
Die ansprechende Kurzvita: ein Autorenleben in 500 Zeichen?
Fragt man Kolleginnen und Kollegen, herrscht weitgehend Einigkeit darüber, was zu den Autoren-Basics gehört. – Autoren-Basics so nenne ich die (werbetechnische) Grundausstattung für alle, die Bücher und Geschichten schreiben. – Immer genannt werden Visitenkarten, Webseite, Cover des aktuellen Buches als Bilddatei, ein Autorenfoto und natürlich die Kurzvita.
Die Vita ist aus meiner Sicht besonders wichtig, weil sie auch Bestandteil eines Exposés ist.
Vorbei ist es mit der Einigkeit, wenn man nach festen Regeln für eine Kurzvita sucht. Versuchen Sie es mal ... im Brustton der Überzeugung werden im Internet die verschiedensten Vorgaben aufgeführt, zum Beispiel zum Umfang:
- nicht länger als eine Seite.
- Name, Geburtsdatum, Wohnort, Beruf und dann die Postanschrift angeben – fertig.
- fünf Zeilen, aus denen auch hervorgeht, warum man gerne schreibt.
- nicht länger als 500 Zeichen und gern mit Bezug zum Thema der Geschichte.
Alles gut gemeinte Ratschläge. Aber auf eine Seite passen nun mal mehr als nur 500 Zeichen ... also wie jetzt? Was hat die Anschrift in der Vita zu suchen? Und wie soll ich mich mit nur fünf Zeilen als Persönlichkeit vorstellen, aber auch meine Vorkenntnisse beschreiben? Treten wir einen Schritt zurück und stellen eine ganz andere Frage: Warum ist eine Kurzvita überhaupt nötig?
Gute Gründe für die Kurzvita
Ein Verlag möchte natürlich wissen, wer hinter dem eingereichten Exposé und der Leseprobe steckt, möchte die Autorin, den Autor ein wenig kennenlernen und schätzt dabei auch ihr oder sein Vermarktungspotenzial ein. Der Literaturagentur, die ein neues Buchprojekt auf den Tisch bekommt, geht es ebenso. Die LeserInnen eines Buches interessiert, wer es geschrieben hat, und zu jeder guten Rezension gehört auch ein kurzer Einblick in die Schriftstellervita. Die Vita hilft Ihnen dabei, sich und ihr Buch zu präsentieren. Sie haben ein spannendes, lebendiges, interessantes Buch geschrieben – wenn es Ihnen nun gelingt, sich auf den Punkt so authentisch wie interessant und sympathisch vorzustellen, steigen Ihre Chancen, dass man mit Ihnen zusammenarbeiten oder etwas von Ihnen lesen will.
Stellen LeserInnen, AgentInnen, LektorInnen ... unterschiedliche Ansprüche an eine Kurzvita? – Die gute Nachricht: Es ist nicht nötig, die eierlegende Wollmilchsau unter den Kurzviten zu entwerfen. Mein Tipp: Erstellen Sie Module. Sozusagen einen Vita-Baukasten. Denn eines ist auch klar, die Halbwertzeit einer Vita beträgt – meiner Erfahrung nach – maximal ein Jahr. „Wieso das denn?“, fragen Sie sich jetzt vielleicht. Sie wollen doch gar nicht umziehen. Ihren Brotberuf an den Nagel hängen, sich scheiden lassen und die Kinder aus dem Haus jagen ... So habe ich das auch gar nicht gemeint. Aber ein Autorenleben ist ständig im Fluss, neue Geschichten verlangen andere Bezüge oder Hintergrundinformationen und auch da hilft der bausteinartige Aufbau.
Welche Angaben sind ein Muss in der Kurzvita?
Ganz wichtig: Eine Kurzvita ist kein Lebenslauf, in dem die Fakten Ihres bisherigen Daseins lückenlos aufgeführt sein müssen.
Für Claudia Senghaas, Leiterin der Programmabteilung und des Lektorats beim Gmeiner-Verlag, sollten der Name, das Geburtsjahr oder das Alter, der Wohnort und eventuell Beruf und Familienstand aufgeführt werden. „Bis auf den Namen sind solche Angaben aber freiwillig“, betont sie. Lieber noch liest sie Angaben, „die auch die Leser interessieren könnten“. Zum Beispiel bisherige Veröffentlichungen, Auszeichnungen, Nominierungen oder ein herausragendes Projekt, das der Autor/die Autorin geleitet oder mitgetragen hat.
