
»Die alte und langsame Literaturwelt war auf uns nicht vorbereitet!« Lars Amend über den Umgang mit Verlagsabsagen, Social-Media-Arbeit abseits vom Popstar-Dasein und den Weg zurück auf die Schreibspur, wenn Autoren an sich zweifeln.
Anstatt nach dem Abi zur Uni zu gehen, zog es Lars Amend nach London, wo er in einem Plattenladen jobbte und sich damit einen ersten großen Traum erfüllte. Zurück in Deutschland arbeitete er für verschiedene Radiosender und interviewte die größten Popstars seiner Zeit. Mit der Biografie Bushido veröffentlichte er 2008 sein erstes Buch, das direkt auf Platz eins der SPIEGEL-Bestsellerliste landete. Es wurde von Kultregisseur Bernd Eichinger mit Starbesetzung verfilmt. Auch der Bestseller »Dieses bescheuerte Herz«, den er zusammen mit Daniel Meyer schrieb, schaffte es in die Kinos. Eine berührende Geschichte darüber, wie Amend beschloss, das Leben des 15-jährigen Herzkranken wieder mit Freude zu füllen und sein persönlicher Wunscherfüller wurde. Lars Amends MAGIC-MONDAY-Newsletter erreicht jede Woche Tausende Fans. Sein aktuelles Buch »WHY NOT?« – ein Ratgeber über Persönlichkeitsentwicklung – erschien im Oktober 2017 bei GU und steht seitdem auf allen deutschsprachigen Bestsellerlisten. Der Autor und Coach lebt in Berlin.
Du hast inzwischen neun Bestseller geschrieben und arbeitest gerade an deinem zehnten Buch. Trotzdem hast du von den Verlagen viele und deutliche Absagen erhalten. Wie gehst du damit um und motivierst dich immer wieder fürs Schreiben?
Ich nehme Absagen nicht persönlich. Wenn jemand „Nein!“ zu mir sagt, heißt das nicht, dass ich nichts wert bin oder meine Arbeit nicht gut ist. Es bedeutet nur, dass diese eine Person auf der anderen Seite aktuell noch nichts mit mir oder meinem Werk anfangen kann. Ich sehe Absagen als Tests, um herauszufinden, wie sehr man etwas wirklich will. Mein erstes Buch wurde von allen großen Verlagen abgelehnt. 30 Mal „Es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen ...“.
Damals habe ich mich darüber gewundert, heute kenne ich den Grund: Die LektorInnen hatten schlichtweg keine Ahnung, wer Bushido war. Zu der Zeit gab es noch keine sozialen Medien. Auch YouTube existierte gerade erst seit zwei Jahren. Die alte und langsame Literaturwelt war auf uns nicht vorbereitet. Ich habe mich einfach noch mehr angestrengt, an mehr Türen geklopft. Als wir dann auf Platz eins standen, haben die gleichen Menschen, die uns weggeschickt hatten, sich natürlich gewundert: Wo kommen die denn plötzlich her? Und was die Motivation angeht, so halte ich den Begriff für völlig überbewertet. Auf die passende Eingebung zu warten, bedeutet für immer zu warten. Mein Rat an Kolleginnen und Kollegen: Setz dich an deinen Schreibtisch, schalte die Welt um dich herum aus and get the job done!
»Dieses bescheuerte Herz« begeisterte mit Elyas M’Barek in der Hauptrolle über zwei Millionen Kinogänger und wurde in die ganze Welt lizensiert. Wie kam es dazu und inwieweit warst du an den Dreharbeiten beteiligt?
