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Tatort-Autor Holger Karsten Schmidt über gute Drehbücher

Federwelt
Theda Schmidt
Holger Karsten Schmidt

Theda Schmidt im Gespräch mit Drehbuch- und Romanautor Holger Karsten Schmidt

Unter dem Pseudonym Gil Ribeiro veröffentlicht er die Portugal-Krimireihe Lost in Fuseta. Der neuste Band um Ermittler Leander Lost (Weiße Fracht) eroberte im Nu die SPIEGEL-Bestsellerliste. Zudem ist er als Drehbuchautor bekannt und wurde mit vielen Preisen geehrt, allein dreimal mit dem Grimme-Preis!

Holger Karsten Schmidt (www.holger-karsten-schmidt.de) erklärt, was hinter der Prämisse steckt, und erzählt, worauf man achten muss, wenn man eine Tatort-Reihe plant, was man tun kann, um für den Tatort zu schreiben, warum er seine Figuren nicht abschätzig behandeln will und was man fürs erste Drehbuch verlangen kann.

Für den Tatort Stuttgart entwickelten Sie das neue Team und schrieben die ersten drei Folgen. Worauf muss man achten, wenn man so eine Reihe plant?
In einer lang laufenden Reihe muss genügend dramaturgisches Potenzial für nachfolgende Autoren bleiben. Ich habe die Kriminalhauptkommissare Lannert und Bootz als relativ konträre Figuren angelegt, die erst zueinanderfinden müssen. Darin liegt Entwicklungspotenzial. Man muss viel Arbeit in die Figuren stecken.

Viele Krimis erzählen einen privaten Nebenstrang ...
Thorsten Lannert hat Frau und Tochter verloren. Das kann man dann und wann – auch im Zusammenhang mit neuen Figuren – bedienen. Der jüngere Kommissar sollte Familienanbindung haben. Das erwies sich als erzählerischer Ballast. Ein Krimi ist kein Familienfilm, ein Fall muss gelöst werden. Ein privater Strang muss inhaltlich etwas im Film spiegeln: Man findet die Leiche einer alten Frau, die schon einige Tage tot ist, und weiß nicht, war es Mord oder Suizid. Abends würde Bootz seine Mutter anrufen und fragen, wie es ihr geht. Damit erzähle ich ein Thema: die Vernachlässigung alter Familienmitglieder. Bei einem High-Speed-Fall, einem Thriller, bleibt für so was keine Zeit: Wenn ein Kindermörder umgeht, arbeiten alle rund um die Uhr.

Was kann eine Autorin tun, wenn sie für Tatort schreiben will?
Ein überzeugendes Exposé vorlegen.

Ist man ohne Ausbildung und Kontakte nicht außen vor?
Überhaupt nicht. Es gibt viele Quereinsteiger. Wer ein tolles Exposé hinlegt, ist drin. Mit guten Kontakten geht es vielleicht schneller, aber mit einem schlechten Exposé helfen auch Kontakte nicht.
Beim ernsthaften Berufswunsch Drehbuchautor hingegen ist die Ausbildung an einer Filmhochschule angesagt. – Ich war in Ludwigsburg. Das war die erste Filmhochschule, die nicht am Markt vorbeiproduzieren wollte, sondern Qualität für Kino und Fernsehen ausbilden, ohne sich über den Mainstream zu erheben. Am Markt arbeiten einzelne Gewerke zusammen. Genauso hat man uns ausgebildet: eine Drehbuchklasse, eine Kameraklasse, eine Regieklasse und so weiter. Wir mussten uns zusammenraufen, um unseren Studentenfilm zu drehen.
Auf den Zug sind andere Filmhochschulen später aufgesprungen, die Münchener etwa.
Wir mussten in der 10-köpfigen Drehbuchklasse alle ein Exposé schreiben und es anschließend der Kritik der neun Kommilitonen aussetzen. Ein Kriterium gut geschriebener Stoffe ist meines Erachtens, dass etwas Persönliches drinsteckt, deshalb kann Kritik schmerzhaft sein. Negiere ich den Stoff, negiere ich auch den Autor.
Diese kritischen Runden, in denen wir wenig zimperlich gegenseitig unsere Texte auseinandergenommen haben – und abschließend noch der Dozent –, haben uns schriftstellerische Eitelkeit abgewöhnt. Nach dieser konzentrierten Ausbildung stehen Sie anders da als ein Quereinsteiger. Sie gehen gewappnet in Redaktionsgespräche.

