Sie sind hier

Suchformular

AutorInnen: Spielfiguren ihrer Agenten?

Federwelt
XYZ
Illustration zum Artikel "AutorInnen: Spielfiguren Ihrer Agenten?

AutorInnen: Spielfiguren ihrer Agenten?

Ein Informant packt aus, und Georg Simader, Inhaber der copywrite Literaturagentur, bezieht (teilweise) Stellung dazu

Ich schreibe undercover. Ich habe Angst, weil meine Geschichte im Agentenmilieu spielt. Da wird man schnell mal kalt gestellt. Und kriegt dann keinen Buchvertrag mehr. Das kann ich mir nicht leisten als freier Autor. Knapp zwanzig Bücher habe ich mittlerweile im Bereich Krimi und Jugendbuch veröffentlicht und lebe ganz gut davon. Damit das so bleibt, nenne ich die Namen der Agenturen nicht, die in diesem Text vorkommen. Sonst würden sie mich finden. Die wahre Macht geht heute von den Agenten und Agentinnen aus. Wir AutorInnen sind bloß noch Figuren, die „verdealt“ werden ...

Ich bin schon länger im Geschäft. So lang schon, dass ich mich gut an Zeiten erinnere, als kaum ein Autor, eine Autorin einen Agenten beschäftigte.

Als man unter KollegInnen noch darüber diskutierte, ob man überhaupt so einen Makler zum Verlag brauche, versuchte ich es ein, nein, drei Mal mit einer Agentur. Und scheiterte. Alle versprachen viel, hielten nichts und verkauften kein einziges Manuskript aus meiner Feder. Immerhin waren sie seriös.

Meine vierte Agentin hatte sehr gute Kontakte, sie war, wie die meisten AgentInnen, die ich noch kennenlernen sollte, früher in leitender Stellung in einem Verlag tätig gewesen. Ich hielt sie für die richtige Wahl, weil sie ständig auf Partys herumschwirrte. Ich hasse Smalltalk. Mir war aber klar, dass die großen Deals eben nicht tagsüber in Büros, sondern abends abgewickelt werden, wenn der Alkoholkonsum einen gewissen Pegel überschritten hat. Ob das später dazu führte, dass sie mein Honorar veruntreute? Ich bin der einzige, dem so etwas passiert ist – oder andere schweigen. Jedenfalls hat meine damalige Agentin mein Honorar, das wie üblich vom Verlag an sie überwiesen wurde, auf den Putz gehauen.

Woran aber nicht sie schuld war, sondern ich, wie ich schließlich erfuhr. Denn meine ehemalige Agentin sprach überall schlecht über mich. Behauptete gegenüber den Verlagen, sie habe sich von mir trennen müssen, da ich Ideen klauen und stümperhaft schreiben würde. Und außerdem hätte ich ihre Praktikantin angebaggert.

Da begriff ich zum ersten Mal, dass AgentInnen über große Macht verfügen. Sie sind die TürsteherInnen der Verlage. Sie bestimmen darüber, wer reinkommt. Und das sollte man in aller Ruhe und Breite verinnerlichen, bevor man sich bindet.

Der Verlagscode

„Wir veröffentlichen nur etwa ein Prozent der unaufgefordert eingesandten Manuskripte“, sagte mir neulich die Programmleiterin eines großen Verlagshauses. „Neunundneunzig Prozent bekommen wir von Agenturen angeboten.“

LektorInnen sind häufig überfordert. Sie haben in der Regel mehr Arbeit, als sie bewältigen können, und lesen am Wochenende im Akkord Manuskripte – aber nur diejenigen, die sie von Agenturen vorgeschlagen bekommen. AgentInnen selektieren. Sie sind, so sagen sie selbst, am Puls des Buchmarkts und der Lektorate. Sie wissen, was die Verlage suchen und schaffen es ran. Was heißt das für uns AutorInnen? Dass wir heute nicht mehr nur die Tür zum Verlag zu öffnen haben, sondern zwei: Erst musst du den Agentensafe knacken, dann den Verlagstresor. Und deine Agentin flüstert dir, dass sie den Code kennt. Ob das wirklich stimmt, merkst du erst viel später. Und manchmal ist es dann zu spät.

