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Das Memoir von der Definition bis zum Geschäftsmodell

Federwelt
Brigitte Pagendamm
Illustration zum Artikel über das Memoir von der Definition bis zum Geschäftsmodell

Memoirs schaffen es auf Bestellerlisten und sogar bis nach Hollywood. Persönliche Lebensgeschichten werden immer beliebter, aber taugt das Memoir auch als Geschäftsmodell?

Was ist ein Memoir?
Das Memoir ist eine non-fiktionale Geschichte. Sein Autor, seine Autorin schreibt es in der Ich-Perspektive und gestaltet es mit den literarischen Mitteln des Romans. Szenen und reflektierende Passagen zum Erlebten gehören unbedingt hinein. Im Gegensatz zur Autobiografie, die ein ganzes Leben abbildet, fokussiert es einen besonderen Abschnitt aus dem Leben der Autorin, des Autors oder ein wiederkehrendes Thema. Und anders als bei Memoiren ist dieses Genre nicht den Promis vorbehalten. Die Inhalte sind: außergewöhnliche Lebensgeschichten von bis dato unbekannten Menschen und ihre persönliche Entwicklung im Umgang mit besonderen Lebenssituationen.
Das Memoir hat zahlreiche Subgenres, die sich je nach Publikumsinteresse und gerade vorherrschenden Trends verändern: Familie, Freundschaft, Essen, Haustiere, Krankheit, Trauer, Selbstfindung, Spiritualität, Glauben, Reisen, andere Kulturen, Integration, Abenteuer, Flucht, Befreiung aus Sekten und extremistischen Milieus ... Oft vermischen sich Themen. Bei Hape Kerkelings Ich bin dann mal weg geht es um seine Reise auf dem Jakobsweg, um Gesundheit, Glaube und Selbstfindung. Nizaqete Bislimi, die 14 Jahre lang in Asylunterkünften gelebt hat, schreibt in Durch die Wand – Von der Asylbewerberin zur Rechtsanwältin über Flucht, Selbstfindung und Integration.
In den Verlagen werden Memoirs überwiegend als Sachbücher geführt. (1) Wer gezielt danach sucht, wird in den Kategorien „Autobiographie oder Biografien & Erinnerungen“ fündig. Bastei Lübbe listet das Memoir unter „Erfahrungsbuch“: www.luebbe.de/bastei-luebbe/buecher/sachbuecher-erfahrungen/id_5594370. Die Verlagsgruppe Random House mit Verlagen wie Diana und blanvalet führt Memoirs unter „Schicksalsberichte“. Bei Patmos gehören sie zu „Psychologie & Lebensgestaltung“, bei Piper mit dem Malik Verlag zu den „Abenteuer- Reiseberichten“. Auf der Homepage von Droemer Knaur lassen sich Memoirs sogar als Subgenre der Belletristik finden.

Erfolgsgeschichten
In den USA sind Memoirs schon seit den 1990er-Jahren im stetigen Aufwärtstrend. Viele Titel wurden ins Deutsche übersetzt. Zu den bekanntesten gehört Eat Pray Love von Elizabeth Gilbert, das mit Julia Roberts in der Hauptrolle verfilmt wurde.
Zunehmend kommen Titel deutschsprachiger AutorInnen auf den Markt. Als ich vom Himmel fiel von Juliane Koepcke und Co-Autorin Beate Rygiert schaffte den Sprung nach Hollywood und mit Christiane Wirtz’ Neben der Spur landete erst kürzlich wieder ein Memoir auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.

