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Für Autorinnen und Autoren in Not: das Paul-Klinger-Künstlersozialwerk

Branchen-News
Doris Strobl
Rettungsring als Symbol für Hilfe in Not

Als Emily B. (Name geändert) ihren ersten Verlagsvertrag bei einem großen Publikumsverlag unterschrieben hatte, wollte sie sich über die Versicherung bei der Künstlersozialkasse informieren. Da sie auf der offiziellen Webseite der Künstlersozialkasse nicht alle Antworten auf ihre Fragen fand, forschte sie weiter und stieß auf das Paul-Klinger-Künstlersozialwerk e.V., einen gemeinnützigen Verein, der seinen Mitgliedern unter anderem bei allen Anliegen rund um die Künstlersozialversicherung zur Seite steht. Der Verein ist keiner öffentlichen Institution verpflichtet, agiert also unabhängig und finanziert sich ausschließlich über die Beiträge der Mitglieder sowie Spenden.

Emily B. kontaktierte die Geschäftsstelle in der Winzererstraße in München. Nach der Überweisung des Mitgliedsbeitrages bekam Emily B. eine fundierte Beratung und Hilfestellung beim Ausfüllen der Anmeldeunterlagen für die Künstlersozialkasse.

Hilfe von Künstlern für Künstler
„Der Solidaritätsgedanke war von Anfang an die tragende Idee des ‚Paul-Klinger-Künstlersozialwerk e.V.‘: Künstlerinnen und Künstler, deren Lebensumstände es erlauben, unterstützen Kolleginnen und Kollegen, die Hilfe benötigen“, erklärt Geschäftsführerin Ute Belting. „Wir bieten unseren Mitgliedern bedingungslos Hilfe an, ohne die künstlerische Leistung zu bewerten oder infrage zu stellen. Die Präsidentin der Stiftung sowie die Beisitzenden arbeiten ehrenamtlich.“
Weiter erzählt Ute Belting: „Wir heißen alle willkommen: Künstlerinnen und Künstler aus dem Bereich der bildenden Kunst, Musikerinnen und Musiker, Medien-, Film- und Fernsehschaffende, Autorinnen und Autoren, Journalistinnen und Journalisten und alle, die die Arbeit des Vereins unterstützen möchten. Also auch Menschen, die ein Herz für Kreative haben.“
Der Mitgliedsbeitrag für Privatpersonen beträgt 70 Euro im Jahr. Es kann aber auf freiwilliger Basis auch mehr gezahlt werden. Eine Firmenmitgliedschaft ist ab 120 Euro jährlich möglich. Diese kann man als Spende beim Finanzamt geltend machen.
Gegründet wurde der Verein 1974 – nach Paul Klingers Herztod. Der Schauspieler, der im Alter von 64 Jahren starb, hatte sich bereits zu Lebzeiten für in Not geratene Künstlerinnen und Künstler eingesetzt. Er wirkte in circa 70 Filmen mit. Unvergessen blieb er den meisten als Jochen von Roth in der dreiteiligen Immenhof-Serie. Als Synchronsprecher war er die deutsche Stimme vieler Hollywood-Stars, etwa von Cary Grant oder Dean Martin.
Als Emily B. in einen finanziellen Engpass geriet, wandte sie sich erneut hilfesuchend an das Paul-Klinger-Künstlersozialwerk. Nach eingehender Prüfung gewährte es Emily B. ein zinsloses Darlehen.

Ute Belting, Geschäftsführerin des Paul-Klinger-Künstlersozialwerks: „Unser Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, schnellen und unbürokratischen Beistand zu leisten. Der Jahresbeitrag ist absichtlich so niedrig angesetzt, damit ihn sich auch Berufsanfänger leisten können. Das ist aber nur möglich, weil viele Unterstützerinnen und Unterstützer, teils schon seit Jahren, ihren regelmäßigen Beitrag leisten.“

Wer berät?
Ein Netzwerk von ehrenamtlichen Fachleuten steht für Beratungsgespräche zur Verfügung. Da ist zum Beispiel Johann L. Walter (www.walter-com.de), Ansprechpartner für alle Rentenangelegenheiten. Oder Rechtsanwältin Anke Stelkens (kanzlei-stelkens.com). Sie hat sich auf die Rechtsberatung für freie Berufe spezialisiert und bietet unter anderem eine Vertragsberatung für Verlags- und Agenturverträge an.
Mit Alina Gause (artists-way.de) und Gabriele Skarda (skarda-agentur.de) können Kreative über die ersten Schritte in die Selbstständigkeit sprechen oder sich Tipps für ihre Karriereplanung und das Selbstmarketing geben lassen.
Die Erstberatung ist immer kostenlos. Nach Rücksprache mit der Geschäftsführerin wird ein Telefontermin mit dem gewünschten Profi vereinbart. Meistens können in diesem Gespräch alle Fragen bereits beantwortet werden. Falls nicht, wird die weitere Vorgehensweise abgestimmt.
„In den sozialen Medien und im Internet sind oft irreführende Aussagen und Informationen zu finden“, sagt Ute Belting. „Daher ist es immer sinnvoll, bei Unklarheiten oder Zweifeln mit einer Spezialistin oder einem Spezialisten zu sprechen.“