Vor fünf Jahren schloss ich einen Agenturvertrag bei einer sehr großen, sehr prominenten Agentur ab, die viele BestsellerautorInnen vertritt. „Jetzt hast du deine Schäfchen im Trockenen!“, urteilten KollegInnen. „Wer zu dieser Agentur gehört, dem werden die Manuskripte aus den Händen gerissen.“ Und es schien zu stimmen. Kaum schickte die Agentin ein Exposé von mir hinaus, flatterten die Angebote herein. Manche Verlage warfen innerhalb von Minuten nach dem Angebot ein paar tausend Euro in den Ring, lesen konnten sie später, das Buch musste gut sein, wenn diese Bestselleragentin es empfahl. Ich staunte. War dies das Geheimrezept? Angle dir eine Top-Agentur und ködere damit Top-Verlage?

Ich heirate meine Agentin

Ich stand kurz davor, meiner Agentin einen Heiratsantrag zu machen – denn zu allem Glück las sie meine Manuskripte auch noch! Ich war lang genug im Geschäft, um zu wissen, dass zahlreiche AgentInnen auch Manuskripte verkaufen wollen, die sie nur überflogen oder gar nicht gelesen haben. Aber meine Top-Agentin las. Allerdings beschränkten sich ihre Kommentare auf Lob wie „toll“, „großartig“, „wunderbar“. Auf inhaltliche Diskussionen ließ sie sich nicht ein. Wenn ich mal fragte, ob sie den Anfang meines aktuellen Jugendbuches als Prolog deklarieren würde, sagte sie, dass ich das entscheiden solle. Das gefiel mir. Mein Job die Buchstaben, ihrer die Zahlen und Paragraphen. Wenn ich ihr ein Exposé schickte, leitete sie es ohne Veränderungen an die Verlage weiter. Dann führte sie einige Telefonate, mailte mir im Lauf der nächsten acht bis vierzehn Tage stetig steigende Summen. Hin und wieder musste ich zwischen zwei Verlagen entscheiden, hierbei beriet sie mich, dann kam der Vertrag und schließlich das Geld, von dem sie fünfzehn Prozent einbehielt, was aber wegen der Höhe der Honorare gar nicht ins Gewicht fiel. Wenn ich mal ein Problem mit einem Verlag hatte, informierte ich sie, sie sagte zu, sich sofort zu kümmern. Das vermittelte mir ein gutes Gefühl. Ich atmete auf. Heute frage ich mich, was danach eigentlich geschah. Ob überhaupt etwas geschah. Denn gelöst hat sie eigentlich kein Problem, aber es war ein gutes Gefühl, es delegiert zu haben.

Wer zahlt, schafft an?

Alles lief blendend, bis ich ihr dieses eine Buch anbot, an dem mir wirklich lag. Es war alles andere als Mainstream, ein wichtiges Buch mit der Sprengkraft, eine gesellschaftliche Debatte anzustoßen. Anders als meine bisherigen Titel. Da zickte sie. „Das möchte ich nicht vertreten.“

Und dann unterlief ihr ein Fehler. Sie gewährte mir einen Blick in ihre Motive. Die Zeiten seien hart. Da könne sie es sich nicht leisten, ein Thema vorzuschlagen, das so verstörend sei. Schließlich vertraue man ihr. Sie müsse auf ihren Ruf achten. Dieser Titel passe nicht zum Image ihrer Agentur.

Da begriff ich endlich, dass eine Agentin nicht meine Anwältin ist, die für mich einsteht, weil ich sie bezahle. Eine Agentin steht zuerst und vor allem für sich ein. Und entweder ich passe in ihr Profil oder eben nicht. Ich überschlug ihren Stundenlohn. Bisschen loben, bisschen mailen, bisschen telefonieren, absahnen. Vielleicht sollte ich die Seiten wechseln? Zumal man nicht vergessen sollte, dass ICH die Agentin bezahlte. Davon profitierten die Verlage. Warum beteiligten sich die dann nicht an der Agentenprovision? Bei Maklern wurde das Gesetz geändert. Heute zahlt der Vermieter den Makler, den er beauftragt hat, nicht mehr der Mieter.

