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Der professionelle Video-Auftritt für Autor*innen: Talks, Lesungen und Seminare online gestalten

Federwelt
Julian van Dieken

Welche Konferenztools sind empfehlenswert? Worauf inhaltlich und technisch achten, wenn ich Talks und Lesungen professionell vorbereiten, durchführen und nachbereiten will? Welche Vorteile bieten Live-Video-Formate gegenüber vorproduzierten? Und wie sieht es aus mit dem Geld-Verlangen?

Christina Maria Schollerer erforscht und konzipiert digitale Formate seit fünfzehn Jahren. Sie ist Digital-Storytelling-Dozentin, StoryDesign.Studio-Gründerin und berät Autor*innen und Verlage beim Markenaufbau. Für diesen Beitrag hat sie den Erfahrungsschatz von fünf Expert*innen zusammengetragen.

Erster in der Webvideo-Expertenrunde ist der Künstler, Dramaturg und Hacker Michael Straeubig.

Tipps vom Technik-trifft-Kunst-Experten für den Video-Auftritt
Michael Straeubig im Gespräch mit Christina Maria Schollerer

Michael Straeubig ist einer der führenden Ansprechpartner, wenn es um den kreativen Umgang mit Videokonferenzen und Software geht. Aktuell entwickelt er am Düsseldorfer Schauspielhaus eine Theaterinszenierung, in der eine künstliche Intelligenz die Regie übernimmt.

Michael, Videokonferenztools und Kunst – wie passt das zusammen?
Sehr gut sogar, vor allem, wenn wir die Plattformen als eigene Inszenierungsform begreifen. Da sind die Möglichkeiten noch längst nicht ausgeschöpft!
Inspiration gibt’s zum Beispiel bei der Akademie für_Theater_und_Digitalität.

Welche Plattformen und Konferenztools kannst du empfehlen?
Mir liegen vor allem Open-Source-Tools und faire Datenschutzregelungen am Herzen. Daher nutze ich vor allem Jitsi Meet für Videokonferenzen und OBS Studio fürs Broadcasting. Das ermöglicht mir die Übertragung an eine Reihe von Streaming-Sites und die Erstellung virtueller Bühnen. Kostenlos. In Kombination mit CamTwist Studio (Mac) oder NDI (Windows) kann ich damit virtuelle Kameras erstellen und Bilder, visuellen App-Output sowie Videostreams mischen und zusammenstellen.
Zoom und erst recht Houseparty meide ich aufgrund der Datenschutzmängel. Bei Zoom-Meetings schalte ich mich lediglich per Telefon dazu. Die Software aber lasse ich nicht auf meinen Rechner. Meine Empfehlung: die gewünschte Plattform plus „Datenschutz“ googeln und schauen, was aktuell über die Tools geschrieben wird. Denn das wandelt sich schnell.

