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Vom Noname zur Lokalgröße

Federwelt
Sabrina Reulecke

Oder: Hilfe, ich bin Autorin, aber in meiner Stadt weiß es keiner!

Oktober 2012
Yippie-yeah, mein Lebenstraum wurde wahr! Voller Ungeduld riss ich den Karton auf und hielt es zum ersten Mal in den Händen: mein Buch. Ich, Sabrina Reulecke, fand mich toll und wenn ich auf die Vorbestellungen schielte, dann war ich sehr zufrieden. Sogar einen wohlklingenden Autorennamen als Pseudonym hatte ich mir gegeben: Brina Stein! Klang das nicht mindestens so cool wie Hera Lind, Dora Heldt oder Katie Fforde?
Meinen eigentlichen Nachnamen muss ich nämlich immer überall umständlich buchstabieren: R-E-U-L-E-C-K-E. So wurde aus Sabrina einfach Brina und als Nachnamen wählte ich Stein als Hommage an meine hessische Heimatstadt Eppstein, in die ich vor über zwölf Jahren der Liebe wegen gezogen bin.
Nachdem ich die Vorbestellungen abgearbeitet hatte, fiel mir ein, dass das zauberhafte Eppstein noch gar nicht wusste, dass es eine neue Autorin beherbergte. In unserer Zeitung hatte ich immer mal wieder von regionalen Autoren gelesen, die ihre Bücher vorstellten. So rief ich in der Redaktion an, stieß aber zunächst nicht auf Hurra-Rufe. Immerhin durfte ich mit einem Rezensionsexemplar vorbeikommen. Man betrachtete mein Buch und verkündete dann, dass es nun erst mal gelesen werden müsse. Man kenne mich schließlich nicht. Ich nickte und wartete.

Ein erster Erfolg und langer Atem
Nach zwei Wochen war es so weit, ein kleiner Artikel erschien, immerhin mit einem Foto von mir und dem Buch. Dass ich bereits an einem zweiten Band arbeitete, beeindruckte die Redakteurin nicht, aber meine Leserinnen und Leser, die Band eins ausnahmslos verschlungen und via Facebook tollste Rückmeldungen gegeben hatten. Und was passierte dann? Nichts! Den örtlichen Buchladen interessierten regionale Autorinnen und Autoren nicht. Das ist bis heute so geblieben. Ich wurde allerdings herzlich eingeladen, dem Kulturverein der Stadt beizutreten. Ich hoffte auf eine Lesung – welcher Autor, welche Autorin täte das nicht –, fand mich nun aber plötzlich in Sitzungen wieder, wo es zwar um Kultur ging und man begeistert war, dass ein „jüngerer“ Mensch sich engagieren wollte, doch von einer Lesung war ich meilenweit entfernt.
Ich besuchte die Sitzungen standhaft weiter und irgendwann hatte der Vorsitzende ein Einsehen, denn inzwischen war Band zwei erschienen und er merkte, dass er an mir nicht mehr vorbeikam. 2014 bekam ich meine Lesung auf Burg Eppstein, verbunden mit dem deutlichen Hinweis, dass ich sicher kein Honorar nähme, das habe damals nicht mal Nele Neuhaus getan. Nein, diese habe sogar noch Würstchen für alle aus der Schlachterei ihres damaligen Mannes mitgebracht.
Es wurde trotzdem ein schöner Abend, die Buchverkäufe hielten sich zwar in Grenzen, doch der Raum war mit zwanzig Interessierten gefüllt.
Mein drittes und viertes Buch erschienen und die Zeitung erkannte mein Potenzial. Meine Bücher mussten nun nicht mehr vorab gelesen werden. Sie berichteten gern darüber. Lesungen für den Kulturverein habe ich nie wieder gehalten, denn „meine Lesung auf der Burg“ hätte ich ja nun gehabt. Ich stellte meine aktiven Arbeiten dort nach dieser Aussage ein und erkannte, dass ich selbst etwas tun musste, um mir einen größeren Namen im Ort zu machen.

