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Plagiate – Missverständnisse rund um Ideen- und Textklau

Federwelt
Susanne Berg
Plagiate –  Missverständnisse rund um Ideen- und Textklau

Was ist eigentlich ein Plagiat? Was muss ich als AutorIn alles beachten, um keines zu begehen? Und was tun, wenn mir das trotz bestem Gewissen vorgeworfen wird? Ab wann ist eine Idee oder eine Geschichte urheberrechtlich geschützt? Antworten darauf gibt Ines Hilpert-Kruck, Anwältin für Urheber- und Medienrecht aus Hamburg.

Was genau versteht man unter einem „Plagiat“?
Als „Plagiat“ werden Werke bezeichnet, die durch unberechtigte Übernahme oder Bearbeitung urheberrechtlich geschützter Werke entstehen. Die Voraussetzungen, unter denen urheberrechtlich geschützte Werke übernommen oder bearbeitet werden dürfen, sind im Urheberrechtsgesetz (UrhG) geregelt. Wir Juristen sprechen von einem Plagiat, wenn eine Autorin ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne Erlaubnis dessen Verfassers bearbeitet und die Bearbeitung nutzt. Aber auch dann, wenn ein Autor ein Zitat nicht gekennzeichnet hat, sodass der Eindruck entsteht, er als Verfasser des Textes sei auch Urheber der zitierten Textstelle.
Der Begriff „Plagiat“ selbst steht allerdings so nicht im Urheberrechtsgesetz. Im Zusammenhang mit der nicht gekennzeichneten Übernahme von Dichtkunst soll er erstmals um Christi Geburt verwendet worden sein. Ein römischer Dichter verglich damals seine öffentlich vorgetragenen Werke mit freigelassenen Sklaven. Er und seine Dichterkollegen lebten vom öffentlichen Vortrag ihrer Werke. Einen Dichterkollegen, der seine Werke vortrug, ohne ihn, den wahren Dichter, zu benennen, bezeichnete er als Menschenräuber, als Plagiarius.

Welche Missverständnisse begegnen Ihnen in Sachen Urheberrecht am häufigsten?
Am häufigsten begegnet mir, dass Menschen denken, es komme auf die Länge des entnommenen Teils an: „Ich nehme ja nur eine Gedichtzeile.“ Oder: „... nur drei Sekunden von der Musik!“ Das ist ein großes Missverständnis! Auf die Länge oder Komplexität des entnommenen Werkteils kommt es nicht an. Man muss nicht das ganze urheberrechtlich geschützte Werk übernehmen. Es reicht, Teile zu nutzen, die für sich genommen eine so starke schöpferische Gestaltungskraft haben, dass sie erkennbar sind, dass sie herausragen. Auch die Verwendung scheinbar unbedeutender Teile, etwa die einer Nebenperson oder eines Handlungsstranges aus einem Roman, kann problematisch sein, also eine unberechtigte Nutzung. Das gilt eben auch für einzelne Gedichtzeilen. Sie können zwar sehr kurz, aber zugleich von besonderer Schöpfungshöhe sein, sodass auch die einzelne, kurze Zeile eines Gedichtes nicht ohne Einwilligung des Urhebers oder der Urheberin verwendet werden darf.
Ein weiterer Irrglaube ist, dass es eine Banalität und nicht so schlimm sei, wenn man sich an geschützten Werken „bedient“. Ich verstehe das nicht, denn man kann ja auch nicht zum Bäcker gehen und sich einfach ein Brötchen nehmen, wenn man Hunger hat. Das Urheberrecht ist, wie das Eigentumsrecht, ein absolut geschütztes Recht. Es ist vor allem auch ein kostbares wirtschaftliches Gut der Urheber. Nur der Urheber/die Urheberin selbst hat dieses Werk geschaffen und war dazu in der Lage. Sein oder ihr Werk ist einmalig und er oder sie soll den wirtschaftlichen Nutzen aus diesem Werk ziehen. Das alles macht den besonderen Wert des Urheberrechts aus. Aber die Anerkennung oder das Bewusstsein, dass es diesen besonderen Wert hat, fehlt oft.
Das Urheberrecht ist nicht körperlich, nicht greifbar. Ein gesprochener Text wirkt vielleicht luftig. Aber trotzdem ist er ein rechtlich absolut geschütztes Werk, das man nicht einfach an sich nehmen kann. Verletzer von Urheberrechten denken auch häufig, es werde schon keiner merken. Auch das ist ein Irrglaube. Sicherlich passieren einige Urheberrechtsverletzungen zunächst unbemerkt. Der Urheber muss erst einmal erfahren, was passiert ist, um dann seine Ansprüche geltend machen zu können. Aber als Verletzer sollte man sich darauf nicht verlassen. Oft werden Rechtsverletzungen auf eigentümliche Weise entdeckt, manchmal sogar Jahre später, aber sie kommen ans Licht.