Warum verarbeiten Sie oft sozialkritische Themen als Krimi?
Um krimiaffinen Zuschauern Themen unterzujubeln. Oder, wie bei Mord in Eberswalde, handelt es sich schon um einen Kriminalfall. Da haben mich zwei Dinge bewegt: ein Staat, der sagt: „Diesen Täter gibt es bei uns nicht“ – damit behindert er den Kommissar und wird so verantwortlich für den nächsten Mord. Und das Dilemma des Kommissars, der erkennt, dass der Mörder zwanghaft handelt und daher dessen Verurteilung zum Tod verhindern will.
Ein spannender Konflikt: gegen die Todesstrafe sein, aber ein Morden beenden müssen. Leider wird der Täter doch hingerichtet. Es war die letzte in der DDR vollzogene Todesstrafe.

Sie nutzen Krimis, um auf Konflikte hinzuweisen.
Unter anderem, ja. Sie können Themen im Gewand eines Krimis verhandeln. Im Tatort Preis des Lebens zum Beispiel die titelgebende Frage: Was ist denn nun genau der Wert eines Lebens?
Und Zuschauer wollen Krimis. Sie stimmen mit ihrer Fernbedienung ab: Krimis machen Quote.

Und was ist eine gute Quote? 
Ein hoher Marktanteil. Eine gute Quote definiert sich danach, ob sie im oder über dem Senderschnitt liegt. Hat das ZDF einen Marktanteil von 14 Prozent und Ihr Film hat 10 Prozent, dann liegen Sie unter Senderschnitt. Liegt der Jahresschnitt der ARD bei 12 Prozent und mein letzter Film erreicht einen Marktanteil von 20,8 Prozent, klingelt morgens das Telefon.

Wie misst man die Quote?
Die Daten werden mit Hilfe einer Quotenbox bei einer ausgewählten Gruppe repräsentativer Haushalte, der sogenannten „Panelgruppe“, erhoben. Aber eigentlich ist Quote ein Messwert für Leute, die nicht wissen, wie sie einen Film finden. War die Quote hoch, war der wohl gut. So denken viele Senderverantwortliche.

Sie sagten mal, ein Drehbuch müsse in 90 Minuten erzählt werden, da komme man über Denkanstöße nicht hinaus. Wie geht das?
Man kann durch Figuren eine Frage aufwerfen, serviert dem Zuschauer aber keine Antwort. Er bleibt am Ende des Films allein, aufgewühlt, soll sich Gedanken machen. Hätte er genauso gehandelt? Hat er über die Frage überhaupt schon mal nachgedacht?

Und wie gestalten Sie in der Knappheit Charaktere? Steht alles im Drehbuch, oder bleibt es Sache der Schauspieler, zwischen den Zeilen des Dialogs zu lesen?
Regieanweisungen gehören genauso ins Drehbuch wie Dialoge. Im Roman habe ich zehn Seiten Zeit, eine Figur zu etablieren. Beim Film müssen vier, fünf Pinselstriche genügen. Ich muss ökonomisch arbeiten. Sagt eine Figur A und tut B, arbeite ich mit Widersprüchen zwischen Reden und Tun. Schauen Sie mal (zeigt mir ein Drehbuch): Hier sind die Bildnummern und hier ganz normaler Text. Da ist viel Handlung beschrieben: Jemand durchsucht was, eine Person antwortet nicht, kann sie nicht, sie ist nämlich tot … Und hier Dialog.

Ganz knapp und viel Beschreibung. Hier geben Sie die Perspektive an – sehen Sie alles optisch vor sich?
Ja, genau.

