
Die Pfade zur Audio-Fassung und wie Verlagsautoren und Selbfpublisher doch noch vertont werden.
Das eigene Werk als Hörfassung? Ein Traum für viele Autorinnen und Autoren. Doch: Ein Verlagsautor muss Bestseller liefern, damit sein Buch vertont wird. Und Selfpublisherinnen? Haben es auch nicht viel leichter. Aber es gibt sie, die Pfade zur Audio-Fassung! Wenn sie auch schmal und verwinkelt sind. Hören wir dazu drei Seiten rund um das vertonte Buch. Erstens: die großen Hörbuch-Verlage. Zweitens: die Perspektive kleinerer Unternehmen inklusive Dienstleister. Und drittens: natürlich auch die der Autorinnen und Autoren selbst. Übrigens: Oliver Wenzlaff, der Verfasser dieses Beitrags, hat selbst ein Dutzend Hörbücher realisiert. Mehr werden es wohl nicht werden. „Der Aufwand ist zu groß.“
Was die Großen sagen
Hörbücher boomen. Im vergangenen Jahr konsumierten rund 16 Millionen Menschen in Deutschland ein Hörbuch, sagt eine Studie von Audible. Das sind fast zwei Millionen mehr als 2016. Dabei ist auch der Anteil der regelmäßigen Hörerinnen gestiegen: Rund 13 Millionen hören mindestens einmal im Monat, 2016 waren es noch 11 Millionen. Aber: Im Vergleich zum geschriebenen Wort bleiben vertonte Werke selbst im Boom eine Nische. So ist jeder wirtschaftlich orientierte Hörbuchverlag gezwungen, zumindest größtenteils auf erfolgreiche Buchvorlagen zu setzen. Kerstin Kaiser, Programmleiterin bei Lübbe Audio, rechnet grundsätzlich mit Verkaufszahlen, die bei etwa zehn Prozent der entsprechenden Buchverkäufe liegen. Die Folge: „Wir gucken nach Spitzentiteln mit Schätzzahlen um 30.000 Buchverkäufe im ersten Jahr. Wohlgemerkt bei den Hardcovern. Wenn wir 3.000 CDs verkaufen, steht bei uns die schwarze Null.“ Allerdings nur, sofern es sich um eine typische Produktion handele, also um eine reine Lesung ohne großen Inszenierungsaufwand, ohne Starsprecher, ohne Aufnahmen an besonderen Orten mit mobilem Equipment.
Und abseits vom Hardcover? „Bei Taschenbüchern kommen die Hörfassungen nur auf fünf Prozent, teilweise auch nur auf ein oder zwei Prozent der Verkäufe, die bei der Buchvorlage erreicht werden“, so Kaiser. Und der Markt scheint enger zu werden. „Bei Taschenbüchern haben früher 50.000 oder 60.000 verkaufte Exemplare ausgereicht, um eine Übernahme als Audio-CD zu rechtfertigen“, sagt Martin Lorentz von Aufbau Audio. Heute setzten die großen Verlage bei Einzeltiteln eher sechsstellige Verkaufszahlen als Hürde an. Warum die ungleiche Bewertung von Taschenbuch und Hardcover? Das Taschenbuch sei günstiger, aber die CD bleibe in beiden Fällen gleich teuer. Das schreckt offensichtlich ab. Dazu Kerstin Kaiser: „Weil Taschenbücher günstiger sind, erwartet man auch, dass die zugehörigen Hörbücher günstiger sind.“
Faktor Medienthema
Bücher ohne Bestselleraussicht haben zwar Chancen auf Vertonung. Allerdings nehmen diese rapide ab. „Ein Argument ist auch, wie der Verlag das Werk oder den Autor positioniert“, sagt Heike Völker-Sieber vom Hörverlag. Sie ist dort für die Pressearbeit verantwortlich. „Schickt er den Autor auf Lesereise? Investiert er in den Autor? Und es kommt immer darauf an, dass ein Stoff etwas Besonderes hat, egal in welchem Genre.“ Wobei Krimi und Thriller die Genres seien, die im Hörbuch am besten funktionierten. „Noch mehr gilt das für literarische Titel. Wenn ein Werk hier herausragt, muss es nicht zwangsläufig hohe Verkaufszahlen erwarten lassen.“ Denn dann könne sie aus Pressesicht sagen: „Das wird ein Medienthema, das zahlt auf unsere Marke als Verlag ein.“ Oder wenn man wisse, dass die Autorin ihren Weg machen werde, nehme man vielleicht sogar ein Erstlingswerk. Selbst wenn es noch nicht der Umsatzbringer sei.
Die Mischkalkulation als Hintertür
Auch Katharina Hammann, stellvertretende Programmleiterin bei Oetinger audio, meint: „Spitzentitel sind nicht alles. Wir arbeiten mit einer Mischkalkulation: Bei bestimmten Stoffen ist vielleicht klar, dass sie keine großen Verkaufszahlen erreichen, aber wenn wir von der Geschichte restlos überzeugt und begeistert sind, lassen wir uns davon nicht abschrecken.“ Man dürfe zudem bei allen Zahlen nicht das berühmte Bauchgefühl unterschätzen. „Letztendlich ist jede Produktion anders, und ganz selten passiert es sogar, dass die Hörfassung die Verkaufszahlen des Buchs übertrifft.“ Dennoch gilt wohl in den allermeisten Fällen die Aussage von Kerstin Kaiser (Lübbe Audio): „Wir sind oft selbst traurig, dass wir viele wunderschöne Texte nicht vertonen können.“
Realitätsgewitter
Ein Blick in die Praxis – auf den Roman „Realitätsgewitter“, geschrieben von Julia Zange, erschienen 2016 im Aufbau Verlag. Julia Zange wird als Szene-Autorin und Popliteratin gefeiert. Wenig überraschend: Ihr Werk ist keine Massenware. Der Berliner Tagesspiegel meinte, es erinnere an einen Onlineblog. Die WELT schrieb, ihr Text gebe hervorragend wieder, „was für einen Quatsch die Menschen den ganzen Tag reden“. Der Roman könnte Prototyp sein für jene wunderschönen Texte, die es trotz ihres Anspruchs nicht als Hörfassung gibt. Martin Lorentz von Aufbau Audio über die Gründe: „Literarische Werke von jungen Autoren und Autorinnen sind selten die Spitzentitel eines Verlages.“ Auch bei „Realitätsgewitter“ habe der Verlag schlicht den Fall gehabt, dass der Roman nun einmal kein Spitzentitel war und außerdem die Verkaufserwartungen zu gering für eine Übernahme gewesen seien. Lorentz weiter: „Die tatsächlichen Verkaufszahlen waren dann gar nicht schlecht, aber es war kein Bestseller. Ein Qualitätsversprechen ist leider kein automatisches Umsatzversprechen.“
Ein Shortlist-Platz genügt nicht als Verkaufsargument
„Selbst wenn ein Werk gute Aussichten auf die großen Buchpreise hat, ist das noch kein Garant für eine Vertonung“, so Lorentz. „Ich hatte einen Fall, da wurde mit einer aufschiebenden Bedingung auf ein Werk geboten, das es immerhin auf die Shortlist geschafft hatte. Und die Bedingung war, dass es tatsächlich den Buchpreis gewinnt.“ Am Ende hieß es: kein Buchpreis, keine Vertonung. „Außerdem ist es das Timing, das über eine Hörfassung entscheidet. Vor 15 Jahren konnte ein Hörbuch gerne noch sechs Monate nach dem Buch erscheinen. Das war sogar vom Buchhandel explizit gewünscht.“ Man habe so die realen Verkäufe abwarten und einschätzen können, ob sich das lohne. „Heute müssen beide Medien gleichzeitig auf den Markt kommen, also kann man nur mit den Verkaufserwartungen rechnen.“ Das Risiko ist also noch einmal höher.