Ein Seitensprung

Neulich rief mich eine andere Agentin an. Sie suchte einen Ghostwriter für ein vielversprechendes Projekt. So etwas hatte ich noch nie gemacht. „Ich weiß, dass Sie genau der Richtige dafür sind“, lockte sie mich. Wir trafen uns zweimal zu zweit, einmal zu dritt mit dem Hauptautor, einem Politiker, dann begleitete sie mich zum Meeting im Verlag. Mein Exposé und später auch das Manuskript korrigierte sie kompetent und engagiert. Sie mailte und rief stets zeitnah zurück, auch am Wochenende war sie für mich zu sprechen. Diese Rundumbetreuung irritierte mich. Vertraute sie mir nicht? Wollte sie mich kontrollieren?

Als sie mich wieder einmal zu einem Lektoratstreffen begleitete, was ich als lästig empfand, sprach ich sie darauf an. „Aber das ist doch mein Job!“, rief sie. Ich erzählte ihr von meiner Bestselleragentin. „Und wofür hat die Dame ihr Honorar bekommen?“, fragte sie mich. Das fragte ich mich mittlerweile auch und deshalb fragte ich ein bisschen rum.

Georg Simader (www.copywrite.de): Es gibt verschiedene Agenturmodelle. Manche Agenten handeln lediglich die Verlagsverträge aus. Das dann auch oft sehr gut. Wir arbeiten in der Regel viel mit den Schriftstellern, die wir vertreten, sofern das gewünscht ist.

Das A und O einer ordentlich geführten Agentur muss sein, dass man herausfindet, was ein Autor wünscht – und ihn auch aufklärt über die Leistungen, die erbracht werden.

Bei uns ist es so: Wir bemühen uns, jeden Autor erst einmal einzuladen oder wir führen lange Vorgespräche. Wenn wir mit einem Autor, einer Autorin persönlich gar nicht klarkommen und/oder die Ansprüche nicht übereinstimmen, sehen wir von einem Agenturvertrag ab.

 

Agentin oder Diva?

Agenten sind, man muss es auch mal sagen, Menschen. Es gibt solche und solche. Und Diven. Die High Potentials. Die BestselleragentInnen. Manche von ihnen lesen, andere nicht. Manche arbeiten viel oder ein bisschen an Texten mit, andere nie. Manche schreiben sogar Exposés für ihre AutorInnen, andere verbessern oder geben Tipps. Einige wollen nichts von Textarbeit wissen. Ihr Job ist das Verkaufen und Verhandeln, nicht das Herstellen. Viele hängen sich richtig rein, andere gar nicht. Es gibt die Top-Agenturen mit angestellten MitarbeiterInnen und die One-Woman-, One-Man-Shows. Heute bin ich nicht mehr sicher, dass es so erstrebenswert ist, unter das Dach einer Top-Agentur zu schlüpfen. Da bist du einer von vielen, und es ist wie überall: Gebauchpinselt werden nur die BestsellerautorInnen, die kriegen den richtig guten Service, den roten Teppich. Der Rest läuft irgendwie so mit. Es geht mehr um das Sammeln großer Namen als um das Jagen für die Literatur*.

So wie in meiner Top-Agentur. Und das gefiel mir zunehmend weniger. Wenn ich schon damit leben musste, dass Verlage sich benahmen, als würden sie nicht Bücher, sondern irgendeine Ware verkaufen, Inhalt egal, Hauptsache weg wie warme Brötchen, wollte ich doch wenigstens in der Agentur an meiner Seite eine Gefährtin wissen. Sollte ich also nicht doch lieber zu einer kleineren wechseln, mit der ich enger zusammenarbeitete?

Georg Simader (www.copywrite.de):

* In unserer Agentur verhält es sich so wie in vielen anderen Agenturen und auch in nahezu allen Verlagen. Wir vertreten Autorinnen und Autoren, deren Bücher sich nicht sehr gut verkaufen – und solche, die finanziell in der ersten Liga spielen. Dabei gibt es zwei Gruppen von Autoren, die besonders betreuungsintensiv sind. Jene, die einen Bestseller nach dem anderen schreiben – da werden die Anforderungen von außen auch ganz andere. Welche Lesung lehnt der Autor ab? Mit welchem Presseorgan redet die Autorin besser nicht? Welche Fernsehsendung kommt infrage, welche nicht?

