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Grundwissen Honorare - Teil 1

Federwelt
Ingrid Werner

Grundwissen Honorare
Teil 1: Buchtantiemen verhandeln und die Rechte drum herum

Von Ingrid Werner

Haben wir nicht alle den Traum, von unserer Leidenschaft – dem Schreiben – auch leben zu können? Leider schaffen es die wenigsten von uns. Imre Török, stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS), schätzt, dass es nur etwa zehn Prozent sind. (1) Andere gehen von noch geringeren Zahlen aus. (2)

Anstatt zu lamentieren: Konzentrieren wir uns darauf, wie man das verbessern kann!

Neben dem Schreiben wunderbarer Bücher, die uns aus den Händen gerissen werden, müssen wir lernen, (erfolgreicher) zu verhandeln. Welche Rechte haben wir gegenüber Verlagen? Wo können wir mit unseren Argumenten einhaken? Wer kann uns unterstützen? Damit beschäftigen wir uns in Teil 1.

Teil 2, der voraussichtlich im Dezember erscheint, klärt Fragen wie: Auf welche Weise können wir Lesungen akquirieren? Wie bekommen wir das Honorar, das uns dafür zusteht?

Und zu guter Letzt: In Teil 3 werden wir Anfang 2017 unsere Verhandlungsmuskeln stärken und uns damit auseinandersetzen, warum viele von uns vor Verhandlungen zurückschrecken.

Friedrich Ani, Krimi- und Drehbuchautor, auf unsere Fragen zum Thema Honorarforderungen: „Ich merke, je mehr ich hier schreibe, dass diese Geldfragen zwar irgendwie wichtig sind, aber ein Autor SCHREIBT als Erstes, bevor er seine innere Kavallerie losschickt, um die finanziellen Hochburgen zu erobern.“

Natürlich hat Friedrich Ani recht, und wir behalten diese mahnenden Worte im Hinterkopf. Aber jetzt satteln wir zuerst einmal die Pferde und stürzen uns ins Verhandlungsgetümmel.

Die rechtliche Basis

Nein, nein, nein, nicht gleich weiterblättern. Als ehemalige Juristin weiß ich, rechtliche Abhandlungen können sehr langweilig sein.

Aber es hilft nichts. Wenn wir die rechtlichen Grundlagen nicht kennen, wissen wir auch nicht, wo wir bei den Verhandlungen ansetzen können. Ich verspreche, diese Basics so knapp und verständlich wie möglich zu halten.

Angemessene Vergütung

Jede Autorin, jeder Autor sollte § 32 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) kennen.

§ 32 Angemessene Vergütung

„(1) Der Urheber hat für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung. Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, gilt die angemessene Vergütung als vereinbart. Soweit die vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist, kann der Urheber von seinem Vertragspartner die Einwilligung in die Änderung des Vertrages verlangen [...].

(2) Eine nach einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36) ermittelte Vergütung ist angemessen. Im Übrigen ist die Vergütung angemessen, wenn sie [...] dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist.

(3) Auf eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Urhebers von den Absätzen 1 und 2 abweicht, kann der Vertragspartner sich nicht berufen. Die in Satz 1 bezeichneten Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Der Urheber kann aber unentgeltlich ein einfaches Nutzungsrecht für jedermann einräumen.

(4) Der Urheber hat keinen Anspruch nach Absatz 1 Satz 3, soweit die Vergütung für die Nutzung seiner Werke tarifvertraglich bestimmt ist.“

In: „www.gesetze-im-internet.de/urhg/__32.html“

Dort ist die Regelung der „angemessenen Vergütung“ verankert, die wir für die Einräumung der Nutzungsrechte an unserem Manuskript erhalten.

Was oder wie hoch diese „angemessene Vergütung“ ist, wird im Urheberrechtsgesetz nicht näher bestimmt. Darüber sollten sich Vereinigungen von Urhebern mit Vereinigungen von Werknutzern selbst verständigen.

Gemeinsame Vergütungsregeln

Da der Börsenverein des Deutschen Buchhandels es ablehnte, solche Verhandlungen zu führen, haben neun Verlage (3) „Gemeinsame Vergütungsregeln“ (4) mit dem VS (Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller) vereinbart. Diese gelten seit dem 01.07.2005.

Diese Regeln sind der gesetzlich verbindliche Maßstab dafür, welche Vergütungen als angemessen betrachtet werden. Nach ihnen entscheiden die Gerichte bei Streitigkeiten. Denn für zumindest neun Verlage sind sie angemessen, woraus sich schließen lässt, dass sie für andere Verlage ebenso „üblich und redlich“ sind und somit auch für diese gelten.