Wie viel Zeit planen Sie ein für ein Drehbuch?
Es beginnt mit dem Exposé. Antwortet der Sender in sechs Wochen, ist das schnell, ich habe auch schon mal neun Monate gewartet. Bei Interesse trifft man sich und überarbeitet das Exposé, dann kommt das Go für die erste Drehbuchfassung. Ich brauche vier Wochen für eine Fassung, gehöre aber zu denen, die das recht schnell erledigen. Manche brauchen auch drei Monate.
Dann erneut eine Besprechung, die zweite Fassung und so weiter. Es kommt durchaus vor, dass Redaktionen ihre Autoren durch sieben, acht, neun Fassungen jagen.
Es dauert in der Regel mindestens ein Jahr vom Exposé zum fertigen Drehbuch. Für Anfänger geht das nicht so schnell. Dazu addiert sich natürlich die Vorproduktion, der Dreh selbst und die Nachbearbeitung, Schnitt, Tonmischung und so weiter. Dann mindestens sechs Wochen Vorlauf für die Presse.
Wenn Sie mit einem Exposé anfangen, haben Sie allerfrühestens in zwei Jahren die Premiere. Und die vernichtet dann den Film, den Sie beim Schreiben im Kopf hatten.

Arbeiten Sie an mehreren Projekten parallel?
Ja, ich rate jedem, vier, fünf Stoffe zu jonglieren.

Was meinen Sie damit, dass Sie besonderen Wert darauf legen, Ihre Figuren zu keinem Zeitpunkt zu verraten?
Ich will meine Figuren – in Jenseits der Mauer etwa einen Stasimitarbeiter – nicht abschätzig behandeln, sondern verstehen. Die Figuren sind ja nicht real, ich habe sie geschaffen. Dramaturgisch gesprochen: Lege ich eine Figur eindimensional an, behandele ich sie lieblos. Es geht darum, sie differenziert zu betrachten, glaubwürdig zu gestalten – ’nen fiesen Stasimitarbeiter kann jeder. Erhebe ich mich über eine Figur, denunziere ich sie. In jedem Schlechten findet sich noch was Gutes. Und in jedem Guten noch ein Abgrund. Das macht unter anderem dreidimensionale Figuren aus. Ich hatte auch Mitleid mit dem Mörder in Mord in Eberswalde. Seine Taten sind schrecklich, er gehört bestraft. Aber er hat mir leidgetan. Das ist wichtig.

Als ehemaliger Dozent können Sie mir sicher mit dem Begriff „Prämisse“ helfen. Ich verstehe darunter so was wie: „Vorausgesetzt, du hilfst mir beim Abwasch, dann helfe ich dir bei deinen Hausaufgaben und du kannst Fußball spielen.“ In vielen Büchern über das Schreiben wird die Prämisse wie folgt beschrieben: X führt zu Y, zum Beispiel:

  • Eifersucht zerstört die Beziehung.
  • Eifersucht führt zu Mord.
  • Eifersucht macht eine Beziehung überhaupt erst prickelnd.

Nicht die Wahrheit, sondern eine Behauptung soll bewiesen werden.
Das ist ein terminologisches Problem. Die Prämisse ist eine Voraussetzung und nicht mehr. Ihr Beispiel hier (Eifersucht …) ist eine These. Über die These oder das Thema geht der Film. Sie beleuchten sie im Film: Stimmt die These? Gibt es eine Antithese? Im Exposé ist das die Log Line. Darum geht’s. Das Thema. Prämisse ist terminologisch falsch.

Super, danke! Welchen Werdegang brauche ich als Dozentin? Gehört Praxiserfahrung dazu?
In Ludwigsburg schon. Dort gibt es nur wenige Leute aus der rein theoretischen Ecke. Die sind entweder über Publikationen oder durch Workshops bekannt und halten meist nur zeitlich begrenzte Vorträge. Um nicht am Markt vorbei auszubilden, engagiert man Dozenten, die das, was sie lehren, aus täglicher Praxis kennen.

Auf Ihrer Homepage gibt es einen tollen Mini-Exkurs zum Thema Konflikt: „Protagonist und Antagonist verfolgen konträre Ziele, denn nur so geraten sie in einen Konflikt miteinander. Anders gesagt: Ein Knochen und ein Hund ist langweilig. Ein Knochen und zwei Hunde – ist Drama!“ Tolles Bild. Haben Sie sowas auch für Suspense oder für Komik?
Nicht ganz so griffig vielleicht. Suspense: Ich gebe den Zuschauern eine Information, welche eine oder mehrere Figuren im Film nicht haben. Damit weiß der Zuschauer mehr als die Figur. Beispiel: Frau kommt abends nach Hause, geht an einem Vorhang vorbei, die Kamera schwenkt runter, man sieht zwei Schuhspitzen. Jetzt wissen wir mehr als sie, so entsteht Suspense. Dafür müssen wir aber Empathie für die Figur empfinden, Angst um sie haben. Die Figur kann jetzt todlangweilige Dinge tun wie kochen, Zeitung lesen, doch die Szene ist enorm aufgeladen, denn wir Zuschauer wissen: Da ist ein Mörder im Haus.