Ebenso betreuungsintensiv sind jene Autoren, bei denen die Auflage sinkt oder die sich, gerade von ihrem Debüt, mehr erhofft haben. Erst einmal ist das natürlich für viele Autorinnen eine persönliche Kränkung. Dann aber stellt sich die Frage: Wechselt man mit der Autorin vielleicht das Genre? Denkt man sich ein Pseudonym aus? Ist man bei einem anderen Verlag besser aufgehoben?

Problematisch wird es immer dann, wenn Autorinnen oder Autoren sich und ihre Fähigkeiten nicht richtig einschätzen können. Wenn sie glauben, sie seien der Nabel der Welt – aber in Wirklichkeit sind sie es nicht. Denn ihre Ideen, ihr Plot, ihre sprachlichen Fähigkeiten reichen nicht aus, um es an die Spitze zu schaffen. Hier heißt es: viel reden. Die richtigen Worte finden. Oder aber auch, den Autor ziehen lassen. Wir haben dieses Problem zum Glück selten.

Der Ehrlichkeit halber sei gesagt: Bestsellerautoren, die Hunderttausende von Euro verdienen, bekommen bisweilen mehr Aufmerksamkeit als ein Autor, für den wir gerade mal alle zwei Jahre einen Vertrag über 10.000 oder 15.000 Euro schließen. Doch auch das ist kein Gesetz. Es geht nicht immer nur ums Geld, es geht auch darum, wie wir das Schreibpotenzial einer Autorin einschätzen. Und natürlich gilt für uns, was auch für alle Verlage gilt: Es wird quer subventioniert. Ein auflagenschwacher Autor, der aber großartige Literatur schreibt, macht uns nicht reich, aber glücklich.

Lieber nur Projektverträge!

Als ich wieder einmal allein, ohne meine Top-Agentin, in einem Meeting im Verlag saß, entwickelte sich im Anschluss an unser eigentliches Besprechungsthema eine Diskussion. Auf einmal war eine Buchidee geboren, der Programmleiter wurde dazugeholt, das Projekt abgenickt, Exposé brauchte ich keines zu schreiben, ein Angebot würde folgen. Bestens gelaunt verabschiedeten wir uns – und da merkte ich, was ich in der Vergangenheit vermisst hatte: das Gefühl, selbst am Puls des Lektorats zu sitzen. Natürlich gibt es AutorInnen, die hören diesen Puls ab und beauftragen dann ihre Agenturen, die Angebote zu verhandeln. Doch für mich fühlte es sich in diesem Augenblick großartig an, dass ich wieder allein für mich sprach. Nicht nur in Worten, sondern auch in Zahlen. Ich fühlte mich freier, ich hatte alles in der Hand.

Warum sollte ich es nicht mal wieder auf eigene Faust versuchen? In weiser Voraussicht hatte ich mit meiner Agentin ausschließlich Projektverträge abgeschlossen, von Buch zu Buch. So konnte ich frei agieren.

Wir AutorInnen haben das „Buch“ in der Hand!

Ich würde mich niemals ganz in die Hand einer Agentur begeben, dazu habe ich zu viele Geschichten von KollegInnen gehört, die ständig ihren AgentInnen hinterhertelefonieren, um Feedback betteln und so weiter. Manche AgentInnen behandeln ihre AutorInnen wie lästige Bittsteller. Irgendwas stimmt hier nicht. AgentInnen und AutorInnen sollten ein Team sein. Die Realität sieht jedoch oft so aus, dass Verlage und AgentInnen ein Team sind. Und auf der anderen Seite stehen – wie immer allein – die AutorInnen, die nun zwei gegen sich haben. Ich weiß schon, alle sitzen in einem Boot, wir wollen den Erfolg gemeinsam und so weiter. Aber es fühlt sich eben manchmal anders für AutorInnen an, gerade wenn sie am Anfang ihres Weges stehen.