Kerstin Kaiser von Lübbe Audio sieht das genauso: „Hörbücher müssen gleichzeitig zum Buch erscheinen.“ Dies determiniere in der Regel auch die Art der Umsetzung: Der Zeitdruck sei groß, und schon deshalb müsse man meist auf Lesungen mit einem einzigen oder zumindest wenigen Sprechern setzen – und sich gegen eine aufwendige Hörspiel-Inszenierung entscheiden. „Ein professioneller Sprecher kann etwa zwei CDs pro Tag einlesen.“ Lesungen könne man so in den grundsätzlich knappen Zeitrahmen realisieren. Mit einer Hörspiel-CD hingegen sei ein Studio vier Wochen lang beschäftigt. Rund um die Uhr. „Und vorher ist eine enorme Vorbereitung erforderlich, weil die Stoffe dramatisiert werden müssen. Die Buchvorlage wird für ein Hörspiel komplett umgeschrieben.“
Kostenexplosion: Hörspiele bei 500 Prozent
Hinzu komme: Durch den Einsatz von Soundeffekten, die größere Zahl an Sprecherinnen und eine musikalische Untermalung seien die Produktionskosten dann auch noch vier bis fünf Mal höher. Umgekehrt müssten die Verkaufspreise niedrig gehalten werden. „Im Kinder-Bereich muss eine CD weniger als acht Euro kosten.“ Für Erwachsene könne man mit dem Ladenpreis zwar etwas höher gehen, „aber auch da stellt sich immer die Frage nach der Wirtschaftlichkeit.“ Johannes Stricker von Hörbuch Hamburg sieht jedoch einen Vorteil im Hörspiel, vor allem bei der Umsetzung von Klassikern: Hier lasse sich das Gesetz der Gleichzeitigkeit durchbrechen. Durch bewusstes Vertonen sehr alter Klassiker. Lesungen seien hier im Nachteil, denn aufgrund der zahlreichen dramaturgischen Möglichkeiten und Sounddesign-Elemente sei es über Hörspiele viel leichter, ein altes Werk zu modernisieren. Als Beispiel nennt er William Faulkners Licht im August: Der Roman ist aus den 1930ern, wurde als Radiohörspiel produziert und ist 2018 erschienen.
Digitale Nachzügler: erst das Buch, dann die Hörfassung
Vergleichsweise aktuelle Bücher, die von der Gleichzeitigkeits-Maxime abweichen, sind laut Aufbau-Mann Martin Lorentz die klare Ausnahme. Hörbuch-Nachzügler würden zudem fast immer nur als Download erscheinen. „Aber auch dafür muss es sich um einen Bestseller handeln.“ Übrigens: Bei zeitversetztem Erscheinen und als Download-only oder Stream gilt oft, dass die Buchvorlage ebenfalls ausschließlich digital erhältlich ist.
Vorteile der digitalen Spätzünder: Johannes Stricker von Hörbuch Hamburg schätzt, dass die Kosten im Schnitt ein Drittel niedriger sind. Zudem eigneten sich bestimmte Genres eher für den Download als für die CD, Soft-Erotik etwa oder Romantasy. „Die Käufer in den Läden sind da sehr zurückhaltend.“ Ein Download sei anonymer. Und: „Downloads bieten aus Verlagssicht den Vorteil, dass man sie wegen kürzerer Produktionszeiten und geringerer Fristen für die Ankündigung auch zwischen den eigentlichen Programmen auf den Markt bringen kann.“
6 CDs als Maximum
Laut Martin Lorentz von Aufbau Audio sind sechs CDs in der Regel das Maximum für eine Produktion, da sonst der Verkaufspreis zu hoch wäre. Jene sechs CDs stünden grob gerechnet für eine Lesung von 225 bis etwa 300 Buchseiten. „Da fallen viele Romane einfach aus Kostengründen durchs Raster. Es sei denn, man setzt auf MP3-CD.“ Und selbst wenn man an eine gekürzte Fassung denke, es ließe sich ja nicht beliebig kürzen. Umfangreiche Thriller beispielsweise eigneten sich dann oft eher für die erwähnte Download-only-Variante. Die bei Aufbau Audio erschienene Penn-Cage-Reihe von Greg Iles beispielsweise habe in der Buchvorlage mehrere tausend Seiten. Die Downloadzahlen bei Audible seien fünfstellig. Sind Reihen- und Serienstoffe digital im Vorteil? Zumindest setzten die großen Verlage bei Reihen und Serien auch bei CDs etwas günstigere Verhältnisse an mit Blick auf den Erfolg der Buchvorlage. Selbstläufer sind aber auch sie nicht: weder als CD noch als Download. Johannes Stricker von Hörbuch Hamburg: „Hörbüchern wird in vielen Buchhandlungen leider immer weniger Platz eingeräumt. Im Download gibt es zwar keine räumliche Limitierung, aber durch das umfangreiche Angebot ist das Finden faktisch noch schwieriger als im Buchladen. Hörbuchkäufe sind Spontankäufe. Zumindest deutlich häufiger als beim Buch. Hörbücher werden also nur gekauft, wenn sie gesehen werden.“
Hörbuch ohne Buchvorlage
Auch Hörbücher ohne Vorlage sind möglich. Heike Völker-Sieber vom Hörverlag verweist auf eine Originalproduktion aus ihrem Haus, die Lyrik-Anthologie Lyrikstimmen. Die Bibliothek der Poeten. 122 Autorinnen & Autoren, 420 Gedichte, 100 Jahre Lyrik im Originalton. Schon der Titel deutet auf ein Mammutwerk. „Sieben Jahre lang haben wir auf großer Breite Stoffe gesichtet und in Archiven recherchiert, vom historischen Material bis zur Slam Poetry. Wir haben 420 Gedichte ausgewählt, für die wir oftmals jeweils an drei Stellen die Rechte einholen mussten, es waren rund 1.000 Einzelverträge abzuschließen.“ Lyrik fristet sonst eher ein Nischendasein. Lohnt sich der Aufwand? Heike Völker-Sieber: „Wir wissen, dass sich Lyrik nicht sonderlich gut verkauft. Aber ihr Ursprung ist das gesprochene Wort, und so ist sie im Hörbuch oft erstaunlich erfolgreich. Und solche besonderen Werke zahlen eben auch auf unsere Marke ein. Im Rahmen einer Mischkalkulation leisten wir uns das.“
Die Bedeutung „alter Medien“
Eine weitere Quelle für Originalproduktionen sind Hörspiele, die eigens für einen Radiosender geschrieben wurden und dort in der Regel auch realisiert, aber bislang nicht als CD veröffentlicht. Heike Völker-Sieber: „Wir durchforsten die Archive der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, gehen auf die Sender zu und fragen, ob wir gemeinsam etwas produzieren. Die Sender kommen umgekehrt auch auf uns zu.“ Dass es hier keine Buchvorlage gebe, sei aus Pressesicht ein positiver Faktor. Denn der Raum für Literatur in den Medien sei knapp, und kämen Buch und Hörbuch gleichzeitig heraus, werde meist nur das Buch besprochen. „Bei Originalproduktionen gibt es diese Konkurrenz um Raum in der Presse nicht.“ Mit Presse sind hier vor allem die gedruckten Tageszeitungen gemeint: „Printmedien sind für uns nach wie vor extrem wichtig. Wenn es die Feuilleton-Seite in FAZ und Co. nicht mehr gäbe, würde uns das die Grundlage gerade für aufwendige Spezialproduktionen nehmen. Wir haben eine Thomas-Mann-Box mit 17 CDs und einer DVD veröffentlicht, darauf sind O-Töne der Familie Mann.“ – Also wirklich? Die großen Tageszeitungen statt Social Media?