Überzeugende Identifikationsfiguren
Auffällig ist, wie viele Autorinnen ihre persönliche Geschichte erzählen. Ist das Memoir ein Medium von Frauen für Frauen?
Sabine Erbrich, Lektorin im Suhrkamp Verlag, sieht das nicht so: „Autorinnen scheinen sich auf den ersten Blick persönlichen Wendepunkten, Krankheiten, Todesfällen et cetera eher zu stellen als ihre männlichen Kollegen. Andererseits gibt es Gegenbeispiele wie Julian Barnes’ Lebensstufen oder Der Planet Trillaphon im Verhältnis zur Üblen Sache von David Foster Wallace, die dieselben Themen behandeln. Nur eben auf fiktionalisiertere Weise. Insofern würde ich das Memoir nicht als ‚weibliche‘ Gattung einordnen.“
Christine Proske, Gründerin von Ariadne-Buch, ist Agentin von Juliane Koepcke. Mit 17 überlebte Koepcke als einzige einen Flugzeugabsturz und suchte im Regenwald elf Tage nach Rettung. Proske hat Koepckes Buch erfolgreich auf dem internationalen Markt verkauft und die Filmrechte nach Hollywood. Sie sagt: „Mit meiner Fokussierung auf wahre Geschichten von starken Frauen liege ich genau richtig, gerade im internationalen Markt. Der Bedarf an weiblichen Identifikationsfiguren ist generell hoch.“
Fiktionale Heldinnen werden als pure Fantasie abgetan. Memoir-Heldinnen dagegen sind echt und können eher als Vorbild dienen. Auch weniger spektakuläre Lebensereignisse finden den Weg ins Buch und auf den Markt. Sie sei „ganz normal“, „nichts Besonderes“ und habe „keine Schicksalsschläge erlitten“, schreibt Mareike Nieberding in Ach, Papa [...], einer anrührenden Geschichte über die Beziehung zu ihrem Vater. (2) Dazu Sabine Erbrich, die das Buch lektoriert hat: „Das Erlebnis beziehungsweise das Setting sind per se keine auswahlrelevanten Kriterien. Es geht vielmehr um den Text an sich, seine sprachliche Gestaltung, seine Intensität, die Anknüpfbarkeit – auf emotionaler und intellektueller Ebene. Er soll anhand der persönlichen Geschichte eine Antwort geben auf kollektive Sehnsüchte und Fragen – oder zu geben versuchen.“
Christine Proske schließt ebenfalls keinen Plot von vornherein aus. „Es kommt immer darauf an, dass eine Geschichte eine Botschaft transportiert, eine hohe Identifikationsmöglichkeit für die Leserin anbietet und eine sympathische Protagonistin beschreibt. Je außergewöhnlicher das Erlebte, desto höher stehen natürlich die Chancen auf gute Verkaufbarkeit. Aber auch eine Mutter-Tochter-Geschichte könnte das nötige Identifikationspotenzial bieten, wenn sie ein besonderes Moment besitzt.“

Memoir-Schreiben als heilsamer, sinnstiftender Prozess
Sich mit der eigenen Geschichte zu befassen, mit durchlebten Krisen, seinen Stärken und Schwächen, den Hochs und Tiefs in der persönlichen Entwicklung, kann helfen, das Leben zu ordnen, es so anzunehmen, wie es ist und sogar Sinn aus einer Krise zu schöpfen. Charlotte Link schreibt im Vorwort zu Sechs Jahre – Der Abschied von meiner Schwester, in dem sie Erkrankung und Tod ihrer Schwester verarbeitet, dass das Schreiben „Aufräumarbeit“ und „persönliche Bewältigungsstrategie“ für sie darstellte. (3) Und Christiane Wirtz, die ihren Weg aus einer Psychose beschrieben hat, sagt: „Als ein Verlag fragte, ob ich über meine Erfahrung schreiben wolle, habe ich das als Chance gesehen, die ich ergreifen sollte. Ich glaube, es ist ein wichtiges Anliegen, über Psychosen zu informieren. Es gibt große Vorbehalte in der Gesellschaft. Ein Buch über dieses Thema zu schreiben erschien mir als das Sinnvollste, was mir persönlich möglich war.“

