
Eine öffentliche Lesung ist der Königsweg, um andere vom eigenen Buch zu überzeugen. Orte für Lesungen gibt es viele. In diesem Artikel geht es um Lesungen in öffentlichen Büchereien. Denn damit kennt sich unser Autor aus: Stephan Ligl ist Leiter einer öffentlichen Bücherei in Pfaffenhofen an der Ilm. Dort organisiert er regelmäßig Lesungen, darunter Veranstaltungen wie die Brezenrunde. Was er hier schreibt, gilt für kleine bis mittlere Bibliotheken.
Öffentliche Büchereien sind keine Pflichtaufgabe. Es kann also sein, dass es in deiner Nähe gar keine gibt. Außerdem muss oft gespart werden, das heißt, es kann auch sein, dass die Mitarbeiter zwar gerne Veranstaltungen anbieten würden, es aber gerade so schaffen, die von der Politik geforderten Öffnungszeiten zu realisieren – oder auch das nicht mehr. Es gibt aber auch den Glücksfall, dass die Lokalpolitik verstanden hat, wie wichtig öffentliche Büchereien sind und dass man sich hier einen Leuchtturm in Sachen Kulturförderung erschaffen möchte. Dann ist Geld da und auch ausreichend Personal. Glückwunsch!
Brezenrunde
Jeden zweiten Samstag im Monat lesen Autorinnen und Autoren aus der Region aus ihren Werken. Dazu spendiert die Kreisbücherei Kaffee und Brezen. Der Eintritt ist frei. Die Veranstaltung findet während der regulären Öffnungszeit statt. So kommen auch Kunden in den Genuss der Lesung, die sich eigentlich nicht für Kulturevents begeistern, sondern vielleicht nur in der Bücherei sind, um Filme abzugeben. Die AutorInnen bekommen bei diesem Format keine Gage, aber die Chance, ihre Werke einem sehr offenen Publikum zu präsentieren. Natürlich sorgen wir für Öffentlichkeitsarbeit.
Deine Bücherei vor Ort darf gerne ihre eigene Version der Brezenrunde aufziehen.
> www.bibliotheksforum-bayern.de/fileadmin/archiv/2019-3/BFB-3-19_013_Brezenrunde_in_der_Kreisbuecherei_Pfaffenhofen.pdf
Das ist alles von außen schwer zu beurteilen, erst recht für dich als AutorIn. Darüber musst du dir also keine Gedanken machen. Aber wenn es in deiner Nähe eine öffentliche Bücherei gibt und du dort gerne öffentlich lesen willst, dann kannst du deine Chancen beträchtlich erhöhen, wenn du ein paar Dinge beachtest.
Erste Kontaktaufnahme
1) Kontaktiere uns bitte direkt. Frag nicht den örtlichen politischen Würdenträger, den du sonst woher kennst, ob er da nicht mal was machen könnte. Niemand lässt sich gerne etwas von außen aufdrücken, und mit entsprechend wenig Begeisterung müsstest du rechnen, wenn es zu einer Veranstaltung kommt.
2) Kontaktiere uns bitte per Mail. Die Mail können wir nämlich in Ruhe lesen, wenn mal nicht ein Kunde Hilfe am Kopierer braucht, wer anders sich einen neuen Ausweis ausstellen lässt, gleichzeitig das Telefon klingelt und die Schlange an der Theke lang und länger wird.
3) Bitte schreib an die richtige Ansprechperson. Viele Büchereien haben eine Internetseite, auf der steht, wer im Team für was verantwortlich ist. Wenn nicht, dann maile an die allgemeine Bücherei-Mailadresse, oft (stadt)[email protected]. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leiten das dann intern weiter. Mach im Betreff deutlich, dass du eine Lesung anbietest.
4) Schreib uns rechtzeitig. Dein Buch erscheint kommende Woche und du würdest gerne deine Debüt-Lesung bei uns machen? Nett gemeint, aber das ist etwa ein halbes bis ganzes Jahr zu spät. Manche meiner KollegInnen planen ein ganzes Jahr im Voraus, die meisten mindestens ein halbes Jahr. Ist es kurzfristiger, dann wird es in der Regel mit der Werbung schwieriger. In vielen Regionen gibt es gedruckte Veranstaltungskalender. Oder die VHS druckt in ihrem Programmheft auch die Lesungen der Bücherei. Ich bewerbe gerne auf so vielen Kanälen wir möglich die Veranstaltungen, die in meiner Bücherei stattfinden – darum der lange Vorlauf.