Georg Simader (www.copywrite.de): Warum sollte eine Agentur einen Autor ausbooten wollen, ihm das Gefühl geben, dass er das dritte Rad am zweirädrigen Karren ist? Ganz klar aber ist auch: Bei schwierigen Autoren reden wir schon mal hinter den Kulissen mit den Lektoren und Programmchefs. Die Frage dabei ist immer: Wie können wir die Autorin, den Autor glücklich machen? Nicht immer gelingt das. Einen Autor, der unzufrieden mit sich und der Welt ist, dem können auch wir nicht helfen.

Aber auch dann: Lasst euch nicht einlullen von AgentInnen! Gerade in der Werbungsphase überschlagen sich viele Agenturen mit Aufmerksamkeit und Kümmern und Versprechungen. Man hat das Gefühl, diese Agentur sei ein Lottosechser. Doch häufig lässt das Engagement im Lauf der Zeit stark nach. Und dann setzt die Agentur auf die Treue oder Faulheit ihrer Kunden. Never change a running system. Bloß: Es läuft ja nicht. Also kündigt einen Vertrag, wenn ihr nicht zufrieden seid! Ihr seid diejenigen, die das Sagen haben, ihr beschäftigt mit der Agentur einen Dienstleister, auch wenn er oder sie euch Honig um den Mund schmiert.

Georg Simader (www.copywrite.de): Eine seriöse Agentur arbeitet niemals mit falschen Versprechungen. Um ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern: Manchmal untertreibe ich sogar und versuche, meine Begeisterung zu zügeln. Wenn es dann sensationell läuft, freut sich die Autorin, der Autor doch umso mehr.

Darüber hinaus: Mit Abschluss des Verlagsvertrages fängt die Arbeit ja erst an. Es soll doch um langfristige Karriereplanung gehen. Was hat denn eine Agentur davon, wenn sie nur ihre 15 Prozent des Garantiehonorars einstreicht? Wir wollen ja gemeinsam mit der Autorin, dem Autor vorankommen. Und Problemlösungen stehen immer an: Bei den Erfolgreichen genauso wie bei den Erfolglosen.

Mit Agentur oder ohne?

Früher lautete die Frage: Musst du dich durch eine Agentur vertreten lassen oder geht es auch ohne? Heute geht ohne Agentur scheinbar gar nichts mehr. Ich habe mich unter KollegInnen umgehört und möchte deshalb dazu anregen, dies auch mal infrage zu stellen, zumindest was AutorInnen betrifft, die auf dem Buchmarkt etabliert sind.

Man darf das Pferd wechseln, wenn es lahmt! AutorInnen sind kein Sozialamt für AgentInnen. Verrückterweise glauben AutorInnen oft, sie müssten ihrer Agentur treu bleiben. Schließlich kennt die den Code zum Verlag. Tatsächlich? Ein Buchvertrag allein ist genau betrachtet gar nichts wert. Es kommt darauf an, ob das Buch besprochen, gekauft wird. Ob es sich auf dem hart umkämpften Markt durchsetzt. Und es gehört zum Job einer Agentur, hier mit anzuschieben. Die Arbeit ist nicht damit beendet, wenn das Buch an einen Verlag verkauft ist. Genau genommen fängt sie dann erst an.

Georg Simader (www.copywrite.de): Das alte Problem: Erst einmal ist ein Buchvertrag sehr viel wert. Wer kann schon von sich behaupten, dass er in einem (renommierten) Verlag veröffentlicht wird? Und dann: Wir sagen jedem Autor schon vorab, wie wir sein Schreib- und auch das Verkaufspotenzial einschätzen. So wissen zum Beispiel Autorinnen von sogenannten Regiokrimis, dass sie sehr selten überregional besprochen werden und sie ihre Bücher hauptsächlich in der Region absetzen. Zwei Beispiele: Einer unser stabilsten Midlist-Autoren, mit Auflagen um die 20.000 bis 25.000, dem vermittele ich sehr direkt, dass seine regional verorteten Kriminalromane wohl kaum über diese Marke von 25.000 verkauften Exemplaren kommen werden. Dem Verlag sage ich: „Ihr habt einen sehr stabilen Autor, der immer pünktlich abgibt, wann gibt es das schon? Also rückt gefälligst mal 3.000 oder 4.000 Euro Garantiehonorar mehr raus. Und seid auch sonst gut zu dem Mann!“