Welche Organisationen gibt es noch? (Auswahl)

Freie Wildbahn e.V. (Ratgeber für Kunst- Medien- und Kulturberufe) – www.freie-wildbahn.de
Das Expertenteam von Freie Wildbahn e.V. bietet für einen Jahresbeitrag von 210 Euro: Unterstützung bei allen Formalitäten, die mit der Künstlersozialkasse zusammenhängen; Beantwortung juristischer Fragen sowie Steuer- und Buchhaltungsberatung per Mail; Inkassoservice zur Durchsetzung berechtigter Geldforderungen. Außerdem gibt es günstigere Versicherungstarife für die Bereiche Vorsorge und Absicherung, da der Verein zum Beispiel Gruppentarife ausgehandelt hat.
Um den steigenden Beratungsbedarf der freiberuflich Kreativen abdecken zu können, gründete Versicherungsmakler Detlef Husemann den Verein.
Kontakt: 02932 – 90 26 924 | [email protected] | freie-wildbahn.de/kontakt

KuK – Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft – kultur-kreativ-wirtschaft.de
Die Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie weist auf Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten hin. Auf der Webseite gibt es Antwort auf Fragen wie: Wie verkaufe ich meine kreativen Ideen? Was tun, wenn Rechnungen nicht bezahlt werden? Welchen Vertrag abschließen, wenn ich Mitarbeiter beschäftigen möchte? ... Sie liefert Infos zur Künstlersozialabgabe oder auch einen Überblick über Beratungsstellen für Kultur- und Kreativschaffende. Ebenso gibt es Links zu unternehmerischen Qualifizierungen.
Auch hier können alle Kreativen Beistand finden, Autorinnen und Autoren sind explizit erwähnt.
Ziel dieser Initiative ist unter anderem, dass noch mehr Menschen im Kulturbereich arbeiten, sich vernetzen, höhere Einkünfte erzielen und dadurch mehr und neue Arbeitsplätze entstehen.
Kontakt: www.kultur-kreativ-wirtschaft.de/KUK/Navigation/DE/Service/Kontakt/kontakt.html
Linktipp: www.existenzgruender.de/DE/Mediathek/Audio-Podcast/inhalt.html

Touring-Artists – touring-artists.info/foerderdatenbank
Die Webseite listet unter anderem rund 250 Programme in Deutschland auf, die „die internationale Mobilität von Künstler*innen fördern.“
Kontakt: [email protected]

Städte und Gemeinden
In vielen Städten und Gemeinden gibt es Stiftungen, die Künstlerinnen und Künstler unterstützen. Daher ist es sinnvoll, bei der Verwaltung der Heimatstadt oder Gemeinde nachzufragen. In vielen Fällen arbeiten diese Einrichtungen ein wenig versteckt.

Stiftung Literatur – stiftung-literatur.de
Die gemeinnützige Stiftung privaten Rechts wurde von dem Politiker und Schriftsteller Dieter Lattmann gegründet. Der Mitgründer des VS gilt als „Vater der Künstlersozialversicherung“. Als Mitglied des Deutschen Bundestages von 1972–1980 setzte er erfolgreich eine Absicherung für freiberufliche Kreative durch. Dieter Lattmann starb im April 2018. Die Stiftung Literatur ist unabhängig und überparteilich. Sie fördert nicht nur Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die sich der politischen Literatur widmen und Bücher außerhalb des Mainstreams verfassen. Auch kranke oder ansonsten unverschuldet in Not geratene Autorinnen und Autoren können sich an die Stiftung Literatur wenden.
Kontakt: stiftung-literatur.de/?page_id=16

