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Der optimale Wochenplan - Mentalcoaching für Autoren #1

Federwelt
Andreas Gruber
Der optimale Wochenplan - Mentalcoaching für Autoren #1

Teil 1 des Erfahrungsberichtes von Andreas Gruber und welche Methoden ihm geholfen haben, direkt mit dem Schreiben loszulegen und im Schreibfluss zu bleiben.

Nach 19 Jahren Schriftstellerei habe ich es gewagt, meinen Teilzeitjob im Büro zu kündigen und mich als freier Autor selbstständig zu machen. Was war die Folge? Keine einstündigen Fahrten mehr ins Büro nach Wien. Keine Arbeitskolleginnen und -kollegen, Mittagspausen oder geregelten Urlaube. Ich musste plötzlich nicht mehr das Haus verlassen und konnte mir meinen Arbeitsalltag so einteilen, wie ich es für richtig hielt. Hört sich prima an? Für mich tat es das zunächst auch. Doch da gab es einige Fallen. Ich nenne jetzt nur mal zwei: Internet und Schreibblockade!
Je mehr Zeit ich hatte, desto weniger schaffte ich. Da spülte mir der Zufall einen Freund vor die Füße, der gerade dabei war, die Ausbildung zum Akademischen Mentalcoach abzuschließen. Ich wurde sein Versuchskaninchen. Mit seiner Hilfe stellte ich innerhalb von 24 Coaching-Stunden mein Leben um. Mein Ziel: mehr Schaffenskraft im Arbeitsprozess zu erlangen. Was ich während dieser Zeit gelernt und erarbeitet habe, finden Sie in diesem dreiteiligen Erfahrungsbericht.
In Teil eins geht es darum, wie ich mir einen optimalen Wochenplan zusammengestellt habe. In Teil zwei beschreibe ich Kick-Start-Methoden, die mir geholfen haben, morgens oder abends direkt mit dem Schreiben loszulegen und im Schreibfluss zu bleiben. Und in Teil drei stelle ich Ihnen mein neues inneres Beraterteam vor und dazu Tipps und Tricks, die mir den Schreiballtag extrem erleichtern.
Manche der beschriebenen Techniken lassen sich leicht allein ohne Vorkenntnisse umsetzen, andere sollten Sie mit fachlicher Betreuung und ausreichendem Hintergrundwissen anwenden.

Landläufige Vorstellung von Schriftstellern

Und was machen Sie beruflich?
Ich bin Autor.
Was, Autor? So ein richtiger Schriftsteller, der Bücher schreibt?
Ja.
Haben Sie auch schon etwas veröffentlicht?
Natürlich.
Kann es sein, dass ich schon mal etwas von Ihnen gelesen habe?
Möglich. Kommt darauf an, was Sie gern lesen.

Kennen Sie das? Die nächsten Fragen, die auftauchen sind meist: Woher nehmen Sie eigentlich Ihre Ideen? Wie wird man Schriftsteller? Wie schreibt man so einen Roman? Wie findet man einen Verlag?
Ich bin sicher, es gibt mehr Schriftstellerinnen und -steller auf der Welt als beispielsweise Rechtsanwälte, dennoch scheint der Beruf des Autors eine größere Faszination auf die Menschen auszuüben als andere Berufe.
Warum ist das so?
Weil sich die Menschen von Schreibenden oft ein bestimmtes Bild machen, das nicht der Realität entspricht. In deren Augen sind wir Künstler, die Talent und Ideen haben und dann schreiben, wenn uns die inspirierende Muse küsst. Dann schreiben wir den Roman in einem Stück aus dem Bauch heraus runter. Das Buch ist natürlich auf Anhieb perfekt, und der Verlag macht einen Bestseller draus. Dass es nicht so ist, darüber müssen wir hier nicht reden – aber andere wissen das nicht. Für sie bleibt es eine ewige Faszination, woher wir unsere Ideen nehmen.
Der Punkt ist aber der:
-    Woher kommen unsere Ideen wirklich?
-    Wie können wir uns täglich motivieren, sodass wir uns nicht von Internet und anderen Verführungen ablenken lassen?
-    Wie schaffen wir es, ständig kreativ zu bleiben, immer fest an uns und unser Buch zu glauben und Schreibblockaden links liegen zu lassen?
-    Und wie schaffen wir es nach der Veröffentlichung, dass uns eine 1-Stern-Buchbesprechung nicht in eine tiefe Sinnkrise stürzen lässt?

