
Hilfe, mein Verlag wird verkauft!
Es passiert immer wieder: Verlage werden aufgekauft, schlüpfen unter das Dach eines größeren Konzerns. Teils werden dann Programme neu ausgerichtet und Sparten ausgelagert.
So wanderten etwa die Jugendbücher von Bloomsbury zu arsEdition, wo Teile heute unter dem Imprint bloomoon erscheinen. Und so manches Mal bekommen die betroffenen AutorInnen von all dem erst etwas mit, wenn ihre „alten“ AnsprechpartnerInnen sich verabschieden. (So ihnen denn gestattet wurde, das zu tun.*) Oder schlimmer noch, wenn sie plötzlich feststellen, dass ihre Bücher nicht mehr lieferbar sind. – Welche Rechte auf Informationen haben AutorInnen dann eigentlich? Was sollten sie tun, wenn sie munkeln hören, dass ihr Verlag von einem anderen übernommen wird? Bin ich – als AutorIn – mit AgentIn in solchen Fällen besser dran? Und was passiert in so einem Verlag, wenn er „geschluckt/gekauft/abgewickelt“ wird? Jasmin Zipperling ist diesen Fragen nachgegangen – im Gespräch mit AutorInnen, AgentInnen und unserem Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Professor Lutz.
* Wichtig zu wissen: Während eines laufenden „Übernahmeverfahrens“ werden Verlagsmitarbeiter häufig zu Stillschweigen verpflichtet.
Sherlock Zipperling
Gott sei Dank! Endlich lesen Sie diesen Artikel! An dem Ding hatte ich lange zu knabbern. Haben Sie eine Ahnung, wie schwer es war, hier an Informationen zu gelangen? Ich habe schnell AutorInnen gefunden, die das schon einmal erlebt haben: Man hat einen Vertrag mit einem Verlag und plötzlich wird letzterer verkauft. Einfach so. Aber wollten die Betroffenen ihre Erfahrungen mit mir für diesen Artikel teilen? Nö.
„Zippi, du weißt ja, ich helfe dir immer gerne, aber ...“ (Bitte bei den drei Pünktchen die Ausrede Ihrer Wahl einfügen.)
Ich kann nachvollziehen, dass manche AutorInnen es nicht wagen, sich negativ zu äußern. Alle, die den Verkauf „so blöd“ abgewickelt haben, könnten es dann ja lesen und wären eventuell sauer. Also schweigen die AutorInnen lieber, um sicherzustellen, dass die betroffenen Verlage und Mitarbeiter gern wieder mit ihnen zusammenarbeiten. Aber für mich und diesen Artikel war das blöd. Außerdem: Wie sollen wir so anderen AutorInnen helfen, denen das möglicherweise noch passieren wird? Wenn niemand über seine Erfahrungen spricht, bleibt das Wissen unter Verschluss. Daher entfuhr mir einigermaßen oft ein unzufriedenes „Hmpf“.
Da es so verdammt schwer war (Jawoll! Ich fluche! In der Federwelt!), an Informationen zu kommen: Danke an alle, die sich trauten, mir zu helfen. Für einige AutorInnen war der Verkauf ihres Verlags ein Schreck, für andere ein Glücksgriff. Es ist schön, dass ich Ihnen hier beide Erfahrungen schildern kann.
Wie kann es passieren, dass ein Verlag verkauft wird?
Das können wir romantisieren, wie wir wollen: Verlage möchten wichtige Inhalte unter die Leute bringen. Verlage arbeiten für die Kunst. Verlage verfolgen eine Mission. – Ja, ja, geschenkt. Fakt ist: Verlage sind Wirtschaftsunternehmen. Punkt. Sie erstellen Bilanzen und haben Gehälter zu zahlen. Und wie jedes Wirtschaftsunternehmen kann ein Verlag verkauft werden oder Insolvenz anmelden; auch, wenn das jetzt an Ihrem – Achtung, Wortspiel! - „Weltbild“ rüttelt. Ein Verkauf bringt mindestens Umstrukturierungen, wenn nicht sogar Kündigungen mit sich. Was nicht passt, wird passend gemacht.