Die Regeln beziehen sich auf belletristische Werke, unterscheiden die Verwertungsrechte nach „Hardcover“, „Taschenbuch“ und „Sonderausgabe“ und sagen im Grunde Folgendes: Bezugsgröße für alle Berechnungen ist der Nettoladen(verkaufs)preis. Das ist der um die darin enthaltene Mehrwertsteuer (bei Büchern 7 Prozent) verminderte Ladenverkaufspreis. Kostet ein Buch im Handel 10 Euro, beträgt der Nettoladen(verkaufs)preis 9,35 Euro. Von diesen 9,35 Euro erhält der Autor seine prozentuale Beteiligung.

Wer den Nettoladen(verkaufs)preis eines Buches schnell errechnen will, teilt den Bruttoladen(verkaufs)preis durch 1,07.

Für Hardcover-Ausgaben wird normalerweise ein Tantiemen-Richtwert von 10 Prozent des Nettoladen(verkaufs)preises angesetzt und zwar für „jedes verkaufte, bezahlte und nicht remittierte“ (zurückgegebene) Exemplar. Bei Kinderbüchern teilen Autorinnen und Illustratoren sich die 10 Prozent.

Der Verlag kann von diesem Richtwert nach unten abweichen, wenn besondere Gründe vorliegen. Zwar sagen die Regeln, dass dies bei einem Debüt der Fall sein kann, dennoch raten Experten Debütantinnen dazu, davon unbeeindruckt 10 Prozent zu verlangen.

In außergewöhnlichen Ausnahmefällen kann sogar eine Vergütung unter 8 Prozent als angemessen bewertet werden. Zum Beispiel, wenn Werbungs- oder Herstellungskosten für ein Buch besonders hoch sind.

Andererseits gilt: Wird ein großer Verkaufserfolg erwartet, wird die „Ausgangsvergütung“ (= die prozentuale Beteiligung an jedem verkauften Buch) nach Absatzmengen gestaffelt angehoben.

Beim Taschenbuch wird gleich mit einer Vergütungsstaffel gearbeitet. Die „Normstaffel“ beginnt bei 5 Prozent für bis zu 20.000 verkaufte Exemplare und endet bei 8 Prozent ab 100.000 Stück, die über die Ladentheken gewandert sind. (Mehr dazu später.)

In der Regel erhält der Autor einen Vorschuss auf seine Honoraransprüche. (Ausnahmen gelten hier für kleine und mittlere Verlage, sofern „die Umstände es rechtfertigen“.) Die Höhe des Vorschusses ist in den „Vergütungsregelungen“ allerdings nicht bestimmt.

Die Honorarabrechnung erfolgt jährlich zum 31. Dezember und der Betrag muss innerhalb der darauf folgenden drei Monate ausgezahlt werden.

Dazu Robert Corvus, Fantasy- und Science-Fiction-Autor: „Bei den meisten Großverlagen, die mir bekannt sind, erfolgt die Abrechnung zweimal jährlich, in der Regel zum 31. Dezember und zum 30. Juni.“

Der Normvertrag zum Abschluss von Verlagsverträgen

Außerdem gibt es den „Normvertrag zum Abschluss von Verlagsverträgen“, der zwischen dem VS und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels ausgehandelt wurde. Die neueste Fassung stammt vom 6.02.2014.

Dieser Mustervertrag gießt in § 4 – im Punkt „Honorar“ – die genannten Regelungen in juristische Formulierungen, die alle Eventualitäten abdecken und Rechtsstreitigkeiten vermeiden sollen. Rechtsanwalt Tobias Kiwitt hat ihn im „Handbuch für Autorinnen und Autoren“ (5) sehr ausführlich und verständlich kommentiert.

Verhandeln!

Müssen wir da überhaupt verhandeln?

Oder herrscht dank der Regelungen eitel Sonnenschein hinsichtlich der Vertragsbedingungen zwischen Autoren und den Verlagen?

Leider nein.

Der Normvertrag gilt, anders als die „Gemeinsamen Vergütungsregeln“, nicht automatisch als verbindlicher Maßstab. Denn hier bildet kein Gesetz den Hintergrund. Die Folge: Obwohl der Börsenverein des Deutschen Buchhandels seinen Mitgliedern empfiehlt, den Normvertrag anzuwenden, versuchen fast alle Verlage, erst einmal einen eigenen – meist schlechteren – Vertragstext anzubieten. Also sollte man immer jeden einzelnen Paragraphen eines Vertragsangebotes mit dem Normvertrag vergleichen – Satz für Satz, Wort für Wort! – und notfalls eine Änderung durchsetzen.