Das sind Fragen, mit denen ich mich die letzten Jahre immer wieder beschäftigt habe.
Warum ist dieses Gefühl der kreativen Schaffensfreude – trotz dieser Widrigkeiten – für manche von uns so wichtig? Möglicherweise wollen wir Fußspuren auf diesem Planeten hinterlassen – künstlerische Fußspuren. Wir wollen uns mit einer winzigen Fußnote in der Geschichte verewigen, nicht in Vergessenheit geraten oder, wie William Faulkner es formuliert hat, „aus dem Material des menschlichen Geistes etwas schaffen, das vorher noch nicht existiert hat“.
Und dieser Prozess lässt sich ständig verbessern.
Bei meinem Mentalcoaching standen uns verschiedene Techniken und Interventionen zur Verfügung, die sich zu mehr als 200 Übungen kombinieren ließen.

Das Ziel?

Als ersten Schritt galt es zu definieren, welches Ziel wir uns setzen wollten. Wir einigten uns auf:

Mehr Schaffenskraft im Arbeitsprozess!

Darum sollte sich alles in den nächsten Monaten drehen. Alles zu eliminieren, was diesem Ziel im Weg stand, und alles zu verstärken, was half, es zu erreichen. So haben wir schließlich 50 Übungen durchgenommen, die mein Mentalcoach Christoph Wudy im Lauf des Coachings speziell auf unser Ziel angepasst hatte. Einige davon haben wir nur angerissen, andere intensiv erarbeitet.

Der optimale Wochenplan

Die Basis, auf der wir aufbauten, war ein Wochenplan, und zwar der optimale Wochenplan mit fixen Arbeitszeiten, sodass Routine in den Schreiballtag kommt. Optimal deshalb, weil ich ihn umstoßen oder durchbrechen konnte, wenn ich beispielsweise auf Lese- oder Recherchereise ging oder gerade aus anderen Gründen keine Zeit hatte.
Da ich ein visueller und ein haptischer Typ bin, der alles sehen und anfassen muss, um es zu „be-greifen“, bastelten wir eine Grafik, die ich im A3-Querformat farbig ausdruckte und an die Innenseite meiner Bürotür klebte. Es gab viele Möglichkeiten, wie ich diesen Wochenplan mit Worten, Grafiken oder Symbolen gestalten konnte, und ich habe mich für diese bunte Variante entschieden, weil ich mich damit am wohlsten fühlte:

Montag
07–09 Uhr: Schreiben
09–12 Uhr: Fitnessstudio
12–13 Uhr: Internet/Facebook/E-Mail
13–14 Uhr: Mittagessen
14–18 Uhr: Schreiben
18–19 Uhr: Internet/Facebook/E-Mail

Dienstag
07–09 Uhr: Fort- & Weiterbildung: Sachbuch lesen
09–12 Uhr: Schreiben
12–13 Uhr: Internet/Facebook/E-Mail
13–15 Uhr: Radfahren auf dem Heimtrainer
15–16 Uhr: Mittagessen
16–18 Uhr: Schreiben
18–19 Uhr: Internet/Facebook/E-Mail

Mittwoch: Siehe Montag!

Donnerstag
07–09 Uhr: Fort- & Weiterbildung: Sachbuch lesen
09–12 Uhr: Schreiben
12–13 Uhr: Internet/Facebook/E-Mail
13–15 Uhr: Waldspaziergang mit Hörbuch
15–16 Uhr: Mittagessen im Gasthaus
16–18 Uhr: Schreiben
18–19 Uhr: Internet/Facebook/E-Mail

Freitag
07–09 Uhr: Fort- & Weiterbildung: Sachbuch lesen
09–12 Uhr: Schreiben
12–13 Uhr: Internet/Facebook/E-Mail
13–15 Uhr: Radfahren auf dem Heimtrainer
15–16 Uhr: Schreiben
16–17 Uhr: Internet/Facebook/E-Mail

Samstag
08–12 Uhr: Büroarbeit
12–13 Uhr: Internet/Facebook/E-Mail

Ich ahne, was Sie jetzt vielleicht denken. Das ist ja ein strenger Plan mit Kernarbeitszeiten. Wo bleibt da die Kreativität? Aber genau darum geht es. Die Kreativität braucht eine strenge Hand, damit sie sich automatisch einstellt, sonst macht sie, was sie will.
Hier ein paar Erläuterungen zu einigen Punkten in diesem Plan:

Bewegung

Ich bin nicht gerade der sportliche Typ, aber wenn man von 7 Uhr früh bis 19 Uhr abends nur zu Hause beim Schreibtisch hockt, Tag für Tag, Woche für Woche, merkt man rasch, wie sich die Hinterbackenmuskeln am Oberschenkel, die sogenannten Hamstrings, verkürzen. Wenn ich nach einem solchen Schreibtag aufstehe, habe ich einen Gang wie ein Neandertaler.

