
Figurenaufstellung mit „Lebendmaterial“:
Ensembles gestalten
Von Nina George
Dezernat 16, Heidelberg, Stephi fackelt nicht lange: „Du bist jetzt mein Papst!“, teilt die Münchener Schriftstellerin dem verdutzten Michael mit und zieht den Pontifex im Polohemd in die Mitte der improvisierten Theaterbühne. „Du intrigierst, hasst die Wissenschaft und kontrollierst die ganze Stadt durch Religionsrituale.“ Noch während Stephi die Wesenszüge der Figur aus ihrem aktuellen Romanprojekt aufzählt, nimmt Michael eine päpstliche Körperhaltung ein, macht ein erhaben-fieses Gesicht und ruckelt ein imaginäres Scheitelkäppchen zurecht. Habemus Papam, wir haben einen Papst. Aber das ist nur der Anfang des Dramas.
Ich bin die Besetzungscoach beim Literaturcamp 2016. Und habe ab jetzt, als Spielmacherin der „Figurenaufstellung mit Lebendmaterial“, 45 Minuten Zeit für einen interaktiven „Workshopquickie“ mit rund 30 TeilnehmerInnen.
2013 habe ich die Figurenaufstellung mit echten Menschen entwickelt, eine hochdynamische Rollenspieltechnik, die Romanfiguren im wahrsten Sinne des Wortes „Beine macht“: Anstatt allein am Schreibtisch imaginäre Charaktere zwischen den Hirnlappen hin- und her zu schieben oder Diagramme zu malen, ermöglicht die „Figurenaufstellung mit Lebendmaterial“ jedem Autor, jeder Autorin „Menschenschach life“.
So geht „Menschenschach“
Stellvertretend für die geplanten Charaktere Ihrer Story werden eine Handvoll unerschrockener und zu freundlichem Feedback fähige MitspielerInnen in einem beliebigen Raum, Garten, Wohnzimmer so „gestellt“, dass sichtbar wird, wer wie zu wem steht: Wer ist das Zentrum, wer der Sidekick, wer ist der Antagonist, wer der Papst …? Dabei geht es auf Stühle, Tische, die Knie, hintereinander, voreinander. Reden dürfen Ihre Romanfiguren übrigens auch – aber dazu später.
Wer jetzt an die „Familienaufstellung“ nach Hellinger® denkt, liegt nicht ganz daneben. Auch diese visualisiert Beziehungsgeflechte. Die „Figurenaufstellung nach George“ bildet allerdings nur literarische Beziehungsnetze ab, soll prüfen, ob Ihr Personal miteinander funktioniert, glaubwürdig agiert, spannende Begegnungen möglich macht. – Zur Enttarnung dient sie auch: von Männerüberschuss, Genderklischees oder liebgewonnenen, aber leider unnützen Figuren.
Eingespielte Ensembles
Es ist kein Dramaturgengeheimnis, dass das sauber orchestrierte Ensemble eines Theaterstücks oder Films essenziell dazu beiträgt, seinen Unterhaltungswert, seine Tiefe zu steigern. Was wäre Holmes ohne Watson, auf dem er herumhacken kann, was der misanthropische Shrek ohne den schmerzhaft gut gelaunten Donkey und was Danny Ocean ohne sein „Eleven“-Team?
Jedes literarische Genre profitiert davon, wenn sein Autor, seine Autorin das Ensemble-Casting beherrscht. Denn selbst wenn die Hauptfigur schillernd, brüchig und zum Verlieben ist und das Thema des Romans der Knaller, so verderben blasse standardisierte Nebenfiguren und konfliktlose Interaktionen den schönsten künftigen Bestseller.