Das eigene Memoir schreiben
Wer die folgende Frage beantwortet, hat vielleicht schon sein oder ihr Memoir-Thema gefunden: „Was waren bedeutsame Umbrüche in meinem bisherigen Leben und was habe ich daraus gelernt?“
Wer nicht nur von Familienangehörigen und dem engen Freundeskreis gelesen werden möchte, fragt sich weiter: „Berühre ich ein universales Thema, in dem sich zukünftige LeserInnen wiederfinden? Kann ich ihnen mit meiner Erfahrung Mut machen?“
Ob ein interessierter Verlag schon vor dem Schreibtisch steht oder nicht: Zunächst geht es um innere Bestandsaufnahme und Klärung. Das ist ein manchmal jahrelanger (Schreib-)Prozess der persönlichen Reifung, bevor man sich mit den dabei gewonnenen Einsichten nach außen wendet. „Am [...] Schluss ist frau nicht mehr die, die sie war, als sie zu schreiben begann“, bringt Judith Wolfsberger es in Schafft euch Schreibräume! (4) auf den Punkt. Sie spricht nicht nur aus eigener Erfahrung. In dem von ihr gegründeten writers’ studio in Wien haben bisher etwa 30 Workshop-TeilnehmerInnen ihre Memoirs auf den Weg gebracht.

Memoir-Fortbildungen off- und online

Eine Fülle von englischsprachigen Werken und Webseiten geben Tipps für das Schreiben von Memoirs, hier ein paar Beispiele:

Auf Deutsch ist seit 2004 Erinnerungen und Autobiografie schreiben von Judith Barrington auf dem Markt.
Damals wurde der Begriff Memoir aus dem Originaltitel noch mit Erinnerung oder Erlebnisbericht übersetzt. Er war hierzulande noch nicht etabliert. Nun gibt es ein weiteres Werk, das Schritt für Schritt zum Memoir führt: Schreiben zur Selbsthilfe: Worte finden, Glück erleben, gesund sein von Birgit Schreiber. „Offenheit und Ehrlichkeit im Schreibprozess“, so die Autorin, „können belastende Gefühle für kurze Zeit verstärken, bevor sich Erleichterung einstellt: eine erwartbare Nebenwirkung. Der große Vorteil am Schreiben aber ist: Sie können die Wirkung selbst dosieren. Manchmal ist es gut, sich nicht zu tief vorzuwagen oder mit dem Schreiben zu pausieren.“ (5)
Tipp für alle, die Gesellschaft mögen: Schließen Sie sich einer Schreibgruppe an, in der ein wertschätzender Umgang gepflegt wird. Ein vertrauensvolles Miteinander beflügelt die Kreativität, hilft, Belastendes besser zu verarbeiten, neue Perspektiven einzunehmen und das Projekt weiter zu verfolgen.

Stolpersteine und wie man sie umschifft

Nichts als die Wahrheit?
Wie viel Rücksicht muss ich auf meine Familie nehmen? Kann ich es ihr zumuten, das lang gehütete Geheimnis an die Öffentlichkeit zu bringen? Solche Fragen können den Schreibfluss hemmen oder gar zum Versiegen bringen. Hier hilft es, erst einmal loszulegen und sich klarzumachen: Das ist meine Version der Geschichte, so, wie ich sie erlebt habe.
Und was ist, wenn die eigene Erinnerung von denen der anderen Beteiligten abweicht oder Lücken auftauchen, die schöpferisch geschlossen werden müssen? Dazu schreibt Judith Barrington: „Manchmal gebe ich den Ereignissen eine neue Ordnung. Ich erfinde teilweise Dialoge, weil ich mich nicht mehr Wort für Wort erinnern kann. Ich lasse Dinge aus, die die Geschichte für einen Fremden zu kompliziert machen würden.“ (6)
Weicht die eigene Erinnerung ab, lösen einige AutorInnen die Herausforderung so: Sie erzählen im Vorwort davon oder im Verlauf der Handlung: „Ich erinnere es so und so. Meine Schwester aber meint, es sei so gewesen.“
Bei auftauchenden Lücken werden oft Formulierungen verwendet wie: „Ich erinnere mich nicht ganz genau, aber die Geschichte muss sich folgendermaßen zugetragen haben.“ Oder: „Vermutlich hat es sich so zugetragen, denn zu jener Zeit habe ich immer das und das gemacht.“

Schutz des Persönlichkeitsrechts
Da im Memoir die beschriebenen Handlungen und Personen grundsätzlich real und erkennbar sind, senden viele Memoir-AutorInnen ihren fertigen Text an alle, die darin vorkommen, um deren Einwilligung zur Veröffentlichung einzuholen. Lehnen Betroffene die Veröffentlichung ab, müssen deren Namen und alle anderen Merkmale, die sie als reale Personen erkennbar machen, verändert werden. So können Zerwürfnisse und gerichtliche Auseinandersetzungen vermieden werden. Denn insbesondere die Intimsphäre genießt einen hohen rechtlichen Schutz, die Kunstfreiheit greift hier in der Regel nicht.

