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»Es steht halt im Regal«

Federwelt
Jens Brehl

Von der Schwierigkeit, das eigene Buch im stationären Buchhandel zu platzieren

Als ich mein Buch „Mein Weg aus dem Burnout – Der Stress-Falle entkommen, Lebenskunst entwickeln“ veröffentlichte, stand von Anfang an fest, dass ich mich selbst um die Öffentlichkeitsarbeit kümmern muss. Schließlich gehört der Pomaska-Brand-Verlag zu den kleineren Unternehmen. Als freier Journalist nahm ich die Aufgabe gerne an, denn ich verfügte bereits über recht gute Medienkontakte. Zudem gehe ich gerne auf Menschen zu. Warum also nicht einmal in eigner Sache?

Doch Berichte in den Medien über meine Geschichte und mein Werk sind und waren nur eine Seite der Medaille. Schließlich wollte ich auch die LeserInnen erreichen, die das Buch beim Bummeln in den Buchhandlungen entdecken. Entsprechend plante ich, HändlerInnen zu überzeugen, es in ihr festes Sortiment aufnehmen. Zunächst war ich dabei auch guter Dinge, denn der Verlag hatte mich mit Plakaten und Lesezeichen ausgestattet, wobei ich letztere signierte. Euphorisch machte ich mich daran, BuchhändlerInnen anzusprechen.

Rückschläge
Eines meiner ersten Ziele war eine Buchhandlung in meiner Heimatstadt Fulda. Diese Buchhandlung liegt etwa zehn Meter neben einem Handlungsort, den ich in meinem Buch detailliert in einer emotional aufgewühlten Szene beschreibe. Durch das große Schaufenster und die darin eingelassene Glastür kann man direkt auf die Treppe der Kirche blicken. „Dort drüben hat der Autor gesessen“, wäre doch sicherlich ein interessantes Detail für potenzielle LeserInnen, oder? Der Inhaberin stellte ich mein Buch vor und erzählte ihr vom nahen Handlungsort. Dabei machte sie ein Gesicht, als spräche ich über umfallende Reissäcke in China. Immerhin nahm sie mein Buch in Kommission auf, doch begeistert schien sie nicht zu sein. In einem halben Jahr verkaufte sie fünf Exemplare.

Da ich den Verkauf auch aktiv unterstützen wollte, schlug ich einer anderen Buchhandlung eine Lesung vor. Sogar honorarfrei – wofür mich manche Kollegen steinigen mögen. Damals dachte ich so: „Der Laden ist wenige Gehminuten von meiner Wohnung entfernt und ich investiere meine Arbeitszeit gerne. Es wäre meine erste Lesung und ich sammele dabei wertvolle Erfahrungen.“

Wenn sich das Buch gut verkaufen würde, käme eine Lesung durchaus in Betracht, sagte mir der Mitarbeiter. Und ich fragte mich, ob sich hier nicht die Katze in den Schwanz beißt.

Gelesen habe ich dort bis heute nicht, aber zumindest finden stetig einige über den Großhandel bezogene Exemplare ihre Käufer. Auch dank einem entsprechenden Bericht und der mehrmaligen Erwähnung in der örtlichen Tageszeitung.

Neuer Ort, neues Glück?
Nun versuchte ich mein Glück außerhalb von Fulda, denn der Prophet scheint im eigenen Lande immer noch nicht viel zu gelten. Als ich schwer am depressiven Erschöpfungssyndrom – umgangssprachlich „Burnout“ genannt – erkrankte, verbrachte ich sieben Wochen in einer Psychosomatischen Klinik. Auch diese Erlebnisse habe ich ausführlich in meinem Buch verarbeitet.

Im Ort der Klinik gibt es mittlerweile nur noch eine Buchhandlung, da die zweite aufgrund mangelnden Umsatzes schließen musste. Im verbliebenen Laden streifen auch die Patienten „meiner“ Klinik durch die Regale und wie ich telefonisch erfuhr, fragen diese regelmäßig (!) nach Burnout-Literatur. Der verantwortlichen Mitarbeiterin erzählte ich von den Vorzügen meines Werks, dass es kein weiteres trockenes Sachbuch zur Thematik ist, sondern eines, dass die Betroffenen im Herzen anspricht, da ich über etwas schreibe, was ich selbst erlebt habe. Und noch ein Argument führte ich ins Feld: dass Patienten in der gleichen Klinik einige Handlungsorte vertraut seien, was sie dichter an meine Geschichte heranbringe. Außerdem schlug ich eine Lesung vor, zu der man auch aktiv die Patienten einladen könnte, etwa mit Hilfe der Klinikleitung.