„Der Verkaufseffekt der Printmedien hält nicht mehr so lange an wie früher, aber er ist immer noch deutlich messbar. Und wenn ein Werk in den großen Feuilletons besprochen wird, bringt das wiederum Aufmerksamkeit von anderen Redaktionen, die diesen Titel vorher eventuell nicht wahrgenommen haben.“ Aber natürlich seien beispielsweise auch Bloggerinnen längst nicht mehr wegzudenken.
Sonderform Sachbuch
Blicken wir kurz auf das Sachbuch. Johannes Stricker von Hörbuch Hamburg hält erzählerische Stoffe für vertonungsgeeignet. „Auch Biografien laufen gut. Leicht verdauliche Informationen sind einfacher durch Sprache zu transportieren als die reinen, vielleicht noch technisch komplexen Ratgeber.“ Wobei sich die Zielgruppen beim Sachbuch immer wieder wandelten. „Das Thema ‚Selbstoptimierung‘ nimmt einen immer größeren Stellenwert ein, sodass auch Ratgeber zum Thema Zeitmanagement, Fitness und Ernährung als Hörbücher immer besser funktionieren. Dies gerade auch deshalb, weil die Zielgruppe das Hörmedium nutzen kann, während sie sich auf dem Laufband fit hält oder Gemüse schneidet.“ Viele agierten nach dem Motto: „Double your time.“
Spitzentitel-Vorteil auch beim Kinderbuch
Oetinger audio veröffentlicht zwei Mal im Jahr je rund 30 neue Hörbücher für eine jüngere Zielgruppe: „Die meisten unserer Hörbücher richten sich an Mädchen und Jungen im Alter von drei bis zehn Jahren. Aber wir haben auch Jugendhörbücher und All-Age-Titel für Männer und Frauen im Programm“, sagt Katharina Hammann. Auch hier gilt: Meist gibt es eine Buchvorlage. „Die Stoffe finden wir bei den Buchverlagen der Verlagsgruppe Oetinger, aber auch bei anderen deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchverlagen.“ Gelegentlich komme es vor, dass Geschichten keine Buchvorlage hätten. „Zum Beispiel haben wir die Theaterstücke Nur ein Tag oder Krähe und Bär von Martin Baltscheit als Hörspiele umgesetzt.“ Erst im nächsten Schritt sei dann jeweils das Buch dazu erschienen. Gebe es eine Buchvorlage, so würden erneut die Spitzentitel bevorzugt. Aber auch hier gibt es Ausnahmen: „Ein Titel, den wir gerne ins Programm genommen haben, ist Endland von Martin Schäuble, erschienen im Juli 2017. Das Buch ist spannend und erschreckend realistisch, vermittelt eine wichtige Botschaft, ist packend geschrieben und exzellent recherchiert – da waren die erwarteten Absätze für uns Nebensache.“
Von Bedeutung: Kinderhörspiel
Möglicherweise die größte Besonderheit des Kinder- und Jugendsegmentes ist die Bedeutung von Hörspielen. „Einen Teil unseres Programms bilden eigene Hörspielbearbeitungen. Solche Produktionen bieten die Chance, umfangreiche Stoffe zu komprimieren und die Vorteile der auditiven Umsetzung noch stärker zu nutzen.“ Ein Beispiel sei die Tintenherz-Reihe von Cornelia Funke: Während die Lesungen jeweils 16 bis 18 CDs umfassten, passten die Hörspiele in ihrer dramatisierten Form auf jeweils 2 CDs und könnten entsprechend preisgünstiger angeboten werden. „Gleichzeitig handelt es sich um Übersetzungen eines altbekannten Stoffes in ein neues Genre, die das auditive Medium perfekt nutzen.“
Doppelkonsumentinnen versus neue Fans
Viele, die auf ein Hörbuch hoffen, verknüpfen ihre Hoffnung mit dem Zugewinn neuer Fans. Aber: „Im Kindersegment treffen CD und Buch teilweise auf Doppelkonsumenten“, meint Kerstin Kaiser von Lübbe Audio. „Kinder hören oft und gucken sich gleichzeitig die passenden Bilder an.“ Und bei erwachsenen Hörerinnen? Heike Völker-Sieber glaubt, dass dies von Fall zu Fall unterschiedlich ist. „Manche Kunden kaufen sogar parallel Buch- und Hörbuch-Version eines Titels, um ihn je nach Situation abwechselnd oder nacheinander zu lesen und zu hören. Bei Jan Weiler zum Beispiel ist es der Autor, der sein Publikum zieht. Die Fans folgen ihm über alle Formate, ob er ein Originalhörspiel macht oder ein gedrucktes Buch.“
Wer wirklich zusätzliche Fans gewinnen wolle, sollte vielleicht über Hörspiele nachdenken. Da gebe es eine eigene Community. „Sie ist klein, aber extrem engagiert und interessiert. Da trifft man am ehesten eine Klientel, die nicht mit den sonst üblichen Leserzielgruppen identisch ist“, so Völker-Sieber. „Hier ist neben dem Inhalt die Inszenierung sehr entscheidend, denn es ist Kino für die Ohren gewollt.“ Der Hörverlag habe etwa 30 Prozent Hörspiele im Programm.