Michaels Tipps für die optimale Videokonferenz

  • Mache dich vorab mit deinen Tools vertraut. In Jitsi kannst du beispielsweise das Chat-Fenster und die Raise-Hand-Funktion benutzen. Auch lassen sich Teilnehmer*innen stumm- und ausschalten. Kläre im Vorfeld, wo sich diese Schaltflächen befinden. 
  • Bereite den Konferenzraum vor. Normalerweise beginne ich eine Besprechung zehn Minuten im Voraus, lege das Passwort fest, schalte zunächst Kamera und Mikrofon aus und hinterlasse eine Nachricht im Chat-Fenster: „Treffen beginnt um: [Uhrzeit].“ Einige Tools verfügen über einen virtuellen Warteraum, in dem man eine Notiz einstellen oder Musik abspielen kann.
  • Versuche, intensive dreistündige Besprechungen zu vermeiden. Videokonferenzen mit 20 Personen können anstrengend sein. Plane bewusst Pausen ein.
  • Schicke den Teilnehmenden rechtzeitig vor und nach der Besprechung alle wichtigen Informationen.
  • Noch wichtiger als bei realen Meetings ist eine klare Agenda und eine Person, die die Sitzung moderiert.
  • Stelle sicher, dass alle eine Technikeinführung bekommen haben. Zu Beginn jedes Treffens gehen wir die Hauptmerkmale der genutzten Plattform für die Teilnehmer*innen durch.
  • Teilnehmer*innen, die gerade nicht sprechen, können und sollten ihre Mikrofone stumm schalten. Das spart Bandbreite und auch Datengröße beim Aufnehmen – und es reduziert das Rauschen.
  • Lasse möglichst wenige Anwendungen und Tabs auf deinem Gerät geöffnet, um so viel Speicher, Bandbreite und Leistung wie möglich für die Konferenz bereitzustellen. (Die Funktion „Hintergrund weichzeichnen“ frisst viel Leistung!)
  • Alles ist eingefroren? Verlasse die Sitzung und logge dich neu ein.
  • Sorge für einen Backchannel, einen zweiten Kommunikationskanal außerhalb der Konferenz, auf dem man sich bei dir melden kann, falls Login-Probleme auftreten oder du nicht zu hören bist.
  • Hab Spaß mit den Werkzeugen! Statt der digitalen Emojis im Chat nutze ich zum Beispiel selbst gebastelte, die ich einfach in die Kamera halte. Gerade für Gesprächsrunden finde ich das persönlicher.
  • Miss die Upload- und Downloadgeschwindigkeit deines Computers mit einem Tool wie www.speedtest.net. Deine Upload-Geschwindigkeit ist entscheidend für die Übertragungsqualität. Manchmal helfen kleine Schritte, wenn es hakt: Starte deinen Router neu, sieh nach, ob Updates der Firmware verfügbar sind, ändere das Passwort und sichere dein Netzwerk nach außen, damit nicht die halbe Nachbarschaft dein Netz mitnutzt.

➢    Michael Straeubig im Netz | auf Twitter: www.i3games.de | @crcdng
➢    Mehr zu „Tools for Communication and Collaboration […]“: https://tinyurl.com/tvlv87v

Die Atmosphäre analoger Begegnungen lässt sich online viel schwerer herstellen. Hast du dazu Tipps?
Tatsächlich kann es helfen, räumliche Nähe zu simulieren. Mit NDI oder CamTwist Studio lässt sich ein virtueller Hintergrund einschalten. Die Wahl derselben Hintergrundumgebung, beispielsweise einer Bar, ist nicht nur Spielerei, sondern hat auch einen sozialen Effekt. Auch das Experimentieren mit virtuellen Klanglandschaften wie Coffitivity kann helfen. Damit wird das Gefühl erzeugt, dass man sich gemeinsam in einem Café befindet.

Die beliebtesten Plattformen

  • Instagram Live / IGTV: Vertikaler Video-Streaming-Dienst, geeignet für technisch unaufwendige Einzel-Livestreams und Talks mit Live-Chat auf Instagram. Beispiele: Sebastian Fitzek (@sebastianfitzek) und LovelyBooks (@lovelybooks.de).
  • Facebook Live: Horizontaler oder vertikaler Video-Streaming-Dienst von Facebook.
  • YouTube: Streaming-Plattform für vorproduzierte Videos, allerdings inzwischen auch mit Live-Streaming-Funktion ausgestattet. Inspirierend: die Kanäle von Ava Reed, Tami Fischer und Penguin Teen.
  • Twitch: Video-Live-Streaming-Plattform, ursprünglich hauptsächlich von Gamern genutzt. Horizontales Bild. Tommy Krappweis (@WildMics) und Jacqueline Vellguth (@schriftstellerwerden) nutzen Twitch. Auf die Frage, warum, antwortet Jacqueline: „Bei Twitch haben mir von Anfang an drei Dinge sehr gut gefallen: 1. Andere Plattformen bauen größtenteils auf dem ‚Fernsehmodell‘ auf. Das heißt, es gibt einen, der das Video dreht und jemanden, der sich dieses Video wann-auch-immer anschauen kann. Twitch dagegen fokussiert sich gerade auf die Interaktion zwischen Streamer und Publikum. Es geht um das Miteinander-Erschaffen einer gemeinsamen Erfahrung und das fühlt sich für beide Seiten toll an. 2. Es ist mir unheimlich sympathisch, dass Twitch die Möglichkeit bietet, den Streamer zu unterstützen. Entweder durch Abonnements, durch „Bits“ oder auch direkt durch Spenden. Diese Option gibt es auch auf anderen Plattformen, wird aber erst ab 100.000 Abos freigeschaltet. 3. Vergänglichkeit. Videos auf anderen Plattformen sind häufig für immer sichtbar. Dadurch, dass Twitch die Videos nur 14 Tage lang speichert, entsteht automatisch eine Dringlichkeit. Du musst dir den Stream ‚jetzt‘ anschauen, sonst ist er weg. Aber Achtung: Twitch ist keine Plattform, auf der du entdeckt wirst! Wenn du willst, dass deine Zuschauerzahlen wachsen, musst du sie über andere Kanäle mitbringen, etwa über deinen Newsletter, Instagram, Twitter oder YouTube.“