Ich nehme das Ruder in die Hand
Der Zufall half mir dabei. Freitags gibt es in Eppstein einen kleinen Wochenmarkt. Er besteht aus wenigen Ständen. Damals versuchte die Stadt, diesen Markt mit Aktionen zu beleben. Ich suchte das Gespräch mit dem örtlichen Marktmeister, der war offen und hatte tolle Ideen. So führte ich dort mehrere Buchpräsentationen durch, was wiederum die Zeitung interessierte. Daraus hat sich ein Büchermarkt entwickelt, der immer am ersten Freitag im Mai stattfindet – von und mit regionalen AutorInnen, die ich miteinander vernetzt habe. Neben der Presse aus den Nachbarstädten lockt er auch neue MarktbesucherInnen an. Die Vernetzung der Autorinnen und Autoren aus der Umgebung war ein weiterer, wertvoller Baustein, um selbst bekannter zu werden. Wir treffen uns zwei bis drei Mal pro Jahr und tauschen uns aus. Dabei geht es um Leseorte, Marketing und Erfahrungen, die jedeR sammelt.
Nur kurze Zeit, nachdem ich den Marktmeister kennengelernt hatte, organisierte er für mich im Handumdrehen eine Lesung auf dem wunderschönen Neufville Turm hoch über der Eppsteiner Altstadt. Diesmal erschienen wieder zwanzig Interessierte und auch die Presse kam hinaufgewandert.

Oktober 2017 – fünf Jahre später
Dem ersten Buchprojekt sind sechs weitere Bücher gefolgt. Das sechste Buch ist mein erster Roman mit 324 Seiten. Nummer sieben befindet sich im Lektorat und wird im Frühjahr 2018 erscheinen. Von meinem anfänglichen Format, den Kurzgeschichten, bin ich in fünf Jahren zu Romanen gelangt. In meiner Heimatstadt kennt man mich jetzt. Selbstverständlich ist inzwischen, dass unsere Stadtzeitung über mich berichtet. Und ab und zu schreibe ich nun sogar Artikel für sie, die grundsätzlich einen Bezug zu unserer Stadt haben. Dafür bekomme ich ein Honorar. Erscheint ein neues Buch, bringe ich es in die Redaktion, und wir führen ein Interview. Die Bürger meiner Stadt finden es klasse, eine Autorin zu kennen. Da sitze ich entspannt auf dem Balkon und jemand ruft beim Spaziergang herauf: „Frau Stein, ich lese gerade Ihr neuestes Buch, es ist einfach toll!“ Dann nehme ich mir gern die Zeit für ein Gespräch. Mein Bekanntheitsgrad hat sich auch auf die Nachbarorte ausgeweitet und die Jagd nach Lesungen ist längst keine mehr. Denn wenn ein neues Buch erscheint, gibt es inzwischen genug Buchhandlungen und Veranstalter, die Brina Stein gern im Programm haben mögen.

Überregionale Aktivitäten
Natürlich versuche ich, auch überregional aktiv zu sein. Im Juli 2017 lud ich zum Beispiel zur Lesevernissage mit der Rostocker Künstlerin Jana Eichhorst in Warnemünde. 25 Gäste kamen, die großes Interesse an mir und meinen Büchern hatten. Etwa die Hälfte von Ihnen hat mein Buch gekauft. Und so geht es ständig weiter.
Regional bekannt zu werden und sich dann Stück für Stück weiter vorzuarbeiten, ist das Konzept, das mein Agent Hubert Quirbach (www.sprache-und-auge.de) als sinnvoll ansah. Für mich zahlt es sich nun nach und nach aus. Hubert Quirbach nennt das: „Von innen heraus wachsen!“ Dazu gehört, dass Menschen einen dann auch erkennen und schon mal neugierig in den Einkaufswagen linsen, den man schiebt. Das ist für mich aber kein Problem. „Meinem“ Wochenmarkt bin ich treu geblieben, und meistens findet man mich dort freitags mit Freunden. Dabei geht es gar nicht mehr unbedingt darum, Werbung zu machen. Es ist einfach schön, gemeinsam in das Wochenende zu starten, auch mal literarische Pläne für die Zukunft zu schmieden oder zu entspannen. Faszinierenderweise ergeben sich dabei auch immer wieder Gespräche mit anderen Bürgern, und oft gehe ich später mit einer Buchbestellung nach Hause.

