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Befristete Mehrwertsteuersenkung im Buchhandel wegen Corona

Branchen-News
Sandra Uschtrin
Mehrwertsteuersenkung  im Buchhandel wegen Corona

Womit beschäftigt sich derzeit die Buchbranche? – Mit der Umsetzung der Mehrwertsteuersenkung. Denn ab 1. Juli 2020 soll es so weit sein: Für Bücher sind dann nur noch 5 Prozent Mehrwertsteuer fällig und nicht mehr 7 Prozent, für Non-Books 16 Prozent statt bisher 19. Diese Umsatzsteuersenkung betrifft auch alle Honorar- und Lizenzabrechnungen von Verlagen. Das Ganze gilt für ein halbes Jahr. Ab 1. Januar 2021 müssen dann wieder die alten Mehrwertsteuersätze verwendet werden. Mit dieser Maßnahme will man die Wirtschaft ankurbeln. Alles wegen Corona.

Politiker*innen haben von Buchhaltung und IT leider wenig Ahnung. Wäre es anders, hätten sie wohl nicht – und dann noch mitten im Jahr – mal eben so die Mehrwertsteuersätze geändert. Mitarbeiter*innen von Verlagen und Buchhandlungen müssen dieser Tage an diversen Webinaren teilnehmen und sich mit komplexen Fragen in Sachen Steuern beschäftigen.

Mehrwertsteuersenkung und die Buchpreisbindung

Es ist in Deutschland nicht möglich, Buchpreise von heute auf morgen zu ändern. Denn Buchpreise sind in Deutschland gebunden. Verlage, die den Endpreis, also den Bruttoladenverkaufspreis ihrer Bücher ändern wollen, müssen das mindestens 14 Tage vorher dem Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB) melden. Nur so haben Buchhandlungen genügend Vorlauf, die Preise bei den Bücher umzuzeichnen – oder die Lagerware gegebenenfalls an den Verlag oder den Großhändler zurückzuschicken. Die buchhändlerische Verkehrsordnung sieht nämlich vor, dass Buchhandlungen sowie der Großhandel Bücher remittieren oder eine Differenzgutschrift verlangen können, wenn ein Verlag den Ladenpreis seiner Bücher herabsetzt.

Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB) unterstützt Verlage

Viele Verlage – ich vermute die meisten – werden daher auf eine Senkung der Ladenpreise ihrer Bücher verzichten und die Endpreise ihrer Bücher nicht um zwei Prozent herabsetzen. Zumal es kein gutes Signal wäre, Bücher noch billiger zu machen, als sie ohnehin schon sind (siehe dazu auch Jasmin Zipperlings Plädoyer für höhere Buchpreise in der aktuellen Ausgabe des selfpublishers).

Das VLB kommt den Verlagen hier entgegen. In einer Mail vom 9. Juni 2020 an alle teilnehmenden Verlage hieß es: »Um Ihnen die Umstellung zu erleichtern, wird das VLB die Mehrwertsteuersätze rechtzeitig zum 01.07.2020 automatisch für Sie umstellen. Der gemeldete Bruttopreis (Endpreis) bleibt hierdurch unverändert. Wenn Sie den aktuellen Preis beibehalten wollen, müssen Sie nichts tun. Sollten Sie die Mehrwertsteuersenkung weitergeben wollen, müssen Sie als Verlag den Preis unter Berücksichtigung der Vorankündigungsfrist (unabhängig vom Meldeweg) ändern.«

Börsenverein empfiehlt eine Tasse Kaffee

In einer PowerPoint-Präsentation zur »Mehrwertsteuerreduzierung bei preisgebundenen Büchern« schreibt der Börsenverein: »Kurzfristig muss jeder Verlag und jede Buchhandlung jetzt überlegen, wie der Umgang mit der Regelung dem Endkunden kommuniziert wird. Sofern ein Verlag sich gegen temporäre Preissenkungen entscheidet, kann er z.B. kommunizieren, dass er stattdessen Spenden leistet. Buchhandlungen können ihren Kund*innen ohne Preissenkungen auf sonstige Weise Angebote machen.«

Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins, riet in einem Webinar dazu, Kunden einen kostenlosen Kaffee anzubieten. Damit dürften Buchhändler allerdings gegen die Buchpreisbindung verstoßen. Denn anlässlich des Verkaufs eines Buches dürfen sie laut Buchpreisbindungsgesetz nur »Waren von geringem Wert oder Waren, die im Hinblick auf den Wert des gekauften Buches wirtschaftlich nicht ins Gewicht fallen« abgeben. Bis zu 2 Prozent des Buchpreises gelten hier als zulässig. Bei durchschnittlichen Buchpreisen von um die 15 Euro sollten Buchhändler*innen, die keine Abmahnung riskieren wollen, ihren Kunden also lieber nur drei, vier Kaffeebohnen über die Ladentheke schieben. Die können sie sich dann daheim selbst mahlen. Sicher ist sicher.

Verlegerin stöhnt stellvertretend

Wie auch immer – Verlage und Buchhandlungen haben derzeit alle Hände voll zu tun. Sandra Uschtrin vom Uschtrin Verlag, die diesen Blogbeitrag verfasst hat, erzählt: »Letzte Woche hatte wir ein Webinar von unserem Buchhaltungssoftware-Anbieter. Dort arbeitet man derzeit rund um die Uhr an einem Update, das es erlaubt, alle vier Mehrwertsteuersätze parallel einsetzen zu können. Das Update kommt nächste Woche. Dann gibt es ein weiteres zweistündiges Webinar, diesmal kostenpflichtig. In dem will man uns beibringen, wie wir die Vorlagen für die Rechnungen, Mahnungen oder für die einzelnen Artikel – Bücher, Abos, Anzeigen – anpassen können. Gott sei Dank sind die Betriebssysteme unserer Verlagscomputer auf dem neuesten Stand. Es gibt Firmen, die sich neue Computer anschaffen müssen, weil die neue Software-Version auf älteren Rechnern nicht läuft. Auch an einem Webinar des Börsenvereins haben wir teilgenommen. Das alles verschlingt Zeit und Nerven. Und möglicherweise auch viel Geld.«

Autor*innen profitieren von der Mehrwertsteuersenkung

Autor*innen dürften von der Mehrwertsteuersenkung im zweiten Halbjahr profitieren. Denn durch die reduzierte Mehrwertsteuer erhöht sich – bei gleichbleibenden Bruttoladenverkaufspreisen – der Nettoladenverkaufspreis (NLVP).
Beispiel: Der NLVP eines 14-Euro-Titels ist bei 7 Prozent Mehrwertsteuer 13,084 Euro; bei 5 Prozent Mehrwertsteuer 13,333 Euro. Und davon werden dann die Tantiemen berechnet. Bei 1.000 verkauften Exemplaren und 10 Prozent Autorenhonorar sind das bei 7 Prozent Mehrwertsteuer also 1.308,40 Euro und bei 5 Prozent Mehrwertsteuer 1.333,30 Euro. Macht ein Plus von 24,90 Euro. Das reicht für mindestens ein Kilo Kaffee!

Links:
https://www.boersenblatt.net/service/boersenblattleser/faq-zur-temporaeren-mehrwehrsteuersenkung-106225
https://www.boersenverein.de/fileadmin/bundesverband/dokumente/beratung_service/Corona/Mehrwertsteuerreduzierung_Konjunkturpaket-final.pdf
https://www.youtube.com/watch?v=cxjY9ShMQK4&feature=youtu.be
https://www.gesetze-im-internet.de/buchprg/BJNR344810002.html

Blogbild: Foto: NordWood Themes auf Unsplash