Ganz ähnlich sieht das Stefanie Rahnfeld, Lektorin im Emons Verlag. Zu den harten Fakten gehört für sie auch, ob die Autoren in der Region, über die sie schreiben, verwurzelt sind. Der erlernte oder ausgeübte Beruf ist für sie weniger wichtig, es sei denn, „er hat für das Schreiben eine Bedeutung“. Wer über Kenntnisse verfügt, die für das Schreiben thematisch wichtig sind, könne diese Angaben ebenfalls in der Vita erwähnen. Originelle Lesungen würden immer wichtiger – Fähigkeiten, die sich publikumswirksam nutzen lassen, also zum Beispiel musikalische, kabarettistische oder künstlerische Fähigkeiten, dürfe man gern nennen. „Nicht erwähnen würde ich literarische Vorbilder, weil man daran gemessen wird, und ausführlich dargelegte Lebensphilosophien“, erklärt Rahnfeld weiter.
Als Literaturagentin hat Anna Mechler, Chefin der Literaturagentur Lesen&Hören in Berlin, zusätzliche Wünsche. „Mich interessieren nicht die Hobbys, die Zahl der Kinder oder die Schulbildung. Mir ist es wichtig zu erfahren, ob eine Autorin oder ein Autor bereits Bücher veröffentlicht hat.“ Auch die Angabe, ob jemand Mitglied in einer Autorenvereinigung ist, findet sie spannend, denn das sage etwas über die Vernetzung des neuen Autors oder der neuen Autorin aus. „Ist jemand beispielsweise schon Mitglied im SYNDIKAT oder bei den Mörderischen Schwestern, bei DeLiA* oder HOMER – dann stehen die Chancen gut, dass der- oder diejenige sich auch mit anderen Texten auseinandergesetzt hat, dass es einen Austausch gibt, was viel zur Qualität eines Textes beiträgt“, betont Mechler.
* „Vereinigung deutschsprachiger Liebesroman-Autoren und -Autorinnen“
Wer schon mehrere Bücher veröffentlicht hat, sollte in der Vita auf keinen Fall alle Titel nacheinander aufzählen. Sowohl meine Ansprechpartnerinnen in den Verlagen als auch die Literaturagentin sind sich einig: Ein wirklich bekanntes Buch, eine bekannte Reihe gehört erwähnt; Titel, die in das Profil des jeweiligen Verlags passen, darf man aufführen. Ansonsten gehören die bisherigen Veröffentlichungen in eine separate Bibliografie und nicht in die Vita.
Die Vorstellung, einem neuen Verlag Veröffentlichungen zu nennen, die bei der Konkurrenz erschienen sind, ist Ihnen möglicherweise unangenehm. Diese aber zu unterschlagen wäre unklug, denn in Zeiten des Internets ist die Wahrheit nur einen Mausklick entfernt. Besser ist es da, wenn Sie mit offenen Karten spielen und im Anschreiben sachlich erwähnen, warum Sie einen neuen Verlag suchen.
Das Baukastensystem
Wie gesagt, es gibt sie nicht, die eierlegende Wollmilchsau unter den Viten. Daher plädiere ich für ein Baukastensystem: Entwerfen Sie eine Vita, die die wichtigsten Angaben zu Ihrem Beruf, dem Familienstand und der schriftstellerischen Tätigkeit nennt. Das ist Teil eins. Für den zweiten Teil überlegen Sie, was Sie als AutorIn auszeichnet, warum Sie einen Liebesroman, einen historischen Krimi oder einen Thriller schreiben. Haben Sie bereits mit acht Jahren Ihren ersten Kriminalroman verfasst, dann dürfen Sie das erwähnen. Sind Sie begeisterter Kampfsportler oder erfolgreiche Sportschützin und schreiben Actionthriller? Sie haben zehn Jahre lang undercover für Ihren Krimi recherchiert? Rein damit in die Vita! Im dritten Teil bringen Sie dann unter: einen Hinweis zu den bisherigen Veröffentlichungen, Preisen oder Nominierungen. Und zum Abschluss, in einem möglichen Teil vier, weisen Sie auf Ihre Website hin und/oder darauf, dass Sie Mitglied in einer Autorenvereinigung sind.
