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Storytelling – Wie Debütautorin Lisa Keil den Fischer Verlag begeistert hat

Federwelt
Lisa Keil
Debütautorin Lisa Keil mit Pferd Paulchen

Der gesamte Fischer Verlag ist, durch alle Abteilungen hindurch, Feuer und Flamme für seine Debütautorin Lisa Keil. „Was für eine Neuentdeckung! Lisa Keil erzählt das Leben live“, schwärmte sogar Key Account Manager Thomas Wippenbeck. Wie hat unsere Autorin diese Begeisterung entfacht? Was bedeutet Autorenmarketing, was ist Storytelling und warum ist Lisa Keil genau die Richtige dafür? All dies und mehr lesen Sie hier.

 

Ich habe ein Marketingteam!

Ich kann es immer noch nicht ganz glauben: Ich habe für meinen Roman einen Vertrag mit S. Fischer unterschrieben und jetzt sitze ich mit meiner (!) Lektorin im Verlagsgebäude. Mehrere Stunden haben wir an Text und Plot meines Manuskriptes gearbeitet. Als wir unsere Ordner schließen, ist es schon spät.
„Möchten Sie noch Ihr Marketingteam kennenlernen?“, fragt sie mich plötzlich.
Ich habe ein Marketingteam?! Etwas ungläubig folge ich meiner Lektorin durch den schon feierabendruhigen Verlag in einen kleinen Konferenzraum. Jede in der Runde stellt sich mir mit ihrem Zuständigkeitsbereich vor: Classic Marketing, Online-Marketing, Presse, Veranstaltungen. Freundlich erklären sie mir, was sie für mich tun werden und beantworten meine Fragen. Man sieht ihnen den langen Arbeitstag an. Umso mehr freut es mich, dass sie trotzdem geblieben sind, um mich kennenzulernen. Ich erzähle, dass ich meinen Roman eigentlich als selbst gemachtes Weihnachtsgeschenk für meine Freundinnen geschrieben habe und zeige ihnen eines der Exemplare. 
Verena Wälscher (Classic Marketing) bekommt funkelnde Augen. „Da haben wir doch schon ein perfektes Marketing-Argument: Dieses Buch muss ich meinen Freundinnen schenken, denn es ist für die Freundinnen geschrieben worden!“ Die anderen nicken.
Ich berichte von meiner Arbeit als Tierärztin, von dem Tag als Frau L. von mir wissen wollte, ob sie ihre Katze Pauline nach deren Tod von mir ausstopfen lassen könnte, da Pauline doch diese Hautprobleme habe. Und davon, wie Frau L. mir wegen meiner völligen Irritation zur nächsten Sprechstunde Paulines Vorgänger (Tiger) mitbrachte – als Anschauungsobjekt. Tatsächlich sehr lebensecht, ausreichend auf jeden Fall, um sich mit der Kollegin im Nebenraum einen Scherz zu erlauben. „Frau Doktor, der Tiger will heute gar nicht fressen.“ Frau L. hätte einen Oscar verdient. So inspirierend kann ein einziger Praxistag sein.
Mein Marketingteam lacht. Alle sind plötzlich aufmerksam, fragen meine Lektorin, ob sie denn bald schon in den Roman reinlesen dürfen. Wir sprechen auch über das Landleben, weil das Team in der aktuellen „Landlust“ ein weiteres Marketingargument sieht. Ich merke, wie schwer es ist, allen das Leben in einem mittelkleinen Ort näherzubringen. Hier, mitten in Frankfurt, ist nicht viel vorstellbar zwischen Großstadt und Bauernhofidylle. Etwas hilflos versuche ich, meinen Wohnort zu beschreiben: für eine Kleinstadt viel zu klein, aber für ein Dorf eigentlich zu groß.

Wie wäre es mit Storytelling?

Ein paar Wochen später bekomme ich eine E-Mail von Verena Wälscher:

Liebe Frau Keil,
ich wollte Sie fragen, ob Sie vielleicht Lust hätten, dass ich und eine Kollegin Sie besuchen kommen? Wir würden gerne Sie und die Umgebung zwischen Praxis und Reitstall noch besser kennenlernen, um ein besseres „Gespür“ für Sie, das Buch und die anstehende Kampagne entwickeln zu können. [...]
Herzliche Grüße aus Ihrem Verlag [...]

An einem warmen Sommertag ist es soweit. Verena Wälscher und die Storytelling-Konzepterin Christina Maria Schollerer checken im Hotel am Ort ein. Wir fahren mit meinem alten Rover zum Biergarten an der alten Windmühle.
Lektion 1: Ohne Auto kommt man hier nicht weit. Fließend wechseln wir zum Du und bereits nach einer halben Stunde gleicht unser Treffen einem Wiedersehen mit Schulfreundinnen. Als wir uns etwas zu laut darüber unterhalten, dass Tierärzte bei Tisch durchaus unappetitliche Themen ansprechen, ohne es zu merken, fangen wir uns eine Rüge vom Nachbartisch ein.
Am nächsten Morgen sitzen wir im Garten und die beiden erklären mir die Idee einer Autorenmarke und das Konzept von Storytelling. Für den Fischer Verlag selbst ein relativ neuer Marketingweg, erfahre ich, deshalb wurde Chris als Expertin hinzugezogen.
Ich äußere offen meine Bedenken. „Ich möchte nicht zur Kunstfigur gemacht und wichtiger werden als mein Roman.“ Chris erklärt mir, dass gerade Authentizität eine Grundvoraussetzung für das Storytelling ist. Ich darf und soll ganz ich selbst bleiben. „Der Bezug zum Roman ist wesentlich, dein Text steht immer im Mittelpunkt.“

Was ist mit der Privatsphäre?