In Eigenregie sind 200 CDs schon ein Erfolg
Ist es klug, auf eigene Faust eine Hörbuchfassung zu erstellen oder erstellen zu lassen? „Egal, ob es sich um Selfpublisher oder Verlagsautoren handelt: Ich rate jedem, mit einem Hörbuch über einen Verlag zu gehen“, sagt Johannes Stricker von Hörbuch Hamburg. „Eigene Aufnahmen und Produktionen funktionieren selten. In anderen Ländern vielleicht. In Deutschland ist man auf jeden Fall einen hohen Standard gewöhnt.“ Kerstin Kaiser von Lübbe Audio sieht das ähnlich. Wer überlege, ein eigenes Hörbuch herauszubringen, müsse bedenken, wie er es ohne Verlag an die Leute bringe. „Verlage werden fremde Titel kaum in den eigenen Vertrieb nehmen, und der Direktverkauf beispielsweise über eine eigene Website dürfte mühsam sein.“ Wer hier 200 CDs verkaufe, sei schon erfolgreich. Ein grundsätzlicher Irrglaube sei, dass man mit Hörbüchern viel Geld verdienen könne. Zumindest im Normalfall. Selbst Bestseller-Autorinnen erreichten oft nicht viel mehr als die erwähnten 3.000 verkauften CDs. Kaiser geht davon aus, dass die Quote von bis zu 10 Prozent auch für den Eigenvertrieb von Selfpublishern gelte. „Jeder kann sich anhand seiner Verkaufszahlen selbst ausrechnen, wie viele Hörbücher er absetzen wird.“
Professionelle Sprecherinnen sind gefragt
Wer dennoch sein eigenes Hörbuch aufnehmen will, dem rät Kaiser: „Nehmen Sie einen professionellen Sprecher.“ Da könnten Kosten von 500 Euro pro CD als Honorar plus die Studiokosten entstehen – oder noch mehr. Aber das sei gut investiert. „Autorenlesungen als kostengünstige Variante funktionieren nur ganz, ganz selten.“ Ein Hörer müsse sich einlassen können auf den Stoff. Das Tempo müsse stimmen. „Ein schlechter Sprecher ist so, als würden Sie Ihr Buch auf grauem Papier drucken. Man erkennt die Buchstaben kaum, es ist einfach anstrengend, und man hält nicht bis zum Ende durch.“ Auch Katharina Hammann von Oetinger audio weiß: „Selbst ein Autor, der ein sehr guter Live-Leser ist, muss nicht zwangsläufig ein guter Studioleser sein. Eine oder zwei Stunden auf einer Bühne zu lesen, mit direktem Feedback eines Publikums, ist eine ganz andere Situation, als acht Stunden am Stück im Studio zu sitzen. Hier kommt das einzige Feedback von einem Regisseur, der auf jede Kleinigkeit achtet. Die Studioarbeit ist sehr intensiv, und wir haben großen Respekt vor jedem, der einen Text vor dem Mikrofon lebendig werden lässt.“
Was Produzenten und Dienstleister sagen
Abseits der großen Hörbuchverlage gibt es eine Vielzahl an Studios, Produzenten, zwischengelagerten Dienstleistern und kleinere sowie Kleinstverlage, die Hörbücher produzieren, vermitteln oder herausgeben. Sie haben teils außergewöhnliche Geschäftsmodelle und setzen möglicherweise andere Maßstäbe an als die großen Player. Wie der Rubikon Audioverlag. „Wir sind eine Mischung aus Herausgebern einerseits und den Sprechern unserer Hörbücher andererseits“, sagt Uta Bremer. Sie hat den Rubikon Audioverlag 2015 gemeinsam mit ihrem Mann gegründet. Beide sind ausgebildete Schauspieler und sprechen ihre Hörbücher ausschließlich selbst. Manchmal müssen sie Autoren erst noch mit einer Sprachprobe überzeugen. Denn je nach Autorin gibt es ein Mitentscheidungsrecht, wer als Sprecher fungiert. „Wir wählen die Titel für unser Programm nicht knallhart nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus“, erklärt Mark Bremer. „Wenn uns ein Stoff am Herzen liegt, dann entscheiden wir uns dafür, sofern zumindest noch ein paar andere Punkte stimmen.“ Zum Beispiel solle der Autor oder die Autorin im Netz präsent sein. Im Idealfall gebe es eine aktive Bloggercommunity. „Rechnen müssen sich unsere Hörbücher natürlich trotzdem. Wir machen das nicht als Hobby. Allerdings genügen uns schon etwa 1.000 verkaufte CDs, damit wir profitabel sind“, sagt Mark Bremer.
Die Relation verkaufte Bücher zu CDs im Kleinverlag
Wie bei den Großverlagen gilt: Es hilft, wenn der zugrunde liegende Roman erfolgreich ist. Rubikon setzt etwa fünf Prozent als Relation an: „Um 1.000 CDs zu verkaufen, muss sich eine Romanvorlage üblicherweise etwa 20.000 Mal verkaufen.“ Dem Gesetz der Gleichzeitigkeit folgen auch die Bremers. „Das ist ja heute normal. Wir müssen den Erfolg anhand der Verlagsvorschau prognostizieren und uns bis zur Buchveröffentlichung um die Lizenzen und die Produktion kümmern“, sagt Uta Bremer. Haben hier auch Selfpublisher eine Chance? Bislang hat Rubikon keine Selfpublisherinnen vertont. „Aber wir schließen das nicht aus, wenn ein Stoff ins Programm passt“, verrät Uta Bremer. Gegenwärtig liege der Fokus des Verlags auf Kinder- und Jugendhörbüchern. „Daneben haben wir auch Science-Fiction im Programm.“ Die drei Sonnen von Cixin Liu etwa ist bei Rubikon ein Bestseller mit 6.000 verkauften Einheiten. Alle Hörbücher seien ungekürzte Lesungen. „Das ist eine grundsätzliche Formatentscheidung. Keine Kürzungen. Unser Herz hängt an der kompletten Lesung des unveränderten Textes. Wir machen daher also keine Hörspiele.“ Das heißt aber auch: Ist ein Buch zu umfangreich, scheidet es als Vorlage aus. Mark Bremer: „Wir ziehen die Grenze bei etwa 400 Seiten. Sonst landet man bei acht oder neun Stunden Gesamtspieldauer oder noch mehr.“
AUDIAMO: Union aus Shop und Label
AUDIAMO ist in erster Linie ein Hörbuchhändler mit insgesamt 17.000 lagernden Titeln auf CD in einem Geschäft in Wien und einem weiteren in Berlin. Zudem sind die Titel zum Download im Onlineshop erhältlich. Einige Stücke finden sich dabei exklusiv bei AUDIAMO, denn das Unternehmen ist zugleich Verlag für Eigenproduktionen. Und: Ein Audio-Verlag, der nicht zwangsläufig eine Buch- oder sonstige Vorlage will. Bei etwa jeder dritten Veröffentlichung handelt es sich um ein originäres Hörstück. Allerdings gilt auch: „Wir produzieren nur Stoffe, die einen klaren räumlichen Bezug zu unseren Standorten haben“, so Monika Röth, Inhaberin von AUDIAMO. Ob Sachbuch über den Wandel einer Straße in Berlin-Neukölln zum kreativen Hotspot, ob Krimi mit dem Wiener Opernball als Schauplatz oder niveauvolle Erotik im sündigen Berlin-Schöneberg der 1920er-Jahre: Es genüge nicht, dass einfach nur einer der Protagonisten zufällig aus Berlin oder Wien stamme. „Wir brauchen einen belastbaren Bezug und natürlich einen guten Stil.“ AUDIAMO sucht explizit auch neue Autoren. Einen Vorschuss gebe es nicht. Dafür ist der Verlag zu klein, nur etwa zwölf eigene Hörbücher bringt AUDIAMO pro Jahr in die eigenen Regale. Umgekehrt müssten die Autorinnen aber natürlich auch keinerlei Kosten tragen.
AUDIAMO presst Auflagen von 1.000 CDs, der Autor partizipiert dann über eine Verkaufsbeteiligung. „Wenn er einen entsprechenden Hintergrund hat, Moderator oder Schauspieler ist, dann nehmen wir ihn gerne auch als Sprecher. Autoren wissen am besten, wie ihre Geschichte klingen soll.“ Wobei keineswegs alle Moderatorinnen und Schauspieler automatisch fähig seien, ein vier-, fünf- oder sechsstündiges Hörstück einzusprechen. Letztendlich müsse man das austesten.
