
Was zählt zu den Leistungen eines Autorenberaters und was genau bringt die Beratung einem Autor, einer Autorin? Nachgefragt bei Stefan Wendel.
Stefan Wendel (www.autorenberatung.net), zwanzig Jahre lang Lektor und Programmleiter in Kinder- und Jugendbuchverlagen, arbeitet seit 2011 als Autorenberater, zunächst in Stuttgart, seit 2018 in Lübeck. Was zählt zu seinen Leistungen? Was genau bringt die Beratung einem Autor, einer Autorin? Frank Joachim Schmitz hat nachgefragt.
Herr Wendel, wie sieht das Spektrum Ihrer Leistungen aus?
Aufgrund meiner langjährigen Berufserfahrung bin ich recht breit aufgestellt, und mein Angebot ist so vielfältig wie die Fragen meiner Klienten. Lassen Sie mich vielleicht am besten in Stichworten antworten: marktorientierte Manuskriptgutachten, (Vor-)Lektorate, Exposé-Entwicklung, Tipps zur Agenten- oder Verlagssuche, Angebotsbeurteilung, das Erarbeiten einer Verhandlungsstrategie oder die Übernahme von Honorar- und Vertragsverhandlungen. Zudem prüfe und kommentiere ich Verlagsvertragsangebote insbesondere hinsichtlich der ökonomischen Wertschöpfung, berate bei Konflikten, helfe bei der Standortbestimmung. Hierzu biete ich auch Einzelworkshops oder Gruppenseminare an.
Zum Thema Verhandlungsstrategie und Standortbestimmung: Welche Probleme stellen sich den Autorinnen und Autoren hier?
Viele Autorinnen und Autoren haben eine gewisse Vorstellung davon, was ihre Arbeit eigentlich wert sein sollte – und sind manchmal erschüttert, wie wenig Verlage zu zahlen bereit sind. Manchmal sind diese Vorstellungen auch utopisch, das versuche ich dann zu erklären. Doch was wäre angemessen? Verbindliche Listen gibt es nicht, aber ich verfüge über die nötigen Erfahrungswerte und kenne die „Tarife“, sodass ich wirksame Argumente beisteuere, die zu Verhandlungserfolgen beitragen können.
Die Standortbestimmung beginnt häufig schon mit den Fragen: „Was bin ich meinem Verlag wert? Welches Standing habe ich dort? Genügt mir das – oder muss ich im eigenen Interesse Maßnahmen ergreifen, um voranzukommen? Und wenn ja, welche?“ Und da wird es dann spannend, denn für jeden Autor/jede Autorin kommen andere Möglichkeiten in Betracht, sei es im eigenen Verlag oder auch durch einen Verlagswechsel, weil nur so eine zugedachte „Schublade“ überwunden werden kann.
Wie definieren Sie Ihre Aufgabe in Abgrenzung oder Ergänzung zur klassischen Agenturarbeit oder zum Lektorat?
Zu beiden Tätigkeitsfeldern gibt es selbstverständlich Überschneidungen, denn wirklich neu an meinem Konzept ist nur die Kombination. Agentinnen wie Agenten können es sich aufgrund des Provisionsmodells verständlicherweise kaum leisten, auf Dauer allzu viel Zeit in Autoren zu investieren, die es unter finanziellen Gesichtspunkten nicht „bringen“. Das beginnt damit, dass Agenturen Projektvorschläge aus Zeitnot ohne ausführliche Begründung ablehnen. Ich stehe grundsätzlich allen Autorinnen und Autoren zur Verfügung, ob Anfängern oder „alten Hasen“, und nehme mir die Zeit, die Agenten nicht haben. Dies wiederum kann ich nur leisten, weil ich auf Honorarbasis arbeite, statt Erfolgsprovisionen zu erhalten. Weder betreibe ich Akquise, um Projekte an Verlage zu vermitteln, noch binde ich Klienten vertraglich an mich. Sie bestimmen immer selbst, wann und mit welchen ihrer Fragen sie sich an mich wenden. Ursprünglich war ich ja Lektor – und bin es immer noch leidenschaftlich gern! Deshalb übernehme ich auch Lektorate, um Manuskripte oder Leseproben zu optimieren, das heißt Projekte präsentationsreif für Agenturen oder Verlage zu machen.