Verlage werden hauptsächlich aus drei Gründen verkauft: erstens aus wirtschaftlichen, zweitens aus Altersgründen/weil eine Nachfolgeregelung gefunden werden soll und drittens, weil eine Verlagsgruppe sich wieder auf ihre Kernkompetenzen besinnen beziehungsweise eine „Portfoliobereinigung“ vornehmen will. Wegen Grund drei wurde Sauerländer zum Beispiel an Fischer verkauft.
Einen Verkauf strukturiert abzuwickeln braucht seine Zeit. Manchmal zieht sich dieser Vorgang über einen Zeitraum bis zu zwei Jahren. Bevor die Neuigkeit also zur Presse oder zu den AutorInnen durchsickert, ist schon Einiges geschehen. In dieser Zeit arbeiten die zuständigen Personen (Unternehmensberater, die Geschäftsführungen der Verlage oder Verlagsmitarbeiter) auf festgelegte „Meilensteine“ zu. Möglicherweise kommt es zu Umstrukturierungen und – im schlimmsten Fall – zu Entlassungen. So unbequem ein Verlagsverkauf für AutorInnen sein kann: Für die Verlagsmitarbeiter ist er möglicherweise noch schlimmer.
Wann erfahren es die AutorInnen?
Was mich besonders interessiert: Wann genau flattert die „Eule mit dem Heuler“ bei den AutorInnen ins Haus? Wann erfahren sie vom Verkauf ihres Verlags?
„Erst danach“, lautet die knappe Antwort von Gunter Gerlach, Begründer der Veranstaltungsreihe Literatur-Quickie und Romanautor. Sein verkaufter Verlag war die damalige Sabine Groenwold Verlage KG Rotbuch Verlag GmbH.
Bei der Jugend- und Frauenbuchautorin Bettina Brömme kann man durchaus von einer bevorzugten Behandlung sprechen. Im Frühjahr 2016 erfolgte der Verkauf der Sparte LYX ihres Verlags Egmont an Bastei Lübbe. „Meine Lektorin hat mich angerufen und es mir erzählt, bevor die Nachricht an die Presse rausging.“
Der Drehbuch- und Kinderbuchautor Frank Maria Reifenberg schrieb mit seiner Kollegin Gina Mayer die Reihe Die Schattenbande für Bloomsbury, als arsEdition den Verlag kaufte. „Die Information bekamen wir vom Lektor des alten Verlags, lange bevor es eine offizielle Mitteilung an uns gab.“
Zwei Autoren, die anonym bleiben möchten, hatten für ihre Werke sogar Preise erhalten und trotzdem nur über Amazon erfahren, dass ihr Buch nicht mehr lieferbar ist. Informationen von neuer Verlagsseite zu Verkauf und Rechterückfällen? Hat keiner von ihnen bekommen. Einer der Autoren berichtete sogar, sein neuer Verlag habe ihm nach mehrmaligem Nachfragen mitgeteilt, dass eines seiner Projekte „aus Versehen“ mit aus dem Verkehr gezogen worden sei, weil die Rechte zu einigen anderen über seine Agentur an ihn zurückgefallen seien und da habe man das andere, das eigentlich weiter vertrieben werden sollte, eben auch vom Markt genommen. Zwar kam das Projekt anschließend wieder ins lieferbare Programm, doch hat der neue Verlag zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich was dafür getan. Und so verkauft es sich schlechter als zuvor.
Sitzen AutorInnen wirklich am Ende der Nahrungskette?
Wenn man einen abgeschlossenen Vertrag hat und selbstverständlich damit rechnet, dass dieser vom „alten“ Verlag eingehalten wird - ist es da in Ordnung, erst so spät zu erfahren, dass sich der Vertragspartner ändert? Welche Rechte auf Informationen haben AutorInnen eigentlich in solchen Fällen?