Tipps vom Videoproduzenten für den Video-Auftritt
Julian van Dieken im Gespräch mit Christina Maria Schollerer 

Julian van Dieken ist freier Videoproduzent und Leiter der Medienproduktion beim Hamburger E-Learning-Anbieter für Kitas Waterkant Academy. Seit mehr als fünfzehn Jahren konzipiert, dreht und schneidet er Videos aller Art fürs Netz und berät Hochschulen und Firmen bei der Produktion. Das Gesprächsthema: Video-Profiqualität von Format bis Bildaufbau.

Worauf sollte ich achten, wenn ich als Autor*in Videos fürs Internet produzieren möchte, wie finde ich das „richtige“ Format?
Es ist immer wichtig, sich zu fragen: Wer ist meine Zielgruppe und welches Format passt zu ihr? Dafür muss ich die Formate kennen, kann sie dann aber auch variieren und ändern.
Will ich Live-Interaktion einbinden, direkt auf Zuschauerfragen eingehen? Und soll der Inhalt dessen, was ich zeige, vom Publikum beeinflusst oder mitentwickelt werden? Dann ist ein Live-Format sinnvoll.
Für die Waterkant-Academy-Zielgruppe hat das aktuell keinen Sinn. Wir präsentieren in unserem wöchentlichen Video-Podcast auf YouTube jeweils fünf Tipps für Kita-Fachkräfte. Die Interaktion läuft asynchron in einer Facebook-Gruppe oder über die YouTube-Kommentare. Interessante Beiträge der Nutzer*innen greifen wir einmal wöchentlich in der Show auf. So kann ich den Fokus der Videos besser steuern und die Inhalte schneller und konzentrierter auf den Punkt bringen. Ist das Format klar, geht es an den Bildaufbau.

Der Bildaufbau für die optimale Wirkung

Julians Tipps:

1. Der wichtigste Faktor: bewusst Licht setzen
Es geht darum, nicht einfach alles „totzuleuchten“, sondern Konturen zu finden und den Sprecher oder die Sprecherin im Bild hervorzuheben.
Die klassische Beleuchtung beim Film nennt sich Drei-Punkt-Beleuchtung mit Hauptlicht, Aufhelllicht und einem Akzentlicht für die Konturen. Für die Videoproduktion heißt das: Zuerst eine Hauptlichtquelle (das hellste Licht im Raum) für das Gesicht setzen. Das kann das Fenster oder sogar der Computermonitor sein. Spiegelungen des Lichts in den Augen machen das Gesicht lebendig. Also nicht mit dem Rücken zum Fenster sitzen! Dann eventuell eine zweite Lichtquelle von der Seite für die Aufhellung setzen. Ich nutze ein kleines LED-Licht (3) und meinen zweiten Monitor, auf dem ich eine leere Word-Datei aufrufe, damit der Screen möglichst hell ist. Hauslampen sind möglich, aber häufig zu gelb. Ausprobieren hilft! Dekolichter sind eher für die Farbstimmung zuständig. In diesem Fall passen die Dekolichter, orange und grün (4 und 5) zu den Farbtönen im Bild und meinem Outfit. Auch hier habe ich improvisiert und ein Campinglicht (4) für die Stimmung eingesetzt.

2. Kamera immer aufs eigene Augenlevel bringen
Nicht von oben oder unten filmen, sondern die Kamera auf eine Höhe mit den eigenen Augen bringen. Man kann zum Beispiel Bücher unter den Laptop stapeln und so das Filmen aus einem unvorteilhaften Winkel vermeiden.

