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Honorarumfrage 2021: Lage der literarischen Übersetzerinnen und Übersetzer ist prekär

Branchen-News
Sandra Uschtrin
Honorarumfrage 2021 ergibt: Honorare bei Übersetzerinnen und Übersetzern sind zu niedrig

Die Lage der literarischen Übersetzer und besonders die der Übersetzerinnen ist nach wie vor prekär. Das ergab eine Umfrage des Verbands deutschsprachiger Übersetzer*innen literarischer und wissenschaftlicher Werke e.V. (VdÜ). Seit 2001 hat das durchschnittliche Seitenhonorar fast 16 Prozent seiner Kaufkraft eingebüßt. Es liegt derzeit bei 18,73 Euro je Normseite.

Der VdÜ fragt bei seinen Mitgliedern in regelmäßigen Abständen anonymisiert die Vertragsbedingungen ab. Die »Honorarumfrage Buch« gibt einen Überblick über Normseitenhonorare sowie Absatz- und Lizenzbeteiligungen.

»Leider wird die Arbeit der Übersetzerinnen und Übersetzer nicht angemessen entlohnt«

Marieke Heimburger, Vorsitzende des VdÜ: »Die große Vielfalt der Weltliteratur erschließt sich der deutschen Leserschaft durch Übersetzungen. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der Kulturlandschaft und der Buchbranche. Leider wird die Arbeit der Übersetzerinnen und Übersetzer nicht angemessen entlohnt.
 
Wie die neuste VdÜ-Honorarumfrage zeigt, sind die Normseitenhonorare in den letzten beiden Jahren im Schnitt um gerade einmal 1 Cent auf 18,73 Euro gestiegen. Angesicht der hohen Inflationsrate ist das besonders bitter. Seit 2001 hat das durchschnittliche Seitenhonorar fast 16 Prozent seiner Kaufkraft eingebüßt.
 
Leider hat es der Gesetzgeber versäumt, die schwache Verhandlungsposition der Übersetzerinnen und Übersetzer gegenüber den Verlagen zu stärken. Ein Verbandsklagerecht, branchenweite Vergütungsregeln und eine staatliche Übersetzungsförderung, die auch den Übersetzenden zugutekommt, könnten die prekäre Lage der Zunft verbessern und stehen daher weiterhin auf der Agenda des VdÜ.«

Honorarumfrage Buch 2021

Für die Honorarumfrage Buch 2021 wurden 1172 Verlagsverträge von 2019 und 2020 ausgewertet. Darin heißt es:

»Die Mindestvorgaben der Gemeinsamen Vergütungsregeln, die der VdÜ 2014 mit mehreren Verlagen abgeschlossen hat, erfüllen  knapp 10 Prozent der Verträge, das sind rund 2 Prozent mehr als 2019.

Nach § 32 Urheberrechtsgesetz haben Übersetzerinnen und Übersetzer Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Der Bundesgerichtshof konkretisierte diesen Anspruch in mehreren Urteilen, in denen er Mindestsätze und Mindestschwellen für eine Beteiligung an Verkaufs- und Nebenrechtserlösen festlegte. Nach wie vor jedoch werden diese Regelungen von vielen Verlagen systematisch unterlaufen. Von gemeldeten 1126 Verträgen unterschreiten 455 (41 Prozent) die Mindestvorgaben des BGH für die Absatzbeteiligung (Hardcover-Erstausgabe), in der Taschenbuch-Zweitverwertung sind es 40 Prozent.

Aufgrund der niedrigen Seitenhonorare und Beteiligungen können Übersetzerinnen und Übersetzer mit einem durchschnittlichen Jahresgewinn von 19.311 Euro (Zahl: Künstlersozialkasse) nur knapp die Hälfte des bundesdeutschen Durchschnittseinkommens erwirtschaften. Damit sind sie auch im Alter akut armutsgefährdet.«

Übersetzerinnen in der Mehrzahl und mal wieder schlechter bezahlt

Wenigstens 84 Prozent der Personen, die sich an der Umfrage beteiligten, waren Frauen. Der Frauenanteil ist im Kinder- und Jugendbuch mit 95 Prozent besonders hoch, gefolgt vom Sachbuch (90,6 Prozent).

Das von Übersetzerinnen gemeldete Honorar (855 Verträge) betrug im Mittel 18,45 Euro, das ihrer männlichen Kollegen 19,99 Euro (141 Verträge), 33 Normseitenverträge wurden keinem Geschlecht zugeordnet.

Berechnungsgrundlage für das Grundhonorar

In 886 von 1172 Verträgen (76%) wurde die branchenübliche Normseitenhonorierung vereinbart (berücksichtigt wurden auch Seiten mit 1400 oder 1500 Zeichen); in 115 Verträgen (10%) war eine Pauschale vorgesehen.  

In 107 Fällen (9%) wurde die Seite mit 1800 Zeichen berechnet, in 18 Fällen (2%) mit 1600 Zeichen.

Andere Berechnungsgrundlagen waren z. B. 1000 Zeichen, die Mangaseite mit 30 mal 70 Anschlägen, die Comic-Normseite mit 32 mal 70 Zeichen, die Gedichtzeile oder ein Wort- bzw. Zeilenpreis.

Absatzbeteiligungen

Neben dem Grundhonorar sollten Übersetzer*innen auch eine Absatzbeteiligung erhalten. Von den gemeldeten 1126 Verträgen unterschreiten 455 (41%) die Mindestvorgaben des BGH. In 15 Prozent sahen die Verträge gar keine Beteiligung vor; nur bei 21 Prozent entsprach die Absatzbeteiligung den Mindestvorgaben der Gemeinsamen Vergütungsregeln oder lag darüber.

Mindestvorgaben der Gemeinsamen Vergütungsregeln (GVR):  
1,0% vom 1. bis 5000. Exemplar,
0,8% vom 5001. bis 10 000. Exemplar,
0,6% ab dem 10 001. Exemplar vom Nettoladenpreis für sämtliche Ausgaben (mit Ausnahme von nachgelagerten TB- sowie allen digitalen Ausgaben)

Mindestvorgaben des BGH:
Hardcover 0,8% ab 5001. Exemplar,
Erstausgabe Taschenbuch 0,4% ab dem 5001. Exemplar vom Nettoladenpreis

Autorenwelt-Shop beteiligt Übersetzer*innen mit bis 7 % vom Bruttoladenpreis

In eigener Sache: Seit Oktober 2021 beteiligt die Online-Buchhandlung der Autorenwelt Übersetzerinnen und Übersetzer mit bis zu 7 Prozent vom Bruttoladenpreis je Buch, das von ihnen übesetzt wurde. Der Autorenwelt-Shop ist damit im deutschsprachigen Raum die erste und einzige Buchhandlung, die das tut und Übersetzer*innen unterstützt. Mehr dazu siehe hier.

Links:
https://literaturuebersetzer.de/
https://literaturuebersetzer.de/site/assets/files/1323/honorarumfrage_2019-2020_final.pdf

Blogbild: Sandip Roy, unsplash