DrehbuchautorInnen inhalieren während ihrer Ausbildung zwangsläufig die Kunst der Besetzungscouch und greifen oft auf bestens erprobte Konstellationen zurück, die sich ebenso gut in Romanen und Kurzgeschichten einsetzen lassen:
Duos (Auswahl)
- Badass und Lovely Idiot: der coole Typ als Held und sein etwas weniger begabter, paddeliger, liebenswerter Freund, der für den Humor und das Menscheln zuständig ist, wie Sherlock Holmes und Doktor Watson, Batman und Robin. Sind die beiden Figuren nicht gleichberechtigt, sondern ist nur einer als Hauptfigur oder tragende Rolle angelegt, handelt es sich oft um:
- Sidekick-Duos. Diese Duos sind oft „Sub-Konstellationen“ in größeren Ensembles; so gilt Spock als Sidekick von Kirk oder Ron Weasley als Sidekick von Harry Potter. Sidekicks haben viele Aufgaben: den Haupthelden unterstützen, bewundern, für Komik sorgen und ihm Gelegenheit geben, seine genialen oder gemeinen Pläne zu verbalisieren. In Jule Vernes Reise um die Erde in 80 Tagen ist Passepartout der geduldige Zuhörer von Phileas Fogg, im „Potterversum“ müssen Crabbe und Goyle sich Dracos Hasstiraden über Harry anhören. Zu den „Ur-Sidekicks“ der Literatur zählen Sancho Pansa und Hadschi Halef Omar. In der Tradition der Commedia dell'Arte waren Sidekicks oft Trottel, die in jeder Szene für Lachsalven zu sorgen hatten. Manchmal sind sie aber auch:
- Best Friends. Beste FreundInnen oder Vertraute der Hauptfiguren. In romantischen Komödien wird die chaotische überforderte und zumeist unglücklich verliebte Protagonistin von ihrer schlagfertigen humorvollen besten Freundin oder (Achtung, Klischeefalle: dem schwulen) besten Freund beraten. In Fantasyromanen wird der Held oft vom besten Freund auf Abenteuer begleitet, wie Harry von Hermine oder Frodo von Samweis Gamdschie in Der Herr der Ringe. Diese Trilogie ist wie Game of Thrones ein „Big-Ensemble-Roman“, enthält aber zahlreiche „Subkonstellationen“ von Duos und Trios. Einige davon sind:
- MentorIn und ElevIn. Zu Zeiten von My Fair Lady hatte das Mansplaining noch eine große Lobby. Aber auch heute noch erklären männliche Führungskräfte den weiblichen gern ungefragt die Welt. Lehrer-Schützling-Paare finden sich in den meisten Abenteuerstoffen wie Star Wars oder in Die Tribute von Panem.
- Das komische Duo, das doppelte Lachpaket, das aus Gegensatz-Paaren geschnürt wird. Aus Pessimist und Optimist, Abenteurer und Zauderer, Frauenheld und Schüchternem – je dysfunktionaler, desto mehr „Gacker“. Unterhaltungspotenzial besitzt auch das unheilige Doppel, das sich nicht ausstehen kann, aber gezwungen ist, gemeinsam zu arbeiten und eine Herausforderung zu bewältigen, wie Sandra Bullock und Regina King in Miss Undercover 2. In der Literatur finden sich komische Duos seltener als in Filmen. Gerade humorvolle Literatur hat oft nur einen Protagonisten – siehe die Kluftinger-Krimis, Mieses Karma und Vollidiot. Vielleicht liegt das daran, dass sich bisher nur wenige ErzählerInnen an den harten Job „Humor“ trauen: Nichts ist schwieriger zu stemmen. Außer vielleicht Sex ...
- Das verliebte Duo. Der Klassiker unter den Zweier-Konstellationen, von Romeo und Julia über Susi und Strolch bis zu Lou und Will in Ein ganzes halbes Jahr.
Mehr Beispiele für Duos finden Sie auf der englischsprachigen Seite http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/DuoTropes.
Trios (Auswahl)
Die Dreierbande gehört zu den populärsten Ensemble-Besetzungen. Eine Dreiecksbeziehung wiederum ist eine der stärksten Konstellationen für Dramen, denn sie birgt hohes Konfliktpotenzial: Effi Briest, Der Liebhaber meines Mannes, Girl on the Train, Euphoria ...
- Ob drei Frauen, drei Männer oder bunt gemischt, drei nahezu paritätische Hauptfiguren können ein Thema oder den Plot durch drei Perspektiven und Erfahrungswelten spiegeln, wie Die Dienstagsfrauen; Der Russe ist einer, der Birken liebt oder Das Traumbuch zeigen. Oft bestehen die Trios aus drei gegensätzlichen, sich ergänzenden Figuren: aus einem Sensiblen, einer Vernünftigen und einer Pragmatischen zum Beispiel.