Mir läuft’s kalt über den Rücken! Und wie ist’s mit Komik? Bei Leander Lost fand ich das Kompendium der nutzlosen Sätze toll.
Das trifft es eigentlich schon. Erste Regel, nicht die von Lubitsch oder Wilder, meine erste Regel: Für die Figur im Film ist die Situation nicht komisch, sondern todernst. Nehmen Sie Und täglich grüßt das Murmeltier – Phil Connors, gespielt von Bill Murray, ist gefangen in der Zeitschleife. Er findet das erst lustig, nutzt es aus: kriegt Geld, bekommt Frauen rum; kann essen, was er will. Aber irgendwann wird es monoton. Und dann lehnt er sich auf, bis er so weit ist, dass er sich das Leben nehmen will. Jetzt ist es nicht mehr komisch, nicht für ihn. Aber wir lachen uns tot. Der Film reiht ungefähr acht Suizidversuche im schnellen Stakkato aneinander. Er überlebt alle, da er am nächsten Morgen wieder aufwacht. Er ist in einer selbst verursachten Hölle. Es ist dann wie eine göttliche Fügung, die ihm sagt: Du wirst nicht geliebt, weil du selbst nicht liebst. Das ist übrigens die These, die englische Prämisse. Und am Ende liebt er und wird zurückgeliebt. Die Entwicklung in dem Film ist seine Menschwerdung. Für uns ist’s zum Teil brüllend komisch, für ihn nicht.

Sie arbeiten mit Agenturen. Was kann eine Agentur besser als Sie selbst?
Meine Agentin für Drehbücher, Ellen Bleckmann von scripts for sale, ist studierte Juristin. Sie verhandelt viel besser Honorare und Verträge als ich. Anfangs habe ich meine Verträge selbst durchgearbeitet und dabei viel Geld verloren. Anfänger werden einfach über den Tisch gezogen. Da zahle ich doch lieber die Agenturprovision, und die Verträge werden so ausgehandelt, wie ich das gerne hätte. Das ist komplex genug.

Agenturen achten auch auf fällige Zahlungen von Tantiemen.
Klar, ihre Provision ist Motivation genug. Und auch bei Konflikten ist es von Vorteil, eine gut aufgestellte Agentur zu haben mit Kontakten zu Spezialisten und Anwälten. Und dann ist die Agentur auch inhaltlich Ansprechpartnerin: Mein Agent für Romane, Joachim Jessen (Agentur Thomas Schlück), ist ein ganz alter Hase. Der kann schon einschätzen, ob eine Story was für den Markt taugt und falls ja, bei welchem Verlag er sie unterbringt.
Gerade für Anfänger, die noch nicht selbst ausreichend vernetzt sind, ist eine Agentur enorm wichtig.

Früher waren Künstlerinnen und Künstler abhängig vom Wohlwollen ihrer adligen Dienstherren. Auch heute gibt es – glücklicherweise! – noch Mäzene. Wie viel Freiheit bleibt einem Autor, wie sehr muss er sich verbiegen? 
Sie haben genau so viel Freiheit, wie Sie sich erkämpfen. Die größte Freiheit haben Sie dann, wenn Sie bereit sind zu gehen. Sind Sie aufs Geld angewiesen, dann sind Sie voll ausgeliefert.

Kann Druck auch Motivation sein?
Leander Lost kam 1989 nach der Premiere von Rain Man und während einer Portugalreise in mein Unterbewusstsein und trat dann vor ein paar Jahren in mein Bewusstsein. Die wichtigen Dinge brauchen Zeit, sie müssen reifen.
Beim Drehbuchschreiben, da besteht natürlich Termindruck! Alle warten aufs Drehbuch, keiner kann arbeiten, solange es nicht da ist. Man sollte seine Termine zuverlässig einhalten, das spricht sich rum. Und tatsächlich: Termindruck ist gut gegen Unentschlossenheit! Ich muss mich entscheiden.