Der VS veröffentlichte im April 2013 eine Umfrage, an der sich 1.200 Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligt haben. Im Ergebnis sind 33 Prozent „unzufrieden mit ihrem Verlag“ und haben „Schwierigkeiten mit den Vertragsbedingungen“. Stattliche 17 Prozent bekunden sogar „sehr große Unzufriedenheit“. Auch sehr interessant: 59 Prozent der Befragten erhalten weniger als 10 Prozent Tantiemen. Etwa jedeR Dritte bekommt genau 10 Prozent. Wenig mehr als 10 Prozent der Autorinnen und Autoren „bewegen sich [tantiemenmäßig] noch im Bereich von 8 Prozent, doch keiner [...] erhält mehr als 12 Prozent [...] für die Nutzung des Hauptrechts“. (6)

Haben wir überhaupt die Position, um zu verhandeln?

„Grundsätzlich verhandelt der Verlag in seinem eigenen Interesse“, sagt Agent Peter S. Fritz (www.fritzagency.com). „Gleichzeitig ist ein Autor fast immer austauschbar und somit in einer schwachen Stellung.“

Auch manche Autoren raten eher zur Bescheidenheit, vor allem am Anfang: „Eine Erstveröffentlichung hat als solche schon einen Wert, weil sie mir weitere Türen öffnet“, so Robert Corvus. „Da ist nicht so entscheidend, wie viel ich mit diesem einen Buch verdiene. Oder es könnte ein Herzensbuch sein, das ich unbedingt veröffentlicht sehen will. Oder ... oder ... oder ... Die Bezahlung ist ein wichtiger Aspekt. Der einzige ist sie nicht.“

Stefan Wendel (www.autorenberatung.net) sieht das erst einmal ähnlich. „Die Verhandlungsposition wird auch durch eine psychologische Komponente bestimmt. Wie hoch ist das Selbstwertgefühl, wenn man auf die 2.000 Euro Vorschuss dringend angewiesen ist? Wie abhängig fühlt man sich?“

Aber er sagt auch: „Never accept a first offer!“ und „Es ist wie auf einem Bazar. Verlage sind das Verhandeln gewohnt. Es gibt nur sehr wenige Verlage, die nicht handeln.“

Mara Laue, die vom Schreiben lebt, erklärt: „Wenn der Verlag mich mit den teilweise für mich als Autorin nachteiligen (oder subjektiv so empfundenen) Standardkonditionen abspeisen will oder zu wenig Tantiemen und/oder Autorenrabatt zu zahlen bereit ist, trete ich in Verhandlungen ein. [...] Mein Verhandlungsvorteil ist, dass ich keine Anfängerin mehr bin und außerdem mit mehreren Verlagen (mehrfach) zusammenarbeite. Wenn einer sich querstellt, sich unbedingt alle Rechte einverleiben oder mir noch geringere Hungertantiemen zahlen will als die durchschnittlichen sieben bis zehn Prozent, verweise ich darauf, dass ich nicht darauf angewiesen bin, bei diesem Verlag den Vertrag abzuschließen, sondern mein Werk einem anderen anbieten kann und werde, der mir bessere Konditionen bietet. Bisher hatte ich nur ein einziges Mal den Fall, dass ein Verlag auf stur schaltete und dann darauf verzichtete, das Werk zu veröffentlichen. Ich habe es später erfolgreich bei einem anderen Verlag zu meinen Bedingungen untergebracht.“

„Es ist ein Spiel. Wie Tennis“, meint Nina George und rät, auf alle Fälle zu verhandeln. „Es ist eine Wette auf zukünftigen Erfolg und hat nichts mit dem eigenen Wert zu tun. Je mehr du verlangst, desto mehr kriegst du. Verlage brauchen Autoren, auf die sie sich verlassen können. Davon gibt es nicht so viele.“