5) Wichtige Infos: Wer bist du? In welchen Genres bist du unterwegs? Gibt es schon Veröffentlichungen? Aus welchem deiner Werke möchtest du lesen? Oder mailst du im Auftrag deiner Autorengruppe und ihr wollt gemeinsam lesen? Das kann eine tolle Idee sein, weil man dann zu zweit schon einen Abend füllen kann und die Bücherei nicht einen anderen Autor auftreiben muss.
6) Hast du Leseerfahrung oder ist dies deine erste Lesung?
7) Aus welchem Buch willst du lesen? Hat es eine ISBN? Wann kam das Buch raus? Erscheint es erst noch? Schicke gerne eine Leseprobe mit. Aber bitte eine nicht zu lange!
8) Handelt es sich um eine reine Lesung oder bietest du gleich noch etwas Besonderes an? Spielst du in den Pausen ein Instrument? Gibt es eine Verkostung von irgendetwas, das in deinem Buch vorkommt? Kommst du in einem Kostüm? Kannst du jonglieren oder sprichst du die Dialektrollen überzeugend? In so einem Fall gerne einen Presseartikel mitschicken.
9) Gibt es eine Presseinfo über dich? Hast du ein Foto von dir in ordentlicher Auflösung? Oder zwei? Denn ich habe gerne eine Auswahl, wenn ich das Veranstaltungsplakat erstelle. Wer hat dich fotografiert? Möchte die Fotografin genannt werden? Schick auch das Cover als Datei mit. Vielleicht ist das ja super gelungen und spricht alle an. Vielleicht finde ich es doof – dann kann ich aber ja dein Foto für die Werbung nutzen.
10) Wie kann man dich kontaktieren? Ich hab da gerne alle Infos auf einem Blick, also Name, Adresse (Förderantrag!), Telefonnummer, Mail-Adresse, veröffentlichte Werke.
11) Warum sollte eine Lesung deines Buches bei uns stattfinden? Warst du schon mal bei einer unserer Veranstaltungen? – Insider-Tipp: Wir lesen gerne, dass du gerade unsere Bücherei besonders toll findest. Wir erkennen aber schnell, wenn die Mail an alle Büchereien im Umkreis geht. Denn: Bibliothekare sind oft sehr gut vernetzt, sowohl online als offline. Wir tauschen Bestände untereinander aus und auch Infos über Veranstaltungen.
Mehr als ein paar Stühle hinstellen
Wie viel Arbeit macht denn eine Lesung in der Bücherei? Da stellt man ein paar Stühle hin und das war’s doch, oder?
Leider falsch. Pressetexte wollen geschrieben, Facebook-Veranstaltungen erstellt, Werbung auf der Website und im OPAC (Online Public Access Catalogue, das ist der Online-Bücherei-Katalog) eingerichtet, Plakate gedruckt sein. Gibt es einen Vorverkauf? Dann hängt da sicher noch eine Stelle mehr mit drin. Räume müssen auch frei sein – vielleicht ist sonst ja ein VHS-Kurs in der Bücherei. Und es braucht genug Personal, das am Abend arbeiten kann, darf und will. Stühle, Getränke, Technik müssen auf- und auch wieder abgebaut werden. Jemand sollte durch die Veranstaltung führen. Wenn niemand von der Presse da ist, dann erstellt oft die Bücherei einen Nachbericht. So bedeutet eine Veranstaltung von eineinhalb Stunden gerne mehr als zehn Stunden Gesamtarbeitszeit.
Aber: Wenn es in der Bücherei an deinem Ort nicht klappt, dann frag ruhig nach, ob die Bibliothekarin eine Bücherei in der Nähe kennt, wo dein Buch präsentiert werden kann.
Sei geduldig!
Passt dein Buch irgendwie in mein Veranstaltungskonzept, dann würde ich jetzt versuchen, Rezensionen des Buchs zu finden. Oder von anderen Büchern, die du geschrieben hast. Finde ich die gut? Wenn ja, dann bestelle ich das Buch und lese rein. Das dauert natürlich. Frag bitte nicht laufend nach, das nervt mich nur und erhöht sicher nicht deine Chancen.