Ich habe Sorge, dass ich durch meine Unerfahrenheit vielleicht zu viel preisgebe und es dann bereue. Beide versprechen, mich zu beraten und darauf zu achten, dass genau das nicht passiert. Außerdem würden sie nichts ohne mein Einverständnis verwenden. – Dann kann es ja losgehen mit dem Einblick in mein Leben.
Wir fahren zu meinen Pferden. Der Stallbesitzer lädt gerade Stroh ab, die Pferde grasen auf der Weide. Verena und Chris kommen aus dem Schwärmen nicht raus, machen unzählige Fotos. Ich zeige ihnen Paulchen, ein Shetlandpony wie in meinem Roman, und Sunday, den ich als Jährling gekauft und selbst zugeritten habe.
„Dürfen wir filmen? Wir müssen das doch allen im Verlag zeigen ...“, fragt Verena. Also beantworte ich Fragen in die Kamera und erzähle von mir. Hofhund Filou läuft ins Bild und will gekrault werden. „Noch mal?“
„Nein, das war perfekt.“
Mein Marketingduo ist restlos begeistert. Am Nachmittag wollen die beiden am Konzept arbeiten und sich über den weiteren Plan abstimmen. Verena fährt am Abend nach Hause. Chris lernt noch meine Familie kennen. Und bevor ich sie am nächsten Morgen zum Bahnhof bringe, fahren wir noch mit dem Praxisauto zu einem kranken Pferd – für einen ganz kleinen Einblick in mein Tierarztleben.

Storytelling auf den Punkt gebracht

Christina Maria Schollerer im Gespräch mit Anke Gasch

Was ist Storytelling denn nun genau?
Unter Storytelling versteht man erst mal ganz generelles Geschichten-Erzählen, von der ursprünglichsten Form, dem Erzählen von Legenden rund ums Lagerfeuer, bis hin zu modernen transmedialen Geschichten-Universen wie dem Marvel Cinematic Universe. Immer geht es darum, Informationen in Form von Geschichten so aufzubereiten, dass sie Gefühle erzeugen. Im Grunde tun wir das seit Urzeiten und von Kindesbeinen an. Inzwischen haben Hirnforscher auch herausgefunden, warum: Fakten, die wir an Emotionen knüpfen, werden leichter verständlich und bleiben auch besser im Kopf. Andere Menschen mitfühlen zu lassen und Spannung aufzubauen, das ist für Autorinnen und Autoren ja Tagesgeschäft. Und genau deswegen bietet es sich an, dieses Können auch fürs Marketing und die Kommunikation mit seinen Fans zu nutzen.
Die Fans einer Autorin lieben sie ja genau dafür, wie sie erzählt. Und wenn die Autorin es schafft, genau diese Art der Unterhaltung auch zwischen den Büchern zu liefern und zusätzlich Nähe herzustellen oder die Leser näher an sich heranzulassen, sodass alle Teil der Erzählung werden, dann ist das dufte für Autorin, Verlag und Fans.

Was kann das für mich als AutorIn konkret heißen, wie nutze ich Storytelling?
Manchmal hilft es, sich von außen zu betrachten, um zu schauen: Welche Figur wäre ich in einer Erzählung? Welche Rolle spielen meine Fans? Wie werde ich von anderen wahrgenommen und wie möchte ich wahrgenommen werden? Und sich darauf basierend zu fragen: Wie kann ich dieses Bild fördern, welche kleineren und größeren Anekdoten passen genau dazu und unterstützen es? Was ist meine persönliche Heldenreise? Was haben Geschichten, die ich toll finde, gemeinsam? Wenn mir das schwerfällt, wäre die erste Frage: Warum genau finde ich sie toll? Und warum finde ich die Charaktere darin toll?
Ganz wichtig ist dabei aber, dass es authentisch bleibt. Alles andere fliegt früher oder später immer auf.

Was heißt eigentlich „Autorenmarketing“?
Beim Autorenmarketing stehen der Autor und seine Marke im Mittelpunkt aller Marketingaktivitäten. Es geht darum, die Person des Autors längerfristig und nachhaltig bekannt zu machen, auch über Einzeltitel hinweg. Das heißt, statt das Marketing auf den jeweils veröffentlichten Titel zu konzentrieren, wie es lange üblich war, konzentriert man sich nun viel mehr auf den Menschen hinter den Büchern. Konkret bedeutet das, dass gerade mithilfe der sozialen Medien immer noch die Bücher promotet werden, sich daraus aber eine zweite Erzählung ergibt, die mehr oder minder losgelöst von den Buchinhalten die Autorin mit ihren Hobbys, ihren Stärken und Schwächen beleuchtet.

Wie werde ich zur Marke?
Was mir ganz wichtig ist: Es geht dabei nicht darum, eine künstliche Autorenfigur zu erzeugen, die dann nach einem bestimmten Schema die Romane dazu liefert. Denn im Mittelpunkt der Autorentätigkeit steht immer noch das Schreiben. Die meisten Autorenmarken formen sich eher auf natürliche Art und Weise, ich schreibe etwas, bin ein eigener Typ, kann manche Sachen mehr, andere weniger. Und daraus ergibt sich, wie ich kommuniziere, wen ich anspreche und vor allem: was ich schreibe.
Meine Aufgabe, wenn ich Autorenmarken aufbaue, ist es, zu schauen: Was macht die Autorin einzigartig, woran hat sie langfristig Spaß und kann es entsprechend auch durchhalten und kommunizieren. Wenn wir diese Aspekte herausgearbeitet und definiert haben, geht es darum, die passenden Plattformen und Wege zu finden, um diese Punkte nach außen sichtbar zu machen.