Ideen sind vom Urheberrechtsgesetz nicht geschützt. Was kann ich dennoch tun, um meine Ideen vor Diebstahl zu bewahren, wenn ich diese beispielsweise in Onlineforen für AutorInnen diskutieren will?
Richtig, wenn man sich über Ideen öffentlich austauscht, ist man nicht davor geschützt, dass andere diese Ideen aufgreifen und verarbeiten. Stellt man fest, dass eigene Ideen oder Geschichten von anderen geklaut wurden, muss man beweisen, der Urheber zu sein und vor allem: der erste Urheber zu sein. Die Idee gehabt zu haben allein nutzt nichts. Man sollte sie irgendwo aufgeschrieben haben. Um zu beweisen, dass man ein Werk an einem bestimmten Tag geschaffen hat, kann man Texte beispielsweise bei einem Notar hinterlegen. Oder man schickt sich selbst einen versiegelten Brief per Einschreiben, in dem der Text enthalten ist. Diesen Brief sollte man aufbewahren und nur öffnen, wenn es zu beweisen gilt, wann man das Werk geschaffen hat.
Noch mal genauer: Ideen sind für sich genommen nicht rechtlich geschützt. Erst wenn sie konkret sind, man sie wahrnehmbar gemacht, sie aufgeschrieben oder im Forum diskutiert hat, kann eine Idee als Werk urheberrechtlich geschützt sein. Der Schutz bezieht sich dann aber nur auf den Inhalt des konkreten Textes, nicht auf die Idee dahinter. In einem nächsten Schritt wäre dann zu prüfen, was von diesem Text wirklich urheberrechtlich geschützt wird. Allgemeine, übliche Abläufe oder Fakten würde der Urheberrechtsschutz zum Beispiel nicht umfassen.
So gab es beispielsweise einen langen Rechtsstreit über die Verletzung von Rechten an einem Exposé zu einer Fernsehserie. Das abgelehnte Exposé und die im Nachgang produzierte Serie Forsthaus Falkenau befassten sich beide mit dem Leben eines verwitweten Försters. Die Autoren des Exposés haben den Rechtsstreit letztlich verloren. Der Schutz des Urheberrechts greift nicht für die Idee einer Försterspielfilmserie als solche, sondern nur für das konkrete Konzept. Auch wenn der Fall abgeschlossen ist, liegt die Vermutung nahe, dass man sich an der Idee der Autoren bedient hat, und es bleibt ein schaler Nachgeschmack. In der Tat muss man sich als Autorin oder Autor gut überlegen, wem man seine Werke und Ideen anvertraut. Sind Ideen in der Welt, besteht die Gefahr, dass andere sich daran bedienen.