In Paragraf 12 des Normvertrags zu „Änderungen der Eigentums- und Programmstrukturen des Verlags“ steht in Absatz 1: „Der Verlag ist verpflichtet, dem Autor anzuzeigen, wenn sich in seinen Eigentums- oder Beteiligungsverhältnissen eine wesentliche Änderung ergibt.“ Wer dies in seinem Vertrag stehen hat, hat also definitiv das Recht, informiert zu werden. Doch wie sieht es aus, wenn der eigene Vertrag einen solchen Paragrafen nicht enthält? Und steht auch irgendwo geschrieben, wie schnell die Information erfolgen muss? Dazu Professor Dr. jur. Peter Lutz: „Leider lässt sich die Frage nicht durch die Angabe einer bestimmten Frist beantworten. Das Gesetz (§ 34 UrhG) geht von dem Grundsatz aus, dass es der Zustimmung des Urhebers bedarf, um Nutzungsrechte weiter zu übertragen. Ausnahme: Die Weiterübertragung erfolgt im Rahmen einer Gesamt- oder Teilveräußerung eines Unternehmens. Das ist der Fall, wenn eine Rechtsperson fortbesteht, aber alle ihre Urhebernutzungsrechte – oder ein wirtschaftlich sinnvoll abgrenzbarer Teil davon – veräußert werden. Dann steht den betroffenen Urhebern ein Rückrufrecht zu, falls ihnen die Ausübung des Verlagsrechts durch den Erwerber ‚wider Treu und Glauben‘ nicht zuzumuten ist. Gleiches gilt, wenn nicht Rechte übertragen werden, sondern eine wesentliche Beteiligung an einem Unternehmen. Im Gesetz steht nicht, wann der Erwerber oder Veräußerer die Urheber informieren muss, das Gesetz sieht auch keine ausdrückliche Frist vor, innerhalb derer der Urheber seinen Rückruf zu erklären hat. Die Fachliteratur zum Thema sagt, dass der Rückruf innerhalb angemessener Frist nach Kenntnis von der Veräußerung erfolgen muss. - Genannt werden dazu die unterschiedlichsten Fristen, ohne dass ein Gerichtsurteil Klarheit gebracht hätte. Ich meine, dass Autoren sich mit einem Rückruf nicht länger als drei Monate ab Kenntnis Zeit lassen sollten. Wollen die an einer Veräußerung Beteiligten Rechtsklarheit, müssen sie die Autoren also rasch von der Übertragung der Rechte informieren. Laut Urheberrechtsgesetz besteht keine Pflicht des Veräußerers oder des Erwerbers zur Information, sondern nur die Obliegenheit die Urheber im eigenen Interesse zeitnah zu informieren.“
Da ich schon mal dabei war, konnte ich Professor Lutz auch gleich fragen, wessen Pflicht es eigentlich genau ist, den AutorInnen Bescheid zu geben: die der Geschäftsleitung oder die der Mitarbeiter? Seine Antwort: „Rechtlich gibt es dazu keine Vorgaben, da der Autor nur von der Lage wissen muss, um sein Rückrufrecht auszuüben. Woher seine Kenntnis stammt, ist irrelevant; sie muss nicht einmal von Verlagsseite herrühren.“
Kurz gesagt: Verlagsverträge und Urheberrechtsgesetz treffen keine Aussage darüber, wann Verleger Mitarbeiter und AutorInnen über einen Verkauf zu informieren haben. So bleibt es immer auch eine Stilfrage. Verständlich ist, dass die Information erst dann erfolgt, wenn Fakten geschaffen sind, da so ein Deal ja auch im letzten Moment noch platzen kann.
Muss ich Angst haben, dass der neue Verlag meinen Vertrag nicht mehr erfüllt?
Rein juristisch gesehen ändert sich durch den Verkauf eines Verlages zunächst einmal nichts. Denn der neue Eigentümer steigt damit „vollumfänglich“ in die Rechte und Pflichten des bestehenden Vertrags ein. Die einzige Gefahr, die drohen könnte, ist, dass der neue Verlag eine sogenannte „Programmbereinigung“ vornimmt, etwa, um den Lagerbestand und somit Kosten zu reduzieren. Nebenwirkungen laut Packungsbeilage: Werke könnten frühzeitig aus dem Programm genommen werden. Auch in diesem Fall gilt wieder, was im jeweiligen Verlagsvertrag steht.