Anderes Beispiel: Eben rief mich eine Autorin an, überglücklich. Ihr neuer Roman (im neuen Verlag) ist in der Buchhandelsvorschau auf sechs Seiten beworben, zudem ist das Cover auf dem Titel der Vorschau abgebildet. „Und jetzt wird er sich hoffentlich auch noch bombig verkaufen“, meinte die Autorin. Ich dämpfte die Erwartungen. Ich sagte: „Du schreibst Literatur und nicht Unterhaltung, also werden per se deine Auflagen nicht so hoch sein können.“ Wir achten allerdings bei dieser Autorin darauf, dass die Pressearbeit ordentlich gemacht wird. Konkret: Hier setzt der Verlag eine private Presseagentur ein, die im Hauptverbreitungsgebiet der Bücher der Autorin tätig wird, dort mit den relevanten Presseorganen spricht und die Autorin vorstellt.

Letzte Woche sprach ich mit einer Autorin, die ebenfalls sechs Seiten in der Vorschau hat und den Spitzenplatz bekam. Diese Autorin allerdings verfasst massenkompatible Unterhaltungsromane. Da werden wir sehr genau prüfen, ob und wie der Verlag seine Versprechungen in Sachen Marketing umsetzt. Zugesichert wurde uns zum Beispiel Plakatwerbung in mehreren deutschen Großstädten – wir sind gespannt.

Ich appelliere, dass wir Forderungen an unsere AgentInnen stellen. Wie wäre es mit Arbeitsnachweisen? Was genau hast du für mich getan? Zeig mir die Verlagskorrespondenz. Mit wem hast du telefoniert? Wieso genau hat ein Verlag abgelehnt? Denn seltsamer- oder gar verständlicherweise machen viele Agenturen ein Geheimnis um ihre Tätigkeit. Und auch damit versuchen sie, AutorInnen in der Abhängigkeit zu halten. So etwas ist für mich heute ein Warnsignal.

Georg Simader (www.copywrite.de): Würde ein Autor mit der Forderung nach Arbeitsnachweisen zu uns kommen, würden wir die Zusammenarbeit beenden. Wenn Autorinnen einem Agenten nicht vertrauen, dann ist es vernünftig, zu einem anderen zu gehen. Was will denn der Autor noch? Telefonmitschnitte? Gesprächsaufzeichnungen von Zusammenkünften in der Agentur, in der wir Positionierungen und strategische Überlegungen besprechen? Wir sind doch, um eine befreundete Lektorin zu zitieren, keine servilen Autorennutten. Wir sind Partner, keine Befehlsempfänger. Selbstredend aber gilt: Über alle relevanten Dinge spricht man mit einem Autor, einer Autorin: Vorschauplatzierung, Covergestaltung, Vertriebs- und Marketingüberlegungen, Umstrukturierungen im Verlag – und natürlich auch über das Manuskript.

Leider scheint echte Partnerschaft selten und das Gefälle im Moment so auszusehen: Agentur oben, Autor unten. Deshalb wäre ein Erfahrungsaustausch unter KollegInnen wunderbar. Und da können wir uns auch mal an der eigenen Nase packen. Denn manche wollen ihre AgentInnen exklusiv für sich behalten und empfehlen nicht, sondern beißen die Konkurrenz weg. Aber was für den Arbeitskampf der Gewerkschaften gilt, gilt auch für uns: Solidarität bringt uns alle weiter! Wäre es nicht interessant zu erfahren, wie die Agentur heißt, die neulich in einem Vertrag den Paragraphen übersehen hat, der dem Autor finanziellen Schaden zufügte? Inwieweit ist eine Agentur haftbar? Muss sie Verträge von Anwälten prüfen lassen oder reicht ihr eigenes Feldwiesenwissen? Denn Anwälte würden ja Geld kosten. Investiert die Agentur oder kassiert sie nur?

