
Ein Erfahrungsbericht des Vorstandsmitgliedes VS Berlin, Cally Stronk, und was man tun kann, wenn die VG-WORT-Abrechnung nicht zu stimmen scheint.
Es ist jedes Mal das Gleiche. Ich fische die VG-WORT-Abrechnung aus meinem Briefkasten, öffne den Umschlag, werfe einen Blick auf die gelisteten Titel und fühle mich, als hätte mir gerade jemand mit voller Wucht in den Bauch geschlagen. Das kann nicht stimmen! Meine Giraffenaffen-Bücher sind gar nicht drauf! Dabei sind sie doch neben denen über Leonie Looping und die Mafflies meine bekanntesten Bücher. Es gibt sogar Giraffenaffen-Hörbücher und -Musik-CDs, die ich hin und wieder bei Lesungen in den Bibliotheken sehe. Und das alles soll irrrelevant für die Abrechnung gewesen sein? Da stimmt doch echt was nicht!
Die Verwertungsgesellschaft WORT (VG WORT) wurde bereits 1958 gegründet – auf Betreiben des damaligen Verbands deutscher Schriftsteller (VS). Sie ist ein rechtsfähiger Verein, der Autoren und Verlage bei der Wahrung ihrer Urheberrechte helfen will, dabei geht es vor allem um die Zweitverwertung von Texten. So „kassiert“ die VG WORT Geld von denjenigen, die „das geistige Eigentum anderer nutzen“. Das sind zum Beispiel Schulen oder Bibliotheken und Hersteller von Geräten und Speichermedien. Anschließend verteilt die VG WORT das Geld an die von ihr vertretenen Autorinnen und Verlage nach einem so genannten Verteilungsschlüssel. Somit übernimmt sie auch die Abrechnung der Bibliothekstantiemen.
Wenn man von der VG WORT vertreten werden will, muss man als Autor aktiv Mitglied bei der VG WORT werden und einen Wahrnehmungsvertrag abschließen. Die ihr übertragenen Rechte verwaltet die VG WORT dann treuhänderisch. Es sind Rechte, die eine Autorin, ein Autor, als Einzelperson nicht wahrnehmen könnte.
Natürlich habe ich sofort bei der VG WORT nachgefragt, ob die Bücher gelistet sind. Die Antwort war: „Ja, aber sie wurden in den befragten Bibliotheken nicht ausgeliehen!“
Ich weiß jedoch, dass meine Giraffenaffen-Bücher ein ziemlicher Bibliothekenhit sind! Allein in einer einzigen Bibliothek in Jena wurden sie über 200 Mal ausgeliehen, wie ich bei einer Lesung vor Ort erfuhr. Und gerade vor wenigen Tagen habe ich einen Google Alert zu einem Artikel der Badischen Zeitung bekommen, in dem steht, dass der zweite Giraffenaffenband es in der Bibliothek in Malterdingen in die Top drei der ausgeliehenen Bücher geschafft hat! Das kann doch nicht sein, dass genau diese Bücher bei der VG WORT nicht auftauchen und das System trotzdem gerecht ist! Oder doch?
Da stellte sich mir die Frage: Wie genau ist denn das System, nach dem die VG WORT die Bibliotheken-Ausleihe vergütet? Und können wir Autorinnen und Autoren überhaupt etwas tun, um dieses System transparenter beziehungsweise gerechter zu machen? Um das rauszufinden, habe ich mich an meine VorstandskollegInnen im VS Berlin gewandt.
Der VS Berlin – Retter in der Not
Seit einiger Zeit bin ich Vorstandsmitglied im VS Berlin. Zunächst aus Idealismus, weil ich es gut finde, sich zu organisieren und was für unseren Berufsstand zu tun. Doch durch das eigene Erlebnis mit der merkwürdigen Abrechnung der VG WORT, verstehe ich die VS-Arbeit nun noch mal besser.
Meinen Kolleginnen nahmen mich mit meinen Anliegen sehr ernst. Einige berichteten von ähnlichen Erlebnissen. Also kam die Idee auf, der Sache gemeinsam nachzugehen. Der gesamte Vorstand zog sofort mit und wir luden Vertreter der VG WORT und Barbara Schleihagen, die Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Bibliotheksverbands (dbv), in unsere Räume in Berlin ein.
Die Konfrontation und die rechtlichen Grundlagen
Nach einer kurzen, freundlichen Vorstellungsrunde konfrontierten wir die Gesprächspartner mit dem Problem und fragten nach einer Erklärung für die merkwürdige Abrechnungspraxis.