Professor Lutz meint dazu: „Der Verlag kann das Buch erst aus dem Programm nehmen, wenn er den Verlagsvertrag erfüllt hat; das heißt: Sofern der Verlagsvertrag nichts anderes vorsieht, müssen bis dahin mindestens 1.000 Exemplare hergestellt und vertrieben worden sein. Ob es allerdings sinnvoll ist, den Verlag zum Weiterverkauf zu zwingen, erscheint wirtschaftlich fraglich. Die AutorInnen sollten aber versuchen, die Restbestände besonders günstig vom Verlag zu übernehmen. Damit vermeiden sie, dass ihr Buch durch eine Verramschung das Stigma des Unverkäuflichen trägt und damit von kaum einem anderen Verleger mehr erworben wird.“
Manchmal ist ein Verlagsverkauf ein Segen
Astrid Frank ist seit 1999 Autorin von Kinder- und Jugendbüchern. Von 1999 bis 2000 schrieb sie die Reihe A.N.T.O.N. ermittelt bei Gabriel. Als Thienemann den Verlag 2000 kaufte, erschien die Reihe mit dem neuen Namen L.O.T.T.A. ermittelt bei Thienemann. „Nach dem Anruf von Herrn Weitbrecht (Anmerkung der Redaktion: der damalige Verlagschef von Thienemann), der mir anbot, die Reihe bei Thienemann zu veröffentlichen, war mir schnell klar, dass es eine große Chance ist, von einem kleinen Verlag in einen großen zu rutschen. Thienemann ist ein renommierter Verlag und ich war eine junge Autorin, also habe ich das als glückliche Wendung empfunden.“
Wenn man als AutorIn erfährt, dass der Verlag verkauft wird, heißt es also erst einmal: Ruhe bewahren! Es muss nichts Schlimmes bedeuten. Aufregen kann man sich gegebenenfalls immer noch, wenn mehr Infos vorliegen.
Die Insolvenz – ein spezieller Fall
Manchmal hat man sein Herzensprojekt bei dem passenden Verlag untergebracht. Es ist fast ein bisschen, wie sich zu verlieben. Leider läuft im richtigen Leben nicht alles wie im Disney-Film. Diana Hillebrand ist Autorin und Dozentin. Zahlreiche Kinderbücher und Fachartikel stammen aus ihrer Feder. Die Printausgaben ihrer Ratgeber-Reihe Heute schon geschrieben? sollten ursprünglich bei Weltbild erscheinen. Der Verlag meldete 2014 Insolvenz an. „Ich war natürlich geschockt – und wie! Ich habe das morgens aus dem Radio erfahren.“
Eine Insolvenz ist von anderen Verkäufen zu unterscheiden. Hier übernimmt ab Insolvenzanmeldung der Insolvenzverwalter die Geschäftsführung. Diana Hillebrand: „Bei einer Insolvenz kann man als Autorin gar nichts machen. Alle Zahlungen und Geschäfte laufen über den Insolvenzverwalter, das heißt die Mitarbeiter des Verlags müssen alles von ihm genehmigt bekommen. Bestimmte Dinge wie Löhne, das Bezahlen der Zulieferer et cetera haben Vorrang. Viele Buchprojekte wurden zunächst eingefroren oder aufgegeben. Die Entscheidung obliegt allein dem Insolvenzverwalter, nicht mehr dem Verlag. Ich habe eine supertolle Lektorin gehabt, die bis zum Schluss für mein Buchprojekt gekämpft hat. Ich kann und möchte nichts Böses sagen, dem Verlag waren ja die Hände gebunden.“
Professor Lutz meint: „Ist bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Vertrag von Verlag und Autor nicht vollständig erfüllt, hat der Insolvenzverwalter die Wahl, ob er den Vertrag erfüllt oder nicht. Der Autor kann, muss aber nicht, den Insolvenzverwalter auffordern, eine entsprechende Erklärung abzugeben. Erklärt daraufhin der Insolvenzverwalter nicht unverzüglich, dass er den Vertrag erfüllen will, ist der Vertrag beendet und die Rechte fallen an den Autor zurück. Hinsichtlich der ausstehenden Tantiemen ist der Insolvenzverwalter in jedem Fall verpflichtet, sie bis zum Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzurechnen. Diese Tantieme kann der Autor zur Insolvenztabelle anmelden. Entscheidet der Insolvenzverwalter, den Vertrag zu erfüllen, muss er alle Tantiemen, die ab dem Tag der Eröffnung des Verfahrens entstehen, abrechnen.“
Nachdem die Entscheidung gefallen war, dass Weltbild die Reihe Heute schon geschrieben? nach den ersten vier Bänden nicht fortführen würde, gab es doch noch ein Happy End für Diana Hillebrand: Während dotbooks die E-Books weiter wie geplant publizierte, erschienen die Printausgaben in zwei Sammelbänden im Uschtrin Verlag.