Ich melde mich bei dir. Klappt es: toll. Klappt es nicht, dann tut es mir leid. Das muss aber nichts mit dir zu tun haben. Wenn dir die Gründe nicht klar sind: Frag nach! Vielleicht hatten wir das Thema gerade erst oder die Lesung ist von der Zeit her nicht mehr unterzubringen.
Wir sind uns grob einig – jetzt geht es an die Feinheiten
12) Wichtig: Deine Mailadresse haben wir ja, aber können wir uns in einem halben Jahr noch an die erinnern? Also: Wähle eine Mailadresse, die deinem Namen/Pseudonym entspricht und nicht [email protected].
13) Wie ist der Ablauf? Oft gibt es quasi ritualisierte Abläufe bei Veranstaltungen (siehe Kasten [[rechts/links/unten/oben]]). Die kannst du nicht kennen, aber du kannst danach fragen. Vielleicht hast du ja einen besonderen Wunsch.
Quasi ritualisierte Abläufe bei meinen Veranstaltungen
Bei Veranstaltungen begrüße ich das Publikum, kläre Rechtliches zum Thema Fotoaufnahmen, bewerbe die kommenden drei Veranstaltungen. Ich erkläre, wo es Getränke und Snacks gibt, wo sich die Toiletten befinden und, wenn es eine Pause gibt, wann und wie lange die in etwa ist.
Dann stelle ich den Autor, die Autorin vor und du bist dran.
14) Du hast spezielle Bedürfnisse, gleich welcher Art? Lass uns drüber reden. Oft findet sich eine Lösung. Dafür ausreichend Zeit zu haben hilft. (Einen zweiten Beamer zehn Minuten vor der Lesung aufzutreiben, kann schwierig werden.).
15) Was darfst du bei der Lesung? Wenn du ausgefallene Dinge machen willst: Frag bitte vorher!
16) Willst du deine Bücher verkaufen? Frag der Form halber, ob das in Ordnung ist.
17) Willst du was anderes verkaufen? Frag bitte nach!
18) Wir machen aus, wann du da sein sollst. Schreib dir die Uhrzeit auf! In deinen Terminkalender. Prüfe, ob du den richtigen Tag gewählt hast! Wenn du in sozialen Medien aktiv bist: Bewirb deine Lesung!
19) Überleg dir, was du genau liest. Wenn du dir unsicher bist: Frag uns, denn wir kennen unser Publikum, können dir also sagen, wie blutig es werden darf oder wie experimentell.
20) Du kennst deinen Text oder glaubst das zumindest. Lies ihn aber noch mal. Leg eine Uhr daneben. Wir haben eine ungefähre Zeit ausgemacht, die du hast. Das ist keine Schikane, das beruht auf Erfahrung. Das Publikum kann nicht ewig sitzen und nicht ohne Pause stundenlang konzentriert zuhören. Du kannst nicht ewig lesen. Meine Mitarbeiter wollen irgendwann nach Hause.
21) Wenn du merkst, dass du krank wirst: Melde dich! Wir finden eine Lösung. Vielleicht frage ich dich, ob du eine Autorenkollegin kennst, die ähnliche Texte schreibt, sodass das Publikum nicht umsonst in die Bücherei kommt. Oder wir verschieben die Lesung.
Tag der Lesung
22) Pack alles ein, was du brauchst. Texte, Bücher, Stift zum Signieren, Lesezeichen, Glücksstofftier … Gerne am Abend zuvor.
23) Fahr rechtzeitig los! Die Bahn hat schon mal Verspätung, auf der Straße kann ein Stau sein.
24) Komm zur vereinbarten Zeit. Gerne etwas früher, aber bitte nicht mehr als fünf Minuten später. Wenn doch: Ruf an, schick eine Mail. Lass es uns wissen. Wir sitzen nicht gerne auf glühenden Kohlen, während wir unseren Gästen sagen, dass der Autor sicher gleich da ist, obwohl wir in Wahrheit genau gar nichts wissen.
25) Sag am Einlass Bescheid, wer du bist. Viele Menschen sehen auf Fotos anders aus. Oder der Mitarbeiter am Einlass interessiert sich für alles, aber nicht für die heutige Veranstaltung.