Dient Ihre Beratung den Autorinnen und Autoren als Sprungbrett zu Agentur oder Verlag? Kann sie den Weg über eine Agentur ersetzen?
Ja, genau so ist es gedacht! Häufig empfehle ich durchaus, sich eine passende Agentin zu suchen, auch wenn ich dadurch einen Klienten „verliere“. Hat das geklappt, sehe ich meine Mission als erfüllt an. Es sei denn, eine Autorin oder ein Autor kommt im Prinzip wunderbar ohne Agentur zurecht und hat nur punktuell Beratungsbedarf, etwa wenn schwierige Entscheidungen zu fällen sind oder irgendwelche Probleme zu lösen. Dann kann es – auch aus finanziellen Erwägungen – für Autoren unter Umständen sinnvoller sein, auf meine Angebote zurückzugreifen.
Wie ist die Resonanz: Welche Leistung wird vorwiegend angefragt?
Auch wenn ich mit meinem Konzept neue Wege beschritten habe, war mir doch von Anfang an bewusst, dass es für meine Art von Beratung einen großen Bedarf gibt. Bereits zu Verlagszeiten war ich ja gewissermaßen Autorenberater, wobei mein Auftraggeber natürlich der Verlag war und dessen Interessen an erster Stelle standen. Seit ich die Seite des Schreibtischs gewechselt habe und unabhängig bin, vertrete ich ausschließlich die Interessen meiner Klienten. Die Autorinnen und Autoren haben mein Angebot glücklicherweise auf Anhieb verstanden und angenommen. Bei mir herrscht Vollbeschäftigung, sodass ich mitunter auch mal einen Beratungsauftrag oder ein Manuskriptgutachten ablehnen muss, so leid es mir dann immer tut. Aber der Tag hat halt nur 24 Stunden, und wenn ich mich übernehme, geht das auf Kosten der Qualität.
Nachdem das Vertragswesen immer komplizierter wird, hat sich dieser Bereich zu einem meiner Schwerpunkte entwickelt. In meinem nächsten Leben werde ich Jurist! Viele Autoren kriegen das kalte Grausen, wenn sie einen 15-seitigen, eng bedruckten Verlagsvertrag lesen – mir macht das Spaß! Und erstaunlicherweise ist auch das eine höchst kreative Angelegenheit ...
Gibt es in den Verträgen so viele Unklarheiten und Spielraum für Interpretationen?
Eigentlich nicht, wenn man sich auskennt, denn in der Verlagsbranche verfügen wir über ein erfreulich hohes Maß an Vertragskultur. Viele Verlage halten sich im Wesentlichen an den sogenannten Normvertrag für den Abschluss von Verlagsverträgen, der eine gute Basis darstellt. Interessant wird es bei den Abweichungen und Ergänzungen, zum Beispiel bei Optionen oder nachvertraglichen Verpflichtungen. Und natürlich bei der Honorierung für die unterschiedlichsten Verwertungsformen, der mein Hauptaugenmerk gilt!
Lange waren Sie als Programmleiter in einem Kinderbuch-Verlag (Thienemann) tätig. Bieten Sie dennoch Beratung in sämtlichen Genres an? Sind die Eigenheiten des Kinderbuchs und die Marktbedingungen in diesem Segment ohne Weiteres übertragbar?