Interview mit Johannes Monse
Beruf: VerlagsleiterDas Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat musste 2016 Insolvenz anmelden. Dieses Unternehmen ist eine offene Handelsgesellschaft (OHG). Bei dieser Rechtsform haften die Gesellschafter unbeschränkt persönlich, also sowohl mit ihrem Geschäfts- als auch ihrem Privatvermögen.
Lieber Hannes, was waren die Gründe dafür, dass ihr Insolvenz anmelden musstet?
Der Selfpublishing-Markt wandelte sich in den letzten Jahren massiv. Immer mehr große Verlage sprangen in das Becken und für relativ kleine Fische wie uns wurde es dann schnell schwer mitzuhalten. Denn unsere neuen Mitbewerber starteten mit ganz anderen Voraussetzungen als wir. Selbst nach 17 Jahren sind wir als familiengeführtes Unternehmen natürlich nicht in der Lage, es mit Holtzbrinck, Libri, Bertelsmann, Amazon oder tolino aufzunehmen. Das war uns frühzeitig klar und wir haben versucht, unsere Zielgruppe zu schärfen und unsere Stärken mehr und mehr als Premiumanbieter auszuspielen. Allen Autoren, denen die Onlineangebote der Mitbewerber nicht ausreichten, wollten wir ein verlässlicher und leistungsstarker Partner sein. Aber so eine Umstellung - weg vom Massengeschäft und hin zu anspruchsvollen Individualleistungen - benötigt nicht nur viel Geld, sondern auch Zeit. Diese Zeit lief uns plötzlich davon, insbesondere, nachdem das VG-Wort-Urteil rechtskräftig wurde und wir eine sechsstellige Summe von der einen Bilanzseite auf die andere schieben mussten. Den Banken, mit denen wir damals zur Finanzierung unserer Umstrukturierung verhandelt haben, war das als Basis dann zu dünn und wir standen ruckzuck ohne Kapital da. Der sich wandelnde Markt entzog uns weiter kontinuierlich Umsätze und auf einmal konnten wir unsere Autoren und Lieferanten nicht mehr bezahlen. Eine äußerst unschöne Erfahrung.
Wann und wie (schriftlich/telefonisch/persönlich) habt Ihr Eure MitarbeiterInnen und AutorInnen über die Situation informiert?
Mitarbeiter schriftlich oder telefonisch unterrichten? Jetzt geht’s aber wohl los! Natürlich waren wir mit unseren Kolleginnen und Kollegen immer im Gespräch. Bei den Autorinnen und Autoren war das natürlich anders. - Wir reden hier von über 2.000 Betroffenen. Mit mehreren Newslettern haben wir sehr ehrlich über die Situation aufgeklärt und die Perspektiven aufgezeigt, tun dies noch und haben im Nachhinein natürlich auch viele persönliche Gespräche geführt. Bis auf wenige Ausnahmen von - verständlicherweise - enttäuschten Autoren, haben wir unglaublich positive Rückmeldungen erhalten, die uns auch viel Kraft gegeben und uns gezeigt haben, dass wir bisher anscheinend ganz gute Arbeit vollbracht haben. Dafür sind wir unseren Autoren extrem dankbar.
Da das Amtsgericht Münster einen Insolvenzverwalter bestellt hat, gestalten sich die Abläufe in eurem Verlagshaus nun sicher anders ...
Richtig, wir dürfen keine Gläubiger aus der Zeit vor der Insolvenzanmeldung befriedigen. Weder Banken, noch Autoren oder Druckereien. Aber für jedes Buch, welches wir jetzt verkaufen, erhalten die Autoren natürlich die ihnen zustehenden Tantiemen.