3. Tiefe im Bild schaffen
Tiefe im Bild rückt den Sprecher stärker in den Mittelpunkt und sieht vorteilhafter aus, als wenn der Sprecher wortwörtlich mit dem Rücken zur Wand steht.
Was das Spiegelreflex-Bild attraktiver macht, sind die vier Ebenen: Der angeschnittene, unscharfe Monitor im Vordergrund, ich auf der zweiten Ebene, der Schrank als dritte und der grau-grüne Hintergrund als vierte Ebene; in diesem Fall gewollt leicht unscharf, weil ich ein Objektiv mit weit offener Blende nutze. Somit liegt der visuelle Fokus hier auf mir als Sprecher.
Tiefe lässt ein Bild augenblicklich wertiger erscheinen. Es lohnt sich, darauf zu achten und sich so von anderen abzusetzen.

4. Den Hintergrund mitdenken
Alles, was ich im Video zeige, ist letztlich Teil meiner Marke, die ich sende. Deshalb ist das Gesamtbild wichtig, auch der Hintergrund.
Grundsätzlich gilt: Alles was im Bild zu sehen ist, sollte absichtlich dort sein. Alle Gegenstände, die nicht ins Bild gehören, lenken im blödesten Fall ab (oder verführen zum Diebstahl) und sollten raus.
Die Frage ist allerdings: Wie viel Aufwand will ich für „das perfekte Bild“ betreiben?
Wer schnell einen glatten Hintergrund schaffen möchte, kann Vorhänge oder Falthintergründe nutzen. Diese (auch Greenscreens) gibt es ab 50 Euro. Ich finde es aber immer sympathischer, wenn man einen eingerichteten Raum sieht. Auch hier ist Tiefe interessanter; und die bekomme ich nur hin, wenn ich nicht direkt vor einer Wand sitze.
Viele YouTuber besitzen eigens eingerichtete

Dreh-Ecken zuhause, etwa mit dem typischen IKEA-YouTuber-Regal, das je nach Bedarf dekoriert wird. Bei all dem gilt aber: kreativ sein. Das nutzen, was man hat.

5. Die Wirkung der Technik weder über- noch unterschätzen
Selbst als jemand, der Technik liebt und sich den ganzen Tag damit beschäftigt, würde ich sagen: Der technische Teil macht maximal 20 Prozent der Gesamtwirkung eines Formats aus. Die anderen 80 Prozent sind der Inhalt. Viel wichtiger als gute Technik sind gute Inhalte. Also, dass die Geschichte gut erzählt ist. Dass der Rhythmus stimmt. Das heißt auch: Das Abwechseln von Unterhaltung und Informationen, das Bewusstsein dafür, wie lange ein Abschnitt oder eine Erklärung sein muss und wann ich Pausen oder Übergänge brauche.
Die letzten 20 Prozent kann ich nutzen, um die Inhalte bestmöglich zur Geltung zu bringen und mich von anderen Anbietern qualitativ abzuheben.
Und ich bin überzeugt: Je mehr Energie man in diesen Part steckt, desto professioneller und einzigartiger wird das gesamte Format und das wird vom Publikum wertgeschätzt.

➢    Julian van Dieken ist als freier Videoproduzent und -berater buchbar unter: www.vandieken.com | @julian_van_dieken
➢    Julians aktuelle Arbeiten für die Waterkant Academy: www.youtube.com/user/christelvandieken/
 