- Häufig ist in einem Trio eine der Figuren das Zentrum, die anderen agieren zwar fast auf Augenhöhe – aber eben nur fast. Flotte Literaturdreier in der Ensemble-Systematik „Anführer und Gefolgschaft“ sind etwa Harry, Ron und Hermine aus Harry Potter, Justus, Peter und Bob aus den Drei ??? oder die Panem-Frontfrau Katniss Everdeen mit Peeta und Gale an der Seite. Trios können wir weiter unterscheiden in:
- Terrible Trio. Der Anführer, kreuzböse, begleitet von zwei gewissenlosen Handlangern, siehe Draco, Crabbe und Goyle.
- Nice, Mean and In-Between: ein eher gemeiner oder gewissenslos smarter Charakter, begleitet von einem netten und jemandem, der irgendwas dazwischen ist – mit deutlich sympathischen Zügen, aber auch einigen üblen Eigenschaften.
- Comic Trio, oft geschnürt aus dem komischen Duo plus einem armen Normalo, der die beiden Durchgeknallten nicht aufhalten kann.
- Love Trio: ein Paar plus Sidekick, wie in Das Schicksal ist ein mieser Verräter.
- RitterIn, Knappe, Knecht: In Abenteuer- oder Fantasyromanen ist das Trio aus Profikämpfer, Anfängerkrieger und unerfahrenem Begleiter häufig anzutreffen.
Die Zahl „Drei“ wird auch oft „die Göttliche“ genannt. Drei Figuren können sich gegeneinander wenden, einander ausspielen, aber auch gemeinsam auf Heldenreise gehen. Mit drei Charakteren können Sie von Eifersucht, Freundschaft oder Misstrauen erzählen. Dreier-Konstellationen erlauben in absolut jedem Genre vielfältige Interaktionen, Konflikte und Tiefe. Schwerer wird es da ab der Viererkette:
Die Viererkette und „Big Ensembles“
Die Viererkette ermöglicht es AutorInnen gerade noch, jeder handelnden Hauptfigur unfallfrei eine eigene Story mit Tiefgang zuzuweisen, oder abwechselnd aus einer der vier Perspektiven zu erzählen, wie es Anna Gavalda in Zusammen ist man weniger allein geschafft hat. Vor allem für Familiengeheimnis-Romane oder solche mit der Grundidee „Freunde, die sich nach Jahren wieder treffen und ihre Dramen ausgraben“, ist die Viererkonstellation eine gute Wahl.
Auch in Abenteuerromanen (Der Hunderjährige, der aus dem Fenster stieg ...) oder Filmen (Avengers, Madagascar, Sex and the City) gewinnt die Viererkombi oft die Herzen der Leser und Leserinnen, weil sie männliche wie weibliche Facetten zu Wort und Tat kommen lässt sowie reichlich Identifikationsfläche und Actionpotenzial schafft.
Ab fünf Figuren (Fünf Freunde, Friends) und „Big Ensembles“ (sämtliche CSI-Serien oder Ally McBeal) wird es spannend: Wer sind die Hauptfiguren? In welcher Beziehung stehen sie zueinander? Wer ist Anführer, wer Sidekick, wer ist der willenlose Handlanger („Henchman“), wer „In-Between“? Sind die Frauen stark, die Männer gebrochen? Braucht man überhaupt so viele Figuren für den Plot, und wenn ja – wie sollten sie sich unterscheiden und ergänzen? Woraus soll man die „Grundtypen“ für eine literarische Fußballmannschaft schöpfen und wie spielen sie in einem Team zusammen? – Sie alle ins Tor zu stellen macht wenig Sinn. Oft bedienen sich AutorInnen intuitiv aus dem Regal der mythologischen Archetypen. Dazu zählen der Krieger, Mentor, Weise, Gestaltwandler, der Narr/die Lustige, der Magier/die Hexe, der Schatten, der Schwellenhüter* … Andere erweitern ihr Repertoire an psychologischer Figurenzeichnung mit der Lektüre von Freud und Jung.
(* Mehr über Archetypen lesen Sie in den Federwelt-Heften 105 und 111.)
Auf der eigenen Bühne: Stellen Sie Ihre Figuren!
Unterdessen in Heidelberg: Aus 30 TeilnehmerInnen hat sich Stephi noch Jasmin als Wissenschaftlerin, Wolfgang als ihren Verehrer und eine Handvoll anderer gegriffen und allen erklärt, wie sie sich ihn (oder sie) vorstellt – Alter, Herkunft, Beruf, Aussehen und natürlich seine Funktion in ihrem Roman. Gerade bei der Zusammenstellung von Ensembles muss sich der Schreibende absolut bewusst sein: Warum gibt es diese Figur – und ist sie schon gut genug gezeichnet?