Dass es immer – auch zu Anfang einer Karriere – lohnt, zu verhandeln und „schlechten“ Passagen zu widersprechen, davon ist der Autor Goetz Buchholz überzeugt. Von seinem ersten Vertrag für ein Buch berichtet er: „Da stand so viel Mist drin, überflüssiges Zeug, das man gar nicht brauchte. Zum Beispiel sollte ich dem Verlag das ‚Recht auf Übertragung des Werkes in Mundarten‘ – für ein Sachbuch – einräumen! Und dann habe ich lange gerätselt, ob ich verlangen soll, dass diese Passagen aus dem Vertrag gestrichen werden, und fürchtete auch, meine Verhandlungspartner damit zu verärgern. Tatsächlich aber hatte der Mensch im Verlag einfach den Mustervertrag aus dem Computer übernommen, meinen Namen und den Titel meines geplanten Buches eingefügt, und fertig war der ‚Vertragsentwurf‘. Er fand es überhaupt ‚kein Problem‘, diese Passagen herauszunehmen, und am Ende hatte ich einen vernünftigen Vertrag und beim Verlag ein ziemlich gutes Standing als professioneller Autor.“

Was ist verhandelbar?

Eigentlich alles. Darin sind sich alle von mir befragten Expertinnen und Experten einig. „Es gibt viele Möglichkeiten, an Schräubchen zu drehen“, so Stefan Wendel. „Machen Sie sich schlau. Besuchen Sie Fortbildungsseminare, in denen Vertragsrecht aufbereitet wird. Das gehört zum Handwerkszeug eines professionellen Autors und ist eine Investition in die Zukunft.“

Nina George empfiehlt, den zugesandten Vertrag immer als Entwurf zu sehen. Die Autorin oder der Autor kann dann Änderungswünsche per E-Mail zurückschicken.

„Verlangen Sie den Vertragsentwurf vorab als PDF“, rät Stefan Wendel. So signalisiere man dem Verlag gleich zu Beginn, dass man die Vertragsklauseln nicht als in Stein gemeißelt ansieht.

Und dann? Legen Sie den Normvertrag neben den Vertrag(sentwurf), vergleichen diese Wort für Wort und schreiben auf, was Sie geändert haben möchten. Denn letztlich gilt, was Sie unterschreiben.

1. Das Honorar

„Vorsicht ist bei den Bemessungskriterien für die Absatzbeteiligung geboten“, schreibt Tobias Kiwitt im „Handbuch für Autorinnen und Autoren“.

Warum? – Sollte der Verlag als Grundlage für die Berechnung des Honorars nicht den Nettoladen(verkaufs)preis vereinbaren wollen, sondern den Nettoverlags(abgabe)preis, steht die Autorin/der Autor um ein Vielfaches schlechter da. Denn beim Letztgenannten wird der Ladenpreis nicht nur um die Umsatzsteuer vermindert, sondern auch noch um die Buchhandelsrabatte von bis zu 50 Prozent!

Verhandlungstipps zum Honorar

Tipp 1: Der Verlag bietet euch 5 Prozent für das Taschenbuch, ihr möchtet 6.

Der Rat von Stefan Wendel: „Sie sagen, 5 Prozent sind für die erste Auflage okay, aber ab der zweiten gibt es 6. Das ist nachhaltiges Vertragsverhandeln. Darauf lässt sich der Verlag auch eher ein, da er dann schon seine 3000 oder 5000 Stück verkauft hat und sieht: Das Buch läuft.“

Ein Argument dafür, gleich von Anfang an mehr zu verlangen, kommt von Nina George: „Der Verlag muss für Auslandslizenzen beim Debüt oder wenn er ein Werk aus dem Ausland kauft, höhere Kosten einkalkulieren, also 6 Prozent, da der Übersetzer 1 Prozent bekommt. Da ist es bei deutschen Taschenbüchern nicht einzusehen, warum man dem Autor nicht die vollen 6 Prozent geben soll. Man spart sich ja den Übersetzer.“

Tipp 2: Nach den „Vergütungsregelungen“ gibt es bei Taschenbüchern diese Honorar-Staffelung:

5 Prozent bis 20.000 Exemplare

6 Prozent ab 20.000 Exemplare

7 Prozent ab 40.000 Exemplare

8 Prozent ab 100.000 Exemplare.

So oder so ähnlich stehen die Staffelungen in eurem Vertrag. Hier könnt ihr jetzt ansetzen. Zum Beispiel könnt ihr fordern, dass der Sprung zu sechs Prozent schon bei 5.000 oder 10.000 verkauften Büchern erfolgt.

Nina George konnte nach ihrem Erfolg mit dem Roman „Das Lavendelzimmer“ die Staffelung sogar rückwirkend verbessern. (Dank § 32 a UrhG, dem sogenannten Bestsellerparagraphen, und ihren Agentinnen.)