Welche Investitionen sind am sinnvollsten, wenn ich mich für eigene Drehs und Streams technisch ausstatten möchte?
Für alle, die es professioneller angehen wollen, gilt: Audio ist wichtiger als Video. Viele Leute denken, dass es andersherum ist. Wenn ich dich aber nicht richtig erkenne, ist das nicht so schlimm, wie wenn ich dich nicht gut höre. Von daher: Wichtigster technischer Gegenstand ist ein gutes Mikro, noch wichtiger als eine gute Kamera!
Die einfachste Lösung: Kauft ein Podcast-Mikro ab 50 Euro zum Auf-den-Tisch-Stellen. Mein konkreter Tipp: Die Mikroreihe Yeti vom Hersteller Blue. Die Preisspanne reicht von 50 bis 200 Euro. Die meisten Podcast-Mikros sind dafür gemacht, aus sehr kurzer Distanz besprochen zu werden. Wenn möglich, sollte man zusätzlich seinen Aufnahmeraum akustisch gegen Hall dämmen. Selbst zugezogene Gardinen können schon helfen, aber Podcast-Mikros unterstützen dabei. Bei einem Interview sollten beide Gesprächspartner*innen Kopfhörer nutzen, damit es keine Rückkopplungen gibt, man sich also nicht doppelt hört.
Eine gute Kamera ist auch sinnvoll. Normalerweise sind Generalisierungen ja Quatsch, aber in diesem Falle kann ich sagen: Die meisten eingebauten Laptop-Cams kann man für den professionellen Gebrauch vergessen.
Mein Tipp, um die Qualität zu steigern: mindestens eine externe Webcam nutzen, die eine Full-HD-Auflösung liefert. Gute gibt es ab 50 Euro aufwärts. Empfehlenswert ist die Logitech C920.
Teilweise sind für Livestreams auch eingebaute Handykameras sehr gut geeignet. Jeder, der ein neues iPhone besitzt (ab Version 11), kann am besten die eingebaute Selfie-Cam nutzen.
Für vorproduzierte Videos sind dagegen Spiegelreflexkameras die bessere Wahl (hauptsächlich aufgrund der Unschärfe, die das Bild professioneller wirken lässt). Wenn ich das Video sowieso schneide, bevor ich es hochlade, ist eine Kamera mit Klappbildschirm praktisch. Mit ihm kann ich mich selbst während der Aufnahme sehen. Ich nutze eine Canon. Ein Einsteiger-Modell – egal welcher Marke – reicht aus. Das Objektiv ist oft wichtiger als die Kamera. Zur Beleuchtung: Als Hauptlicht lässt sich gut ein Fenster nutzen. Aber nicht ins direkte Sonnenlicht setzen, sonst gibt es starke Schatten. Ein lichtdurchlässiger, heller Vorhang erzeugt eine tolle, große Lichtquelle. Wenn kein Fenster in der Nähe ist, hilft ein LED-Flächenlicht, etwa das YONGNUO YN300. Auch gut als kleines Akzent- oder Dekolicht ist das Aputure Amaran AL-M9, ein Kreditkarten-kleines Licht, das sich nett im Hintergrund verstecken lässt. Ansonsten: Nutzen, was man findet! Auch eine weiße Wand, die Fensterlicht reflektiert, kann das Gesicht aufhellen. Allgemein wirkt natürliches Licht meist angenehmer als künstliches. Aber achtet darauf, dass die Kontraste nicht zu stark sind. Im Webcam-Beispielbild führt das Fensterlicht von der Seite dazu, dass das Videobild an der einen Seite komplett überbelichtet und an der anderen zu dunkel ist.
Allgemein gilt: einfach ausprobieren und mehr über Inhalte als über Technik nachdenken.

Tipps vom Schreibcoach
Beth Revis im Gespräch mit Christina Maria Schollerer

Beth Revis ist nicht nur als New York Times-Bestsellerautorin bekannt, sondern auch als Schreibcoach. Mit Cristin Terrill organisiert sie unter dem Label Wordsmith Workshops seit fünf Jahren Schreibcamps und -seminare.
Seit einem halben Jahr veranstalten die beiden via Zoom auch einstündige Online-Live-Seminare mit einem VIP-Gast wie der Bestsellerautorin Marie Lu. Christina Maria Schollerer hat eines besucht und mit Beth Revis darüber gesprochen, was die Qualität dieser Seminare ausmacht.

Beth, wie kamt ihr dazu, Live-Kurse über Zoom anzubieten?
Wir wollten expandieren, mehr Menschen erreichen, auch zwischen unseren Camps, die wir nur wenige Male im Jahr anbieten. Zusätzlich zu den monatlichen Online-Seminaren, in denen ein bestimmtes Thema und ein Gast vorgestellt werden, betreiben wir das Word Lab, das zweiwöchentliche Online-Schreibsprints anbietet.
Außerdem entwickeln wir zu unserem kostenlosen Newsletter gerade abonnementbasierte Dienste.

6 Lehren aus Beth Revis’ Wordsmith-Seminar mit Marie Lu

Qualität entsteht durch ...