Die Mitarbeiterin klang begeistert und bestellte erste Exemplare über den Großhandel. Zusätzlich schickte ich ihr Plakate und signierte Lesezeichen.

Einige Monate später rief ich erneut an, denn ich wollte wissen, wie viele Bücher verkauft wurden und ob ich noch weiter unterstützen kann. Die Antwort: „Fünf.“ Entsetzt fragte ich nach, ob man den regelmäßigen Interessenten denn nicht die Vorzüge des Buchs näherbringen würde. Nein, hieß es, man könne ja nicht alle entsprechenden Kunden beraten. „Das Buch steht halt im Regal.“ – So erfahren die Interessenten leider nicht, dass ich in „ihrer“ Klinik Patient war.

Das musste ich erst einmal verdauen. Da ist eine Buchhandlung ohne örtliche Konkurrenz, die in der Nähe einer Psychosomatischen Klinik liegt und demnach beständig mit Interessenten an Burnout-Büchern zu tun hat. Trotzdem gelingt es nicht, in Gesprächen auf mein Buch aufmerksam zu machen? Schließlich tun mir die Buchhändler wohlgemerkt keinen unentgeltlichen Gefallen. Sie verdienen am Verkauf. Dennoch agieren sie in meinen Augen so, als würde es wie vor 30 Jahren keine Online-Konkurrenz à la Amazon & Co. geben. Frei nach dem Motto: Bücher kauft man in der Buchhandlung und daher muss man sie einfach nur ins Regal stellen.

Doch vielleicht liegen die Fehler auch bei mir. Daher frage ich mich, wie wir AutorInnen, die im Kleinverlag verlegen oder es gar selbst tun, den Kontakt zum stationären Buchhandel so aufbauen können, dass eine fruchtbare Zusammenarbeit entsteht.

Hoffnung!
Auf der Frankfurter Buchmesse 2014 besuchte ich die Self-Publishing Area, und entdeckte die Buchhändlerin Kirsten Rühs aus Bad Nauheim bei einer Podiumsdiskussion. Thema: Wie es selbst verlegte Bücher in den stationären Buchhandel schaffen können. Rühs überraschte mich mit ihrer offenen Art: „Wenn mir ein Buch gefällt, ist es für mich egal, wie bekannt der Autor oder in welchem Verlag sein Werk erschienen ist.“

Die Buchhändlerin ist Krimi-Fan und hat ein auf ihre Stammkundschaft entsprechend zugeschnittenes Sortiment.

In dieser Zeit beschäftige ich mich im Zuge dieses Artikels mit den Fragen, wie ich als Autor einen engagierten Buchhändler finde und wie er oder sie am liebsten angesprochen werden möchte. Bei Kirsten Rühs finde ich Antworten. Einfach Bücher ins Regal zu stellen reiche schon lange nicht mehr, erzählt sie, „denn durch Bestellmöglichkeiten im Internet brechen spürbar Umsätze weg. Wir bieten daher einen umfassenden Service, liefern etwa die Bücher, packen diese als Geschenk ein und empfehlen aktiv passende Literatur. Und wir veranstalten regelmäßig Lesungen, zu denen stets um die 30 Zuhörer kommen.“

Ich fühle mich bestätigt: Es braucht nicht nur aktive AutorInnen, die auf ihre Werke hinweisen, sondern auch aktive BuchhändlerInnen. Demnach profitiert Rühs auch von den persönlichen Kontakten zu AutorInnen, denn so kann sie ihren Stammkunden stetig neue Bücher ans Herz legen.

Das Thema entscheidet
AutorInnen, die bei Kirsten Rühs punkten wollen, sollten sie entweder anrufen oder gleich persönlich vorstellig werden. Eine E-Mail mit einem Link zu weiteren Informationen reicht nicht aus, denn im Arbeitsalltag hat die Buchhändlerin dafür wenig Zeit. Ein paar Minuten für ein persönliches Gespräch findet sie jedoch meistens.