2. Vorschuss

„Der Vorschuss ist ein Indiz dafür, wie der Verlag Ihr Buch einschätzt“, erklärt Stefan Wendel und rät zu einem Rechenspiel, „das gegebenenfalls das Selbstbewusstsein erhöht, weil man dann weiß, bis zu welcher Summe Luft für Vertragsverhandlungen besteht“.

„Jeder Autor hat das Recht abzufragen, wie hoch die geplante (7) erste Auflage (mit der alle Verlage kalkulieren) und der Ladenpreis für sein Buch sind beziehungsweise sein werden. Seine Prozente weiß man, kann sich daraus das Stückhonorar errechnen, mit der ersten Auflage multiplizieren und erhält das Honoraraufkommen für die erste Auflage. Sagen wir mal: 5.000 Euro. Wenn der Verlag Ihnen 3.000 Euro anbietet, wissen Sie, dass noch Luft für 2.000 Euro mehr ist.“

Und diese Luft sollte dünner werden. „Denn“, so Wendel, „was man hat, das hat man.“

Diese Aussage unterstützt Robert Corvus: „Je mehr der Verlag ausgegeben hat, desto stärker wird er sich bemühen, das Geld auch wieder reinzuholen, sprich: das Buch entsprechend bewerben. Allerdings ist dann auch die Fallhöhe größer. – Wenn es ein kapitaler Flop wird, war es das letzte Buch bei diesem Verlag.“

Selbst wenn der Normvertrag das nicht vorsieht: Für Autorinnen und Autoren ist es am besten, wenn Auflage und Ladenpreis im Verlagsvertrag festgeschrieben sind. (Bei Großverlagen mag es unrealistisch sein, das durchzusetzen, wegen des Zusammenhangs von tatsächlicher Auflage und Vorbestellungen. Einen Versuch ist es dennoch wert.)

Laut Nina George ist in großen Publikumsverlagen für Midlist-Autorinnen und Autoren bei 25.000 Euro Vorschuss das Maximum erreicht. Wobei man zwischen Männern und Frauen unterscheiden müsse: Autoren erhalten auch schon mal 30.000 Euro.

„Die Vorschusshöhe hängt im Wesentlichen nicht vom Geschlecht ab, sondern davon, wie sehr der Verlag das Buch will und ob er weiß, dass andere Verlage es auch wollen“, hält Robert Corvus dagegen. „Ideal für den Autor ist eine Versteigerung der Rechte, bei der drei oder mehr Verlage mitbieten.“

Die maximale Vorschusshöhe kleiner Verlage liegt zwischen 1.500 und 2.000 Euro.

In seinem Kommentar zum Normvertrag rät Tobias Kiwitt, „den Vorschuss als Mindesthonorar zu vereinbaren, sodass Sie im schlimmsten Fall nichts zurückzahlen müssen. Achten Sie also auf den Terminus ‚nicht rückzahlbaren Vorschuss‘ [...].“ (8) – Im Grunde müssen wir also auch in Sachen Vorschuss nur darauf achten, dass der eigene Vertrag sich mit dem Normvertrag deckt. Denn dieser definiert ihn als einen „nicht rückzahlbaren, mit allen Ansprüchen des Autors aus diesem Vertrag verrechenbaren“ Betrag.

Friedrich Ani meint dazu: „Die Höhe des Vorschusses kann nicht das Kriterium [für den Vertragsabschluss, Anmerkung der Redaktion] sein. Wenn das Buch nicht funktioniert, sich nicht verkauft, verrissen wird oder der Verlag dann doch zu wenig in Marketing oder Pressearbeit investiert, nutzt der ganze Papierkram nichts.“ Weiter führt er aus: „Vor einigen Jahren wurden eine Handvoll sehr junger Autoren sehr gut bezahlt, weil bestimmte Agenturen toll verhandelt hatten, aber aus den meisten dieser Debütanten ist ‚nichts‘ geworden, sie schreiben zwar vielleicht noch, aber vielfach außerhalb der Liebe eines Publikums.“

Auch das sollten wir bei aller (neu entdeckten) Liebe zum Verhandeln nicht vergessen. Aber nun sehen wir uns weitere verhandelbare Bereiche an.

3. Laufzeit

Das ist ein Punkt, der immens wichtig ist. Normalerweise gilt der Verlagsvertrag bis zum Ende des gesetzlichen Urheberrechts, also bis 70 Jahre nach dem Tod der Autorin oder des Autors.