Einmal Marke, immer Marke?
Wie werde ich eine gut aufgebaute Autorenmarke wieder los, etwa, wenn ich mich weiterentwickelt habe? Wenn ich den Namen und die Grundbausteine meiner Marke behalten möchte, gehe ich transparent damit um, nehme die Leute einfach mit. Jeder Mensch entwickelt sich doch weiter. Warum sollte ich mit meiner Marke es dann nicht auch tun? Zumindest, solange ich die Gründe, die Motivation, die hinter den Entwicklungen steht, nachvollziehbar darstelle. Es ist im Prinzip das Gleiche wie mit fiktionalen Charakteren: Ich bin bereit, ihnen auf die wildeste Reise zu folgen, wenn sie mir sympathisch sind und ich verstehe, warum sie tun, was sie tun.

Wenn ich die Marke wirklich ganz loswerden möchte, was dann?
Das ist gar nicht so leicht. Denn je näher eine Autorenmarke an meiner realen Persönlichkeit dran ist, desto schwieriger wird es natürlich, sie abzulegen. Sehr deutliche, künstliche Merkmale wie eine knallige Haarfarbe oder ausgefallene Kleidung kann ich noch relativ leicht loswerden. (Einen Sascha Lobo ohne seinen roten Iro wird kaum jemand auf der Straße erkennen.) Wenn meine Fans mich allerdings mit all meinen Ängsten, Leidenschaften, vielleicht sogar Freunden oder Familie kennen, gerät das zur echten Herausforderung. 
Für eine Veronica Roth, die einen Großteil ihrer Fancommunity über ihren persönlichen Blog aufgebaut hat, müsste es nahezu unmöglich sein, sich komplett von der eigenen Autorenmarke zu lösen. Dennoch kann man selbst bei ihr beobachten, wie sie ihre Autorenmarke in den letzten Jahren, seit dem Erfolg der Divergent-Reihe, weiterentwickelt hat: Sie ist immer noch bekennender Harry-Potter-Fan, sehr ehrlich und authentisch in Bezug auf ihre Angststörung, allerdings postet sie kaum mehr was aus ihrem Privatleben. Stattdessen nutzt sie Instagram, um hochwertige und meist künstlerische Fotos mit ihren Fans zu teilen.
Wer sich unsicher ist, wie viel er von sich selbst in seine Autorenmarke stecken möchte, oder wer bewusst Abstand zwischen sich und sein Werk bringen möchte, der kann natürlich auch mit einem Pseudonym arbeiten. Das ist auch ratsam für Autorinnen und Autoren, die bereits eine sehr starke Autorenmarke aufgebaut haben und nun für ein Werk ein komplett anderes Genre, eine komplett andere Zielgruppe ansteuern wollen. Wer von Anfang an mit einem Pseudonym arbeitet und eine Kunstfigur für dessen Autorenmarke kreiert, hat es natürlich viel leichter, diese abzulegen oder temporär nicht zu nutzen.

Kann ich dich auch privat buchen?
Ja klar. Meist arbeite ich zwar für Verlage und werde über sie angefragt, aber wer Interesse hat, kann sich per Mail gerne bei mir melden. Bitte immer dazu schreiben, um welche konkreten Fragen und Wünsche es geht.

www.storydesign.studio | [email protected]

Die weitere Zusammenarbeit

In den folgenden Wochen beginnt die enge Zusammenarbeit. „Können deine Freundinnen uns vielleicht kleine Videoclips senden, in denen sie von deinem Buch und dir erzählen?“, fragt Verena. Und erklärt mir auch, warum das toll wäre: Es soll meinen Freundinnen, für die ich das Buch geschrieben habe, Gesichter geben und so medial auch klarmachen, dass der Roman bei vielen Leserinnen den Wunsch nach einem guten Buch erfüllt, egal ob sie Juristinnen, Buchhändlerinnen oder Grafikdesignerinnen sind. „Die Lektorin hat deinen Text freigegeben. Wer es liest, ist begeistert und steckt die anderen an. Du hast schon viele Fans im Verlag“, sagt Verena noch.
Ich fühle mich völlig miteinbezogen und traue mich, eigene Marketingideen beizusteuern: Flyer auslegen in Landhotels? Werbung im Pferdesportversand? Gewinntickets für die Scheunenparty? Hoffentlich nerve ich nicht, denke ich und sende Verena eine E-Mail:
Ihr habt folgendes Problem mit mir: Ich bin sowas wie eine Sprudelflasche. Wenn man mich schüttelt, dann schäumt’ s schnell über. Ihr dürft also jederzeit den Deckel draufdrücken.
Ich bekomme keine Antwort, aber beim nächsten Verlagsbesuch überreicht Verena mir einen verzierten Geschenkkarton. Darin liegen eine Flasche Sprudelwasser und die Botschaft: „Es macht große Freude mit dir!“ Was für eine Anerkennung!
Tatsächlich haben inzwischen viele im Verlag mein Buch gelesen und sprechen mich darauf an. Alle kennen mich von dem „Video mit dem Hund“. Beim Mittagessen mit Verena, meiner Lektorin und der Programmchefin erzähle ich nebenbei von einer Idee. „Wie wäre es, wenn wir für den zweiten Roman eine ‚Gastrolle‘ verlosen würden? Die Leserin kann sich mit Pferd oder Haustier bewerben und ich schreibe sie in eine Tierarztszene rein.“
Die drei wechseln Blicke. „Ginge das zeitlich?“, fragt die Programmchefin.
Alle schauen zur Lektorin. Sie nickt. „Wir müssen nur einen passenden Platz freihalten und kurz vor Abgabe einfügen.“
Verena jubelt. „Das machen wir in die Klappe vom ersten Band. Oder auf die U3?“
Ich bin noch völlig verwirrt, da hat die Programmchefin alles schon zufrieden abgenickt.