Georg Simader (www.copywrite.de): Wir sprechen, sofern ein Autor das will, jeden einzelnen Passus eines Vertrages mit ihm durch, erklären ihm, wie wir die Sache sehen. Eine Autorin muss wissen, und darüber klären wir sie auch auf, dass Agenten keine Medienrechtsanwälte sind. Jene können, bei falscher Beratung, haftbar gemacht werden, kosten allerdings eine Stange Geld. Da der Autor den Vertrag selbst unterschreibt, stellt sich die Haftungsfrage meines Erachtens nicht. Aber klar ist: Als Autorin sollte man sich natürlich immer die Agentur ansehen. Sind „Greenhorns“ am Werk oder erfahrene Agenten? (Bei mir sind das 36 Jahre Erfahrung in der Branche, bei meiner Kollegin, die hier die Verträge prüft, mehr als 10 Jahre Erfahrung im Bereich Rechte und Lizenzen.)

Wir haben – wie viele andere Agenten auch – einen Standardvertrag entwickelt. Und der ist die Grundlage aller Verhandlungen mit den Verlagen.

 

Wer hat Lust, im Autorenwelt-Forum von seinen Agentur-Erfahrungen zu berichten? Auf besonders engagierte AgentInnen hinzuweisen? Hier der Forenbereich dafür: https://www.autorenwelt.de/foren/verlage-und-agenturen.

 

Ich meine, die Frage lautet nicht, ob ein Autor prinzipiell eine Agentur braucht oder nicht. Wir können das geschmeidiger angehen. Mal ja, mal nein. Und wir sollten solche Agenturen meiden, die nicht uns vertreten, sondern die Verlage. Denn, wie gesagt: Wer bezahlt die Agenturen? Es sind allein die AutorInnen, nicht die Verlage, die ja auch von deren Arbeit profitieren. Ich habe eine Pro-und-Kontra-Liste erstellt und beschäftige im Moment zwei AgentInnen. Mit beiden arbeite ich lediglich projektbezogen. Fünfzig Prozent meiner Ideen verkaufe ich selbst.

Pro Agentur

  • Ich kann mich auf das konzentrieren, was ich am liebsten mache: schreiben.
  • Meine Verträge werden sachkundig überprüft – Achtung: trotzdem selbst gründlich lesen!
  • Bei Problemen schicke ich die Agentin vor und behalte im Verlag meinen Ruf als unkomplizierter Autor.
  • Ich muss mich nicht ärgern, ich lasse mir die Kohlen von der Agentur aus dem Feuer holen.
  • Das Honorar ist höher.
  • Jemand achtet darauf, dass das Buch gut platziert wird, hat ein Auge auf die Nebenrechte, engagiert sich im günstigen Fall für die Verfilmung et cetera.
  • Die Agentin kann gute Tipps geben, was verlagsseitig gerade gesucht wird.
  • Der Agent kann auch von sich aus Aufträge vermitteln. Verlag X sucht ein Buch zum Thema Y.

Kontra Agentur

  • Mein Kontakt zum Verlag ist meistens auf ein bestimmtes Projekt bezogen, ich bin nicht so sehr an der Themensuche beteiligt.
  • Ich werde nicht besser, was finanzielle Verhandlungen betrifft.
  • Die Agentur kann mich betrügen und mein Honorar veruntreuen.
  • Ich bin gleich von zwei Partnern abhängig: vom Verlag und der Agentur.

 

Mein Fazit, mein Rat

Für Newcomer auf dem Buchmarkt ist eine engagierte Agentur Gold wert. Eine lahme Agentur kann den Durchbruch verzögern oder verhindern. Hör auf dein Bauchgefühl, ob die Beziehung zur Agentur gut ist. Überprüfe die Agentin, den Agenten wie jemanden, den du heiraten willst. Gib lieber frühzeitig den Laufpass, als jahrelang zu hoffen, dass es doch noch besser wird. Agenturen gibt es wahrscheinlich mehr als rundum glückliche machende Heiratskandidaten. Du findest bestimmt eine, die zu dir passt!

Autorin: XYZ
In: Federwelt, Heft 118, Juni 2016
Illustration: Carola Vogt und Peter Boerboom | http://www.boerboom-vogt.de/