Achtung: Autorinnen wie Autoren, die Stoffe mit Berlin- oder Wien-Bezug an AUDIAMO senden wollen, seien an dieser Stelle ausdrücklich dazu aufgerufen, dies gerne zu tun: [email protected]. Eine kurze Projektbeschreibung in der Mail plus Leseprobe im Anhang genügen. Papiereinsendungen werden nicht berücksichtigt.
ultramar media: Start mit nur 500 CDs
Noch weniger als die eben erwähnten 1.000 CDs hat Birge Tetzner anfangs gewagt. Tetzner ist Verlegerin ihrer eigenen Werke bei ultramar media. Nur 500 CDs umfasste die erste Auflage einer Hörspielreihe für Kinder. „Sie handelt von einem Jungen namens Fred.“ Jener Fred erlebt in bislang sieben Folgen die unterschiedlichsten archäologischen Abenteuer. Seit zehn Jahren bringt sie die Hörspiele gemeinsam mit ihrem Mann heraus. „Unsere Lieblingsfolge spielt bei den Wikingern.“ Und hier geht sie jetzt den seltenen umgekehrten Weg: Aus der Wikinger-Folge wird ein Kinderbuch. Der Erfolg mag Tetzner beflügelt haben: Die Hörspiele sind in ihrer Erstauflage immer größer geworden, mittlerweile sind es 2.000 CDs pro Folge. Und manche Folge musste mehrmals nachgepresst werden. „Mit der Wikinger-Folge sind wir bei der dritten Auflage.“ Der Abverkauf sei gleichmäßig, jede neue Folge ziehe die älteren wieder mit. „Der Markt für Kinder ist generell weniger schnelllebig, die Produkte verschwinden nicht so schnell vom Markt.“
Das Buch soll in einer überschaubaren Auflage erscheinen, 2.000 oder 3.000 Stück seien denkbar. Tetzner klopft im Vorfeld mit einem Probedruck die Resonanz des Buchhandels ab und entscheidet sich dann. „Mich reizt einfach der Gedanke, die Möglichkeiten eines Buchs auszutesten.“ Konkret heiße das: Sie möchte die Abenteuergeschichte illustrieren lassen – beim Hörspiel ist der Raum für Grafik ja auf die Verpackung begrenzt. Und sie möchte ergänzende Sachinformationen unterbringen. „Neben dem Text werden wir mit kleinen Infoblöcken arbeiten. In einer Szene stirbt zum Beispiel ein Häuptling, und die optisch abgesetzte Zusatzinformation beschreibt, wie Archäologen aus ihren Grabungen die Bestattungsrituale rekonstruiert haben.“ Ein Sachbuch solle es dennoch ausdrücklich nicht werden, das Abenteuer stehe im Vordergrund.
Fast eine Seite pro Minute
Aus 159 Minuten Hörspiel sollen am Ende ungefähr 140 Seiten werden, das Format etwas größer als DIN A5. „Der Aufwand, das Skript zu überarbeiten, ist deutlich größer, als ich gedacht hatte“, gesteht Tetzner. Soundeffekte wie Blätterrascheln oder Meeresrauschen, jedes Knarren von Holz, vieles, was ein Hörspiel lebendig macht, müsse nachträglich zu Papier gebracht werden. Auch die Spannungsintensität, die im Hörspiel durch Musik mitgesteuert werden könne, müsse bedacht werden: „Fred geht über Bord, er könnte jetzt ertrinken. Im Hörspiel haben wir das mit leichter Musik unterlegt, um die Bedrohung des möglichen Todes abzuschwächen.“ Im Buch müsse sie nun primär über die Worte dafür sorgen, dass Spannung, aber keine zu große Furcht aufkomme. „Vielleicht kann die Illustration noch ein wenig helfen, aber die Hauptlast tragen die Buchstaben.“ Tetzner schrieb bislang „nur“ Dialoge. „Für den Rest musste ich erst einmal meinen Stil finden.“
Hörfassung mit zwei Sprechern
Je nachdem, wie gut sich ein Autor vernetzt, tritt er oder sie direkt an kleinere Verlage heran. Der Direktkontakt zu Großverlagen ist seltener erfolgreich. Hier empfiehlt sich womöglich der Umweg über eine Literaturagentur. Diese sollte in der Regel nicht nur an einer Buch-, sondern auch an einer Hörbuchfassung für ihre Autoren interessiert sein. So rät Michaela Gröner von der Agentur erzähl:perspektive grundsätzlich zum Hörbuch: „Die Margen im Literaturbetrieb sind nun mal gering. Jede zusätzliche Verwertung ist wichtig.“ Ein weiterer Aspekt: „Man erschließt sich mögliche neue Zielgruppen.“ Wie groß der Effekt ist? Das sei schwer zu messen – siehe hierzu auch die bisherigen Ausführungen. Gröner erzählt von Ava Reed, die sie und ihr Mann (er ist ebenfalls Teil der Agentur) vertreten. Bei Reed seien es auch die Fans, die sowieso schon da sind, die zusätzlich zum Buch noch das Hörbuch kauften. Reeds Wir fliegen, wenn wir fallen sei von zwei Sprechern in eine Audible-Hörfassung gebracht worden: „Es gibt einen männlichen und einen weiblichen Protagonisten, da bietet sich das an. Das wird ja heute oft so umgesetzt in einer solchen Konstellation.“
Rückruf für Unvertonte
Häufig übertragen Verlagsautoren das Recht, aus dem entsprechenden Buch-Stoff eine Hörfassung zu machen, an ihren Verlag. „Wenn da aber zu lange nichts passiert, versuchen wir natürlich, die Rechte zurückzuholen“, so Gröner. Lange heiße hier: frühestens nach zwei Jahren des Brachliegens. In solchen Fällen habe sie daraufhin selbst Hörbuchverlage angesprochen, teils kleinere Label. Und eine nachträgliche Verwertung funktioniere dann in der Regel auch nur als Download. Einfach sei das nicht: „Die Stoffe sind bis dahin ja bereits etwas älter, und man muss dem Manko des Zeitverzugs gute Vermarktungsargumente entgegensetzen.“ Zum Beispiel: Der Autor oder die Autorin bringt gerade ein neues Buch raus – damit rückt auch das neue Hörbuch zum älteren Werk automatisch etwas in den Fokus. Zumindest manchmal. Gröner: „Ich bin ein Optimistin, was solche Seiteneffekte angeht.“ Und in seltenen Fällen genüge schließlich doch wieder die Qualität der Geschichte allein: „Eine unserer Autorinnen, Katrin Koppold, hat eine vierbändige E-Book-Reihe herausgebracht und war damit sehr erfolgreich. Wir haben die Hörbuchrechte vom Verlag zurückgeholt, und jetzt macht ein kleines Berliner Label eine Hörfassung aus der Geschichte.“ Dazu die Inhaberin: „Ich liebe diese Bücher einfach, ich mache das!“
Ohne Verlag, aber mit Partner?
Und was, wenn es auch bei kleineren Verlagen und trotz Agentin einfach nicht klappt? Allen, die den Traum dennoch weiter verfolgen wollen rät Michael Wrobel: „Achten Sie vor allem darauf, dass Sie einen erfahrenen Partner an Ihrer Seite haben, der auf die Produktion von Hörbüchern spezialisiert ist und über die entsprechende Infrastruktur verfügt.“ Wrobel ist Leiter der Hörbuchabteilung bei LAUSCH medien, wo jedes Jahr über 1.000 Stunden Hörbuch produziert werden. Wichtig sei zudem: „Nicht jedes Buch ist grundlegend als Hörbuch geeignet.“ Ein Sachbuch mit vielen Abbildungen etwa müsse so umgearbeitet werden, dass die Inhalte auch ohne Bebilderungen verständlich seien. „Belletristik hingegen kann in der Regel so eingelesen werden, wie die Buchvorlage es hergibt.“
LAUSCH medien produziert Hörbücher für Verlage, bietet zusätzlich aber auch ein spezielles Angebot für Selfpublisher: ein Paket mit allen Schritten von der Vorproduktion über die Aufnahme im Tonstudio, den Schnitt, das Mastering bis zur digitalen Aufbereitung und Bereitstellung des fertigen Produkts.