1.    ... einen klaren Auftakt! Die Zugangsdaten kamen vorab per Mail und wir wurden pünktlich in den „Raum“ gelassen.
2.    ... gute Moderation und ausreichend Moderatorinnen! Zu jeder Zeit war klar, wer das Wort hat und um was es geht. Während Beth das Gespräch mit Marie Lu lenkte, kümmerte sich Cristin im Live-Chat um die Teilnehmenden und sammelte deren Fragen.
3.    ... eine klare Seminarstruktur! – Zu Beginn erläuterte Beth die Agenda. Darauf folgten ein von ihr moderiertes Gespräch mit Marie Lu und die Feedbackrunde zu einem eingesandten Text. Diesen hatten die Gastgeberinnen bereits vorbereitet. In der letzten Viertelstunde beantworteten Beth und Marie die von Cristin gesammelten Fragen. Am Ende gab es pünktlich eine offizielle Verabschiedung.
4.    ... eine Teilnehmerbegrenzung! Zugelassen waren 50 Teilnehmende; genug für eine rege Beteiligung, aber nicht zu viele, sodass man im Chat den Überblick behielt.
5.    ... ausgeschaltete Mikrofone von Anfang an! So konnte niemand die Sprecherinnen stören.
6.    ... die kostenpflichtige Teilnahme.

Mir als Teilnehmerin hat die klare Aufteilung eurer Rollen im Seminar sehr geholfen. Bleibt der Aufbau immer gleich?
Wir passen tatsächlich jedes Mal das Format an den jeweiligen Gast an. Bei einigen Gästen ist es einfacher, wenn das Publikum die Hand hebt und abwechselnd Fragen stellt; bei anderen gibt es so viele Teilnehmende, dass Cristin und ich direkter moderieren und den eingebauten Chat auf der Plattform benutzen, um Fragen auszuwählen. So können wir Wiederholungen vermeiden und den Gesprächsfluss besser begleiten.
Jedes Seminar ist anders – und das lieben wir! Das macht es für die Teilnehmer*innen interessant und hält uns auf Trab!

Unzählige Talks und Lesungen werden im Netz kostenlos angeboten. Warum habt ihr euch entschieden, euer Seminar bezahlt anzubieten?
Es gibt viele Leute – mich und Cristin eingeschlossen! –, die Dinge kostenlos in Social Media und auf anderen Plattformen anbieten. Aber wir wollten mit den Seminaren ein strukturiertes, professionelles Format anbieten: professionell sowohl für unsere Gäste als auch für unser Publikum.
Cristin und ich sind beide der Meinung, dass es moralisch falsch ist, Leute im professionellen Kontext nur in Reichweite und Sichtbarkeit zu bezahlen. Kunst hat einen Wert. Zeit hat einen Wert! Ein glücklicher Nebeneffekt ist, dass die Seminare insgesamt besser werden, wenn die Leute für ihre Teilnahme bezahlen. Selbst eine geringe Gebühr (10 Dollar für die Teilnahme, 99 Dollar, wenn der Text besprochen werden soll, zahlbar via Ticketshop) sorgt für ein besseres Teilnahmeerlebnis aller Beteiligten: Die Studierenden sind tatsächlich aufmerksamer und eher pünktlich. Wenn etwas auf dem Spiel steht, in diesem Fall der Kursbetrag, und sei er noch so gering, wollen alle sichergehen, dass die Erfahrung das Geld auch wirklich wert ist. Sie wollen das Beste herausholen. Und auch für mich gilt: Unterrichte ich einen bezahlten Kurs, bin ich engagierter. Nicht, dass ich schlechte Arbeit leiste, wenn ich kostenlos arbeite – nur fühle ich so mehr Druck, es besser zu machen.
Wir alle wollen etwas zurückgeben, weil uns allen auf unserem Karriereweg geholfen wurde. Aber es ist ebenfalls ein wichtiger Teil unserer Arbeit, die Idee zu normalisieren, dass Künstler*innen für ihre Zeit bezahlt werden sollten.