Problematisch ist das für alle Autoren, bei denen wir es nicht mehr geschafft haben, ihnen die schon fälligen Tantiemen auszuzahlen. Das ist natürlich ein Riesenmist und wir hoffen, dass durch die Insolvenzmasse möglichst viele Schulden beglichen werden. Ansonsten arbeiten wir derzeit recht regulär, müssen lediglich alle anfallenden Ausgaben mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter absprechen.
Wie geht es nun weiter? Und was rätst du deinen AutorInnen?
Wie es weitergeht, ist noch nicht klar. Wir verhandeln mit mehreren potenziellen Investoren, die Interesse zeigen, unser Unternehmen ganz oder teilweise zu übernehmen und fortzuführen. Das ist ein aufreibender Akt, denn natürlich geht es darum, den Autoren eine reibungslos fortlaufende Zusammenarbeit zu gewährleisten und darüber hinaus, die Arbeitsplätze unserer Angestellten zu sichern. Die Gespräche sind bisher verheißungsvoll - aber keiner weiß, wo das Ganze endet. Wir sind übrigens erstaunt, wie viele große renommierte Häuser auf uns zugekommen sind und ein ernsthaftes Interesse an der Übernahme unserer Geschäftsfelder gezeigt haben.
Unsere Autoren beraten wir ganz individuell. Wer lieber zu einem anderen Dienstleister wechseln möchte, dem stehen wir mit Rat und Tat zur Seite. Aber, es ist der Wahnsinn, die meisten wollen gar nicht abwandern, sondern fiebern mit uns um den Fortbestand, verzichten auf ihnen zustehende Tantiemen, bieten sich als stille Gesellschafter an oder warten mit großer loyaler Geduld darauf, mit uns weiterarbeiten zu können. Das erfüllt uns alle mit Stolz.
Die Gespräche mit den Investoren geben in Sachen Weiterarbeit viel Hoffnung und könnten uns am Ende sogar viel besser dastehen lassen als zuvor: Wer weiß - vielleicht ist die Insolvenz am Ende der Punkt, der es überhaupt ermöglicht hat, dass ein Partner an Bord kommt, der uns in Gewässer führt, die wir allein gar nicht hätten ansteuern konnten.
Der Verlag ist weg? Dann mach ich’s selbst!
Es hat etwas Beruhigendes, AutorIn der heutigen Zeit zu sein. Weil man die Wahl hat – auch, wenn der Verlag schließt. Ansgar Fabri ist Hochschullehrbeauftragter für kreatives Schreiben und verfasst unter anderem Thriller. Seine Bücher Hinter den Ginstertrieben und Der Saulus-Effekt erschienen beim Gipfelbuch-Verlag, dessen Verlegerin sich 2013 in den verdienten Ruhestand verabschiedete. Für Fabri kein Problem. „Wenn der Verlag weg ist oder den Titel aus dem Programm nimmt und vertraglich nichts dagegen spricht, halte ich eine verlagsunabhängige Neuedition für eine brauchbare Option. Der Titel ist wieder lieferbar, was ja das wichtigste ist. Man kann dann in Eigenregie auch Dinge ändern oder ausprobieren. Ich habe für jeden Titel ein neues Cover organisiert, das mir sehr gut gefällt. Und man kann gesammelte, positive Pressekommentare unter den Klappentext packen!“
Die Erfahrungen mit dem neuen Verlag
„Alle bei arsEditon haben sich sehr um uns bemüht und das Buch nach allen Kräften unterstützt. Sie haben auch den alten Lektor von Bloomsbury als freien Mitarbeiter alle fünf Bände der Schattenbande (außen)lektorieren lassen. Eine sehr gute Lösung“, meint Frank Maria Reifenberg. Nach dem Verlagsverkauf wurde Die Schattenbande übrigens für den deutsch-französischen Jugendliteraturpreis nominiert und mit dem Leipziger Lesekompass ausgezeichnet.