10 Stunden Hörbuch gleich 6.000 Euro
Eine Besonderheit, die nur bei wenigen Produktionsfirmen zu finden sein dürfte: Der Hörbuch-Preis für Selfpublisher ist transparent auf der LAUSCH-Website einsehbar. Er richtet sich nach der Länge des Textes. „Die Kalkulation ergibt sich aus der Zahl der Zeichen ohne Leerzeichen“, so Wrobel. Diese Zahl biete erfahrungsgemäß die aussagekräftigste und vergleichbarste Grundlage, um die Länge des Hörbuchs zu berechnen und damit den Aufwand abzuschätzen. „Eine typische Länge bei uns sind rund 430.000 Zeichen ohne Leerzeichen, was einer Spielzeit von etwa 10 Stunden entspricht. Mit einem Profisprecher umgesetzt kostet das bei uns etwa 5.880 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer.“ Musik und Soundeffekte seien hier nicht inkludiert. „Wir machen die Aufnahmen bei uns im Haus im eigenen Studio, erweitern unser Studio aktuell aber um weitere.“ Man komme mit den Kapazitäten gerade an die Grenzen dessen, was machbar sei.
Was den Autoren bleibt, ist die Frage der Distribution. „Früher haben wir auch noch den Vertrieb über einen Partner angeboten. Mittlerweile nicht mehr, weil wir keine besseren Konditionen in den Shops mehr bekommen als jeder Normalbürger“, bedauert Wrobel. Man wolle mit der damit verbundenen Mehrarbeit nicht unnötig den Gewinn der Autorinnen mindern. „Ein Buch bei Audible zu veröffentlichen, ist auch wirklich leicht.“ Audible decke seiner Meinung nach den mit Abstand größten Teil im Hörbuchmarkt ab. Wichtig sei aber auch, dass der Autor sein Werk nicht nur einstelle, sondern auch breitestmöglich bewerbe. Sonst werde er schlicht übersehen. „Der Markt ist eng.“
YouTube als Vertriebskanal
Falk T. Puschmann, gelernter Verlagskaufmann, hat in neun Jahren etwa ein Dutzend Geschichten geschrieben, mit dem Ziel, daraus Hörspiele zu produzieren. Ohne den Umweg über ein Buch. Und wohlgemerkt Hörspiele mit verteilten Rollen und Soundeffekten. „Mir war klar, dass Hörspiele anspruchsvoll sind. Aber ich hatte vorher schon Podcasts gemacht, das hilft. Trotzdem habe ich die ersten Stücke vorsichtshalber als nichtkommerzielle Versuchsballons gestartet“, so Puschmann. „Ich wollte sehen, ob ich das hinkriege.“ Ohne Druck, auf einem engen Markt bestehen zu müssen, und mit Zeit zum Experimentieren. Mit dem Ergebnis war er zufrieden. Es folgten kommerzielle Produktionen, für die er auf einen ungewöhnlichen Vertriebskanal setzte: YouTube.
Kostenlos und doch Einnahmequelle
Seine Hörspiele sind hier für die User kostenlos. Er monetarisiert sie über Werbebanner im Bild oder Videos, die dem Hörspiel vorgelagert sind. „Ich erhalte einen Anteil am Anzeigenerlös.“ YouTube-Eigentümer Google überweise sehr pünktlich. Allerdings gelte: „Halbwegs interessant wird das erst, wenn die Zugriffszahlen pro Jahr mindestens sechsstellig sind.“ Er komme aktuell auf 10.000 Abrufe pro Monat, allerdings nicht für ein Hörstück, sondern für Puschmanns YouTube-Kanal insgesamt: Hier sind mehrere Hörspiele gebündelt. Und 10.000 Abrufe seien immer noch keine Größenordnung, die Reichtum verspreche, aber er habe über diesen Weg immerhin rund 15 Prozent mehr Einnahmen gehabt als über direkte Verkäufe desselben Hörstoffs bei Audible.
Ein weiter Vorteil: „Der Effekt ist extrem nachhaltig.“ Anders als bei Schmink-Tutorials blieben Hörstücke dauerhaft beliebt, die Abrufzahlen entwickelten sich selbst bei alten Stoffen nicht nach unten. „Jeder Klick, jeder Daumen hoch und jeder Kommentar bringt wieder neue Reichweite. Die alten Stücke werden automatisch mit gepusht.“ Außerdem sei YouTube leicht zu teilen.
Die CD: erlösseitig schwächer als der Download
Auch traditionell auf CD sind Puschmanns Stücke erhältlich. „Sie haben es auch mal ins Regal von Saturn und Media Markt geschafft“, sagt Puschmann. Erlösseitig sei die CD für ihn aber in einigen Fällen der schwächere Kanal. Etwa bei Experiment Zero, einem Scifi-Hörspiel rund um Waffentests an Menschen. „Trotzdem ist die CD wichtig. Nur über das Zusammenspiel aller Angebote haben es meine Produktionen in die Gewinnzone geschafft, und der Weg war einige Jahre lang. Da zählt jeder Kanal.“ Kein Einzelfall: Er kenne viele Hörspielmacher, die erst nach einigen Jahren ihre Kosten wieder eingespielt hätten.
Das klingende E-Book
Ja zur Eigenregie, auch ja zum Hörspiel – doch die Kosten schrecken ab? Vielleicht ist das sogenannte a(udbible)Book dann ein Lösungsansatz: www.nw.de/kultur_und_freizeit/literatur/literatur/21690792_aBook-Wie-ein.... Beim aBook wird ein E-Book um Soundeffekte erweitert. Während das E-Book gelesen wird, werden die Sounds passgenau zur Leseposition abgespielt. „Die Leseposition wird, abhängig vom Medium, auf zwei verschiedene Arten erfasst“, sagt David Hill, Gründer von Isle Audio, den aBook-Erfindern. „Bei Tablet-Computern, die mit einer Spezialkamera ausgestattet sind, erfolgt der Input über die Augenposition des Lesers.“ Ansonsten verrät die Touch-Funktion die Lesestelle. Hier muss die Leserin also mit dem Finger über die Worte fahren, und die Klänge werden hörbar, Geräusche ebenso wie Musik. „Das birgt insbesondere für Kinderbücher großes Potenzial. Bereits von den ersten Leseversuchen an können Kinder das Lesen mit verschiedenen Sinnen erleben.“
Selfpublisher als Zielgruppe