In der Produktion gibt es den Begriff der Fertigungstiefe ... Also je ausgefeilter die Details sind, desto besser?
Ja genau. Ist ein Werk ausgefeilt, ist seine Schöpfungshöhe besser zu beschreiben und damit auch seine Schutzwürdigkeit. Handelt es sich um gewöhnliche Szenen, wie die Idee von einer jungen Frau, die sich in der Großstadt orientiert – weil ich gerade den Blick auf die Reeperbahn habe –, ist es schwierig, sich auf urheberrechtlichen Schutz zu berufen, da diese Idee für sich genommen nicht urheberrechtlich geschützt ist. Noch einmal: Der konkrete Text ist es, aber nicht die Idee dahinter. Dasselbe gilt für historische Ereignisse, etwa den G20-Gipfel in Hamburg. Er ist ein Faktum. Jeder darf darüber schreiben. Wenn man diese Momente aufgreift, sie beschreibt, hat man für dieses Geschehen keinen Urheberrechtsschutz. Solche Elemente einer Geschichte sind frei. Aber wenn ich mir dazu eine Geschichte ausdenke und sie niederschreibe, entsteht ein Urheberrecht an diesem Text.
Erzähle ich die Geschichte nur, ohne sie zuvor aufgeschrieben zu haben, kann auch der gesprochene Text urheberrechtlich geschützt sein. Ab dem Moment der ersten Erzählung. Ich muss die Entstehung des konkreten Werkes aber im Streitfall beweisen. Existiert keine Aufnahme, die zweifelsfrei den Moment und Inhalt der Erzählung des Werkes dokumentiert, wird dies allerdings schwer sein.

Was sind die häufigsten Verstöße gegen das Urheberrecht, mit denen Sie als Anwältin zu tun haben?
Die häufigsten Verstöße sind natürlich die ungenehmigten Nutzungen, etwa Filesharing-Fälle. Und es sind tatsächlich Plagiatsvorwürfe, Fälle, in denen es um die ungenehmigte Bearbeitung eines Werkes geht. Urheber kommen und beschreiben, dass ein Teil ihrer Werke genutzt oder verändert wurde, ohne dass man sie vorher um Genehmigung gefragt habe.
Es kommen aber auch Mandantinnen, die mir berichten, dieses oder jenes Werk nutzen oder gar ändern zu wollen und eine Genehmigung des Urhebers aber zu teuer wäre. Dann ist es meine Aufgabe, diese Mandantinnen auf die Risiken hinzuweisen und zu sagen: „Nein, das geht nicht!“

In Absatz 1 Paragraf 106 UrhG steht: „Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Was ist damit verboten und wird wann bestraft?
Bestraft werden und verboten ist, wenn jemand ein urheberrechtlich geschütztes Werk absichtlich in einer unerlaubten Form, also ohne Genehmigung, verwertet. Die Fälle, die ich betreue, fallen auch unter diese Regelung. Aber der in Paragraf 106 UrhG geregelte Straftatbestand wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, es besteht ein besonderes, öffentliches Interesse an der Strafverfolgung. In meiner Praxis ist es noch nicht vorgekommen, dass Strafantrag gestellt wurde. Aber verboten und strafbewehrt sind theoretisch alle Fälle der vorsätzlichen, ungenehmigten Nutzung geschützter Werke.
Paragraf 97 UrhG und folgende regeln unabhängig von Paragraf 106 UrhG, dass Urheber bei ungenehmigter Bearbeitung ihrer Werke – also bei Plagiaten oder ungenehmigter Vervielfältigung beziehungsweise Veröffentlichung ihrer Werke – Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz geltend machen können. Und zwar gegenüber den Verletzern. Diese Ansprüche sind eher das Thema bei Urheberrechtsverletzungen.
Der strafrechtliche Aspekt kommt dazu, wenn es sich um gewerbsmäßige Verletzungen des Urheberrechts handelt. Beispielsweise bei massenhaftem, illegalem Filesharing, wo man überlegt, wie man dieser Sache Herr wird, weil der Schaden ausgesprochen groß ist.

Das klingt dann nach großer krimineller Energie …
Ja, bei den urheberrechtlichen Strafverfahren geht es um größere Fälle. Gegen einzelne Personen, die einzelne Urheberrechtsverletzungen begehen, habe ich noch keine Strafverfahren erlebt.
Paragraf 106 UrhG zeigt jedenfalls, welche Bedeutung das Rechtsgut Urheberrecht hat. Bei Durchführung des Strafverfahrens drohen einem vorsätzlich handelnden Verletzer tatsächlich Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren.