„Kämpfe um jede Leserin, jeden Leser!“
Das ist nach wie vor meine Devise. Noch habe ich keinen Bestseller vorzuweisen, aber eine große, ständig wachsende Leserschaft, die sich an der Lektüre meiner Bücher erfreut.
Eins ist klar: Als „junge Autorin“ oder „junger Autor“ sollte man versuchen, den Buchmarkt nach und nach zu erobern. In seiner Heimatstadt hat man dazu die besten Voraussetzungen, denn die Mitbürger sind neugierig. „Scheue dich nicht, selbstbewusst aufzutreten und über das zu sprechen, was du schreibst und tust“, wäre mein Rat. Nun hat nicht jede Stadt einen Wochenmarkt, aber es gibt andere Möglichkeiten, wie man lokal auf sich aufmerksam machen kann. Fünf einfach umsetzbare Punkte habe ich für die Federwelt zusammengestellt.

Fünf Aktivitäten, die dafür sorgen, in der Heimatstadt bekannter zu werden:

  •  Überlegen Sie: Wo treffen sich in Ihrer Stadt die Menschen, die Sie Ihrer Zielgruppe zuordnen? Gehen Sie dorthin und versuchen Sie, locker Kontakte zu knüpfen.
  • Versuchen Sie immer wieder, mit der Lokalpresse ins Gespräch zu kommen. Manchmal ist es auch von Vorteil, dort eine Kleinanzeige für eine Lesung zu schalten, um Aufmerksamkeit zu erregen. Das kostet so um die 30 Euro. Besucht ein Reporter der Zeitung die Lesung, gibt es nicht nur eine Vorankündigung, sondern auch einen schönen Nachbericht.
  • Vernetzen Sie sich mit anderen Autorinnen und Autoren Ihrer Stadt. Sie werden staunen, was Sie alles aus deren Autorenleben erfahren und wie wertvoll das für Ihre Arbeit ist.
  • Halten Sie Lesungen in Ihrer Heimatstadt. Regelmäßig! Und seien Sie nicht traurig, wenn beim ersten Mal nur wenige BesucherInnen kommen, Ihr Name muss erst bekannt werden. Schauen Sie mal im Internet, wo andere AutorInnen in Ihrer Stadt schon gelesen haben und sprechen Sie die Veranstalter gezielt an.
  • Arbeiten Sie mit Werbemitteln! Fast überall – in Restaurants, am Bahnhof oder auch in Büchereien – liegt Werbematerial aus. Legen Sie Ihres dazu und kontrollieren Sie regelmäßig, ob dieses mitgenommen wird. Wenn ja, legen Sie nach, wenn nein, war es vermutlich nicht der geeignete Ort. Noch ein Tipp: Oft übernimmt die örtliche Zeitung auch Druckaufträge, da ist es eine gute Idee, seine Werbemittel dort drucken zu lassen. Selbst, wenn das Lesezeichen vielleicht ein paar Cent teurer ist als bei Internetdruckereien. Denn so sind Sie dort wieder im Gespräch.

Seit diesem Jahr coache ich übrigens auch Autorinnen und Autoren. Am Telefon. Vorab analysiere ich mittels eines Fragebogens den Ist-Stand in Sachen Bucherscheinungen und Werbemaßnahmen. Anschließend ermittele ich drei Marketing-Handlungsfelder. Für jedes dieser Handlungsfelder zeige ich dem Autor, der Autorin Maßnahmen auf, die er oder sie sofort umsetzen kann.
Aber noch mal zurück in meine Stadt. Die sich aufdrängende Frage nach dem Kulturverein beantworte ich auch gern noch: Der Verein macht weiter seine Kultur und ich mache meine.

Autorin: Sabrina Reulecke | www.brina-stein.de
Weiterlesen in: Federwelt, Heft 127, Dezember 2017
Blogbild: Photo by Rostyslav Savchyn on Unsplash

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