26) Willst du die Bücherei gezeigt bekommen? Wir machen das gerne, wenn du rechtzeitig fragst und wir nicht gerade wieder einen Krankheitsausfall haben.
27) Hab deine Texte dabei (ja, das steht schon unter 22, ist aber extrem wichtig!).Wahrscheinlich haben wir dein Buch im Bestand, aber wir verleihen unsere Medien. Es kann also gut sein, dass es gerade nicht da ist. Speziell wenn eine Lesung ansteht.
28) Du willst deine Bücher verkaufen? Bring sie mit. Wenn du Präsentationsständer brauchst: Frag uns (gerne im Vorfeld – zur Not auch jetzt). Das sieht besser aus als reine Stapel von Büchern (Buchhändler sind da anderer Meinung).
29) Rechtliches klären wir jetzt. Das wäre zum Beispiel eine Einwilligung von dir in Fotoaufnahmen, die wir dann für die Pressearbeit nutzen. Oder eine Unterschrift unter einem Förderantrag. Nimm dir Zeit das durchzulesen. Wenn du Fragen hast: frag. Wir wollen dir keine Waschmaschinen verkaufen.
30) Setz dich an deinen Tisch. Ist alles da? Texte, Wasser, Mikro? Passt das Licht? Wenn nein: Sag uns Bescheid! Noch können wir da etwas besorgen oder ändern.
31) Wenn da ein Mikro steht: Probier es aus. Geht es nicht: Sag uns Bescheid. Klingt es falsch: Sag uns Bescheid. Liest du zum ersten Mal mit einem Mikro: Sag uns vorher Bescheid!
32) Wenn du bei der Lesung gerne Wasser trinkst: Haben wir da. Bekommst du. Wenn du nur Wasser trinkst, dass der Papst persönlich gesegnet hat: Bring es bitte selbst mit. Oder sag uns vorher Bescheid, dann versuchen wir da etwas zu organisieren.
33) Liest du nicht allein, sondern in einer Gruppe: Rede mit den anderen Autorinnen und Autoren. Vielleicht kennt ihr euch schon. Vielleicht lernt ihr euch jetzt kennen. Tauscht Bücher aus! Denk auch daran, eine Lesereihenfolge auszumachen. Lieber jeder seinen Teil und dann der oder die nächste? Lieber abwechselnd? Das hängt natürlich von euren Texten ab.
34) Richte die Bücher her, die du verkaufen willst.
35) Wenn du Lesezeichen oder andere Giveaways hast: Leg sie dazu.
36) Du hast jemanden dabei, der den Stand betreut? Super. Du machst es selbst: auch okay. Das kann halt anstrengend werden. Du denkst, die Bücherei macht das für dich? Nicht okay, außer wir haben das vorher abgesprochen.
Nach der Lesung
37) Rede mit deinem Publikum. Sei offen für Fragen und für Kritik.
38) Verkaufe deine Bücher. Frag die Leute, ob du dein Werk signieren sollst. Wenn es für jemanden sein soll: Lass dir den Namen buchstabieren, außer du bist dir zu hundert Prozent sicher, dass man diesen Namen ganz sicher nicht anders schreiben kann.
39) Wenn die Presse anwesend ist: Rede mit den Leuten. Ist die Presse nicht da, dann schreibt oft die Bücherei einen Nachbericht. Dafür brauchen wir noch ein Foto. Lauf also nicht gleich weg!
40) Hat es dir gefallen? Hast du eine Anregung, wie die Bücherei das für dich noch angenehmer gestalten kann? Lass es uns wissen. Gerne auch später per Mail.
41) Wir hatten eine Gage ausgemacht? Dann schick eine Rechnung. Gerne zeitnah. Gerade wenn das Jahresende nahe, denn da droht der Rechnungsschluss. Oft müssen wir die Rechnung bestätigen und dann an die Verwaltung weitergeben. Das dauert also alles etwas.
42) Lies die Lokalzeitung, schau in soziale Medien, ob und wie über deine Lesung berichtet wurde. Verlinke positive Posts, lerne aus Kritik.
Viel Erfolg beim Organisieren einer Lesung in einer öffentlichen Bücherei!
Über den Autor: Stephan Ligl ist Leiter der Kreisbücherei Pfaffenhofen.
Autor: Stephan Ligl | [email protected]
Weiterlesen in: der selfpublisher, Heft 17, März 2020
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