Darum haben viele Schreibende einen Hund, der sie mit Gassirunden zu regelmäßiger Bewegung zwingt. Da meine Frau und ich oft verreisen, kommt das bei uns leider nicht infrage, und so sind wir Katzenhalter. Deshalb musste ich mir ein anderes Programm einfallen lassen.
Erstens habe ich mir einen Swopper gekauft, einen Stuhl, auf dem man ähnlich aufrecht wie auf einem Gymnastikball sitzt und der die Rückenmuskulatur stärkt. Nun wechsle ich regelmäßig zwischen Schreibtischstuhl und Swopper.
Zweitens gehe ich im optimalen Fall zweimal pro Woche ins Fitnessstudio, wo ich – gemeinsam mit einer Hand voll Rentnerinnen und Frühpensionisten – an Rückentraining und Wirbelsäulengymnastik teilnehme. Ganz wichtig für Menschen, die einen sitzenden Bürojob haben.
Drittens radle ich zweimal pro Woche je eineinhalb Stunden auf dem Heimtrainer, während ich mir eine DVD oder zwei Folgen einer Serie ansehe. Ich notiere übrigens die Kilometer-Etappen in einem Plan, den ich mir ausgedruckt habe, und der von Wien bis nach Melbourne führt. Insgesamt 19.000 Kilometer. Eines Tages werde ich in Australien ankommen.
Viertens walke ich wöchentlich je einmal ein bis zwei Stunden durch den Wald. Eine Wasserflasche im Rucksack und die Ohrstöpsel eines MP3-Players im Ohr. Bis jetzt habe ich die gesamte Mark-Brandis-Science-Fiction-Hörspielreihe gehört und bin gerade mitten in Stephen Kings Der-Dunkle-Turm-Saga. Nach dem Walken gehe ich ins Dorfwirtshaus auf ein Mittagsmenü.
Eine Sportskanone werde ich dadurch nie werden, will ich auch gar nicht, aber ich möchte die Nachteile einer sitzenden Tätigkeit zumindest ein wenig ausgleichen. Stichwort: Thrombosegefahr! Wichtig dabei ist nur, dass ich es regelmäßig betreibe, es mir Spaß macht und mich motiviert.

Fitness für den Geist

Wenn ich beim Nordic Walking Hörspiele höre, bringt mich das auf neue Ideen. Während ich auf der nächsten Etappe nach Australien einen Film ansehe, passiert dasselbe. Nach dem Duschen starte ich motiviert den PC und beginne zu schreiben.
Ähnlich ergeht es mir, wenn ich dienstags, donnerstags und freitags den Arbeitstag beginne, indem ich einige Kapitel in einem Creative-Writing-Buch lese. Ich erfahre mehr über Charaktere, Dialoge, Spannungsaufbau, das Plotten, Überarbeiten oder darüber, wie andere Autoren ihren Alltag gestalten. Weil ich plötzlich im Geiste mit vielen anderen Autoren verbunden bin, starte ich anschließend motivierter als sonst den PC.