Das Vorschau-Glück

Wir nehmen Kampagnen-Fotos auf. Und von Verena erfahre ich: Mein Titel kommt aufs Cover der Belletristik-Verlagsvorschau, mein Roman und ich werden auf den ersten sechs Seiten vorgestellt. Für einen Debütroman in der Frauenunterhaltung ist das mehr als ungewöhnlich. Dass bei mir alles etwas anders ist, gibt auch Verena zu. „So eng habe ich noch nie mit einer Autorin vor Erscheinen des ersten Romans zusammengearbeitet.“
Ich bin glücklich, aber auch neugierig, was gerade mich zur Ausnahme macht. Deshalb habe ich Verena für diesen Beitrag genau das gefragt. Ihre Antwort: „Der Grundstein der Begeisterung liegt sicherlich in der Textqualität, die uns überzeugt hat. Das haben wir als klares und erstes Alleinstellungsmerkmal erkannt, als USP eins. Als wir dann noch erfuhren, wie viel von deinem eigenen Leben im Roman steckt, wurde uns bewusst, dass wir hier ein tolles Gesamtprojekt auf die Beine stellen können. Du bist sozusagen der USP Eins-plus-mit-Sternchen. Das hört sich im „Marketingsprech“ vielleicht hart und emotionslos an, soll aber ganz klar unsere Wertschätzung dir gegenüber ausdrücken. – Es ist so: Wir brauchen inzwischen diese Geschichten hinter den Romanen, die wir erzählen können, um relevanter zu werden, uns abzuheben. Wir reduzieren gerade Titel pro Auslieferungsmonat, es wird schwieriger auf dem Büchertisch im Buchhandel zu landen. Inzwischen müssen Autoren und Verlage schauen: Was kann ich dem Leser rund um meine Publikation noch mitgeben? Was kann ich der Zielgruppe als Versprechen mitgeben? In deinem Fall zum Beispiel das Versprechen der Auszeit vom Alltag.“

Verena Wälscher (Marketingmanagerin FISCHER Taschenbuch Belletristik): „In den letzten Jahren haben unsere Bestrebungen, Buchprojekte mit Kooperationen zu begleiten, an Bedeutung gewonnen. Wir gehen damit aus den bestehenden Buchumfeldern einen Schritt heraus: Indem wir zum Beispiel mit Beautymarken kooperieren, trifft unser Buch die Leserin auch in Alltagssituationen, etwa wenn sie sich gerade etwas „gönnt“ und eventuell auch entsprechend offen für andere (Buch-)Inspirationen ist. Reisekooperationen sind für uns besonders attraktiv. Das schafft Aufmerksamkeit und wir haben die Möglichkeit, unser Storytelling zum Projekt weiterzuführen. Die Idee ist, dass für beide Partner ein interessantes und ansprechendes Paket zustande kommt. Das bietet neue Chancen, den Weg zu den Käufern zu finden. Wichtig ist, dass Partner und Buch zusammenpassen.“

Als Autorin im Netz: per Zufall zum perfekten Mentor

Noch eine Begegnung ist ein Glücksfall. Jemand kommentiert auf Facebook einen Beitrag zum Deutschen Buchpreis 2018. Ich finde den Kommentar lustig und gehe darauf ein. Ich klicke sein Profil an. Ein Buchblogger. Irgendwie nett. Das war es eigentlich. Aber dann „stolpert“ meine Agentin bei der Buchpreisverleihung über ihn, erzählt ihm von mir. Die beiden rufen mich an, empfinden in Sektlaune den Zufall als Schicksal.
Wenige Tage später treffe ich während der Agenturfeier zur Buchmesse auf meine Facebook-Bekanntschaft: Florian Valerius (@literarischernerd) ist nicht irgendein Buchblogger. Er ist Buchhändler und hat 2017 den Sonderpreis beim 1. Buchblog-Award gewonnen. Er findet mich und meinen Roman spannend und empfiehlt mir, als Autorin eine Instagram-Seite anzulegen. Ich zögere. – Mein Essen fotografieren? Mich täglich online inszenieren und noch mehr Lebenszeit aufs Smartphone verschwenden?
Florian lacht. Er erzählt vom Kontakt zu den (zukünftigen) Lesern, der Möglichkeit, sie auf meinen ungewöhnlichen Weg mitzunehmen und mitzubekommen, was sie mit meinem Buch erleben. „Ich helfe dir. Beim Start und auch danach. Ich kenne mich mit Instagram sehr gut aus und überlege schon länger, diese Art von Beratung als Dienstleistung für Autoren anzubieten.“
Kurz darauf erfahre ich von ihm, dass meine Homepage schon fast sowas wie Instagram ist. „Du bist ein Insta-Naturtalent“, sagt mein Mentor und erklärt mir die Funktion von Hashtags, die Koppelung mit Facebook und die besten Zeiten für neue Beiträge. Schon bald komme ich gut zurecht und entwickle tatsächlich großen Spaß an der Sache.