Bei einem persönlichen Kontakt merkt sie sofort, ob sie ihr Gegenüber sympathisch findet. Wenn ja, ist die erste Hürde genommen. Nun muss noch das Leseexemplar überzeugen, denn hier sollte die Qualität stimmen: ansprechendes Cover, hochwertige Verarbeitung, (nahezu) fehlerfreier Text und fesselnder Inhalt. „Das Buch muss mich ansprechen, nur dann kann ich es empfehlen. Letztendlich ist es eine Bauchentscheidung, welche Werke ich ins Sortiment aufnehme und welche Autoren ich für Lesungen buche.“ Und eben dieses Bauchgefühl kann sich bei E-Mails kaum einstellen.

Da sich Bücher mit regionalem Bezug gut verkaufen, haben entsprechende Werke in Rühs Augen einen Vorteil. Ich erzähle ihr von der Buchhandlung in Fulda, bei der man einen Handlungsort durchs Schaufenster sehen kann. Dieses Detail findet sie spannend, denn es schafft Nähe für die LeserInnen. Daher versteht sie zunächst die Reaktion ihrer Kollegin nicht, bis sie den Titel meines Buchs erfährt. „Puh, ich wüsste auch nicht, welchem Kunden ich das aktiv empfehlen soll.“

Mir fällt es wie Schuppen von den Augen: Wie sollen BuchhändlerInnen mein Buch ins Gespräch bringen, wenn sie nicht nach entsprechender Lektüre gefragt werden? Sollen sie etwa sagen: „Junger Mann, so wie Sie aussehen, könnten Sie ein gutes Buch über Burnout gebrauchen!“? Ein Hinweis auf mein Buch kann für Missverständnisse und peinliche Situationen sorgen! Da hilft der nahe Handlungsort wenig. Zudem geht nicht jeder Betroffene offen mit seinem Kranksein um, im Gegenteil. Häufig versucht man dies zu verbergen. Das habe auch ich getan und hätte wohl selbst kaum in meinem Heimatort in einer Buchhandlung nach entsprechender Literatur gefragt. Daher kann ich verstehen, dass meine LeserInnen das Buch lieber „anonym“ im Internet beziehen.

Die passenden Verkaufsstellen finden
Allerdings entscheiden auch persönliche Präferenzen des Händlers und mit den Themen Burnout/Depressionen kann oder will sich nicht jeder identifizieren. Auch wenn in den Medien oder in Teilen der Gesellschaft offen darüber geredet wird, ist es für viele Menschen nach wie vor ein Tabuthema. Es existieren noch Vorurteile und Missverständnisse, so geht manch einer lieber auf Abstand. Wenn dann noch die (regelmäßige) Nachfrage durch die Kunden fehlt, wird es schwierig. Doch es gibt auch Lichtblicke.

Im August 2014 hielt ich im Treffpunkt SeitenWechsel meine erste Lesung, zu der 65 Zuhörer kamen*. Nach dem schwierigen Start mit dem örtlichen Buchhandel war dieses große Interesse an meiner Geschichte und meinem Buch Balsam für meine Autorenseele. Eigentlich wollte ich jeden Besucher persönlich begrüßen, doch verwundert stellte ich fest, dass dies bei dem Andrang nur schwer möglich war. Der Treffpunkt SeitenWechsel gehört zum Antoniusheim, einer sozialen Einrichtung in Fulda. Zur Unternehmensgruppe zählen unter anderem eine Gärtnerei, eine Bäckerei und ein Bauernhof. Hier arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Im hauseigenen Laden verkauft sich mein Buch seit der Lesung regelmäßig. Die KundInnen dort interessieren sich neben guten Biolebensmitteln auch für soziale und gesellschaftliche Themen. Also habe ich damit eine passende Verkaufsstelle für mein Buch gefunden.

Jens Brehl, www.jens-brehl.de, www.der-freigeber.de

•    * Bericht über meine erste Lesung: http://osthessen-news.de/n11493240/mein-weg-aus-dem-burnout-journalist-jens-brehl-im-treffpunkt-seitenwechsel.html
•    www.buchmesse.de/de/im_Fokus/self-publishing/

in FEDERWELT, Heft 111 April/Mai 2015

 

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Dieser Artikel steht in der Federwelt, Heftnr. 111, April 2015: /magazin/federwelt/archiv/federwelt-22015
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