Beth Revis’ Tipps für alle, die Live-Video-Seminare und -Talks ausprobieren wollen

1. Bereite lieber zu viel vor als zu wenig. Wenn du eine Stunde zu füllen hast, notiere lieber zwanzig Interviewfragen, von denen du am Ende nur zehn besprichst, als zehn Fragen vorzubereiten und eine halbe Stunde Zeit übrig zu haben. Für die ersten Online-Seminare habe ich tatsächlich Tabellen mit Themen für jede einzelne Minute der Sitzung erstellt. Ich war so besorgt, dass niemand Fragen stellen würde! Glücklicherweise war das alles unnötig. Wir haben bisher wirklich tolle Gespräche mit den Gästen geführt, und die Teilnehmer*innen stellen immer mehr Fragen, als wir überhaupt Zeit haben. Für den Notfall bin ich natürlich immer noch mit meinen Tabellen gerüstet!
2. Sei flexibel. Es ist zwar wichtig, sich gut vorzubereiten; lass jedoch genügend Raum, damit sich das Gespräch organisch entwickeln kann. Die besten Unterhaltungen handeln oft von Inhalten, die gar nicht eingeplant waren.
3. Finde Themen, die spannend, aber ungewöhnlich sind. Es gibt auf der Welt nur bedingt viele Ratschläge zum Schreiben – und oft kann man sie einfach mit den Worten zusammenfassen: Setz dich hin und schreib! Um die Seminare frisch und ansprechend zu halten, engagieren wir Gäste, die neue Perspektiven auf eine Karriere in der Buchbranche eröffnen.

➢    www.wordsmithworkshops.com/wordsmith-online 

Tipps vom Autor und Bühnenprofi
Christian von Aster im Gespräch mit Christina Maria Schollerer

Der letzte Experte in dieser Runde ist Phantastikautor Christian von Aster. Er kennt sich bestens mit der Inszenierung von Werken aus – auf der realen Bühne wie auch digital. Als erfolgreichster deutscher Autor auf der Crowdfunding-Plattform Patreon experimentiert er schon seit mehreren Jahren mit Video-Auftritten und digitaler Fanbindung.

Christian, was sind für dich die größten Unterschiede zwischen einem Auftritt im Internet und dem auf einer realen Bühne?
Das Agieren auf der realen Bühne ermöglicht es mir als Künstler vor allem, bei Veranstaltungen die maximale Kontrolle über meine Greifbarkeit und Außenwirkung zu haben und somit nicht zuletzt ein definiertes Produkt zu sein. Theoretisch ist das auch im Internet möglich. Erfahrungsgemäß interessiert es das Publikum dort aber weniger und funktioniert meines Erachtens auch nicht so gut. Solange es nicht professionelle High-End-Shows mit entsprechender Technik und Aufwand sind, rücken dort eher Persönlichkeit, Kommunikation und die Fähigkeit zur Improvisation in den Vordergrund. Und vor allem anderen: die Möglichkeit zur Interaktion von Künstler*in und Publikum. Das Internet eröffnet dahingehend – trotz größerer räumlicher Distanz – viele Optionen, die von der Bühne aus schwieriger sind. Ein direkter Austausch in Chats ist etwa selbst bei größeren Künstler*innen inzwischen Usus. Ebenso wie das Erfragen von Zuschauerwünschen im Vorfeld.
Ich denke, dass es vor allem diese virtuelle Nähe ist, die Internetauftritte für beide Seiten attraktiv macht.

Wie gehst du an digitale Auftrittsformate heran: Überlegst du, wie du Elemente deines Bühnenprogramms ins Netz übertragen kannst? Oder konzipierst du komplett neu?
Bezüglich der Textauswahl gehe ich tatsächlich exakt wie bei meinem Bühnenprogramm vor. Allerdings behalte ich mir zwischen den Texten entsprechende Interaktionspausen vor und gönne der Moderation ein paar Minuten mehr, in denen ich über geplante Inhalte hinaus rede.
Ähnlich wie bei einer klassischen Lesung nehme ich mir im Vorfeld grundsätzlich die Zeit, um in Stimmung zu kommen und mich mental auf die meist thematisch festgelegten Streams vorzubereiten. Was sich in diesem Fall mit der technischen Vorbereitung mischt. Mikrofon, Licht und Kamera sind drei Faktoren, die im Stream am Ende ebenso wichtig sind wie die Texte selbst. Die erwähnte Stimmung ist übrigens so wichtig, da aus ihr die gesamte Atmosphäre resultiert. Als Streamer*in sollte man sich zunächst vergegenwärtigen, was genau man vorhat. Daraus ergeben sich Aufwand, Bühnenbild, Attitüde, Dauer und was sonst noch wichtig ist.
Da es für mich aufgrund der Koordination von Technik und direkter Interaktion mit dem Publikum anstrengender ist, im Netz aufzutreten als auf der Bühne, begrenze ich meine Streams inzwischen auf etwa eine Stunde.