Instagram-Auszüge von Florian Valerius

Florian Valerius (@literarischernerd) zu der Frage: Was ist Instagram?
„Instagram ist eine App, ein soziales Netzwerk zum Teilen von Fotos und Videos. Die Fotos kann man auch mit Texten versehen. Viele User nutzen Instagram wie eine Art ‚Tagebuch‘, lassen andere so an ihrem Leben teilhaben. Als Autor sollte man gerade dort aktiv dabei sein. Ansonsten verpasst man eine einfache Chance, Werbung für sich und seine Texte zu machen und schlicht und einfach: sich zu vernetzen. Seit Jahren wächst die App kontinuierlich. Innerhalb der ‚Instagram-Welt‘ hat sich ein wunderschöner kleiner Kosmos entwickelt: #bookstagram.
Für mich immer noch der schönste Grund für dich, da zu sein: um hautnah zu erleben, wie Leser das von dir geschriebene Buch in Szene setzen, darüber schreiben.“

... zu der Frage, warum Lisas Instagram-Account @schreibwasduliebst so gut ist: „Lisas Feed bietet den Followern eine gelungene Mischung und viel Abwechslung: Sie „bewirbt“ ihre Sache und erzählt dabei ihre Geschichte. Sie lässt ihre Follower an ihrem Weg zum Buch teilhaben, postet Korrekturfahnen, „ihre“ Vorschauseiten, zeigt ihre Schreiborte – für jeden Leser ein klasse Blick hinter die Kulissen. Jedoch zeigt sie auch die private Lisa und wird so nahbar und nur noch sympathischer.“

... über Erfolg auf Instagram: „Was jedem Autor bewusst sein muss: Erfolg bei Instagram kommt nicht über Nacht. Es ist harte und kontinuierliche Arbeit, seine Follower und seinen Account zu pflegen. Außerdem sollte man unbedingt offen für diese Art der Darstellung und des Marketings sein – denn, und hier schon ein erster Tipp und unentbehrlicher Rat: Authentizität ist alles, je echter und ehrlicher man ist, desto größer ist ein potenzieller Erfolg. Nichts spüren andere User schneller als Unehrlichkeit, nichts tolerieren sie weniger.“

... zu der Frage: Was lerne ich bei dir und wie kann ich dich buchen?
„Du lernst: Wie funktioniert Instagram? Bookstagram? Wie lege ich überhaupt einen Account an? Wie und mit welchen Inhalten fülle ich ihn? Wie sollte ein guter Text aussehen? Wie ein gutes Bild? Wie mache ich mich und meinen Account sichtbar? Welche Accounts sollte ich kennen? Wie verhält und bewegt man sich in der #bookstagram-Welt? Ich gebe auch konkrete Tipps zu #hashtags, Postingzeiten, dem Algorithmus, der Vernetzung mit Facebook und biete, wenn gewünscht, regelmäßige ‚Nachsorge‘. Gerne besprechen wir Details in einem Erstgespräch. – Interessenten können sich per Mail über [email protected] bei mir melden.“

Ich ernte ein Lob vom Verlagsteam für meine Onlineauftritte und berichte von Florians Unterstützung. Sie sind beeindruckt, denn der literarische Nerd ist ihnen ein Begriff. Und ein erheblicher Anteil meiner Marketingkampagne soll schließlich im Internet ablaufen. Mein Onlineteam beim Verlag und Konzepterin Chris helfen mir mit Facebook und LovelyBooks. Chris empfiehlt mir, einen Redaktionsplan aufzustellen. Die Jagd nach Likes und Followern liegt mir nicht, aber der Kontakt zu (zukünftigen) LeserInnen gefällt mir.

Ein Redaktionsplan für Facebook? Warum ist das sinnvoll?
Christina Maria Schollerer: „Ein Redaktionsplan hilft dabei, wichtige Termine im Jahr auch im Hinblick auf Social Media im Kopf zu behalten und dadurch erfolgreich zu bewerben.
Als Autorin sollte ich nicht nur täglich das posten, was mir gerade einfällt, sondern die Chance nutzen, um zum Beispiel langfristig auf meine Premierenlesung hinzuarbeiten und meine Leserinnen bereits frühzeitig anzuteasern. Auch dabei gilt es, alles dramaturgisch zu gestalten.“

Schreibzeit versus Marketing

Je näher der Erscheinungstermin rückt, desto mehr gibt es zu besprechen. Verena und ich vereinbaren einen wöchentlichen Telefontermin, um uns gegenseitig auf dem Laufenden zu halten. Es geht um mögliche Kooperationspartner wie Hotels oder den Tierärzte-Verband, darum, welche Bilder von mir in die Verlagsdatenbanken kommen, um Werbe-Flyer mit abtrennbarem Lesezeichen, Umschlagtexte und Leseproben. Toll ist, dass meine Ideen, Einwände und auch mein Bauchgefühl zählen, obwohl die endgültigen Marketingentscheidungen natürlich beim Verlag liegen.
Es versteht sich von selbst, dass es mich Zeit kostet, diesen intensiven Marketingweg mitzugehen. Die investiere ich gern, aber ich muss aufpassen, denn leicht hält mich das alles vom Schreiben ab. Schließlich habe ich einen Zweibuchvertrag unterschrieben. Das macht mir Herzklopfen in doppelter Hinsicht. Zum einen ist es fantastisch, dass mein zweites Buch ein Zuhause hat, bevor es überhaupt geschrieben ist. Aber: Ahhhh, ich habe ein ungeschriebenes Buch verkauft! Plötzlich fühle ich mich unter Zeit- und Erwartungsdruck, was dem Schreiben nicht guttut. Auch hier hilft die enge Beziehung zum Verlag. Meine Lektorin nickt mir zu. „Das zweite Buch ist das schlimmste.“ Mit diesem Satz fällt mir das Schreiben direkt wieder leichter.
Trotzdem ist der Prozess des Schreibens ein völlig anderer als beim ersten Buch. Durch die Textarbeit mit Profis kenne ich nun meine Stärken und Schwächen beim Schreiben und arbeite fokussierter.