Gunter Gerlach erzählt hingegen: „Bei einem Treffen versprachen mir die neuen Verleger, wenn sie auf mein nächstes Buch ‚Krimi‘ schreiben dürften (es war keiner), könnte ich mir dafür ein vergriffenes Buch als Neuauflage wünschen. Ich ging darauf ein. Im Folgejahr aber – der Verlag geriet wohl in Schwierigkeiten – haben sie das Versprechen vergessen.“ Für Gerlach war danach klar: „Ich hatte kein Vertrauen mehr.“
Astrid Frank zeigt sich zufrieden. „Die Verlagsstruktur bei Thienemann eröffnete mir mehr Möglichkeiten als bei Gabriel. Der Vertrieb war effektiver, die L.O.T.T.A.-Reihe verkaufte sich besser und die Zusammenarbeit hat bis heute Bestand: Es kamen in den folgenden Jahren also noch sehr viele erfolgreiche andere Titel hinzu.“
Der Verkauf aus Sicht eines Kleinverlags
Manuela Skript ist Buchhändlerin. Bücher waren schon immer ein Teil ihres Lebens, sie liebt das geschriebene Wort. An ihrem 50. Geburtstag beschließt sie, die Buchhandlung zu verlassen und einen eigenen Verlag zu gründen. Das Kapital dazu stammt aus ihrer Lebensversicherung.
15 Jahre später möchte sich Frau Skript in den Ruhestand verabschieden. Sie bereut es nicht, ihren kleinen Verlag gegründet zu haben. Es war zwar viel Arbeit, aber sie konnte einige Perlen entdecken und veröffentlichen. Es waren keine Bestseller, aber gute Bücher, die eine Veröffentlichung verdient hatten. Was macht es da schon, dass sie dabei nicht reich geworden ist?
Nun möchte sie ihren Verlag verkaufen – natürlich zu dem Betrag, den sie selbst investiert hat. Der Besuch des Unternehmensberaters bringt Ernüchterung. Der Käufer des Verlags orientiert sich an Bilanz, Umsatz und Gewinn. Der Verlag ist so nur noch einen Bruchteil von dem wert, was Frau Skript investiert hat.
Wie wichtig wird Frau Skript nun der Frust ihrer AutorInnen sein?
Was sollte man also tun, wenn man munkeln hört, dass der Verlag verkauft wird? Kann man als AutorIn etwas unternehmen?
Professor Lutz: „Nein, erst wenn man weiß, wer der Käufer ist, kann man der Weiterübertragung der Rechte widersprechen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund könnte sein, dass der neue Verleger einen Verlag mit widersprechenden Lebensanschauungen betreibt, also anstelle eines eher linken Verlagsprofils, ein eher rechtes oder anstelle eines christlich geprägten Programms ein eher atheistisches Programm.“
AgentInnen, die Rettung?
Bin ich als Autorin bei einem Verlagsverkauf besser dran, wenn ich einen Agenten habe? Was kann eine Agentur in einem solchen Fall für mich tun?
Gerald Drews, der seit 1985 als freier Literaturagent arbeitet und bereits einige Verlagsverkäufe miterlebt hat, meint: „Als Agent vertrete ich nicht nur einen, sondern mehrere Autoren und erhalte dadurch einen Informationsvorsprung. Außerdem habe ich mir im Laufe der Jahre Kontakt zu vielen weiteren Verlagen aufgebaut. Da habe ich gleich einen Plan B im Kopf, wo ich das Manuskript des Autors noch platzieren könnte. Hinzu kommt, dass ich öfter im Voraus etwas in der Branche aufschnappe. Das heißt, ich könnte einen Autor davor warnen, bei einem bestimmten Verlag einen Vertrag abzuschließen.“
Kommt es dennoch zum Umbruch beim Verlag, kann (und sollte!) der abgeschlossene Vertrag für Sicherheit sorgen. Drews: „Es steht in fast allen Verträgen ein Passus mit den Rechtsnachfolgern drin. Es kann ja auch sein, dass der Autor stirbt. Wenn sein Roman gerade erst auf dem Markt ist, stellt der Verlag den Verkauf nicht ein, sondern verhandelt mit den Erben. Und umgekehrt ist es genauso: Wenn ein Verlag in einem anderen aufgeht, muss der Rechtsnachfolger definiert sein.“