Shirley Michaela Seul, Co-Autorin beziehungsweise Ghostwriterin einiger SPIEGEL-Bestseller: „Ich empfehle allen, die reale Personen beschreiben, deren Erlaubnis einzuholen! Dazu schickt man in der Regel nicht das gesamte Manuskript, sondern nur den Auszug, in dem die Person vorkommt. Verlage fragen meistens nach: „Ist das verfälscht worden oder liegt das Einverständnis vor?“ Verfälscht heißt: Namen wurden geändert, typische Erkennungsmerkmale und Orte. – Ich habe mal einer Person ein zitronengelbes Kleid verpasst, die Gelb hasste, aber meinte, das gehe schon. Natürlich wurde das Kleid dann blau. Ich achte immer darauf, dass alle Beschriebenen, auch wenn sie verfremdet sind, sich mit ihrer Darstellung wohlfühlen. – Schriftlich habe ich solche Einwilligungen nie gesehen, meine ‚Leute‘ teilten mir (oder dem Verlag) mündlich mit, dass X, Y und Z einverstanden sind. Manchmal verlangt ein Verlag aber auch eine schriftliche Erklärung.“

Kunst – und Meinungsfreiheit versus Persönlichkeitsrechte beim Memoir-Schreiben

Von Ines Hilpert-Kruck, Rechtsanwältin für Urheber- und Medienrecht

Wenn ich prüfe, ob Memoir-Inhalte rechtlich unbedenklich sind, muss ich folgende Rechte berücksichtigen, die einander gegenüberstehen:

  • die Rechte der AutorInnen auf Kunst- und Meinungsfreiheit – sie schützen die kreative Leistung der AutorInnen sowie ihre literarischen Darstellungen – und
  • die Persönlichkeitsrechte aller, die im Memoir beschrieben werden. Sie sollen die Würde, das Ansehen oder die Integrität der Genannten sichern.

Um unter den Schutz der Persönlichkeitsrechte zu fallen, reicht es, dass Betroffene für einen nicht unerheblichen Kreis an LeserInnen erkennbar sind, etwa für Nachbarn und Bekannte.
Auch Verstorbene sind nach ihrem Tod für eine gewisse Zeit, die fallabhängig ist, geschützt vor: schwerwiegenden Herabwürdigungen und Verletzungen ihres Ansehens, ihres Lebenswerkes.
Kommt es zum Streit über Verletzungen von Persönlichkeitsrechten, prüfe ich als Anwältin regelmäßig zunächst die Fakten. Objektive Unwahrheiten müssen Betroffene nicht hinnehmen.
Geht es nicht nur um Fakten, sondern zum Beispiel um subjektive Eindrücke, Einschätzungen, Meinungen oder Wertungen von AutorInnen, gilt es abzuwägen, wie schwer der jeweilige Eingriff in die geschützten Rechte eines Betroffenen ist, ob er hinzunehmen ist oder nicht. Letztlich muss ich bei jedem Einzelfall aufs Neue klären, welche Rechte Vorrang haben. Im Vordergrund stehen dabei Fragen wie: Beeinträchtigt das, was dort steht, die Würde, das Ansehen des Betroffenen, seine persönliche Freiheit und Unversehrtheit? Und wenn ja: Wie intensiv ist diese Beeinträchtigung und hat der Betroffene es vielleicht hinzunehmen, weil das Recht der Autorin überwiegt? Diese sogenannte Abwägung der betroffenen Schutzgüter gestaltet sich in der Praxis häufig schwierig. Klar ist in der Regel: Vor Eingriffen in den Intimbereich, etwa durch Schilderung von Sexualpraktiken, sind Betroffene geschützt. Auch dann, wenn die Schilderung der Wahrheit entspricht.
In der Praxis hat sich gezeigt: Binden AutorInnen Betroffene rechtzeitig ein, geben sie ihnen die Texte vor Veröffentlichung zu lesen, lässt sich oft vermeiden, dass es zu Auseinandersetzungen über Inhalte kommt. Ist eine Einigung über den Wortlaut nicht möglich, kann eine rechtliche Prüfung helfen, das tatsächliche Risiko einer Auseinandersetzung über streitige Inhalte realistisch zu beurteilen. Denn nicht alles, was Betroffene als Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte empfinden, ist am Ende so schwerwiegend, dass das Recht auf Kunst- und Meinungsfreiheit zurücktreten muss.