Die ersten aBooks basieren auf lizenzfreien Märchen. Aber auch eine eigens für Isle Audio geschriebene Geschichte sei zu Testzwecken vertont worden. Autorin war Linda Kokkores, eine Regiestudentin der Filmakademie Baden-Württemberg. Perspektivisch sollen sowohl Verlagsautoren als auch Selfpublisher ihre Werke bei Isle Audio vertonen können. Wie und wo diese Bücher dann veröffentlicht und verkauft werden, steht für das Start-up noch nicht fest. Klar ist für Hill allerdings, dass Selfpublisher „eine sehr aufregende Zielgruppe“ sind. „Alle fertig produzierten Geschichten sind natürlich auch als Grundlage für ein klassisches Hörspiel denkbar“, erläutert er. Gebe ein Autor ein Hörspiel privat in Auftrag, könne gegebenenfalls anders kalkuliert werden. Denn: „Die Sprecher müssen den Text noch einspielen, aber die Soundcollage liegt in weiten Teilen vor.“ Was vielleicht nach vage und nach Theorie klingt, könnte durchaus bald Praxis sein: „Wenn wir das aBook auf Messen vorgestellt haben, hatten wir oft Sprecher dabei. Sie haben die Geschichten laut vorgelesen, um dem Publikum die Synchronizität von Text und Sound zu beweisen.“ Die Sprecher hätten sich mit den Klängen sehr wohl gefühlt. „Sie konnten nach eigener Aussage intuitiver die richtige Stimmung beim Vorlesen vermitteln, das Geschriebene noch gefühlvoller präsentieren.“
Was die Autoren sagen
Starten wir mit Julia Zange aus Berlin. Sie hat zwei Romane veröffentlicht: Die Anstalt der besseren Mädchen 2008, bei Suhrkamp, und besagtes Realitätsgewitter. Kaum vergleichbar, haben sie doch eines gemeinsam: Trotz großer Medienaufmerksamkeit blieben beide unvertont. „Ich hätte das schon toll gefunden. Hörbücher sind eine weitere Schicht, ein Zweitleben für eine Geschichte. In der Rezeption liegen sie irgendwo zwischen dem geschriebenen Wort, das die Phantasie und Interpretation am meisten anregt, und Verfilmungen, wo am meisten von der Interpretation weggenommen wird. Über jedes Medium erschließt man sich eine andere Zielgruppe. Menschen, die sich an ein Buch nicht heranwagen, vielleicht weil es zu dick oder sprachlich zu kompliziert ist, finden dann vielleicht Zugang über ein Hörbuch. Ich schließe da von mir auf andere.“
Julia Zange würde selbst sprechen
„Ich hatte schon kurz überlegt, meine Texte selbst einzusprechen.“ Eine gewisse Mikrofonerfahrung bringt sie mit, sie ist auch Schauspielerin. „Ich habe in einem Tatort mitgespielt und musste meine Rolle nachträglich synchronisieren.“ Ein Hörbuch einzusprechen wäre natürlich etwas anderes: „Weniger Emotion, aber über die Dauer deutlich mehr Aufmerksamkeit. Ich stelle mir das anstrengend und monoton vor, weil es anders als beim Film niemanden zum Anspielen gibt.“ Sie würde es trotzdem gerne mal machen. „Das muss gar nicht mein Buch sein, auch Stoffe von anderen wären toll.“ So hat Zange beschlossen: „Mein dritter Roman wird auf jeden Fall vertont. Und wenn ich das alleine mache. Man braucht ja heute keine großen Studios mehr, viele Leute haben gute Aufnahmemöglichkeiten zuhause mit einer eigenen kleiner Kabine. Ich weiß, dass viele warnen: Das wird nur professionell, wenn da ein großes Studio und ein Verlag dahinterstehen. Ich glaube das nicht.“ Veröffentlichen könne sie die Aufnahmen entweder als Podcast oder vielleicht bei Audible. „Ich würde meinen Verlag fragen, was sie denken, aber das dann in Eigenregie machen.“
Bitte nicht nur Audible!
Saskia Calden, Thrillerautorin aus der Nähe von München, hat mit Der stille Feind einen Hit im Selfpublishing gelandet: Über 30.000 Verkäufe seit Juli 2017, die meisten davon E-Books, aber auch eine beachtliche Zahl an Taschenbüchern. In den Kindle-Charts erreichte sie Rang 9, war vier Mal auf der Bestsellerliste von BILD. In dieser Zeit wäre fast eine Verlagsautorin aus ihr geworden. Denn sie bekam immer wieder Angebote, eines davon hatte auch die Umsetzung als Hörfassung vorgesehen. „Das Hörbuch war der Hauptgrund, warum ich über das Angebot wirklich lange nachgedacht habe“, so Calden. „Ein Manko wäre aber gewesen, dass mein Hörbuch nur bei einem einzigen Anbieter erschienen wäre.“ Bei Audible. Hintergrund: Audible gehört zu Amazon, und das Angebot kam von Amazon Publishing. „Die übrigen Konditionen konnten das Manko nicht kompensieren, also behalte ich vorerst lieber alles in meinen Händen.“ In Sachen Hörbuch heißt das, selbst auf die Suche zu gehen oder auch gefunden zu werden. „Ich wurde von einem kleinen Label angesprochen, wo ich mir sogar die Sprecherin aussuchen durfte. Das Label hat drei Vorschläge gemacht, und alle drei waren gut.“ So wird Der stille Feind nun also für die Ohren produziert und ist dann auf allen Plattformen erhältlich, die Downloads oder Streaming anbieten.
Es klingt nicht nach der Autorin
Dagmar Finger ist Autorin aus Gummersbach. Drei ihrer Geschichten wurden vertont. Zweimal waren es Wettbewerbe: einmal ein Aufruf eines Sprechers bei Facebook, einmal ein Radiosender aus Österreich, wo man Geschichten einreichen konnte. „Ich wurde in beiden Fällen ausgewählt, was mich sehr gefreut hat. Aber die Ergebnisse haben mich nicht überzeugt. Obwohl es Profisprecher waren, hörten sich die Geschichten einfach nicht mehr nach mir an.“ Es habe an Leben und Herz gefehlt. „Stimme und Ton passten überhaupt nicht zu dem, was ich geschrieben hatte.“ Auch wurden zu viele Betonungen anders gesetzt, als sie es sich gewünscht hätte. „Ein dritter Versuch entstand in meinem Auftrag: Ich heuerte einen Sprecher an, der ein Buch von mir für eine sehbehinderte Freundin einlesen sollte. Meine Freundin war zufrieden, aber für mehr als den privaten Gebrauch hat es in meinen Ohren nicht gereicht.“
„Der ursprüngliche Plan war, dass ich die drei Files zum Download anbiete und damit zusätzliche Aufmerksamkeit für meine Geschichten bekomme. Aber die Downloads hätten mir mehr geschadet als geholfen.“ Ihre Erfahrung: Es komme darauf an, dass man als Autorin einen sehr engen Kontakt zum Sprecher habe und Einfluss nehmen könne. „Vielleicht ist man sogar Regisseur und Autor in Personalunion. Wenn man loslässt und andere das eigene Werk umsetzen sollen, würde ich nur einem renommierten Verlag vertrauen.“ Im Übrigen lasse sie sich nicht entmutigen und werde einen vierten Versuch starten.