Schon bei den Vertragsverhandlungen sollte man daher darauf achten, dass Paragraf 12 des Normvertrags in den eigenen Vertrag aufgenommen wird. Wie gesagt regelt er Rechte und Pflichten im Falle von „Änderungen der Eigentums- und Programmstrukturen des Verlags“. In Absatz zwei räumt er dem Autor zum Beispiel das von Professor Lutz erwähnte, auch im Urheberrecht verbriefte, Rücktrittsrecht ein, wenn: „sich durch eine wesentliche Veränderung der Eigentumsverhältnisse [...] eine so grundsätzliche Änderung des Verlagsprogramms [...] ergibt, dass dem Autor [...] ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann.“
AutorInnen, die keine Agentur haben, rät Gerald Drews, ihren Lektor anzusprechen: „Er ist die Bezugsperson. Dann muss man prüfen, was der Käufer, also der neue Verlag, mit dem Verlagsprogramm vorhat. Will er die Titel weiterpflegen? Will er mit dem Autor weiterarbeiten? In aller Regel werden sie sich einigen. Auf die eine oder andere Weise.“ Weiter empfiehlt er, „Kollegen anzusprechen, die ebenfalls bei diesem Verlag veröffentlichen. Dann kann man sich zusammentun und einen ‚Klassensprecher‘ finden, der den ‚Vorkontakt‘ aufnimmt und erfragt, wie es weitergehen könnte.“
Tipps von AutorInnen für AutorInnen
Was sollte man als AutorIn also tun, wenn man erfährt, dass der Verlag, mit dem man einen Vertrag geschlossen hat, veräußert wird? „Locker bleiben und die Sache erst einmal auf sich zukommen lassen“, rät Frank Maria Reifenberg. „Normalerweise hat man ja einen Vertrag und der muss von der anderen Seite erfüllt werden.“ Darüber hinaus haben er und seine Kollegin noch eine wichtige Entscheidung getroffen: Sie wollten sich selbst ein Bild von ihrer Situation machen. „Gina Mayer und ich haben andere AutorInnen angerufen, die wir kannten, und gefragt, wie deren Zusammenarbeit mit arsEdition läuft. Es kamen nur gute Rückmeldungen.“
„Ich rate allen Autorinnen und Autoren etwas, das ich seit wenigen Jahren selbst mache“, erklärt Astrid Frank. „Ich schreibe in die Verträge immer hinein, dass die Rechtevergabe an meinen Büchern an Dritte nur in Absprache mit mir erfolgen darf. So habe ich wenigstens ein Mitspracherecht, falls ich unter dem Logo eines neuen Verlags aus irgendwelchen Gründen nicht veröffentlichen will.“
Diana Hillebrand handelt nicht erst, wenn ein Verkauf ansteht. „Der wichtigste Tipp ist vielleicht, nicht nur auf einen Verlag zu vertrauen, sondern wenn möglich mehrere zu haben. Das ist zwar nicht so einfach, aber, vor allem wenn man in verschiedenen Genres schreibt, immerhin machbar. Weil in der Regel nur ein- bis zweimal im Jahr abgerechnet wird, weiß man immer erst danach, wie ein Buch gelaufen ist. Viele Autoren arbeiten deshalb für mehrere Verlage und haben noch dazu einen Brotberuf. Ich gebe Schreibkurse. Es ist besser, auf mehreren Beinen zu stehen, dann ist es nicht so schlimm, wenn eines wegbricht.“
Der Verkauf des Verlags kann beides sein: Himmel oder Hölle. Als AutorIn bewahrt man – im Fall des Falles – am besten Ruhe und schaut erst mal in seinen Vertrag/seine Verträge. Dann gilt es abzuwarten, ob alles vertragskonform läuft. Wenn nicht, ist im nächsten Schritt zu überlegen, was getan werden muss beziehungsweise kann, um die eigenen Interessen zu vertreten. Und dann? Handelt man im Rahmen seiner Möglichkeiten.
Autorin: Jasmin Zipperling | http://jasmin-zipperling.de/
In: Federwelt; Heft 120, Oktober 2016