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6 Tipps an noch unveröffentlichte KinderbuchautorInnen

Federwelt
Anette Langen

Von Annette Langen
Unsere Autorin Annette Langen ist vielen als „Mutter von Felix, dem Hasen“ bekannt. Von ihr erschienen bislang mehr als 85 Kinderbücher. Teile ihres Werkes wurden in 30 Sprachen übersetzt, international ausgezeichnet und verfilmt. Was es braucht, damit ein gelungenes Kinderbuchmanuskript die besten Chancen hat, bei einem Verlag unterzukommen, erzählt sie hier.

Nur so viel zu mir: Ich kenne sozusagen die beiden Seiten des Schreibtisches, in den 90er Jahren habe ich als Lektorin das Programm eines Kinderbuchverlages aufgebaut. Meine ersten Kinderbücher entstanden bereits neben meiner Arbeit im Lektorat, seit 2000 bin ich ausschließlich Autorin.

Natürlich kann ich Ihnen nicht versprechen, dass Ihr Manuskript von einem Verlag angenommen wird, aber die folgenden Tipps können Ihnen helfen, Ihre Zeit, Portokosten und auch Ihre Energie so sinnvoll wie möglich einzusetzen:

  1. Bieten Sie Ihr Manuskript gezielt an. Dabei kann Ihnen das Online-Verzeichnis der avj (www.kinder-jugendbuch-verlage.de/de) helfen. (Die avj ist die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen.) Es ist für mich die Recherchequelle in der Kinderbuchbranche, denn knapp hundert deutschsprachige Kinder- und Jugendbuchverlage stellen sich darin individuell vor. Ganz wichtig: Das Verzeichnis enthält die Vorschauen auf die Verlagsprogramme* (mehr dazu in Tipp 2!) und nennt zum Teil sogar die AnsprechpartnerInnen im Lektorat! Des Weiteren finden Sie im AVJ-Verzeichnis einige Tipps und Tricks für AutorInnen und IllustratorInnen sowie wichtige Anschriften und Preise.
  2. Oft steht auf einer Absage sinngemäß, der Titel passe nicht ins Verlagsprogramm. Aber was genau ist ein „Programm“? Das ist die Art oder vielleicht auch die Ausrichtung der Bücher, die ein Verlag verlegt. Manche Programme sind überwiegend modern, cool von der Anmutung, andere eher süß-niedlich oder wieder sehr künstlerisch. Und – was tun Sie jetzt damit?

Versuchen Sie unbedingt ein Bewusstsein für die unterschiedlichen Verlagsprogramme zu entwickeln und Ihren Blick dafür zu schärfen: Gehen Sie in eine wirklich gut sortierte Kinderbuchabteilung. Nehmen Sie Zeit mit.

  • Sehen Sie sich die verschiedenen Titel für die verschiedenen Altersgruppen von einem einzigen Verlag gezielt an. Gut, die Bücher behandeln natürlich unterschiedliche Themen. Aber wo stellen Sie übergreifend gewisse Ähnlichkeiten fest? Was ist die Schnittmenge, die sie gemeinsam haben?
  • Achten Sie dann aufs große Ganze. Wie ist das Gesamtbild des Verlages? Ist es modern-cool oder eher künstlerisch? Werden Titel verlegt, die eher Mainstream sind, oder sind sie eher „abgehoben“? Sie werden sehen, da gibt es sehr viele verschiedene Ausrichtungen!
  • Sehen Sie sich als Nächstes möglichst viele verschiedene Kinder- und Jugendbuchverlage im Sortiment/Buchhandel an.
  • Nun kommt die wesentliche Fragestellung hinzu: Wo würde Ihr Titel in diesem speziellen Sortiment stehen?
    • In welchem Regal?
    • Bei welchen Verlagen würde er stehen?
    • Für welche Zielgruppe?
    • In welches Genre, in welche Sparte fällt er?

Die verschiedenen Verlagsprogramme wahrzunehmen, ist ganz wesentlich dafür, wo Sie später Ihr Manuskript anbieten!

  1. Überlegen Sie sich genau, warum Ihr Projekt in dieses oder jenes Verlagsprogramm passt! – Welche Verlage kommen für Sie infrage?
  2. Bieten Sie Ihr Projekt passgenau an! Damit kommen wir zum nächsten wichtigen Punkt: Man sieht es nicht auf den ersten Blick, doch jeder Verlag bedient im Grunde genommen etwas wie einen großen „Baukasten“ mit lauter verschiedenen Fächern. Denken Sie mal an die vielen verschiedenen Kisten beim Obst- und Gemüsehändler ((Illustration/Foto: Haba Kaufmannsladen oder Ähnliches)): Wie sehen die Kisten im Detail aus? Lassen Sie uns das mal durchspielen: Da gibt es eine Kiste für Birnen, eine für Apfelsinen, eine für Honigmelonen. Schon bei den Äpfeln sehen Sie die weitere Spezialisierung! Denn es gibt eine Kiste für Boskop, eine für Cox Orange, eine für Jona Gold und so weiter. Ich möchte Ihnen ein Bewusstsein für die bestehenden „Kisten“ vermitteln. Denn ... entsprechend ist es mit den Verlagsprogrammen! Sie enthalten einzelne „Fächer“ oder „Kisten“ für die jeweiligen Buchsorten, die Genres oder Sparten. Das Beste ist, diese Genres oder Sparten unterliegen keiner Geheimhaltung! Die Websites und/oder die Verlagskataloge und -vorschauen sind ganz stringent danach aufgebaut. Aus dem Verlagsprospekt eines der fünf größten deutschen Kinder- und Jugendbuchverlage „dekliniere“ ich nur mal so zum Vorführen die bestehenden (Unter-)Genres:
  • Minibücher
    • Minibücher, saisonal
  • Pappen, diese sind weiter nach Altersgruppen aufgebaut (0–6 Monate, 6–12 Monate, 12–18 Monate ...)
  • Maxi Minibücher (größeres Minibuch-Format)
    • Maxi Minibücher, saisonal
  • Bilderbuch
  • Buch mit CD
  • Vorlesebücher
    • Vorlesebücher Sachbuch
  • Anthologien
  • Erstleser, nach Lesestufen gegliedert
  • Beschäftigungsbücher
    • Saisonale Beschäftigungsbücher
  • Kindersachbuch
  • Minibuch Wissen
  • Bücher zu bestimmten Charakteren/Reihen
  • Kinderromane, hier gestaffelt nach Alter
  • Jugendbücher, auch gestaffelt nach Alter
  • All Age (meist separater Katalog)