Ich bin ja von Haus aus Germanist und Anglist und lebenslanger Romanleser. Aber das Kinder- und Jugendbuch ist und bleibt mein Schwerpunkt. Hier kenne ich mich am besten aus und verfüge über ein gewachsenes Netzwerk. Vieles ist aber auch auf andere Segmente und Genres übertragbar. Der Vertrag für ein Kinder- oder Jugendbuch unterscheidet sich zum Beispiel nicht von einem Vertrag für einen belletristischen Roman. Und auch Exposés müssen vor allem eines: zünden – hier wie dort!
Insofern ist meine Welt erfreulich größer geworden, seit ich nicht mehr ausschließlich auf Kinder- und Jugendbücher festgelegt bin. Bis hin zum Selfpublishing-Markt, den ich ebenfalls sehr faszinierend finde, weil sich für Autorinnen wie Autoren hier völlig neue Türen öffnen.
Kann ich mich als Autor nur mit Belletristik oder auch mit einem Sachbuch-Projekt an Sie wenden?
Bei Sachbüchern bin ich sehr zurückhaltend. Das ist ein Markt für sich, der sich in einigen Aspekten deutlich von der Belletristik unterscheidet. Im Einzelfall gebe ich immer zu, wenn ich Gefahr laufe, das Feld meiner Kompetenzen zu verlassen. Herumdilettieren bringt niemandem etwas, auch mir selbst nicht, da fühle ich mich unwohl.
Helfen Sie auch schon bei der Grundlagenarbeit wie Entwicklung einer Idee, des Plots und der Figuren?
Aber ja! Mein Spezialgebiet als Lektor und Programmleiter war schließlich die Entwicklung deutscher Originalausgaben. Auf Wunsch begleite ich Projekte von der ersten Idee bis zum Exposé oder auch zum fertigen Manuskript.
Wie weit sollte ein Autor mit seinem Projekt gediehen sein, bevor er sich an Sie wendet?
Immer vorausgesetzt, dass ein Projekt grundsätzlich einen Markt beziehungsweise ein Publikum hat, sollte es möglichst schon so gut wie präsentationsreif sein. Dann kann ich in einem darstellbaren Zeitrahmen das Meine dazugeben, um gemeinsam mit dem Autor, der Autorin aus etwas Gutem etwas noch Besseres zu machen. Zum Beispiel durch eine überzeugende Darstellung in einem professionellen Exposé.
Was macht ein Exposé überzeugend?
Bei den Profilesern in Agenturen und Verlagen muss letztlich der Eindruck entstehen, dass es sich um ein durchdachtes, verkäufliches Projekt handelt. Eine Idee ist noch lange kein Konzept! Der Pitch sollte so formuliert sein, dass der Adressat sagt: Darüber will ich mehr erfahren! Die Figuren und deren Konstellationen müssen interessant und psychologisch nachvollziehbar sein. Niemand liest gern seitenlange Inhaltsangaben, die jede Emotionalität und Dynamik vermissen lassen. Die Leseprobe muss nicht nur vom erzählerischen Können zeugen, sondern so ausgewählt sein, dass zeitnotgeplagte Agenturen und Verlage nichts Dringenderes zu tun haben, als das komplette Manuskript zur näheren Prüfung anzufordern. Und die Autorinnen und Autoren sollten es verstehen, neben ihrem Projekt auch sich selbst in Szene zu setzen.
Nach welchen Kriterien berechnen Sie Ihr Honorar? Mit welchen Kosten müsste ich rechnen?
Für einige meiner Leistungen setze ich Pauschalen an, etwa für Manuskriptgutachten oder Workshops, abhängig vom Umfang oder von der Dauer. Ansonsten gelten Stundensätze, beginnend mit 49,- Euro zuzüglich Umsatzsteuer für alle Schreibtischtätigkeiten und 69,- Euro für eine telefonische Beratung. Auf jede Anfrage reagiere ich zunächst mit einem transparenten Angebot.
Verstehen Sie sich auch als Marketing-Berater?