Deshalb ist es notwendig, nachhaltige Verträge zu schließen. „Über einen schlechten Vertrag können sich noch die Erben ärgern“, weiß Stefan Wendel. Als Autorin, als Autor sollte man von mehreren Auflagen ausgehen. Und bei der Länge der Laufzeit dringend einen Schnitt ansetzen.

„Wichtig ist eine zeitliche Begrenzung mit einer Vertragslaufzeit“, bestätigt Agent Peter S. Fritz.

Nina George rät zu einer Befristung von acht bis längstens 20 Jahren und begründet dies so: „Die hohe Kunst der Backlist-Titelpflege beherrschen die wenigsten Verlage. Es ist nicht einzusehen, dass ein Buch bis zu 70 Jahre nach Tod an einen Verlag gebunden ist, dieser sich aber nicht mehr für die Verbreitung einsetzt. Besonders bei angefangenen Serien muss es möglich sein, diese leichter aus einem unbefriedigenden Autoren/Verlagsverhältnis zu lösen.

Und: Eine Befristung ist auch stets ein Verhandlungshebel; eine Leistung bis 70 Jahre nach Tod nur einem Nutzungsberechtigten exklusiv zur Verfügung zu stellen, hat heute mit den zahlreichen digitalen Publikationsmöglichkeiten keinerlei Vorteile für Autorinnen und Autoren, aber alle für den Verlag. Hier muss Balance – mit gegenseitigem Wohlverhalten – hergestellt werden.“

Stefan Wendel würde sogar nur bis zu maximal zehn Jahren befristen. Man könne ja eine Option auf Verlängerung einbauen. Er ist der Ansicht, dass sich nach Ablauf der Frist zwei Möglichkeiten ergeben: „a) Sie verlängern den Vertrag mit dem Verlag, aber zu für Sie günstigeren Konditionen. b) Sie können den Verlag auch wechseln, falls Ihnen ein anderer deutlich bessere Konditionen einräumt. Im Falle einer Nicht-Befristung sind die Konditionen für die gesamte Vertragslaufzeit festgeschrieben und Sie haben im Normalfall nicht die Gelegenheit, mehr Honorar für ein Buch zu fordern, das sich mittlerweile zu einem Longseller entwickelt hat.“

Dem fügt Robert Corvus hinzu: „Und es sollte immer eine Klausel rein, dass die Rechte an den Autor zurückfallen, wenn das Werk für eine bestimmte Zeit nicht mehr lieferbar ist. Das ist zwar Gesetz (§ 41 UrhG), aber wenn es im Vertrag steht, spart das Ärger.“

4. Sonstige Verhandlungsmöglichkeiten

Es gibt noch viele weitere Vertragsbestandteile, über die wir verhandeln können. Wir könnten fordern, dass eine Taschenbuchausgabe erst erscheinen darf, wenn der Verkauf der Hardcover-Ausgabe sehr stark zurückgegangen ist. Oder wir halten uns Nebenrechte zurück. „Bei den Nebenrechten behalte ich immer die Film-, Theater- und Hörspielrechte“, sagen Friedrich Ani und Mara Laue. Das macht für sie Sinn, da sie auch Drehbücher schreiben. „Für meine Drehbuch-Arbeiten habe ich allerdings seit fast 25 Jahren eine Agentin, weil die Verträge in diesem Bereich wesentlich verzwickter sind“, erzählt Friedrich Ani.

Auch Stefan Wendel rät dazu, sich nur in Begleitung von Anwälten in die Filmbranche zu wagen. Deshalb würde er dem Durchschnittsautor raten, die Filmrechte beim Verlag zu lassen. „Die haben eine Rechtsabteilung und kennen sich besser aus.“ Aber an den Prozentzahlen für die Nebenrechte ließe sich drehen. Wenn 50 zu 50 festgeschrieben sind, könnte man 60 zu 40 verlangen. Dank der Arbeit von Agenten sei das eigentlich auch meist Usus.