Ein wichtiger Rat: selbstbewusst mit der neu entdeckten Leidenschaft fürs Schreiben umgehen

Das erste Buch war anfangs für mich selbst eher eine verrückte Idee, von der ich fast niemandem erzählte. Der Satz „Ich schreibe gerade einen Roman“ kam mir irgendwie seltsam und anmaßend vor. Als wollte die kleine Tierärztin von nebenan mal eben einen Bestseller aufs Papier kritzeln. Dabei dachte ich nicht mal ans Veröffentlichen.
Dann rutschte mir der Satz doch heraus. Bei einer Pferdebesitzerin, deren Pony ich gerade impfte. Sie lachte mich nicht aus, sondern fragte interessiert nach. Es stellte sich heraus, dass sie Buchhändlerin ist. Ohne meinen Text zu kennen, war sie begeistert von meiner Romanidee und bot mir an, das Manuskript zu lesen und mir eine Einschätzung dazu zu geben. Außerdem gab sie mir den Rat, viel selbstbewusster mit meiner neu entdeckten Leidenschaft für das Schreiben umzugehen.

Sabrina Stemper, Buchhändlerin: „Warum ich direkt von Lisas Idee begeistert war, ohne eine Ahnung zu haben, wie sie schreibt? Um das zu verstehen, muss man Lisa kennen: Sie hat so viel zu geben, kann so unglaublich gut mit Worten umgehen ... Wichtig ist vielleicht noch zu wissen: Lisa ist ja nicht meine Freundin, ich kenne sie nur als Tierärztin und sie hat mich als solche durch sehr schwere Stunden gebracht. Sie kann Emotionen in Worte fassen, sie hat ein Händchen für Menschen, bei ihr darf jeder so sein, wie er ist. Daher dachte ich: Wer so ein Gespür hat, sich so im normalen Leben artikuliert, warum soll der nicht schreiben können? Und wirklich: Ich las die ersten Seiten und es war einfach toll. Wäre das nicht so gewesen, hätte ich Lisa auch von der Veröffentlichung abgeraten. Der Roman ist unglaublich authentisch, ich glaube, jede, die das liest, kann sich von Anfang an in die Protagonisten und ihre Welt hineinversetzen. Selbst wenige Zeilen von ihr schaffen es, mich sehr zu berühren.“

Nicht zuletzt deshalb fasste ich den Mut, mein Manuskript bei der Literaturagentur Copywrite einzureichen, und es landete genau auf dem richtigen Schreibtisch. Vanessa Gutenkunst war überzeugt von Ton und Figuren, den Plot fand sie allerdings noch ausbaufähig. (Siehe das Interview mit ihr auf Seite 16 in Federwelt 135.) Als sie sich in einem persönlichen Gespräch überzeugt hatte, dass genug Ideen für mehr „Breite und Tiefe“ da waren, wurde sie meine Agentin und nahm nur sechs Wochen später das überarbeitete Manuskript mit zur Frankfurter Buchmesse 2017.
Vanessa war sich von Anfang an sicher: „Wir finden den richtigen Verlag für dich.“ Und sie hat recht behalten.

Sabrina Stemper und Myriam-J. Stemper von der Dortmunder Universitätsbuchhandlung zu Bleib doch, wo ich bin: „Wir haben das Gefühl, dass der Fischer Verlag gerade sein Programm ein wenig umstellt oder erweitert, um frischer und moderner zu werden. Für uns hat der Verlag in den letzten anderthalb Jahren sehr gewonnen.
Da Liebesromane mit den Themen Heimat, Tiere und starke Frauenpersönlichkeiten im Trend sind, hat Fischer mit Lisa Keil eine neue Autorin gefunden, die genau diese Themen anspricht.
Das Cover trifft den Inhalt perfekt. Romantisch, ohne je kitschig zu werden und dabei zeitgemäß. Hier hat die Marketing-Abteilung ganze Arbeit geleistet. Der Kunde kauft heute – mehr denn je – auch mit dem Auge. Mit den Blüten und den frischen Farben und den Silhouetten ist es perfekt zum Frühlingsbeginn.“
www.unibuch-do.de

Ich hätte nie damit gerechnet, dass die Beziehung zwischen Verlag und Autorin so sein kann. Eher hatte ich befürchtet, dass mein Manuskript mit Vertragsabschluss nicht mehr mir gehört und die meisten Entscheidungen über meinen Kopf hinweg getroffen werden. Nun arbeite ich aktiv und auf Augenhöhe mit Fischer zusammen.

www.lisakeil.de | [email protected]

Hat jede Autorin, jeder Autor ein Marketingteam?

Verena Wälscher, Marketingmanagerin FISCHER Taschenbuch Belletristik, und „ihre Autorin“ Lisa Keil im Werkstattgespräch

Ihr habt mit der Planung der Marketingmaßnahmen schon angefangen, bevor ich überhaupt meinen Buchvertrag bei euch unterschrieben hatte. Wie lange dauert es denn, bis so eine Kampagne irgendwann steht?
Der gesamte Prozess umfasst gut und gerne einmal 18 Monate und endet mit dem Erscheinungstermin des Buches, der von der Kampagne begleitet und umrahmt wird. Andererseits gibt es auch sogenannte Schnellschüsse. Dann verknappen wir den Prozess, um ein Buch – zum Beispiel aufgrund der Aktualität des Stoffs – schneller auf den Markt zu bringen, und lösen uns von den üblichen Abstimmungsrunden.

Hat jeder Autor, jede Autorin ein Marketingteam?
Jedes Buch und jeder Autor hat Ansprechpartner im Verlag. Einen Lektor, der den Text betreut, einen Hersteller, der sich um die Produktion kümmert, einen Referenten in der Veranstaltungs- und Presseabteilung, der sich darum sorgt, dass das Buch an die jeweiligen Medien herangetragen wird. Ebenso einen Ansprechpartner im Marketing, hier können es sogar zwei sein: für den Bereich online und offline. Nicht zu vergessen, das Team des Vertriebs hier im Haus. Aber auch die Kollegen, die mit unseren Vorschauen auf Reise gehen und mit den Buchhändlern über unsere Bücher ins Gespräch kommen. Und bestimmt noch einige mehr, die mir gerade nicht einfallen. Allerdings gibt es verschiedene Grade der Betreuung. Es gibt schon eine Hierarchie: von Spitzentiteln bis hin zu Übernahmen von Erstverwertungsstufen.