Während die Autorin Ensemble und Publikum den Plot des Romans erzählt, enttarnen sich die ersten Unschärfen.
Oft erfinden Autoren Charaktere, deren konkrete Aufgabe innerhalb des Plotkonstrukts ihnen eigentlich nicht ganz klar ist! Sind sie Spiegelungen des Romanthemas? Werden sie für die Komik benötigt, den Sexappeal, den Konflikt? Sind sie „Darlings“: liebenswerte, schillernde Nebenfiguren, die nicht wirklich was zu tun haben?
Bevor Sie beim Figurenstellen in die Falle tappen, nicht ganz genau zu wissen, welche Funktion Ihre Figur hat, außer Ihnen Spaß zu bereiten, formen Sie ihren Charakter zum Beispiel nach drei Fragen aus, die sie ihr stellen: Was ist dein innerer Antrieb – Schuld, Sehnsucht, Angst, Neugier, Liebe …? Wie willst du am Ende des Buches dastehen – erlöst, glücklich, als ÜberlebendeR, befreit, tot oder ...? Und für welche Aspekte des Romans, des Plots bist du eigentlich zuständig?
Mit diesen Antworten, auch mit bruchstückhaften, beglücken Sie bitte laut die zu stellende Figur. Laut deshalb, damit auch das Publikum es mitbekommt und Ihnen später beispringen kann, wenn’s Probleme gibt. Und die wird es geben, versprochen.
Zurück zu Stephi: Als Besetzungscoach bitte ich die Schöpferin nun, ihre bestens gerüsteten Figuren nach drei Regeln zu stellen:
1) Wer ist/sind die Hauptfigur/en? Sie gehört/gehören ins Zentrum.
2) Wie stehen die anderen Figuren zu ihr:
- hinter ihr als Stütze? Das sind oft Figuren, die nur ab und an im Roman auftauchen, oder „helfende“ Nebenfiguren wie der Weise, der Mentor oder die Mutter.
- direkt oder schräg neben ihr, um gemeinsam durch die „Heldenreise“ zu gehen: als Best Friend, Kampfpartner, Sidekick …?
- ihr gegenüber, weil sie Antagonisten sind und sie aufhalten oder ihr Hindernisse in den Weg legen wollen? Auch jemand, der sich erst im Laufe des Romans zum „Feind“ entwickelt, etwa ein rachsüchtiger Liebhaber, gehört auf die gegenüberliegende Seite der Heldin.
- Stehen sie gar über ihr, weil sie Macht über sie haben, sie beeinflussen können? (Papst Michael, siehe oben.)
- Oder stehen sie ihr im Weg: als wohlmeinende, aber leider destruktive Ratgeber? – Wie der plüschäugige Verehrer der Wissenschaftlerin, der aus Angst um sie ständig dafür sorgt, dass sie in Schwierigkeiten kommt.
Eine spezielle Ausnahme sind „tote“ Figuren, verstorbene Geliebte, ermordete Eltern, die dennoch Einfluss auf das Handeln und Fühlen der Hauptfigur haben. Sie stehen ebenfalls hinter ihr und halten sie fest.
3) Welche Nähe oder Distanz, welche lose oder feste Bindung, welche Beziehung herrscht zwischen den Figuren? – Bitte zeige sie uns, indem du die Figuren dichter zusammenstellst oder weiter auseinander:
- Wer ist sich nah und gehört auf Tuchfühlung? Gehen Freunde dicht beieinander durch die Geschichte wie Holmes und Watson, fast Schulter an Schulter, oder sind sie einander zwar verbunden, doch fern, und können sich gerade noch so an der Hand halten wie Katniss und Gale?
- Wie nah sind sich Protagonist und Antagonist? Ein sich hassendes Ehepaar steht sehr dicht voreinander. Ein Voldemort steht Harry direkt gegenüber, aber weit entfernt.