Bei Entscheidungen fallen andere Möglichkeiten weg, die vorher als offene Wege vor einem lagen. Das macht es schwer.
Mit den dramaturgischen Regeln und Kniffen kann man die für die Geschichte bessere Entscheidung meist zügig treffen. Ein Trost: Was nicht gelingt, wird in der zweiten Fassung überarbeitet. Doch die erste Fassung ist da. Das ist beim Roman ähnlich. Da wird ja auch überarbeitet. Einen Wurf muss man erst mal machen.
Ich hatte einen Kommilitonen, der nie seine Bücher abgab, bevor das letzte Semikolon stimmte. Als ein Produzent ihn mal drängte, faxte er zurück: „Ars durat“ (Kunst dauert). Das kann man sich am Markt nicht erlauben. Aber er ist ein toller Drehbuchdozent geworden. Einer, der nicht am Markt ist, und trotzdem profund und klug darüber dozieren kann.

Wer nimmt Einfluss aufs Drehbuch und wer auf den Roman?
Beim Film reden viele mit und beim Roman wenige. Beim Drehbuch zehn, zwölf Leute: der Produzent und sein Producer, vielleicht noch ein Dramaturg. Dann Redakteur, Fernsehspielchef, und wenn Sie Pech haben, noch dessen Geliebte.

Nee, oder…?
Kein Witz. (lacht) – Und Schauspieler reden eventuell auch noch rein.

Jetzt schon?
Schauspielern wird schon mal eine erste Fassung geschickt, damit sie die Zeit für den Dreh blocken. So lange das im Prozess ist, haben alle Wünsche.

Wer ist Ihnen wichtig?
Regie und Drehbuch sind die kreativen Köpfe. Die müssen eine Vision haben. In diesen Sitzungen wollen sich aber oft auch Leute profilieren. Der Producer gegenüber seinem Produzenten, seinem Geldgeber, und die Redakteurin will vor ihrem Fernsehspielchef gut dastehen ...

FilmproduzentIn (Executive Producer)
Gesamtverantwortung
Trägt die Gesamtverantwortung in allen Phasen einer Filmproduktion. Sie oder er entscheidet, was realisiert wird, kümmert sich um die Finanzierung, verwaltet und steuert den Herstellungsprozess und ist für den wirtschaftlichen und technischen Erfolg verantwortlich – aber auch für die Entwicklung eines Projekts. Meist ist er/sie InhaberIn der Produktionsfirma.

ProducerIn (Creative Producer/Line Producer)
Kreative Verantwortung
Verantwortet in Zusammenarbeit mit AutorInnen und Regie die kreative Seite der Produktion. Von der Stoffentwicklung bis zur Umsetzung der inhaltlichen wie organisatorischen Schritte und Zeitpläne. Ist die „rechte Hand“ des Filmproduzenten und meist in der Produktionsfirma angestellt.

ProduktionsleiterIn
Verwaltungsverantwortung
Verwaltet und kontrolliert das Budget und die Kosten des Filmprojekts, ist verantwortlich für Personal und – in Zusammenarbeit mit der Filmgeschäftsführung – für die Planung der Dreharbeiten. Wird für die Umsetzung des Projekts eingestellt.

Text: Theda Schmidt | Fachliche Beratung: Kirsten Harder (Skript Akademie)

… heißt, die möchten was Kritisches sagen?
Die möchten was Kluges sagen. Es gibt konstruktive Leute, die packen ihr Ego beiseite und wollen die bestmögliche Geschichte. Mit denen läuft das großartig. Die stellen die richtigen Fragen, legen den Finger in die Wunde, dass ich merke: Hier habe ich es mir zu einfach gemacht, da habe ich nicht weit genug nachgedacht. Alles, was meine Geschichte besser macht, ändere ich. Und wenn es der Praktikant ist, der die tolle Idee hat, das ist völlig egal. Aber wer sich auf Kosten meiner Geschichte profilieren will, hat eine schlechte Zeit mit mir.

Und bei Romanen? Sagt der Agent etwas dazu?
Der will einfach reinlesen, merkt Kleinigkeiten an wie: „Hier wiederholst du dich“ und „das ist faktisch falsch“. Aber das ist übersichtlich.