Länge: ungefähr eine dreiviertel Normseite. Diese Vita kann man bei Presseanfragen weitergeben, auf seiner Webseite nutzen oder auch in einem Exposé verwenden. – Sie ist die „Vollversion“ und bildet die Grundlage für Ihre verschiedenen Vitaversionen. Jetzt geht es ans Kürzen. Für die Vita im Klappentext verwenden Sie nur die Angaben, die LeserInnen interessieren könnten: Ihren Wohnort, Ihren Beruf, in welchem Genre Sie schreiben. Die Herausgeber einiger Anthologien mögen es, wenn AutorInnen noch einen Satz einfügen, der einen Bezug zum Thema der Anthologie hat. Gerade bei Anthologien ist der Platz für Kurzviten aber begrenzt. Wenn Sie also aufgefordert werden, nicht mehr als 500 Zeichen abzuliefern, dann kürzen Sie Ihre Vitavorlage entsprechend. Jedes Schreibprogramm zählt die getippten Zeichen inklusive der Leerzeichen, da gibt es keine Ausrede für zu lange Texte. Im Idealfall haben Sie am Ende eine längere Vita, eine Kurzvita und vielleicht sogar noch eine „Unter-500-Zeichen“-Vita auf Ihrem Rechner. Aktualisieren Sie regelmäßig den Absatz zu den Veröffentlichungen oder beschränken Sie sich auf eine Formulierung wie „Ihr/Sein Debüt XY erschien im Jahr 20xx“.
Die Form der Kurzvita
Die Vita
- wird immer in der dritten Person geschrieben,
- als Fließtext aufgesetzt und nicht in Tabellenform abgeliefert und
- ist vom Stil her eher sachlich.
Falls Sie eine satirische Geschichte oder einen humorvollen Roman geschrieben haben, darf Ihre Vita natürlich auch lustig sein.
Ich „international“
Übrigens: Interessant ist, dass im angloamerikanischen Raum viele AutorInnen immer erst ihre Arbeit, die Bücher und zum Schluss den Familienstand und den Wohnort erwähnen. Vielleicht gefällt Ihnen ja dieser Aufbau besser, probieren Sie es einfach mal aus. Dann haben Sie auch gleich eine internationale Vita im Portfolio.
Mustervita (mit Baukastenelementen)
Klaus-Peter Muster, Jahrgang 1971, lebt mit seiner Ehefrau, drei Kindern und Familienhund im Rheinland. „Die große Knete“ ist bereits sein dritter Thriller aus der Welt der Banken und Versicherungen.
Obwohl Muster bereits mit 13 den Kurzgeschichten-Preis der Stadt Oberursel gewann, entschied er sich, Internationales Wirtschaftsrecht in Berlin und London zu studieren. Zehn Jahre lang arbeitete er als Wirtschaftsredakteur der renommierten Zeitschrift „Geld heute“ und machte sich dann als freier Unternehmensberater und Coach selbstständig. Mit seinem Blog „Zaster, Zaster“ eroberte er in kurzer Zeit eine große Fangemeinde. [Vorkenntnisse]
Sein erster Wirtschaftskrimi „Jetzt kassiere ich“ erschien 2010 und wurde mit dem Ackermann-Preis der Stadt Frankfurt ausgezeichnet. [Veröffentlichungen/Preise]
Muster ist nicht nur begeisterter Kampfsportler, sondern auch Sänger eines Jazztrios, das in den Clubs zwischen Köln und Mainz zu Hause ist. [Interessante Fähigkeiten]
Er ist Mitglied im Bundesverband Deutscher Wirtschaftsautoren/BDWA. Weitere Informationen zum Autor und seinen Büchern unter www.muster-buch.de.
[Mitgliedschaft in Autorenvereinigung und URL der eigenen Website]
Kurzvita-Muster (493 Zeichen inklusive Leerzeichen)
Klaus-Peter Muster, Jahrgang 1971, lebt mit seiner Familie im Rheinland. „Die große Knete“ ist bereits sein dritter Thriller aus der Welt der Banken und Versicherungen. Der studierte Wirtschaftsjurist arbeitete zehn Jahre als Journalist, bevor er sich als Unternehmensberater und Coach einen Namen machte. Für seinen Debütroman „Jetzt kassiere ich“ erhielt Klaus-Peter Muster den Ackermann-Preis der Stadt Frankfurt. Weitere Informationen zum Autor und seinen Büchern unter www.muster-buch.de.
Autor: Andreas J. Schulte | www.andreasjschulte.de
In: Federwelt, Heft 121, Dezember 2016