Wie viele Autoren werden von dir betreut?
Ich betreue circa 120 Buchprojekte pro Jahr. Intensiven Kontakt habe ich mit ungefähr 20 Autoren. Mit vielen verbindet mich eine langjährige Zusammenarbeit.

Wieso habt ihr Chris Schollerer an Bord geholt? Arbeitet ihr häufig auch mit externen Marketingleuten zusammen?
Wir haben sie gebucht, da Chris Storytelling-Expertin ist – auf dem Gebiet der konzeptionellen und redaktionellen Fragen. Noch ist die Kollaboration mit externen Marketingexperten die Ausnahme. Jedoch sehen wir den Trend, dass diese Art von Marketingzusammenarbeit künftig an Bedeutung gewinnt.

Wir werden ja auch für das Marketing des zweiten Buchs zusammenarbeiten. Was wird dann leichter? Was vielleicht auch schwerer?
Deine Brandstory ist entwickelt. Den Begriff muss ich für die Federwelt-Leser vielleicht kurz erklären: Für ausgewählte Titel oder Autoren entwickeln wir sogenannte Autorenmarken. Die Brandstory ist Teil der Autorenmarke und setzt sich zusammen aus Antworten auf viele wichtige Fragen. Zum Beispiel: Wie ist das Profil des Autors? Wie tritt er auf? Für welche Werte steht er, was für Bücher schreibt er und wo sehen wir die Kernzielgruppe?
Dein Buchprojekt ist in Richtung Leserin, Handel und Medien langfristig positioniert, da es sich um eine Reihe handelt. Unsere Aufgabe wird es sein, den Plot der Novität und die Fortsetzung der Reihe zu pitchen, um Leserinnen des ersten Romans zu erreichen und im besten Fall neue Fans dazu zu gewinnen. Wir haben den Grundbaustein gelegt und müssen nun auf den Erfahrungen mit Band eins aufbauen. Daher wird ein wichtiger nächster Schritt die Analyse der Kampagnenarbeit zu Bleib doch, wo ich bin sein. Was hat gut funktioniert? Wo können wir nachschärfen? Auf welche Erfolgsfaktoren setzen wir weiter? Manchmal können hier auch Fragen auftauchen, die „wehtun“, denen wir uns aber stellen müssen.

Welche denn?
Das kann ich doch jetzt noch nicht wissen. Lass uns zwei Monate nach Erscheinen noch mal sprechen.

Ganz ehrlich – ist es auch mal anstrengend mit mir? Die vielen Ideen und Wünsche, die Bedenken und Rückfragen, auch einfach die viele Zeit, die die Gespräche und E-Mails kosten, das nervt doch auch mal, oder?
Du bist ein „Frischling“ – so wie ich es im Umgang mit Pferden bin (grinst) und ich hole dich gerne bei Themen und Abläufen ab, die dir noch unbekannt sind. Das wird sich bei Band zwei, drei … schnell legen. Mir ist wichtig, dass du uns vertraust. Aufgrund unserer Expertise und unseres Markt-Know-hows. Unsere Entscheidungen sind durchdacht, gründlich abgewogen und geschehen zum Wohle deines Buches. Genauso sind deine Ideen immer herzlich willkommen! Was mir dabei am besten gefällt? Dich immer im Boot zu wissen!
„Nerven“ ist also das völlig falsche Wort. Ich finde es gut, dass wir alles gründlich und intensiv besprechen. Du nervst nicht, aber du forderst mich heraus. Das trifft es viel besser.

„Was mich sofort beim Lesen begeistert hat, waren die authentischen Figuren!“

Wie kam Lisa Keil zu ihrer Agentur? Was war das Besondere an ihrem Manuskript? Und: Was tun Verlage inzwischen, damit das Buch wieder „Massenmedium“ wird?
Vanessa Gutenkunst von copywrite im Gespräch mit Anke Gasch

Wie sind Sie und Lisa zusammengekommen? Was war das Besondere am Manuskript, wodurch hat es sie begeistert?
Lisa Keil kam auf dem „klassischen“ Weg in unsere Agentur, indem sie uns nach einem ersten Telefonat eine Textprobe geschickt hat. Zwei Tage später hatte ich diese bereits gelesen. Ein Ausnahmefall, denn uns erreichen jeden Tag ein halbes Dutzend Leseproben und wir prüfen normalerweise innerhalb von vier Wochen. Aber ich war gerade auf der Suche nach einem guten Unterhaltungsstoff und Lisa Keil hatte mir am Telefon mit so viel Leidenschaft von ihrem Roman erzählt. Dabei hatte ich von ihrem Background als Tierärztin erfahren und davon, dass sie den Roman eigentlich für ihre Freundinnen geschrieben hat. All das ließ mich direkt in die Mail schauen und dann auch gleich das komplette Manuskript anfordern.
Was mich sofort beim Lesen begeistert hat, waren die (sorry für das überstrapazierte Wort) authentischen Figuren und vor allem der Ton – leicht, aber nicht oberflächlich, witzig, mit der richtigen Balance für ernstere und ruhigere Stellen. Außerdem war der Schauplatz neu und gut: eine Kleinststadt ohne Landliebe-Kitsch und Heuschober-Romantik, sondern so beschrieben, wie es der Lebensrealität sehr vieler Leserinnen entspricht. Das Leben (und die Liebe) findet eben nicht immer auf einer Nordseeinsel statt – oder in einer „fancy“ Metropole.
Ich habe das Manuskript in einem Rutsch durchgelesen und war glücklich ob des darin funkelnden Potenzials, auch wenn ich noch Optimierungsbedarf gesehen habe.