Drei Effekte für den Text
Ricarda Howe, Autorin aus Berlin, hat die ersten beiden Kapitel ihres Romans in einem Tonstudio eingelesen, noch während der Schreibphase. Die beiden Kapitel hätten etwa zwei Stunden Einlese-Zeit erfordert. Aufregend und anstrengend sei es gewesen. Denn viele Passagen galt es mehr als einmal zu wiederholen, bis sie zufrieden war. Hat sich der Aufwand gelohnt? „Unbedingt!“, meint Howe. Sie hat die Hörprobe per Newsletter an ihre Blog-Leser und -Leserinnen verschickt. „Ich glaube, die Leute sind grundsätzlich neugierig und klicken gerne Audiofiles an, um zu hören, woran man schreibt. Und sie geben auch gern Feedback, was wiederum motiviert.“ Spannend waren auch drei Effekte der Aufnahme auf ihren Text, erklärt Howe. Ein gängiger Schreibtipp sei, seinen Figuren individuelle Stimmen zu geben. Wo gehe das besser als im Tonstudio? „Hier hebt man seine Figuren aus dem Blatt heraus in eine neue Dimension. Sie bekommen echte, hörbare Stimmen.“ Das habe ihr einen ganz neuen Zugang zur Figurenarbeit eröffnet. „Wie etwas gesagt wird, schafft eine zusätzliche Bedeutungsebene. Ich musste mir als Autorin noch klarer werden, wer meine Figuren sind und was sie wollen.“ Der zweite Effekt: Man entlarve sehr schnell unechte Dialoge. „Schon während des Einlesens habe ich die Kapitel überarbeitet und glaube, dass die Dialoge dadurch viel besser geworden sind.“ Der dritte Effekt habe mit der Distanz zu tun, die entstehe, wenn man sich die fertige Audiodatei anhöre. „Meine eigene Stimme kam mir fremd vor. Ich habe plötzlich Schwachstellen im Text erkannt, aber auch richtig gute Passagen.“
Vierstellige Abrufe via Hörprobe
Julia K. Stein ist Jugendbuchautorin ohne Hörfassungen ihrer Bücher. „Aber ich habe eine Hörprobe für eines meiner Bücher gemacht. Sie läuft immerhin 20 Minuten. Die Hörprobe habe ich in meinen Blog eingebettet und tolles Feedback bekommen.“ Der entsprechende Artikel über das Erstellen von Podcasts und Hörbüchern ist tatsächlich einer der beliebtesten auf ihrem Blog überhaupt. „Und das, obwohl es ja schwerpunktmäßig ums Schreiben geht.“ Die Abrufe seien jeden Monat vierstellig. „Meine Leseprobe ist natürlich nur ein kleines Gimmick. Aber perfekt, um Menschen auf meine Mailingliste zu bringen und mit ihnen in Kontakt zu treten.“ Eine gute Stimme verbinde den Empfänger eines Textes noch einmal ganz anders mit dem Sender als das Geschriebene. Wem es gelinge, mit wenig Aufwand ein gutes Ergebnis zu erzielen, dem sage sie: warum nicht? „Allerdings solltest du auf kritische Testhörer zurückgreifen, nicht anders als bei einem Buch.“ Ein Hörbuch, wenn es selbst gemacht sei, brauche jemanden, der am Ende sagt: Ja, damit kannst du rausgehen. „Und das sollte nicht deine Mutter sein!“
Vom Comic zum Hörspiel
Auch aus Comics entstehen mitunter Hörbücher. Zählt hier auch der Verlaufserfolg der Vorlage? Autor und Comic-Zeichner Daniel Gramsch aus Berlin weiß, dass der Comic-Markt ohnehin sehr überschaubar ist. „Der große Superhelden-Boom in den Kinos macht zwar die Figuren von Marvel und DC bekannter, führt aber nicht zwangsläufig zu gigantischen Auflagensteigerungen.“
Dennoch kam ein kleiner Verlag auf die Idee, einige Comics von Daniel Gramsch zu Hörspielen zu machen. Zu Alina Fox, Meisterdiebin, lag eine ganze Reihe von Heften vor. Die wurden professionell vertont – mit bekannten Sprechern. Das wiederum habe das Interesse an den Comics gesteigert. „Im Internet lassen sich mittlerweile mehr Einträge für die Hörspiele finden als für die Comics“, staunt Daniel Gramsch. Mit direkten Verkaufszahlen könne er das zusätzliche Interesse allerdings nicht belegen.
An den Hörspielskripten hat Gramsch selbst mitgearbeitet: „Es war ausnehmend spannend, gemeinsam über die Storys nachzugrübeln, sich gegenseitig die Ideen zuzuwerfen, auch auf logische Fehler hinzuweisen, bessere Wege zu finden und zu entdecken, an welchen Stellen die Geschichten funktionieren.“ Auch und gerade der Unterschied zwischen dem visuellen Medium Comic und dem akustischen Hörspiel habe ihm ganz neue Betrachtungsweisen aufgezeigt: in Bezug auf Timing, Dialoge und Informationsverarbeitung.
Automatisch vertont: Kai Meyer
Zurück zum Roman als Vorlage für Hörbücher. Kai Meyer ist Autor von mehr als 50 Werken und hat zuletzt den zweiten Teil eines Weltraumabenteuers veröffentlicht: Die Krone der Sterne. Es ist – wie jedes seiner neueren Bücher – parallel als Lesung auf CD und zum Download herausgekommen. „Seit dem Jahr 2000 oder 2001 erscheinen immer automatisch auch Hörfassungen meiner Romane“, sagt Meyer. „Die Jahrtausendwende war auch für das Hörbuch eine Wende. Seitdem etablieren sich akustische Umsetzungen immer mehr.“ Zumindest für Bücher, die einen Bestseller-Status erahnen ließen. Auch einige seiner älteren Werke sind vertont, Die Alchimistin etwa und Die Geisterseher. Während die Nachzügler tendenziell als aufwendige Hörspiele erscheinen, handelt es sich bei den neueren Werken fast immer um reine Lesungen mit einem Sprecher. „Ich liebe Hörspiele, und früher hätte ich gesagt, dass ich sie einer Lesung vorziehe. Mittlerweile schätze ich aber Lesungen genauso.“ Er höre inzwischen sogar häufiger Lesungen als Hörspiele. Zum einen, weil immer mehr interessante Stoffe nur als Hörbuch erscheinen würden und zum anderen, weil für ihn der Inhalt einer Lesung eher der Vorlage entspreche. „Hörspiele sind Adaptionen wie Filme. Ich sehe sie eher als Bonus.“
Zögerlich trotz 20.000 verkauften CDs
Ein Bonus, für den er bei seinen eigenen Werken durchaus viel tut: „Wer kommt für eine Umsetzung in Frage? Ich suche da für ältere Bücher auch selbst nach Hörspielmachern. Das sind tendenziell allerdings immer weniger Verlage und Produzenten.“ Ein Beispiel: Das Wolkenvolk ist mit knapp 20.000 verkauften Exemplaren sein erfolgreichstes Hörspiel. Die üblichen Verkaufsahlen lägen bei ihm sonst eher im typischen vierstelligen Bereich. Trotz der hohen Verkaufszahlen habe der Hörverlag nach dem Wolkenvolk auf eine weitere Zusammenarbeit verzichtet. Kein Einzelfall, und nicht nur Meyer sei betroffen. Der Aufwand, ein Hörspiel zu produzieren, sei nun einmal groß –, somit auch das finanzielle Risiko des Verlags. Und: Viele Fans lehnten die bearbeiteten Neufassungen eines Hörspiels, erstellt von einem einem Dritten, eher ab. Sie wollten den originalen Wortlaut des Autors hören. „Ob mir das gefällt oder nicht, aber so höre ich es oft von meinen Lesern.“
Ein bis zwei Wochen Überarbeitungszeit
Wobei Kai Meyer selbst im Falle deutlich umgeschriebener Hörspiele in gewisser Weise ein Original bleibt: „Ich gehe über jedes Hörspielmanuskript und mache eine Unzahl Korrekturen.“ Redewendungen, die er seinen Charaktere nicht in den Mund gelegt hätte, oder auch einzelne Worte, die nicht in eine Rolle passten, würden von ihm gestrichen. „Ich investiere hier oft eine oder zwei Wochen Zeit, ohne dass ich dafür gesondert honoriert werde. Aber es steht mein Name auf dem Produkt, und ich weiß, dass jede Hörfassung wichtig ist, egal ob Lesung oder Hörspiel.“ Gerade in einer Hörspielfassung liege unter anderem die Chance zu langjähriger Fantreue. Denn damit kämen oft Kinder und Teenager das erste Mal mit seinen Stoffen in Berührung. Und je nach Fall halte die Begeisterung über die Jugend bis ins Erwachsenenalter an.
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Autor: Oliver Wenzlaff | Instagram: @thewenzlaff
Erschienen in: Federwelt, Heft 130, Juni 2018
Blogbild: Photo by Jason Rosewell on Unsplash
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