Tobias Kiwitt empfiehlt: „Besprechen Sie mit dem Verlag die Werbemaßnahmen. Sichern Sie sich ein Mitspracherecht [...]!“ (9)

Und in „Traumziel Buch und wie Sie es erreichen“ schreiben Wolfgang Ehrhardt Heinold und seine Mitautoren: „Wir möchten Ihnen ausdrücklich Mut dazu machen, mit Ihrem Verlag ebenso intensiv wie über Ihr Manuskript über das zu sprechen, was Ihr Buch ins Laufen oder Springen bringen kann.“ Ihr dringender Rat lautet, die Marketingaktivitäten verbindlich in einer Zusatzvereinbarung zum Verlagsvertrag festzulegen. Wobei sie mahnen, die im Buch enthaltenen Mustervereinbarungen (10) über die speziellen Leistungen „nicht als Forderungskatalog“ zu sehen, „sondern als eine Zusammenstellung möglicher Marketingaktivitäten. Sie gründlich miteinander durchzuarbeiten, lohnt sich für beide Parteien – für Sie und für Ihren Verlag. Denn schließlich geht es bei alledem darum, Ihrem Buch im Rennen um die vorderen Verkaufsplätze eine möglichst optimale Startposition zu sichern.“

Das wird vielleicht nicht gleich beim ersten Buch funktionieren. Es ist aber für etablierte Autorinnen und Autoren von großer Wichtigkeit, ob ihr neues Buch als Spitzentitel oder Lektoratsempfehlung gehandelt wird und wo oder mit wie vielen Seiten sie in der Vorschau platziert sind.

Wichtig zu wissen: Die Beteiligung an den Erlösen aus der Nebenrechtsverwertung kann für erfolgreiche Autorinnen und Autoren ein sehr wichtiger Honorarbestandteil sein!

Auf die Möglichkeiten der Verhandlungen bei E-Books, Lizenzen und Merchandisingrechten geht die Federwelt 2017 ein – im Rahmen eines gesonderten Artikels. Mein Tipp vorab: In den Kommentaren zum Normvertrag im „Handbuch für Autorinnen und Autoren“ finden sich dazu viele nützliche Hinweise. (11)

Hilfestellung

Und wenn man sich auch nach diesem Input nicht zutraut, mit dem Verlag zu verhandeln? Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine: Man engagiert eine Agentur. Dazu Peter S. Fritz: „Etwas besser stehen die Autoren da, die sich durch Agenten vertreten lassen, denn die Verlage müssen immer wieder mit diesen Agenten verhandeln. Ein guter Agent hat Erfahrung und weiß, welche Bedingungen ein Verlag gewähren kann und welche nicht. Es kann durchaus vorkommen, dass ein Agent auch einen Autor mit unrealistischen Vorstellungen beraten muss. – Gleichzeitig liest ein guter Agent auch Honorarabrechnungen und kennt die Leistungsfähigkeit von Verlagen.“

Nina George meint: „Man sollte sich eine Agentur suchen, die knallhart verhandeln kann. Denn die kreativ arbeitenden Agenturen, die mit der Autorin oder dem Autor wunderbar am Plot feilen, sind meist selbst nicht so gut im Verhandeln. Und die Agentur sollte auf ‚meiner Seite sein‘. Das heißt, nicht nach dem Markt schielen und der Autorin oder dem Autor diktieren, was sie oder er schreiben soll, sondern sie sollte sagen: ‚Schreib, was du willst, wir verkaufen das!‘“

Neben der Suche nach einer Agentur kann man sich an einen Autorenberater wie Stefan Wendel wenden (http://wasmitbuechern.de/2012/10/30/stefan-wendel-als-autorenberater-ube...). Er kann zum Beispiel zusammen mit dem Autor den Vertrag auf Verbesserungsmöglichkeiten durcharbeiten und der Autorin Argumente für die Verhandlung an die Hand geben. – Argumente stützen das Selbstbewusstsein. – Oder Wendel verhandelt im Namen der Autorin oder des Autors selbst mit dem Verlag.

Was sollten Frauen beachten?

Nina George weiß, dass Frauen oft von vornherein ein geringerer Vorschuss angeboten wird als Männern. Sie genieren sich häufig, mehr zu verlangen. Haben Angst davor, als zickig verschrien zu werden, wenn sie auf ihren Forderungen beharren.

Aber sie meint, das sei eine selbstgemachte Angst. Es gäbe kein „Blacklisting aufgrund von Zickigkeit“. Es gehe beim Verhandeln ums Geschäft, nicht um den persönlichen Umgang. Es gehe um den (behaupteten) Wert des Buches, nicht um den Wert der Autorin. Frauen müssten sich davon lösen, das in Frage zu stellen.