Und womit käme ich straffrei durch?
Eigentlich mit nichts, was Sie vorsätzlich machen, vorausgesetzt, der Urheber oder die Urheberin stellen einen Strafantrag nach Paragraf 106 UrhG. Aber unabhängig von einem Strafantrag bestehen die Ansprüche des Urhebers nach Paragraf 97 UrhG und folgenden auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und Vernichtung.
Ganz ohne weitere Konsequenzen – und insofern straffrei – bleiben Urheberrechtsverletzungen nur dann, wenn der Urheber/die Urheberin nichts von der Verletzung erfährt.
Ansonsten hat der Urheber seine Ansprüche, allemal auch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten, die entstehen, wenn er auf die Verletzung seines Rechtes mit Hilfe eines Anwalts hinweist. Das sind in der Praxis die relevanteren und auch gefürchteteren Ansprüche.
Wird beispielsweise ein Film gezeigt, der auf einer literarischen Grundlage beruht, deren Herkunft oder Rechte nie geklärt wurden, droht ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden, wenn die Urheberin des verletzten Werkes Unterlassung verlangt. Das können für die Verwerter tatsächlich bedrohlichere Ansprüche sein. Oft einigen sich die Parteien jedoch außergerichtlich vernünftig auf eine Lösung.
Also, wenn Sie etwas aus dem Roman eines Kollegen verwenden, landen Sie zwar nicht gleich im Gefängnis, aber natürlich bestehen die anderen Ansprüche, die zu Recht auch verfolgt werden.

Das ist sicher auch rufschädigend?
Rufschädigend können begangene Urheberrechtsverletzungen sein, wenn sie vorsätzlich geschehen. Wird das Urheberrecht versehentlich verletzt, ist das für sich genommen nicht unbedingt rufschädigend. Trotzdem kann die Urheberin des verletzten Werkes Ansprüche geltend machen. Rufschädigend kann dann sein, wie auf berechtigte Vorwürfe reagiert wird.
Es gibt aber auch die sogenannte freie Benutzung eines Werkes. Das Urheberrecht ist so gestaltet, dass Künstler sich sehr wohl von Werken anderer inspirieren lassen dürfen. Das ist für die Entwicklung und Gestaltung von Kunst sehr wichtig. Und gemeinfrei gewordene Werke darf ohnehin jeder für sich verwenden und umgestalten. Aber die Abgrenzung zwischen freier Benutzung und ungenehmigter Bearbeitung kann schwierig sein. Was ist Inspiration, was ist Bearbeitung? Da muss man jeweils sehr genau gucken.
Es gibt auch Fälle der zufälligen Doppelschöpfung. Das heißt, dass zwei Urheber zufällig das Gleiche geschaffen haben. Auch solche Fälle sind in meiner Praxis vorgekommen. Da stellt sich immer die Frage, wie man das beweist. Für die Feststellung einer Verletzung reicht eine unbewusste Entlehnung geschützter Werkbestandteile. Beruft man sich dann auf eine zufällige Doppelschöpfung, muss man schon beweisen, dass man das fremde Werk wirklich gar nicht kennen konnte und man zufällig exakt dasselbe geschaffen hat. Das ist meist schwer. Wenn Sie beispielsweise eine Zeile aus einem fremden Gedicht verwenden, die Sie irgendwann einmal gehört oder gelesen haben könnten, reicht es für die Verletzung, dass Sie unbewusst darauf zurückgegriffen haben. Sie werden sich vermutlich nicht damit verteidigen können, die Übereinstimmungen seien rein zufällig.