Marketing ist ja eigentlich Sache der Verlage, wird aber häufig in nennenswertem Umfang nur noch für Spitzen- und Schwerpunkttitel betrieben. Deshalb ist das Eigenmarketing für Autorinnen und Autoren immer wichtiger geworden, wenn es denn überhaupt jemals unwichtig war. Wie stelle ich mich und meine Bücher in der Öffentlichkeit dar? Was kann ich selbst tun, um meine Bekanntheit und den Absatz zu fördern? Wie bilde ich ein unverwechselbares Profil oder eine Marke heraus? Solche Fragen beschäftigen meine Klienten und mich häufig in den Workshops. Patentrezepte taugen meist wenig. Ich denke, mit individuellen Ansätzen und Strategien kann man mehr erreichen, als wenn man ein Facebook-Konto zu einem Muss für alle erklärt. Ich habe keines, weil das nicht zu mir passt.
Denken Sie, dass jeder Autor, jede Autorin mit einem fertigen Manuskript auf dem Markt eine Chance hat, sofern das Marketing-Konzept stimmt?
Hm, ich glaube, das hieße, die Macht des Marketings zu überschätzen, wobei man sich leider von dem alten Spruch „Qualität setzt sich immer durch“ ebenfalls verabschieden muss. Dafür gibt es ja genügend Gegenbeispiele ... Nein, ich denke, was über Erfolg oder Misserfolg entscheidet, ist ein Zusammenspiel von vielerlei Aspekten: das Buch selbst, sein Cover, der Ladenpreis, das Marketing, der Zeitpunkt der Veröffentlichung, die Konkurrenzsituation, der Originalitätsfaktor ... Und es gehört immer auch das berühmte Quäntchen Glück dazu, auf das wir alle gar keinen Einfluss haben.
Führen Sie Ihre Klienten zum Erfolg: Sind Sie ein „Autorenmacher“?
„Autorenmacher“ – das ist ein sehr großes Wort. So voll möchte ich den Mund nicht nehmen, umso mehr, als man nie drinsteckt und ich keine Erfolgsgarantien geben kann. Ich halte nichts von falschen Versprechungen und sehe mich eher als „Autorenbegleiter“. Wenn dabei eine „gemachte Autorin“ oder ein „gemachter Autor“ herauskommt – umso besser! Denn der Erfolg meiner Klienten ist natürlich auch für mich eine gehörige Portion Motivation.
Autor: Frank Joachim Schmitz | www.sens-litteral.de
In: Federwelt, Heft 129, April 2018
Foto: Stefan Wendel (privat)
SIE MÖCHTEN DAS GANZE HEFT LESEN?
Dieser Artikel steht in der Federwelt, Heftnr. 129, April 2018: /magazin/federwelt/archiv/federwelt-22018
Sie möchten diese Ausgabe erwerben und unsere Arbeit damit unterstützen?
Als Print-Ausgabe oder als PDF? - Beides ist möglich:
Sie haben gerne etwas zum Anfassen, und es macht Ihnen nichts aus, sich zwei, drei Tage zu gedulden?Dann bestellen Sie das Heft hier: /magazine/magazine-bestellen
Bitte geben Sie bei »Federwelt-Heft-Nummer« »129« ein.
Download als PDF zum Preis von 4,99 Euro bei:• beam: https://www.beam-shop.de/sachbuch/literaturwissenschaft/492192/federwelt-129-02-2018-april-2018
• umbreit: https://umbreit.e-bookshelf.de/federwelt-129-02-2018-april-2018-10914639.html
• buecher: https://www.buecher.de/shop/sprachwissenschaft--philologien/federwelt-129-02-2018-april-2018-ebook-pdf/weiss-anne-rumler-gerd-f--weissberg-clara/products_products/detail/prod_id/52045835/
• amazon: https://www.amazon.de/Federwelt-129-02-2018-April-2018-ebook/dp/B07BV3P5CN/refOder in vielen anderen E-Book-Shops.
Suchen Sie einfach mit der ISBN: 9783932522888