Janet Clark, Präsidentin der Mörderischen Schwestern e.V., der Vereinigung zur Förderung der von Frauen verfassten deutschsprachigen Kriminalliteratur, sagt, dass Frauen nicht nur weniger verdienen, auch „Buchpreise, Filmpreise (in genderneutralen Kategorien) et cetera“ seien „alle männlich dominiert. Und die Krimi-Bestenliste der ZEIT zeigt uns Monat für Monat, dass ein Krimi zu 80–90 Prozent aus männlicher Hand stammen muss, um dort gelistet zu werden. – All das beeinflusst eine Frau, wenn sie in eine Verhandlung geht, denn all das spiegelt ihr tagtäglich, dass sie als Frau in der Arbeitswelt eine geringere Wertschätzung erfährt.“

Aber davon solle sich eine Autorin nicht beeinflussen lassen. Stattdessen sollte sie „sich die Fakten reinziehen. Frauen schreiben mehr Paperback-Bestseller. Frauen haben bessere Schul- und Uniabschlüsse. Frauen wuppen Job und Familie. Frauen sind flexibler. Das Bild der Frauen in der Gesellschaft ist ein künstlich erzeugtes und entspricht nicht ihrem wahren Leistungspotenzial.

Bevor eine Frau in eine Verhandlung geht, sollte sie sich den Wert ihrer Leistung und ihren ganz besonderen Unique Selling Point, ihr Alleinstellungsmerkmal, vor Augen führen und dann so verhandeln, als tue sie es nicht für sich, sondern für eine Person, die ihr nahesteht und ihres Schutzes bedarf. Sie sollte sich fragen: Warum bin gerade ich wichtig für diesen Verlag?“

Sich in Netzwerken wie den Mörderischen Schwestern zu verbinden, helfe dabei „indirekt, indem es die von Frauen verfasste, deutschsprachige Literatur als solche fördert und damit auch ihren Marktwert steigert. Außerdem durch die vertraulichen Tipps, die innerhalb des Netzwerkes weitergereicht werden.“

Natürlich können sowohl Männer als auch Frauen Nutzen aus Netzwerken ziehen.

Fazit: Die Höhe eines Honorars kann von Verlagen keineswegs beliebig festgelegt werden. Wir dürfen nicht nur, wir müssen sogar verhandeln. Wir haben das Recht auf eine angemessene Bezahlung. Wir sollten wissen, was wir verhandeln können. Wenn wir dabei Hilfe brauchen, holen wir sie uns.

Autorin: Ingrid Werner
In: Federwelt, Heft 118, Juni 2016
Fotos: Carola Vogt und Peter Boerboom | http://www.boerboom-vogt.de/
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Anmerkungen:

(1) www.n24.de/n24/Wissen/Job-Karriere/d/1355538/hauptberuf--schriftsteller.html

(2) Robert Corvus, der Fantasy und Science-Fiction schreibt, glaubt, dass es deutlich weniger sind, und zitiert eine Aussage von Heinrich Bleicher-Nagelsmann, Bereichsleiter Kunst und Kultur bei verdi, aus der TAZ 2011: „In Deutschland können vielleicht 100 bis 200 Schriftsteller allein vom Schreiben leben.“

(3) Die neun Verlage: Berlin Verlag, FISCHER, Carl Hanser, Antje Kunstmann, Bastei Lübbe, Piper, Random House, Rowohlt und Seemann Henschel

(4) Die „Gemeinsamen Vergütungsregeln“ finden Sie hier: https://vs.verdi.de/++file++519f41526f68445ebf0001f6/download/Vertrag_Belletristik.pdf

(5) Kiwitt, Tobias: Der neue Normvertrag für den Abschluss von Verlagsverträgen. Kommentare und Tipps aus der Praxis. In: Handbuch für Autorinnen und Autoren. Hrsg. von Sandra Uschtrin und Heribert Hinrichs, 8., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage 2015, Uschtrin Verlag, S. 596–638.

(6) http://vs.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++dd95f228-b3f2-11e2-8def-52540059119e

(7) Anmerkung der Redaktion: Die konkrete Startauflage wird im Verlag meist erst ein paar Wochen vor Auslieferung festgelegt, anhand der bis dahin eingegangenen Vorbestellungen aus dem Buchhandel. Für den Abschluss des Verlagsvertrags wird zunächst immer mit der geplanten Auflage kalkuliert.

(8) Kiwitt, Tobias, siehe oben, S. 616

(9) Kiwitt, Tobias, siehe oben, S. 611

(10) Heinold, Wolfgang Ehrhardt; Bock, Martin Julius; Lutz, Peter: Traumziel Buch und wie Sie es erreichen, 1. Auflage 2012, Uschtrin Verlag, Zitat: S. 252, Mustervereinbarungen: S. 252–263.

(11) Siehe Anmerkung 5