Wie kann so eine Abgrenzung denn überhaupt gelingen? Die Kunst lebt doch davon, sich ständig auf andere Werke zu beziehen?
Man versucht herauszuarbeiten, welche prägenden Elemente aus dem Ursprungswerk, also dem ersten Werk, entnommen sind und wie gut man die noch erkennt. Finden sich in einem neuen Werk prägende Handlungsabläufe aus einem vorbestehenden Werk, die man als solche erkennt und die Rückschlüsse auf das Ursprungswerk erlauben, wird es rechtlich problematisch. Das lässt sich abstrakt schwer beschreiben. Jeder Einzelfall ist da anders. Aber generell gilt auch im Urheberrecht, dass Kunst von Inspiration lebt.
Bei besonderen Kunstformen, der Satire etwa oder der Verwendung von Zitaten oder auch beim Sampling von Musik, gelten besondere Regeln und Maßstäbe. Sich auf andere Werke zu beziehen oder Teile davon zu nutzen, kann durchaus zulässig sein. Es kommt dann darauf an, dass die Besonderheiten der jeweiligen Kunstform und die Rechte der Urheberinnen und Urheber beachtet werden.
Zum Roman Die Päpstin von Donna W. Cross gab einen interessanten Rechtsstreit. Das Landgericht Hamburg hat sich in diesem Fall sehr ausführlich damit auseinandergesetzt, was in der Romanvorlage frei war und daher für ein Drehbuch zum Film verwendet werden durfte und was nicht. Das Urteil ist sehr präzise gefasst und man kann daran konkret nachvollziehen, wie der Fall rechtlich beurteilt wurde.

Was mache ich als Autorin, wenn man mich des Plagiats bezichtigt, obwohl ich den Text nach bestem Wissen und Gewissen verfasst und veröffentlicht habe? Oder wenn sogar der Verlag droht, mich wegen Betruges zu verklagen, und einen Vermögensschaden geltend machen will, um Lektorats- und Marketingkosten wieder hereinzubekommen?
Es kann theoretisch sein, dass Autoren eine ähnliche Idee haben und diese Idee textlich ähnlich formulieren. Wenn die Texte tatsächlich gleichzeitig entstanden sind und es ausgeschlossen ist, dass man vom jeweils anderen gewusst hat, wäre dies der oben beschriebene Fall einer zufälligen Doppelschöpfung. Das muss man dann beweisen.
So klare, eindeutige Fälle kommen aber in der Regel aufgrund der Vielfalt der sprachlichen Gestaltungsmöglichkeiten ausgesprochen selten vor. Meist ist es bei der Identität von Werkteilen so, dass ein Werk älter ist und der Verfasser des nachfolgenden Werkes das ältere Werk irgendwoher kannte. Dann reicht, wie gesagt, für den Plagiatsvorwurf aus, dass die Übernahme von Werkteilen unbewusst erfolgte.
Werden Sie als Plagiatorin beschuldigt, obwohl Sie alles nach bestem Wissen und Gewissen verfasst und veröffentlicht haben, sollten Sie sich zunächst in Ruhe die Vorwürfe anschauen und abarbeiten. Nicht jeder Vorwurf ist berechtigt. Weil es aber auch ausreicht, dass Sie versehentlich ein Recht verletzt haben, sollten Sie die Antwort gut überlegen.
Ich empfehle, dass Sie sich anwaltlich beraten lassen, spätestens, wenn die Gegenseite anwaltlich vertreten ist und Zahlungsforderungen im Raum stehen. Wenn Ihnen der Vorwurf gemacht wird, Sie hätten etwas geklaut, ist die emotionale Betroffenheit auch bei Ihnen sehr groß. Dann ist es gut, wenn Sie jemanden haben, der die Ruhe bewahrt und mit Ihnen die nächsten Schritte gut überlegt. – Man sollte jedenfalls die Emotionalität, die da drinsteckt, nicht unterschätzen; auf beiden Seiten.
Bei denen, die vorsätzlich die Rechte anderer verletzen, ist das Gefühl für Recht und Unrecht sehr wohl vorhanden. Plagiatoren, die sich vorsätzlich an Werken anderer Autoren bedienen, wissen bereits im Entstehungsprozess, was sie tun. Wenn solche Urheber nicht so gerne sagen mögen, wie ihr Werk wirklich entstanden ist, wissen sie meist genau, warum sie zögern. Aber auch diese Menschen können gut beraten werden, und es gibt Wege zu einer Lösung.
Ist an den Vorwürfen etwas dran, kommt es immer sehr auf die Kommunikation mit den Betroffenen an. Das ist meine Erfahrung. Wenn Verletzer versuchen, mit abstrusen Geschichten dagegenzuhalten, ist der Wille auf Seiten der Betroffenen eher schwach, sich auf eine „günstige“ Lösung einzulassen. Das hat allerdings eher psychologische als rechtliche Gründe. Ich halte es für wichtig, die Risiken realistisch zu betrachten und dann die Taktik gut mit den Mandantinnen abzustimmen.
Das gilt ebenso für das Gespräch mit dem Verlag. Auch dabei kommt es darauf an, wie das Verhältnis zueinander ist. Die großen Verlage haben ja oft eine Rechtsabteilung und werden ihre Autorinnen sinnvoll begleiten.