Von Lisa weiß ich, dass Sie ihr geholfen haben, das Manuskript „verlagsbereit“ zu machen: Was haben Sie zum Beispiel angeregt?
Wir sind noch mal in die Geschichte gegangen, sowohl was die Breite als auch die Tiefe betrifft. Der Ursprungstext war etwas kurz für das Genre und die Geschichte entsprechend eher linear erzählt. Bei unserer Arbeit ging es sowohl um Handwerkliches (Dialoge aufbrechen, mit Rückblenden arbeiten et cetera) als auch um Grundsätzliches: die Protagonistin zu Beginn des Romans etwas runder zeichnen, den Figuren biografischen Hintergrund geben, damit sie mehr Kontur bekommen. Sie jenseits des Haupterzählstrangs interagieren lassen …
Wunderbarerweise hatte Lisa das alles in petto. Das heißt, ihre Figuren hingen nicht im luftleeren Raum, sondern sie hatte zu jeder eine ausführliche Biografie – diese aber nur aufgrund der selbst auferlegten Erzählökonomie nicht aufs Blatt gebracht. Deshalb ging die Überarbeitung dann auch leicht und extrem schnell von der Hand.
Klar ist aber auch: Wir bieten kein umfassendes Lektorat, das können und wollen wir auch gar nicht, das ist Aufgabe des Verlags. Wir helfen eher etwas auf die Sprünge und geben eine professionelle Einschätzung.

Wie lange hat es gedauert, einen Verlag für Lisas Manuskript zu finden?
Ich habe das Projekt den in Frage kommenden Verlagen auf der Frankfurter Buchmesse 2017 vorgestellt und es Anfang November an die LektorInnen verschickt. Im Januar kamen dann die ersten Angebote. Nach einer Auktion, bei der mehrere Verlage gegeneinander geboten haben, hat sich Lisa im Februar für den Fischer Verlag entschieden.

Ist Storytelling für jede Autorin, jeden Autor was?
Das lässt sich nicht schematisch auf alle Autoren übertragen, es muss schon passen: zum Buch, zur Person.

Stichwort Pressearbeit: Haben Sie einen Tipp für andere Autorinnen und Autoren, die nicht so viel Unterstützung erfahren wie Lisa?
Pressearbeit von Verlagsseite aus ist gerade in der Unterhaltung nicht immer einfach. Da sieht es in der E-Literatur natürlich anders aus, Stichwort Feuilleton oder Literaturkritik. Deshalb ist es sinnvoll, selbst aktiv zu werden. Dafür bieten sich natürlich die sozialen Medien an: gut gepflegte Profile bei Facebook, Instagram et cetera. Und in Folge dann die Verbindung zu Bookstagramern und Buchbloggern als Multiplikatoren. Der Verlag kann das mit weiteren Pressemaßnahmen flankieren, es muss aber auch klar sein: Nicht jedes Debüt wird vom Verlag als Spitzentitel gesetzt, deshalb ist Eigeninitiative ein Plus. Ziel ist, eine Community aufzubauen, die LeserInnen am Prozess des Schreibens und Veröffentlichens teilhaben zu lassen.
Das kann nicht jeder aus dem Stegreif, da gibt es Mechanismen, die man kennen muss: Wie oft und was poste ich? Wie vernetze ich mich? Wie finde ich den goldenen Mittelweg zwischen persönlich und professionell? Wenn man da unsicher ist, lohnt es sich, einen Profi ins Boot zu holen, mit dem man gemeinsam ein individuelles Konzept erstellt. Florian Valerius bietet diese Unterstützung zum Beispiel an, und ich bin überzeugt, dass das gerade den Anfang sehr erleichtert.

2018, bei der Buchkäufer quo vadis?-Studie vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, kam unter anderem heraus: Immer mehr Menschen fühlen sich im Alltag unter Druck, Zeit ist knapp durch digitale Medien und ein reiches Freizeitangebot, die Stellung von Büchern haben Serien übernommen, allen fehlt zunehmend Orientierung am Buchmarkt. Entsprechend lautete der Rat, Bücher müssten den Menschen im Alltag eher über den Weg laufen, das Buch müsse so zum Konsumenten kommen, wie andere Medien es auch tun. Steuert die Branche entsprechend gegen? Reagieren Verlage bereits darauf? Wenn ja, womit? Wie sehen Sie das?
Die Verlage reagieren natürlich auf diesen Umstand, um die LeserInnen wieder einzufangen, die abends lieber bingewatchen oder im Netz surfen. Im Grunde bieten sich Orte und Situationen an, an und in denen wenig andere Ablenkung geboten ist und man die Zielgruppe erwischt. Zum Beispiel verteilen einige Verlage Leseproben beim Friseur oder auf Zimmern in Wellness-Hotels. Aber auch Einleger in Zeitschriften, die die angepeilte Zielgruppe liest, funktionieren gut.
Manche Verlage vermitteln auch Lesungen auf Kreuzfahrtschiffe. Und dann kommen natürlich die Nebenmärkte ins Spiel wie Supermärkte oder Tankstellen. Orte, an denen man das Buch nicht unbedingt erwartet und doch zugreift. Aber auch digitale Leseproben sind ein guter Weg, das Buch zum Konsumenten zu bringen. Wobei es da sinnvoll wäre, diese nicht nur auf den Verlags-Webseiten und im Online-Buchhandel zur Verfügung zu stellen, sondern zum Beispiel noch präsenter im Medien-Angebot der Deutschen Bahn zu sein.
 

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Autorin: Lisa Keil
Weiterlesen in: Federwelt, Heft 135, April 2019
Foto: Christina-Maria Schollerer

 

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