Kein Lektorat?
Doch! Doch, ich habe meine Lektorin bei Kiepenheuer & Witsch, Frau Dr. Kratz, und die hat noch ’nen Kollegen in der Hinterhand. Und ich höre auf das, was meine Lektorin sagt. Ich habe großes Vertrauen und unterstelle ihr eine hundertprozentig konstruktive Haltung. Alles ist willkommen, was sie vorschlägt. Wenn mein Bauch es mir sagt, lehne ich einen Änderungsvorschlag auch mal ab. Das wird akzeptiert. Die haben die Devise: Holger, dein Name steht nachher auf dem Cover, nicht unserer, also hast du hier das letzte Wort. Das ist der maßgebliche Unterschied zur Drehbucharbeit: Beim Roman bin ich Herr meiner Geschichte.

Ich kenne Portugal nicht, aber durch Ihre Beschreibungen lernt man es ganz gut kennen. Die Natur, auch mal das Essen, das gibt einem fast ein bisschen Urlaubsgefühl.
Das freut mich.

Was kann eine Einsteigerin für ein Drehbuch verlangen?
Das richtet sich – wie bei Romanen – nach dem Erfolg ihrer Arbeiten. Wenn man zufällig Star Wars geschrieben hat, kann man Multimillionär werden. Aber wir Autoren sind alle in der Künstlersozialkasse versichert, und die weist für 2019 einen monatlichen Durchschnittverdienst von grob 1820 Euro brutto aus. Bei einem Buy-out …

Bei was?
Es gibt zwei Modelle: das Wiederholungshonorar und das Buy-out. Das Wiederholungshonorar entstand aus dem Gedanken, dass Künstler ihr Geld sofort verprassen. Am Ende liegen sie dann der Gesellschaft auf der Tasche. Man zahlte anfangs eine Summe – beim Tatort waren das 28.000 Euro – und für jede Wiederholung am Hauptabend um 20.15 Uhr bekommt man die Summe noch mal. Bei Wiederholungen im Dritten gibt es noch mal ein paar Tausend Euro. Das läppert sich über die Jahre. Aber wegen größerer Planbarkeit sind die Öffentlich-Rechtlichen mehr und mehr zum Buy-out übergegangen, wie es die Privaten schon immer gemacht haben. Man erhält einmalig eine Summe. Das heißt, die können das tausendmal ausstrahlen, aber Sie müssen mit dem ersten Geld zufrieden sein. Einzige Ausnahme: Verstoß gegen den Bestsellerparagrafen, wenn nämlich ein so immenser finanzieller Erfolg mit diesem Stück generiert wurde, dass es unredlich wäre, Sie nicht noch einmal zu beteiligen.
Zu Ihrer Frage: Sie sollten nicht unter 50.000 Euro pro Drehbuch antreten. Zurzeit laufen Verhandlungen zwischen Verwertungsgesellschaften und öffentlich-rechtlichen Sendern. Die ARD beabsichtigt, das Mindesthonorar für Anfänger auf 65.000 Euro festzuschreiben.

Das klingt viel.
Dann rechnen Sie mal. Der Einfachheit halber nehmen wir 60.000 Euro, abzüglich 9000 Euro (also der 15 Prozent Provision) für die Agentur, bleiben 51.000 Euro. Anfänger können die 51.000 Euro vielleicht auf drei Jahre verteilen –, wenn sie es denn in drei Jahren schaffen vom Exposé bis zur drehfertigen Drehbuchfassung. Das wären 17.000 Euro jährlich, und die dürfen Sie jetzt noch versteuern.

Da braucht man mehrere Aufträge. Aber nicht immer ist ein Auftrag auch ein Herzensprojekt. Wie geht’s Ihnen damit?
An einem Herzensprojekt arbeite ich mit Leidenschaft und viel leichter. Auftragsarbeit kann echt hart werden. Ich habe mal eine Verabredung zur Quote geschrieben ...

Was heißt das?
Man nimmt alle Parameter zusammen, die versprechen, dass das quotenmäßig durch die Decke geht: eine Lovestory, tragische Verwicklungen, Standesdünkel – einfache Frau liebt Arzt – Pipapo. Und natürlich Effekte, Dramatik, Schauspieler der ersten Liga. Zum Beispiel bei der Sturmflut. Das war eine Verabredung zur Quote: Man macht ein Event, verdient gutes Geld, aber es ist keine Herzensangelegenheit.
Ich nehme schon lange keine Auftragsarbeiten mehr an, die ich nicht zu einem Herzensprojekt machen kann.