2010 erhielt die Autorin Helene Hegemann für ihren Roman Axolotl Roadkill trotz Plagiatsvorwürfen den Preis der Leipziger Buchmesse, die Jury-Vorsitzende Verena Auffermann bekannte lediglich „verlotternde Sitten“. Ist das nicht eine besorgniserregende Entwicklung?

Die Entscheidung der Jury will ich nicht weiter kommentieren. Es ist eine politische Frage, wie die eigene Haltung zu Urheberrechtsverletzungen an sich ist. Jeder kann sich hierzu positionieren.
Ich halte es für sehr wichtig, den Wert des Urheberrechts nicht aus dem Blick zu verlieren, immer wieder deutlich zu vermitteln, dass es ein hohes Gut ist, das geschützt werden muss. Sich einen neuen Film oder neue Musik sofort beschaffen zu können und es auch zu tun, notfalls auf illegalen Wegen, ist weit verbreitet. Das Bewusstsein für den Wert des Urheberrechts und das Bewusstsein für begangenes Unrecht sind dagegen nicht immer allgegenwärtig. Nur weil es technisch möglich ist, sich etwas zu beschaffen, ist es noch lange nicht richtig. Sogar in meinem privaten Umfeld habe ich erlebt, dass Menschen sich über das Urheberrecht hinwegsetzen. Ich werde aber nicht müde, Vergleiche aus anderen Bereichen heranzuziehen, um klarzumachen, was eigentlich passiert, wenn wir uns einfach nehmen, was wir wollen: Niemand ist zum Beispiel verpflichtet, andere auf seinem Grundstück zelten zu lassen, nur weil die gerade mal Lust darauf haben. Und ebenso sollten geschützte Werke nur dann genutzt werden, wenn man die Erlaubnis dazu eingeholt hat. Nur weil man einen fremden Text für eigene Zwecke braucht, ist man noch lange nicht berechtigt, ihn zu verwenden – auch wenn es noch so einfach ist. Darauf muss man immer wieder hinweisen. Öffentliche Einrichtungen haben in diesem Kontext eine besondere Vorbildfunktion.

Links
•    https://ggr-law.com/urheberrecht/faq/plagiat-was-ist-ein-plagiat/
•    www.unioldenburg.de/fileadmin/user_upload/sport/download/bjoernstaas/Merkblatt_Plagiat_Sport.pdf (Stichworte müssen einzeln eingegeben und auf der Website durchsucht werden)
•    http://ebook-tipps.blogspot.de/2014/08/plagiat-lockruf-des-geldes.html#more
•    www.kpw-law.de/2014/07/26/verfilmungen-historischer-romane-die-paepstin
•    www.grin.com/de/e-book/181963/authentizitaet-plagiat-intertextualitaet-der-fall-helene-hegemann (Lesetipp der Redaktion)

Autorin: Susanne Berg | www.susanneberg-portraettexte.de
Weiterlesen in: Federwelt, Heft 127, Dezember 2017
Illustration: Carola Vogt

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