, dass in einer Zeitung nicht viel Platz ist. Ein Artikel mit 120 Zeilen je 25–30 Zeichen ist sehr groß. Wenn ein vierspaltiges Bild dazu kommt, ist eine Zeitungsseite schon zu zwei Dritteln gefüllt. Mit einer Pressemitteilung von einer halben bis Dreiviertel DIN-A4-Seite liegen Sie im grünen Bereich.
Verwenden Sie einfache Sätze mit höchstens einem Nebensatz. Benutzen Sie aktive Verben. Vermeiden Sie Satzungetüme von mehr als vier bis fünf Zeilen, Fremdwörter und gewaltsame Substantivierungen. Schreiben Sie nicht „Bei der Abfassung meines Romans ...“ sondern „Als ich den Roman schrieb ...“ Einer meiner Lehrer hat mir eingeschärft: „Das Subjekt eines Satzes muss atmen, und das Prädikat muss schwitzen.“ Das gilt für Presseartikel genauso wie für Romane. Nur dass Sie in Artikeln weniger Platz haben und schneller auf den Punkt kommen müssen.
Beginnen Sie mit dem Wichtigsten: Ihrem Wohnort, der sollte spätestens im zweiten Satz stehen. Und machen Sie sich immer wieder klar, dass Sie nicht zu einem Fachpublikum sprechen, das jeden Szene-Gag begeistert aufnimmt, sondern zu Rentnern, Supermarkt-KassiererInnen, Verwaltungsfachangestellten und Landwirten. Vergessen Sie Ihre Anspielungen auf Star Trek oder Ihre kryptischen Aristoteles-Zitate. Die versteht niemand in der Redaktion. Oder, noch schlimmer: Die werden falsch verstanden und so zusammengekürzt oder umgeschrieben, dass das Ergebnis für Sie ausgesprochen peinlich werden kann. Denken Sie daran, dass für den Lokalredakteur eben nicht das Buch im Mittelpunkt steht, sondern Sie als Person und Einwohner von Schilda.
Also geben Sie in zwei bis drei Sätzen den Inhalt des Werkes an, der Rest der Zeilen ist für die wirklich wichtigen Dinge bestimmt: Dass Sie schon damals in der 4c der heimischen Grundschule Ihre erste Fantasy-Geschichte bei Lehrerin Müller-Lüdenscheidt geschrieben haben. Dass der seltsame Herr auf Seite 19 Ihnen aus dem Tante-Emma-Laden Ihrer Tante Bärbel bekannt ist. Dass die Pferdeschilderungen in Ihrem Western so gut gelungen sind, weil Sie als Kind auf dem Ponyhof im benachbarten Fuxholzen das Reiten gelernt haben. Oder dass die Kulisse für Ihren Ritterroman von der Burgruine in Ihrem Heimatdorf inspiriert ist. Vor allem: Erzählen Sie! Erzählen Sie Geschichten, Anekdoten, Erlebnisse. Die sind tausendmal mehr wert als ein korrekter Lebenslauf. Sie machen den Artikel lesenswert, und Oma Trude, die mit ihrem Geld die Zeitung finanziert, freut sich, weil sie Sie schon als Kind gekannt hat.
Ein Wort noch zum Einreichen der Texte: Angehängte .doc- oder .rtf-Dateien sind optimal, .docx oder .odt sind in manchen Redaktionen noch nicht angekommen und können teilweise nicht geöffnet werden. Zur Sicherheit sollten Sie den Text noch einmal in die Mail hineinkopieren. Kopiergeschützte oder eingescannte PDF-Dateien könnten einen Redakteur verärgern. Journalisten haben so viel zu tun, dass sie es sich hundert Mal überlegen, ob sie Papierausdrucke, Faxe oder gar handschriftliche Hieroglyphenrätsel abtippen. Außerdem gibt es dabei immer wieder Übertragungsfehler. Vor allem, wenn es sich um die ungewöhnlichen Namen aus Science-Fiction- oder Fantasy-Romanen handelt.
Zum Schluss noch der Hinweis: Trauen Sie sich. Journalisten sind auch nur Menschen und beißen kaum. Das Zweitschlimmste, was Ihnen passieren kann, ist, dass Ihre Pressemitteilung im Papierkorb landet. Das Schlimmste: dass niemand von Ihrem Buch erfährt. Viel Erfolg!
Petra Hartmann:
• www.tinyurl.com/petrahartmannsblog
• Diese und noch viel mehr Tipps zum Umgang mit Journalisten gibt es in Petra Hartmanns E-Book „Pressearbeit für Autoren. So kommt euer Buch in die Lokalzeitung.“ Neobooks, 2014. ISBN 978-3-8476-8465-7. Euro 1,99.
In FEDERWELT, Heft 111, April/Mai 2015
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