Auf der Homepage der Filmakademie heißt es über Sie: „Sollte sein nächstes Buch ein Bestseller werden, würde er das Drehbuchschreiben sofort an den Nagel hängen.“
Ich meinte einen Bestseller wie Harry Potter.

Aber Ihre Krimis verkaufen sich gut.
Die ersten beiden haben sich jetzt zusammen über zweihunderttausendmal verkauft. Mal sehen, wie es weitergeht.

Sie sollen auch verfilmt werden.
Ja, ich befinde mich in Vorgesprächen. Aber Verfilmungen können auch gehörig danebengehen.

Geht die Reihe weiter?
Ich plotte gerade an Teil vier. Die Leute mögen, so mein Eindruck, die Bücher wegen Leander Lost. Für mich ist die Reihe durch ihn mehr als ein Krimi.

Ja, Leander ist eine interessante Persönlichkeit.
Und wenn Zara fragt, was für ihn der Sinn seines Daseins ist, bekommt sie auch eine philosophische Antwort. So was kommt normalerweise in Krimis nicht vor. Aber genau das reizt mich. Fragen zu stellen, die darüber hinausgehen. Ist seine Andersartigkeit nicht eigentlich eine Bereicherung? Müssen wir sie ausgrenzen? Die Hamburger stoßen ihn weg, während die Portugiesen ihn annehmen. Und sie werden bereichert.
Also, um auf meine Aussage zurückzukommen: Ich meinte da einen Millionenbestseller, davon bin ich weit entfernt.

Ich drücke die Daumen! Würde Ihnen die Möglichkeit interessanter Begegnungen als Drehbuchautor nicht fehlen? Ein Romanautor schreibt einsam.
Die interessantesten Begegnungen bei meiner filmischen Tätigkeit kamen nicht aus der Branche. Es waren Kommissare, Profiler, Opfer, Angehörige, Dissidenten, investigative Journalisten und so weiter.

Das hat mit Recherche zu tun.
Genau. Vor rund zwanzig Jahren fragte mich eine Produzentin, ob ich ein Drehbuch über Briefbombenattentate in Österreich schreiben würde. Ich wollte sie nicht vor den Kopf stoßen und sagte, wenn Sie es schaffte, mir den Profiler zu besorgen, der den Attentäter zur Strecke gebracht hat, wäre ich bereit. Zum Glück hat sie es geschafft. Dadurch hatte ich das interessanteste Fünfstundengespräch meines Lebens. Und mit der Produzentin, Claudia Schröder, war es der Beginn einer großartigen Zusammenarbeit.

Was bedeuten Ihnen die Preise und Nominierungen, die Sie erhalten haben?
Ich freue mich natürlich! Anerkennung ist die tollste Währung, mit der Sie einen Autor bezahlen können. Lese ich auf meiner Homepage Gästebucheinträge, dass Leute von meinen Filmen oder Romanen berührt wurden, dann gibt es nichts Schöneres. Das vergoldet mir den ganzen Tag.

Viele trauen sich vielleicht gar nicht, was Positives ins Gästebuch zu schreiben ...
Aber warum? Ich wüsste keinen Autor, der sich nicht über eine positive Rückmeldung freut, egal wie bekannt der ist. Das motiviert uns doch auch, sich mit viel Leidenschaft und Hingabe dem nächsten Roman zuzuwenden.

Was würden Sie einem angehenden Drehbuchautor, einer angehenden Drehbuchautorin mitgeben, ja welchen Rat hätten Sie selbst gern erhalten?
Witzigerweise ist es derselbe Satz: „Hör auf deinen Bauch. Mit allen Konsequenzen – er hat recht.“
Ist übrigens auch ein gutes Mittel, um sich nicht verbiegen zu lassen.
 

Autor: Theda Schmidt | [email protected]
Weiterlesen in: Federwelt, Heft 138, Oktober 2019
Blogbild: Ira Zehender

 

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Dieser Artikel steht in der Federwelt, Heftnr. 138, Oktober 2019: /magazin/federwelt/archiv/federwelt-52019
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