Wie Frau Schleihagen uns schilderte, wählt der dbv für die Abrechnung alle drei Jahre aus 2100 Bibliotheken 18 aus. Unter den 18 Bibliotheken seien 6 Bibliotheken aus Städten mit über 450.000 Einwohnern, 6 aus Städten von 200.000 bis 450.000 und 6 aus Städten unter 200.000 Einwohnern. Welche, das entscheide Frau Schleihagen höchstpersönlich. Von diesen insgesamt 18 ausgewählten Bibliotheken werden wiederum jedes Jahr 6 ausgewählt, bei denen die Ausleihvorgänge zweimal pro Jahr über je drei Wochen hinweg erfasst würden. Diese Ergebnisse würden dann auf drei Jahre aufgerechnet und bildeten die Grundlage für eine pauschalierte Abrechnung.
„Warum läuft das nicht alles über ein eigens dafür eingerichtetes Computerprogramm?“, wollten wir wissen.
„Weil die Bibliotheken mit Ausnahme der Zentral- und Landesbibliothek in Berlin kommunale Einrichtungen sind und alle unterschiedliche Computerprogramme zur Abrechnung verwenden“, informierte uns Frau Schleihagen. Zudem sei die VG-WORT-Abrechnung ein höchst aufwendiges Verfahren, dessen rechtliche Grundlage in einer Zusatznote zum Vertrag über die Abgeltung urheberrechtlicher Ansprüche (nach §27 des Urheberrechtsgesetzes) geregelt sei. Eine Änderung könne nur die Kultusministerkonferenz vornehmen.
Unser Problem mit dem System
Die Erklärungen und die rechtlichen Hintergründe, die von den Vertretern der VG WORT weiter erläutert wurden, waren interessant, konnten unsere Fragen allerdings nicht komplett beantworten. Besonders das Rätsel um den genauen Abrechnungsschlüssel hat sich nicht aufgeklärt.
Es stellten sich also immer noch folgende Fragen: Werden erfolgreiche Regionalautoren von dem System erfasst? Ist der Anteil der Kinderbibliotheken repräsentativ? Und generell: Wie kann das sein, dass oft die erfolgreichsten Titel von AutorInnen in den Abrechnungen nicht auftauchen?
Angeblich ist genau für solche „Sonderfälle“, also für alle, die durch das System rutschen, der Sockelbeitrag gedacht. Doch deckt der Sockelbeitrag diese in gerechter Weise ab? Der Gedanke sei zudem, dass aufgrund der Rotation der Bibliotheken (es werden immer neue ausgewählt) früher oder später alle relevanten Titel erfasst würden. Aha. Doch wie ist es mit Büchern, die eine Zeit lang einen großen Hype erfahren und dann wieder verschwinden? Wenn die Bibliotheken nun genau in den Hype-Jahren zufällig danebenliegen, ist das doch total ungerecht und NICHT repräsentativ!
Die Vertreter der VG WORT zeigten Verständnis und versicherten uns, sie hätten ebenso großes Interesse wie wir daran, dass die Abrechnungen fair vonstattengingen.
Daher kamen wir zu folgender Vereinbarung: Statistik-Experten sollen prüfen, ob das VG-WORT-Abrechnungsverfahren wirklich repräsentativ ist. Wir sind nun sehr gespannt auf das Ergebnis und bleiben auf jeden Fall dran.
Sollten wir zufrieden sein, mit dem was wir haben?
Die Vertreter der VG WORT bemerkten übrigens, sie seien froh über den genannten Vertrag zur Abgeltung urheberrechtlicher Ansprüche, in anderen Fachbereichen wäre der Zustand sehr viel schlimmer. Sie zeigten sich überzeugt, dass das Abrechnungssystem gerecht ist. Stelle sich heraus, dass dies nicht der Fall ist, sollte der Vertrag jedoch auf jeden Fall so lange aufrechterhalten werden, bis eine bessere Variante vorhanden sei. Warum? „Sonst ist das Risiko zu groß, überhaupt keine ordentliche Abrechnungsgrundlage mehr zu haben“, hieß es.
Da die VG WORT uns angeboten hat, Fragen unserer Mitglieder zu beantworten, haben wir die wichtigsten gesammelt. Diese und die dazugehörigen Antworten finden Sie voraussichtlich im nächsten Heft.
Solche „Auseinandersetzungen“ wie mit der VG WORT sind natürlich nur ein kleiner Teil unserer Arbeit im VS. Unsere Welt wird komplizierter, umso wichtiger ist es, dass Autorinnen und Autoren zusammenhalten, sich organisieren und gemeinsam für ihre Bedürfnisse eintreten. Deswegen möchte ich an dieser Stelle noch mal betonen, dass es sich auf jeden Fall lohnt, in den Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller einzutreten. Gemeinsam sind wir stark und können unsere Rechte vertreten!
Autor: Cally Stronk | www.callystronk.blogspot.de
Erschienen in: Federwelt, Heft 130, Juni 2018
Blogbild: Photo by Dylan Nolte on Unsplash
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