Das war verrückt. Noch in der Buch-Erscheinungswoche, im August 2013, hatten wir bereits etliche Filmangebote auf dem Tisch, dabei war der Titel zu dem Zeitpunkt noch gar kein Erfolg. Wie auch? Es lag ja erst seit wenigen Tagen in den Buchläden. Es gab lediglich einen großen Artikel in der BamS, aber der hat sofort eingeschlagen – ein Riesenglück! Dann hat es nochmal vier Jahre gedauert, bis das Drehbuch entwickelt und ein geeigneter Regisseur gefunden war. Oliver Berben hat Elyas bei einem Abendessen dann eher beiläufig von unserem Buch erzählt und Elyas war sofort begeistert. Er wollte unbedingt meine Rolle spielen. Ab dann ging es ganz schnell. An den Dreharbeiten war ich aber nicht beteiligt. Ich habe an Hank Moody aus meiner Lieblingsserie Californication gedacht und mich ganz bewusst rausgehalten. Es ist doch so: Filmleute mögen keine nervigen Schriftsteller am Set, die alles anders und besser machen würden.
Was bleibt eigentlich geldmäßig von so einer verkauften Lizenz beim Autor hängen, magst du da eine grobe Hausnummer nennen?
Die Abrechnung kommt ja erst im Frühjahr 2019. Darauf sind Daniel und ich auch sehr gespannt. Wir teilen uns ja alles und lassen uns einfach überraschen.
»WHY NOT?« steht seit über einem Jahr auf den deutschsprachigen Bestsellerlisten. Dies ist einmal dem Inhalt zu verdanken, der motiviert und zielgruppenübergreifend funktioniert, aber sicher auch deinem persönlichen Engagement. Verlage suchen oft das „eierlegende Autorenschwein“ = die perfekte Vermarktungsmaschine. Bist du das?
Wenn du als Autor Erfolg haben willst, kommt es auf eine einzige Sache an: Authentizität. Die Menschen merken ziemlich schnell, ob jemand es ernst meint oder nur auf einen Zug aufspringt. Ich lebe, was ich sage und in meinen Büchern schreibe.
Ich kümmere mich um Interviews, gehe auf Lesereise, nehme Podcasts auf. Dazu kommt, dass ich für meine Leute da bin.
Oftmals suchen sie Hilfe in schwierigen Lebenssituationen, da kann ich nicht einfach drüber hinwegsehen. All das kostet sehr viel Zeit, aber mir ist das wichtig und ich liebe es. Das ist mein Leben. Wenn mir jemand ein Foto seines Diploms schickt und schreibt „Danke, Lars! Wegen dir habe ich nicht aufgegeben“, dann bekomme ich eine Gänsehaut. Und diese Nachrichten erhalte ich jeden Tag. Das ist mein Antrieb. – Glückliche Menschen. Dafür mache ich das alles. Natürlich hat das für die Verlage einen großen Wert.
Inwiefern wirst du bei allem vom Verlag oder einer Agentur unterstützt? Was nach außen so leicht aussieht, beinhaltet ja sehr viel Kommunikation und Organisation. Erhältst du hier Hilfe und Beratung oder stemmst du alles allein?
Ich stemme alles alleine. Aktuell habe ich keine Literaturagentur, werde aber punktuell von Menschen unterstützt, die ich dafür bezahle. Was die Pressearbeit der Verlage angeht, muss ich ganz klar sagen, dass man als Autor hier nicht viel erwarten darf. Ich habe in den letzten zehn Jahren bei sechs großen Publikumsverlagen veröffentlicht und lediglich ein Verlag hat in diesem Bereich einen guten Job gemacht – Gräfe und Unzer. Wenn du kein Popstar bist, der eine Million Follower mitbringt, oder sonstige Sensationen vorzuweisen hat, erhältst du in der Regel kaum Support. Hast du das Glück und bist ein interner Verlagsliebling, bekommst du anfänglich vielleicht etwas mehr Aufmerksamkeit, aber auch diese Liebe vergeht recht schnell.
Wenn du als junger Autor also nicht bereit bist, weite Wege zu gehen und dein Glück selbst in die Hand zu nehmen, wird dein Buch in der Masse untergehen.
Und was hat Gräfe und Unzer für dich und dein Buch getan?