Als RegisseurIn der eigenen Geschichte haben Sie jetzt alle Möglichkeiten, Ihr bewegliches Ensemble auf seine Spielfähigkeit hin zu untersuchen und auch das „Publikum“ und das „Lebendmaterial“ mit einzubeziehen. Ein Auszug aus meinem Spielmacherin-Katalog kann Ihnen Anhaltspunkte geben, wie Sie Ihr Ensemble auf Schwächen untersuchen:
1) Die Gretchenfrage
In meinen Seminaren stelle ich häufig fest, dass es zu viele Männer in führenden Positionen gibt und Frauen in „emotionalen“ Rollen. Der Gangleader, der Chef der Ermittlungseinheit, der maskuline Antagonist, der männliche Mentor; die fürsorgliche Mutter, die liebeshungrige Freundin, das weibliche Opfer. Tauschen Sie Gender! Auch eine Frau darf Chefin eines Polizeiteams sein oder die intrigante Übermacht im Hintergrund! Nicht nur ein anderer Mann kann eine Ehe gefährden – sondern auch eine andere Frau! Der Best Friend, etwa in Liebeskomödien, muss keine witzige Freundin sein, der grantelige Nachbar tut es auch. Und ein fürsorglicher Vater kann genau der Aspekt sein, der die Story zu etwas Besonderem macht. Gerade so ein Gendertausch lässt so manche allzu vorhersehbare Story wieder funkeln.
2) Der Alterstest
Weiblich, ledig, jung sucht … Gerade in Selbstfindungs- und Entwicklungsromanen sind die Figuren oft allesamt Mitte 30. Ändern Sie das Alter der Nebenfiguren, entstehen, gerade bei Romanen, die ein großes Thema wie Liebe, Trauer oder Sexualität spiegeln, ganz neue Möglichkeiten, davon zu erzählen. Ihre LeserInnen werden es danken.
3) Die Schuldfrage
Jeder Autor hat es: Ein Faible für das innere Getriebensein seiner Figuren. Und auf einmal stehen da fünf Leute, alle von Schuld geprägt. Oder alle von Liebeskummer. Alle von der Angst, nicht wirklich intensiv gelebt zu haben, bevor sie sterben. (Hier fasst sich die Autorin an die eigene Nase.) So dreht sich bald auch der Plot elliptisch im Kreis.
4) Die Funktionsfrage (So wichtig, dass ich mich gern wiederhole.)
Wozu brauche ich jede Figur? Hat sie genug zu tun? – Das ist der härteste Moment: herauszufinden, dass man zu viele Figuren da rumstehen hat. Oder eine vermeintliche wichtige Hauptfigur gar nicht braucht. Dennoch, da müssen Sie durch. Es spart die Verzweiflung während des Schreibens.
5) Die Frage an die Figur
Auf die Frage von Stephi an ihre Hauptfigur, einen Dieb, wie es ihm grad so ginge, sagte er spontan: „Ich fühle mich leer und nutzlos.“ Der Grund: Ausgerechnet er als Hauptfigur war „gefangen“ im Beziehungsdickicht, wurde erdrückt von zu vielen komplex handelnden Figuren.
Kommen Sie mit Ihren gestellten Figuren ins Gespräch, fragen Sie sie, ob diese genau wissen, was sie zu tun haben, ob sie ihren Best Buddy mögen. Geben Sie Ihren Figuren die Möglichkeit, eigene Wege zu gehen, Ihnen „davonzulaufen“ und Ideen und Rückfragen zu äußern! Das sind die aufregendsten, unberechenbarsten und fruchtbarsten Momente einer Life-Figurenaufstellung – wenn Ihre Geschichte auf einmal beginnt, sich zu entfalten und – Hand drauf! – zu verbessern.
Autorin: Nina George | www.ninageorge.de
Foto: Jürgen Brückmann
In: Federwelt, Heft 120, Oktober 2016
Links
- Workshop-Bericht vom Literaturcamp 2016: https://schreibhain.com/2016/06/15/literaten-lauern-auf-lebendmaterial-das-literaturcamp-16-in-heidelberg/
- Das Ensemble als „Held“: www.traumfalter-filmwerkstatt.de/blog/die-kleine-genrefibel-teil-17-big-ensemble/
- Wer steht wie zu wem? > http://wortwuchs.net/figurenkonstellation/
- Über Duos, Trios und Taschenspielerstricks von TV-AutorInnen: http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/Ensembles
- Ensembles nach Archetypen: http://dramaqueen.info/wiki/figuren/#Anlage
http://dramaqueen.info/wiki/figuren/ - Werte als Ausgangspunkt für die Figuren- und Ensembleentwicklung: http://filmschreiben.de/grundlagen-ii-was-ist-eine-geschichte-und-wie-funktioniert-sie/
- Figuren mit Nina George aufstellen, Termine ab 2017: https://schreibhain.com/weiterbildungfuerautoren/
www.eo-akademie.de/seminare-und-termine/