[email protected] | www.roedl.com

Anmerkungen der Redaktion
Noch mehr zum Thema finden Sie hier:

Wichtig: Jeder Mensch hat das Recht, als Person in Wort, Schrift und Bild korrekt dargestellt zu werden.

Ein Memoir als Co-AutorIn oder Ghost begleiten?
Wer etwas Besonderes erlebt und daraus eine Botschaft entwickelt hat, aber nicht über die literarischen Fertigkeiten verfügt, seine oder ihre Geschichte spannend und nachvollziehbar zu Papier zu bringen, braucht Unterstützung von Schreibprofis wie Beate Rygiert: www.beaterygiert.de. Sie hat mit bisher 17 Menschen gearbeitet, deren Erlebnisse aufgeschrieben und zur Buchreife entwickelt. Worauf es dabei ankommt, beschreibt sie im Interview auf Seite XX.
Wie kommen ProtagonistIn und Schreibprofi zusammen? Christine Proske berichtet aus ihrer Agentur: „Ich suche ständig aktiv nach Protagonistinnen und es melden sich auch immer wieder Menschen mit interessanten Lebensgeschichten bei mir.“ In ihrem Team arbeiten viele Profis, die als Co-AutorInnen oder Ghostwriter tätig sind. „Aufgrund meiner langen Erfahrung weiß ich genau, wer zu wem passt, und vermittele die richtige Co-Autorin an die Protagonistin. Und wenn eine Autorin eine in ihren Augen spannende Protagonistin gefunden hat, erzählt sie mir kurz von ihr und ich beurteile, wie marktfähig das Projekt ist. Danach entscheiden wir, ob sie das Projekt weiterverfolgt oder nicht.“

Was können AutorInnen in diesem Genre verdienen?
Christine Proske: „Zum Verdienst lässt sich keine allgemeingültige Aussage treffen. Die Protagonistin und die Co-Autorin bekommen ein verrechenbares Garantiehonorar, das in jedem Fall das Schreiben und die Arbeit am Buch für beide finanziell ermöglicht. Darüber hinaus sind die Autorinnen durch die Tantiemen am Verkauf der Bücher beteiligt.“
Sabine Erbrich: „Die Vorauszahlungen bewegen sich beim Memoir in ähnlichen Bereichen wie in der Belletristik oder im Sachbuch. Gibt es eine Auktion für einen Titel, können die Vorauszahlungen schnell in den fünfstelligen Bereich gehen. Ohne Auktion sind vierstellige Vorauszahlungen häufiger.“
Und wie können Profis sich bei einer Agentur vorstellen? Christiane Proske: „Gerne per E-Mail mit einer Liste der bisher geschriebenen Bücher, den Verkaufszahlen dieser Titel, dem PDF eines dieser Bücher und einer Liste der Themen, die sie als Co-Autorin interessieren.“

Als AnfängerIn Manuskripte einsenden?
Auf ihren Webseiten erklären die Verlage, ob und in welcher Form sie Manuskripte annehmen.
Sabine Erbrich: „Wenn die Autorin oder der Autor bisher nur eine vage Idee hat, ist vermutlich eine Agentur der bessere erste Ansprechpartner. Existiert bereits ein aussagekräftiges Manuskript, kann es auch direkt an den Verlag geschickt werden. Exposé und Textprobe sollten nicht zu kurz sein, je ausgearbeiteter desto besser.“ Wie so ein Exposé aussehen kann? Verrät Ihnen die Textküche aus der Federwelt Nr. 116. (Als PDF zum Beispiel hier erhältlich: www.hugendubel.info/detail/ISBN-2244022280509/Uschtrin-Sandra/Federwelt-...)