VG WORT GmbH – vgwort.de
Der Sozialfonds der VG WORT GmbH unterstützt Autorinnen, Autoren, Verlegerinnen und Verleger, die in Not geraten sind, oder ihre Hinterbliebenen. Es ist möglich, ein zinsloses Darlehen zu bekommen oder „Zuwendungen“, die einmalig oder monatlich gezahlt werden.
Richtlinien zur Antragstellung und Voraussetzungen für eine Beihilfe stehen auf der Webseite.
Kontakt: vgwort.de/die-vg-wort/sozialeinrichtungen/foerderungsfonds.html
Information zum Sozialfonds: vgwort.de/die-vg-wort/sozialeinrichtungen/sozialfonds.html

Gemeinsamkeit verbindet
Die in München und Umgebung ansässigen Mitglieder des Vereins nützen gerne die Möglichkeit, sich einmal im Monat bei einem Stammtisch auszutauschen. Derartige Treffen gibt es auch – in unregelmäßigen Abständen – in Berlin, Hamburg und Essen.
Einmal im Jahr freuen sich alle, die dem Verein verbunden sind, ganz besonders auf das traditionelle Sommerfest, das schon seit einigen Jahren in München-Freimann im Kulturzentrum Mohr-Villa gefeiert wird. Nach der Mitgliederversammlung wird reger Gedankenaustausch gepflegt – bei kühlen Getränken, Kaffee, Kuchen und Grillwürstchen.
Seit Juli 2019 ist Renate Hausdorf Präsidentin des Vereins. Sie folgt damit auf den Schauspieler und Kabarettisten Jürgen Scheller (†), den Regisseur und Intendanten Hellmuth Matiasek sowie den Journalisten und Fernsehmoderator Gerhard Schmitt-Thiel. Renate Hausdorf produziert mit ihrer Firma buchundmehr (buchundmehr.com) zum Beispiel Bücher für Verlage und ist seit über 15 Jahren beim Paul-Klinger-Künstlersozialwerk e.V. dabei. „Der Erstkontakt entstand, als ich Hilfe bei der Aufnahme in die Künstlersozialkasse benötigte“, erklärt Hausdorf. „Ich blieb dem Verein treu und bekam später auch Unterstützung in einer Steuerangelegenheit. Da ich kontaktfreudig bin und das Zusammensein mit Künstlerinnen und Künstlern sehr mag, begann ich, mich nach und nach mehr im Verein zu engagieren. Zunächst als Beirätin im Vereinsvorstand und nun als Präsidentin.“

Nachwuchs gesucht
Renate Hausdorf hat sich für die nächsten zwei Jahre das Ziel gesetzt, jüngeren Kolleginnen und Kollegen die Intention des Vereins nahezubringen. „Obwohl die Kunst eine wichtige Grundlage unseres Lebens ist, hat die Wertschätzung für die Kreativen sehr nachgelassen“, sagt sie. „Um ihr Überleben zu sichern, sind viele Freiberufliche gezwungen, eine Festanstellung anzunehmen. Vielen Künstlerinnen und Künstlern geht es nicht gut, vor allem Berufsanfänger haben es unendlich schwer.“
Das Paul-Klinger-Künstlersozialwerk e.V. feiert in diesem Jahr das 45-jährige Jubiläum. Um auch weiterhin im Sinne der Vereinsgründer agieren zu können, ist es dringend erforderlich, dass die Mitgliederzahl konstant bleibt oder besser noch: weiter wächst.
Die Initiative #WirKünstler will den Verein bekannter machen. Nach dem Relaunch der Web- und Facebook-Seite wurde zu diesem Zweck auch ein Instagram-Konto eröffnet.

So erreichen Sie das Paul-Klinger-Künstlersozialwerk e.V.:

Solidarität ist der entscheidende Eckpfeiler
„Nachdem ich mich im Buchmarkt etablieren konnte, ist es mir wirklich ein Anliegen, die Sache des Paul-Klinger-Künstlersozialwerks weiterhin zu fördern, selbst wenn ich derzeit keine Hilfe benötige“, erzählt Emily B. „Ich habe mich auch dazu entschlossen, einen höheren Jahresbeitrag anzuweisen. Wir Künstlerinnen und Künstler sind Einzelkämpfer. Daher finde ich den Austausch mit Kreativen aus anderen Bereichen sehr inspirierend. Auf diese Weise kann ich auch einmal über den eigenen Tellerrand hinaussehen. Ich bekomme Einblicke, die mir sonst verwehrt blieben.“

Autorin: Doris Strobl | www.dorisstrobl.de | [email protected]
Weiterlesen in: Federwelt, Heft 138, Oktober 2019
Blogbild: Katja-Anna Krug auf Unsplash

 

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Dieser Artikel steht in der Federwelt, Heftnr. 138, Oktober 2019: /magazin/federwelt/archiv/federwelt-52019
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