Worauf achtest du besonders bei der Durchführung eines Webauftrittes?
Darauf, den technischen Aufwand so gering wie möglich zu halten. Jeder zusätzliche Faktor fordert Aufmerksamkeit, die vom eigentlichen Inhalt und vom Publikum abgezogen werden muss. Das Optimum ist eine eigenständig funktionierende technische Umgebung, die es mir ermöglicht, mich komplett auf Inhalt und Kommunikation zu konzentrieren. Und Fehler gibt es nicht. Nur happy little accidents, die in der Regel unterhaltsam und menschlich und keine Katastrophen sind.

Dein Tipp für die Nachbereitung?
Wissen, was man will. Ich lasse Livestreams in der Regel für einen begrenzten Zeitraum online, damit Interessierte sie noch einmal betrachten können. Da es aber meines Erachtens nicht von Vorteil ist, wenn das Œuvre von Autor*innen dauerhaft online ist, lösche ich sie dann wieder. Eine Lesung längerfristig als Visitenkarte im Netz zu lassen, kann allerdings genauso dienlich sein. Die Frage ist hier: Wo und wie erreicht man die meisten oder auch die richtigen Leute? Wo ist der eigene Community-Schwerpunkt? Wo will man wachsen?

Live-Lesungen oder lieber ein fertig vorbereitetes Videos?
Es geht immer darum, was man will und wo die eigenen Stärken liegen: Schlagfertigkeit und Improvisationsfähigkeit punkten im Rahmen von Live-Lesungen. Ein brillant konstruierter Text eher in einem inszenierten Video. Ich nutze alle erwähnten Möglichkeiten, befinde mich dabei jedoch noch immer in einer Phase des Ausprobierens.
Am Ende bleibt es der Inhalt, der zählt. Er bestimmt, wie man ihm am besten gerecht wird.

Stichwort „Live-Auftritt“: Was tust du, um im Netz eine emotionale Bindung zu deinem Publikum zu kreieren und zu halten?
Ich bin vor allem authentisch. Was für alle Beteiligten nicht immer einfach, aber in der Regel durchaus vergnüglich ist. Ich mache mir dabei keine Gedanken über das Schaffen einer solchen Bindung. Sie entsteht dadurch, dass ich mein Publikum teilhaben lasse. An meiner Begeisterung, meinen Plänen, meinem Output und meinen Gedanken – worin eben auch der Keim zu der zuvor erwähnten Interaktion liegt: das Angebot, Teil der Kunst zu sein. Bei Patreon lasse ich beispielsweise über anstehende Projekte abstimmen. Das Ziel ist dabei weniger eine emotionale Bindung, sondern das Optimieren eines kreativen Prozesses. Alles andere entsteht daraus.

Christian von Aster: „Aufgrund meiner analogen Prägung und meiner begrenzten technischen Talente streame ich gegenwärtig überwiegend kraft eines mobilen Endgerätes bei Facebook, da ich dort lediglich einen einzigen Knopf drücken muss.“
➢    www.patreon.com/vonaster
➢    www.vonaster.de

Du hast bereits eine eingeschworene Fangemeinde. Was würdest du Debütautor*innen raten, die Onlineformate anbieten wollen? 
Die eigene Form finden. Die persönlichen Qualitäten herausarbeiten. Nicht danach streben, Konzepte oder Menschen zu kopieren. Herumspielen. Leute finden, die einen dabei unterstützen. Technisch, menschlich, inhaltlich. Nichts wird am Anfang perfekt sein. Es gibt da ein schönes Zitat von Martin Walser: „Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.“ Und darum geht es: MACHEN. Und da weitermachen, wo es sich gut anfühlt. Und egal, wie gut man anfangs ist – wenn man es öfter tut, wird man besser.

In diesem Punkt sind sich alle Expert*innen einig: einfach loslegen, ausprobieren und machen!

Autorin: Christina Maria Schollerer | www.storydesign.studio | Insta: @storydesign.studio
Weiterlesen in: Federwelt, Heft 142, Juni 2020
Blogbild: Christina Maria Schollerer

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