Je nach Verlag variiert die interne Aufteilung ein bisschen. Aber grundsätzlich gibt es bestimmte (Unter-)Genres und auch definierte Lesealter, die Ihnen die Übersicht erleichtern.

Jetzt geht es in die Zielgerade: Können Sie sich vorstellen, dass der Verlag zweimal im Jahr den gesamten Verlagsprogramm-Baukasten neu bestücken muss? Und zwar alle Fächer? Genau, ich meine damit die Neuerscheinungen. Keines der Fächer, keine Kiste sollte dabei freibleiben (außer gegebenenfalls bei den saisonalen Titeln)!

Damit will ich sagen, dass der Verlag ständig gezielt Inhalte für die Fächer dieses Baukastens sucht. Dies geschieht allerdings mit mehreren Jahren Vorlauf. Aber je passgenauer Sie etwas für eines der Baukasten-Fächer anbieten, umso besser!

Wie ein gutes Anschreiben generell aussieht, können Sie in Heft 110 nachlesen. Darüber, wie Sie Exposés verfassen, informiert Sie Heft 100. Daher aus meiner Kinderbuchsicht noch ein vorletzter Tipp:

5. Oft habe ich in meinen Verlagsjahren in den Angebotsschreiben sinngemäß als Begründung dafür, warum der Titel eingereicht wurde, gelesen, dass die Geschichte den drei Nachbarkindern und der Oma gut gefallen habe. – Selbst wenn Sie von zweihundert begeisterten Zuhörern für Ihre Geschichte berichten können, würde ich es nicht in den Begleitbrief schreiben. Erfolgversprechender ist es, die Konkurrenzsituation zu kennen. Schauen Sie zuvor gezielt nach: Gibt es neben Ihrem Projekt bereits etwas Vergleichbares zu diesem Thema? In dieser Altersgruppe? Wie hebt sich Ihr Titel positiv von den anderen ab? Das, in einen Satz gefasst, kann im Begleitschreiben eine hilfreiche Information sein.

Häufig werde ich gefragt, ob KinderbuchautorInnen Bilder, also Illustrationen, mitliefern sollen. Bei den deutschsprachigen Kinderbuchverlagen weiß ich von einem, der das gezielt wünscht. Doch damit sind dann definitiv keine selbstgemalten Bilder gemeint, sondern sehr hochwertige, künstlerische Illustrationen, die eine Diplom-Grafikerin, ein Diplom-Grafiker anfertigt. Die meisten Kinderbuchverlage, mit denen ich zusammenarbeite, suchen selbst gezielt nach IllustratorInnen. Häufig haben die Verlage auch schon IllustratorInnen, mit denen sie bereits langfristig zusammenarbeiten. Manche buchen diese auch über einige Jahre im Vorfeld, obwohl zu diesem Stadium noch kein Manuskript vorliegt. So sichert sich der Verlag ab, dass er zu einem bestimmten Zeitpunkt auf geeignete IllustratorInnen zurückgreifen kann.

Glückwunsch, Sie stehen kurz davor, Ihr Manuskript an einen Verlag zu senden. – Wissen Sie, welche Vorgaben dieser Verlag für die Einsendung von Manuskripten macht?

Mein 6. Tipp: Lesen Sie sich das zuvor genau (in der Regel auf der Verlagswebsite) durch. Die Anforderungen variieren erfahrungsgemäß, doch Sie sollten unbedingt diese Vorgaben für den entsprechenden Verlag umsetzen und berücksichtigen.

Ich hoffe, dass Ihnen meine sechs Tipps die eine oder andere Tür in die Verlagswelt öffnen werden, wünsche Ihnen viel Erfolg und dass Sie bald Ihr eigenes Buch in den Händen halten. Oder es im Display Ihres E-Readers sehen können.

Herzliche Grüße,

Annette Langen

 

Autorin: Annette Langen | www.annettelangen.de | www.facebook.com/pages/Annette-Langen/172224662836287
In: Federwelt, Heft 117, April 2016
Foto: Carola Vogt und Peter Boerboom | http://www.boerboom-vogt.de/
 

http://www.avj-online.de/brancheninformationen/