Fazit
Versierte Autorinnen und Autoren mit Einfühlungsvermögen, die gut hinter ihren ProtagonistInnen zurücktreten können und den eigenen Namen auf dem Buchcover nicht unbedingt brauchen, können sich als Ghostwriter oder Co-AutorInnen einen neuen Aufgabenbereich erschließen.
Das eigene Memoir zu schreiben ist dagegen in der Regel ein längerer, mit inneren Auseinandersetzungen verbundener Prozess, der sich nicht in einen Businessplan pressen lässt. Auch wenn das eigene Leben Stoff für mehr als ein Memoir bietet: Der Gewinn liegt weniger im monetären Bereich als vielmehr im Zuwachs an Selbsterkenntnis und Lebensweisheit.

[email protected]

Linktipp
www.text-manufaktur.de/gespraeche-detailansicht/items/memoir-das-neue-persoenliche-erzaehlen.html

Das eigene Memoir schreiben – in elf Schritten

  1. Selbstbefragung: Bin ich bereit, ehrlich auf mein Leben zu schauen, und offen für neue Einsichten?
  2. Rückblick: Was hat mich in verschiedenen Lebensphasen beschäftigt, geprägt, nicht losgelassen? Was waren Wendepunkte?
  3. Thema herausarbeiten: Was taucht immer wieder auf? Gibt es ein besonderes Interesse, ein Muster oder wiederkehrende Ereignisse?
  4. Prämisse formulieren: Worum geht es in meinem Memoir? (Und daraus hervorgehend: Wer soll es kaufen? Für welche Zielgruppe bietet es einen Mehrwert? Was ist sein Alleinstellungsmerkmal?)
  5. Notizen und Tagebucheinträge sammeln, unterschiedliche Memoirs lesen, Aufbau und Struktur analysieren, eigene Rohfassung erstellen.
  6. Sich einer Memoir-Gruppe anschließen, in der wertschätzendes Feedback geübt wird.
  7. Achtsam mit sich selbst umgehen: nur so lange schreiben, wie es guttut, und professionelle Hilfe aufsuchen, wenn körperliche oder seelische Probleme länger anhalten.
  8. Literarische Bearbeitung: Schlüsselereignisse in Szenen schildern, Dialoge nutzen, um Charaktere zu beschreiben, weniger wichtige Abschnitte zusammenfassen, Spannungsbogen aufbauen, Rückblicke aus Perspektive der gereiften Ich-Erzählerin oder des gereiften Ich-Erzählers einflechten, auf lockeren Erzählton achten.
  9. Überarbeitung: darauf gefasst sein, dass nach intensiver Beschäftigung mit dem Stoff ein anderes, wichtigeres Thema zum Vorschein kommt, dann Prämisse neu formulieren.
  10. Reflektieren: Kann ich mit einer Veröffentlichung leben, bin ich stabil genug, um mit positiven und negativen Reaktionen auf mein Buch umzugehen?
  11. Abschlussprüfung: Habe ich die Persönlichkeitsrechte aller andern Protagonisten bewahrt?

Anmerkungen
(1) Siehe auch den Artikel von Anne Weiss in Federwelt Nr. 127, Dezember 2017: „Liebeserklärung ans Sachbuch – Genres, Erfolgschancen, Ideenfindung“, S. 9
(2) Nieberding, Mareike: Ach, Papa – Wie mein Vater und ich wieder zueinander fanden, suhrkamp nova 2018, S. 7
(3) Link, Charlotte: Sechs Jahre – Der Abschied von meiner Schwester, blanvalet 2014, S. 6 im Hardcover
(4) Wolfsberger, Judith: Schafft euch Schreibräume! Weibliches Schreiben auf den Spuren Virginia Woolfs. Ein Memoir, Böhlau 2018, S. 280
(5) Schreiber, Birgit: Schreiben zur Selbsthilfe, Springer 2017, S. 92
(6) Barrington, Judith: Erinnerungen und Autobiografie schreiben, Autorenhaus Verlag 2004, S. 61
 

Autorin: Brigitte Pagendamm
Weiterlesen in: Federwelt, Heft 132, Oktober 2018
Illustration: Carola Vogt

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