Lästige Bürokratie

Leider besteht das Leben eines Autors oder einer Autorin nicht nur aus dem Finden von Ideen und dem Schreiben von Büchern. Viele mühevolle, zeitraubende und manchmal auch lästige Tätigkeiten gehören dazu: das Aktualisieren der Website, das Organisieren von Internet-Leserunden, das Eintüten von Büchern, Lesen von Verträgen, Buchen von Hotels und Flügen für Lesereisen, das Zusammenstellen von Exposé-Mappen für Verlage, Organisieren von Plakaten für eine Lesung, Erstellen von Buchtrailern, die Einkommenssteuererklärung oder die verhasste Umsatzsteuer-Meldung.
Früher habe ich all diese Aufgaben vor mir hergeschoben und dann am letzten Tag vor der Deadline, zwischen den Schreibphasen, in den Tag gequetscht. Natürlich war ich dann aus dem Schreibfluss draußen, der rote Faden war verloren und der Tag gelaufen.
Jetzt habe ich mir angewöhnt, meinen Schreibfluss durch solche Tätigkeiten nicht mehr zu unterbrechen. Ich sammle sie und erledige sie alle hintereinander mit einem Aufwasch an einem Tag. Denn wenn ich einmal mit einer bürokratischen Tätigkeit beschäftigt bin, fällt es mir leichter, gleich die nächste in Angriff zu nehmen. Christoph Wudy sagt, wann ich das mache, sei völlig egal. Wichtig sei nur, dass ich einen bestimmten Tag und eine fixe Zeit dafür festlege.
Meine Zeit dafür ist der Samstagvormittag. Ich erledige so viel ich kann, der Rest folgt am nächsten Samstag. Und wenn gerade mal nichts anfällt, wie in den Sommermonaten, wo meist tote Hose herrscht, ist das prima, denn dann habe ich einen zusätzlichen Schreibtag für meine Manuskripte gewonnen.

Zeitkiller Internet

Einer der wichtigsten Punkte in diesem optimalen Wochenplan war für mich, dass ich meinen Besuchen im Internet fixe Zeiten einräumte.
Früher startete ich meinen Arbeitstag, indem ich zuerst die E-Mails abrief. Diese beantwortete ich, schrieb neue, schaute mir Links an, die ich erhalten hatte, und schon war ich im Internet.
Ich stellte Recherchen an, postete auf Facebook, klickte mich durchs Netz, landete irgendwann auf YouTube, wo ich mir Filmtrailer ohne Ende ansah, oder auf Amazon, wo ich die Verkaufsränge meiner Bücher mit denen der Kolleginnen und Kollegen verglich, und schon war es Mittag. Fünf Stunden waren vergangen. Ich war frustriert, weil ich den Vormittag mit Nichtstun vergeudet hatte. Und mit diesem Gefühl des Frusts und Ärgers über mich selbst, fiel es mir unheimlich schwer, die nächsten Sätze in meinem Manuskript zu schreiben. Das war der Moment, in dem der berühmte Satz auftauchte: Jetzt lohnt es sich auch nicht mehr, damit zu beginnen.
Also zuerst mal Mittagessen, dann die Post ins Haus holen, das Büro aufräumen und schnell mal nachschauen, ob in der Zwischenzeit nicht schon Antworten auf meine E-Mails vom Morgen angekommen waren. Dazu kam dann der Druck, dass ich am Nachmittag etwas leisten musste, um die vergeudete Zeit wettzumachen.

Druck lähmt die Kreativität

Doch mit Druck geht erst recht nichts. Nur eine Minute negatives Denken lähmt für mehrere Stunden. Es ist ein Teufelskreis!
Daher beginne ich jetzt, sobald ich den PC hochgefahren habe, sofort mit dem Schreiben. Kein Klick ins Internet! Zur Not das Modem ausschalten. Ich öffne also das Manuskript und lege gleich los. Von Andreas Eschbach habe ich den Tipp übernommen, am Vortag die Arbeit am Manuskript mitten im Satz zu unterbrechen. Ich lese also die letzten paar Seiten vom Vortag, schreibe den Satz von gestern zu Ende und bin schon mitten im Geschehen.
Erst zu Mittag öffne ich Outlook und Internet und erfahre, was es Neues in der Welt gibt. Es ist wie eine Belohnung, und ich habe ein gutes Gefühl dabei, weil ich schon etwas geleistet habe. Mit diesem guten Gefühl fällt es mir am Nachmittag leichter, dort weiterzumachen, wo ich mittags aufgehört habe.
Aber natürlich gelingt das nicht immer. Mit welchen Tricks und Techniken ich versuche, mich zu motivieren und den Einstieg ins Manuskript zu finden, wenn ich dann doch mal ich den ganzen Vormittag mit Nichtstun verplempert habe, möchte ich mir in der nächsten Folge mit Ihnen ansehen.

Autor: Andreas Gruber | www.agruber.com
In Federwelt, Heft 129, April 2018
Blogbild: Photo by Freestock.org on Unsplash

 

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Dieser Artikel steht in der Federwelt, Heftnr. 129, April 2018: /magazin/federwelt/archiv/federwelt-22018
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