GU war der erste Verlag, der Video-Content direkt mit ins Buch integriert hat. Er hat eine eigene App entwickelt, mit der man während des Lesens an verschiedenen Stellen des Buches besondere Nachrichten von mir abrufen kann, die es nur in ihr gibt. Ich bekam für die Produktion ein Budget und hatte sowohl gestalterisch als auch inhaltlich alle Freiheiten. Das fand ich schon extrem cool und modern und das hat am Ende auch den Ausschlag gegeben, warum ich WHY NOT? dort veröffentlicht habe. Es sind ja oftmals solche Kleinigkeiten, die entscheiden. Außerdem war ich vom guten Vertrieb im stationären Buchhandel beeindruckt, sogar was die Bahnhofsbuchhandlungen anging. Als Autor habe ich mich bei GU zu jederzeit wohlgefühlt. Das muss ich wirklich so klar betonen.
Vor allen Dingen auf Instagram, aber auch per E-Mail oder Post stehst du mit deinen Leserinnen und Lesern täglich in Verbindung. Weshalb ist dir dieser Austausch so wichtig?
Weil das Leben als Autor ohne den direkten Austausch mit dem Leser nicht mehr funktioniert. Ich würde das auch gar nicht wollen. Ich komme auf drei bis vier Stunden unbezahlte Arbeit pro Tag! Es sind ja nicht nur die Fragen, die ich beantworte. Ich schreibe Autogrammkarten, verschenke kleine Überraschungen, überlege mir Gewinnspiele und Aktionen, rufe meine Leser persönlich an oder versende Grußbotschaften über WhatsApp.
Letztes Jahr habe ich kurz vor Weihnachten 800 Wunschkarten verschickt! Ich habe sogar die Briefmarken selbst gekauft und geklebt und alles eigenhändig zur Post gebracht. Eine Woche Arbeit. Ich bezahle das alles aus eigener Tasche. Wirtschaftlich gesehen ein Wahnsinn, aber ich kann nicht anders. Ich habe noch viel vor und stehe erst ganz am Anfang meiner Reise und wünsche mir natürlich, dass mich dabei so viele Menschen wie möglich begleiten.
Was sollte ein moderner Verlag dir heute bieten?
Freiheit, Vertrauen und den Mut, auch mal alte Weg zu verlassen.
Als Coach berätst du Firmen wie Privatpersonen in Sachen Lebensführung. Angenommen, vor dir steht ein an sich zweifelnder Autor, der junge Lars Amend. Mit welchen fünf Alltagstipps aus deiner heutigen Erfahrung hilfst du ihm zurück auf die Schreibspur?
- Wenn du schreibst, dann lass dein Herz sprechen, nicht deinen Verstand.
- Versuche niemals, andere Menschen beeindrucken zu wollen.
- Wenn das Papier noch leer ist, denke nicht an die 300 Seiten, die noch fehlen, sondern nur an die drei Seiten, die du heute schreiben kannst. Das Erfolgsgeheimnis liegt in den vielen kleinen Schritten.
- Keine Sorge, du bist mit deinen traurigen und selbstzerstörerischen Gedanken nicht allein: Alle haben vor irgendwas Angst, auch wenn die wenigsten es zugeben. Halte dich an die Worte eines meiner großen Vorbilder Quincy Jones: „Keep on keepin‘ on!“
- Atme durch, Baby. Es ist nur ein Buch! Wenn das Ergebnis nicht perfekt ist – was es nicht sein wird! –, geht morgen trotzdem die Sonne wieder auf. Du bist nicht das Zentrum der Welt, und letztlich interessiert es auch niemanden, was du tust. Nutze diese Erkenntnis jetzt zu deinem Vorteil und mach dir aus alldem einen großen Spaß.
➢ www.lars-amend.de
➢ https://diegluecksritter.com – Podcast von Lars Amend und seinem Freund Daniel Aminati, ihre Themen: Wie seine Ziele erreichen, wie mit Rückschlägen umgehen, wie seine Grenzen überwinden und in seiner Persönlichkeit wachsen? Und: Was bedeutet Glück?
➢ www.instagram.com/larsamend
Autorin: Karla Paul | www.buchkolumne.de
Weiterlesen in: Federwelt, Heft 133, Dezember 2018
Blogbild: Foto: Melanie Koravitsch, www.melanie-koravitsch.com
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