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Autorenverbände, die EU-Urheberrechtsreform und die VG WORT

Branchen-News
Sandra Uschtrin
Bald wird über die EU-Urheberrechtsreform abgestimmt. Wie stehen die Autorenverbände dazu?

Bald wird über die EU-Urheberrechtsreform abgestimmt. Wie stehen die Autorenverbände dazu? Wie wird sich Artikel 12 auf die VG WORT und die Einnahmen der AutorInnen auswirken?

Am 27. März 2019 wird voraussichtlich über die EU-Urheberrechtsreform entschieden. Viele Autorenverbände sind dafür: der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) in ver.di, die Mörderischen Schwestern, das Syndikat, der PEN, der Verband Deutscher Drehbuchautoren, der Verband deutschsprachiger Übersetzer literarischer und wissenschaftlicher Werke (VdÜ) oder die Spiele-Autoren-Zunft. Gemeinsam mit rund 30 weiteren Verbänden haben sie sich in der Initiative Urheberrecht zusammengeschlossen. Diese vertritt die Interessen von rund 140.000 Urheberinnen und ausübenden Künstlern.
Und die Initiative Urheberrecht wiederum gehört zu den europaweit rund 230 Organisationen und Dachverbänden aus der Verlags- und Kreativbranche, die das Europäische Parlament dazu auffordern, für den Richtlinienentwurf zum »Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt« zu stimmen.

Viele Autorenverbände sind also für die EU-Urheberrechtsreform.

Beim relativ jungen Selfpublisher-Verband e.V. stößt die geplante EU-Urheberrechtsreform allerdings auf Widerstand. In einer Pressemeldung vom 10. März heißt es, der aktuelle Entwurf berge für Selfpublisher große Gefahren bis hin zur Existenzbedrohung. Begründet wird das mit den Worten:

»Unabhängige Autorinnen und Autoren veröffentlichen ihre Texte, Buchtrailer, Cover und Marketing-Materialien auf Plattformen, die Gegenstand der neuen Regulierung sind. Tritt die Reform in Kraft, haften die Plattform-Betreiber künftig für alle hochgeladenen Inhalte. In der Konsequenz werden voraussichtlich alle Dateien in Zukunft durch Upload-Filter geschleust werden, die technisch nicht zuverlässig arbeiten.

Als unabhängige Kreative ohne eigene Rechtsabteilung sind Selfpublisher folglich den privaten Filterbetreibern ausgeliefert. Bereits aktuell filtern einige Dienstleister Werke nach teilweise intransparenten Regeln aus und lehnen Veröffentlichungen ab. Für Autoren, die Monate oder gar Jahre an einem Werk gearbeitet haben, kann dies den wirtschaftlichen Ruin bedeuten. Die Erfahrung zeigt, dass Fehler in Filtersystemen nicht selten, sondern häufig auftreten. Darum lehnt der Selfpublisher-Verband es ab, solche Systeme zusätzlich zu legitimieren.«

In einem Schreiben vom 6. März an alle Abgeordneten des Europäischen Parlaments schreibt die Initiative Urheberrecht:
»Die Debatte über die Richtlinie hat leider seit geraumer Zeit die Ebene sachlicher Auseinandersetzung verlassen und ist zu einem Kampf „Urheberrecht gegen Internet“, „Alt gegen Jung“ oder „Gut gegen Böse“ geworden. Die „Bösen“ sind wir, die Kreativen und ihre Verbände und Verwertungsgesellschaften, die für die Zustimmung zum Trilog-Ergebnis werben. So einfach, wie die Gegner einer Zustimmung zum Trilog-Ergebnis es sich machen, ist die Sache aber nicht.
Wir reden über eine Urheberrechtsrichtlinie, nicht über den Untergang des Internets.«

Die Verwertungsgesellschaft WORT (VG WORT), die ebenfalls zu den Befürworterinnen der EU-Urheberrechtsreform gehört, schreibt auf ihrer Website:

„In der Diskussion zu Artikel 13 wird immer wieder das Argument vorgebracht, Uploadfilter seien die logische Konsequenz von Artikel 13, weil den von Artikel 13 betroffenen Plattformen eine Lizenzierung sämtlicher Inhalte in der Praxis nicht möglich sei und diese daher sämtliche Uploads filtern müssten. Dieser Kausalschluss ist gleich doppelt falsch.“ Und weiter: „Soweit sich von Artikel 13 betroffene Plattformen dennoch weiterhin auf den Standpunkt stellen, Uploadfilter seien für sie unvermeidbar, heißt das letztlich nichts anderes, als dass diese Plattformen nicht bereit sind, am Markt verfügbare kollektive Lizenzen zu erwerben. Lieber drohen sie damit, ihre Dienste zu reduzieren, als dass sie die Kreativen bezahlen.
Warum richtet sich bei dieser offensichtlich falschen Argumentation der Zorn der Nutzer eigentlich nicht gegen die Plattformen selbst, die ja anscheinend nicht bereit sind, Lizenzlösungen zu suchen? Nicht die Richtlinie ist das Problem, sondern Betreiber von Plattformen, die nicht bereit sind, ihre Geschäftsmodelle zu ändern und Kreative fair zu vergüten!“

Bei der Einschätzung der Situation helfe wie so oft die Frage: „Wem nützt es?“ Wird die EU-Urheberrechtsreform nicht umgesetzt, nütze das den großen Plattformen wie YouTube und Co. Diese seien nicht bereit, Geld an die Verwertungsgesellschaften und damit an die Kreativen zu zahlen. Daher deren massive Gegenwehr mit Kampagnen wie #SaveYourInternet, herbeigeführt von Youtube-CEO Susan Wojcicki.

Eine gerechte Vergütung der Kreativen ist wünschenswert. Vielleicht gelingt das mithilfe der EU-Urheberrechtsreform.

Artikel 12

Neben dem Artikel 13, der für so viel Unruhe sorgt, gibt es noch Artikel 12 (von insgesamt 24):

Ansprüche auf angemessene Entschädigung
Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass, wenn ein Urheber ein Recht an einen Verlag übertragen oder lizenziert hat, eine solche Übertragung oder Lizenz eine ausreichende Rechtsgrundlage darstellt, damit der Verlag Anspruch auf einen Teil der Vergütung für die Nutzung des Werks hat, die unter einer Ausnahme oder Einschränkung des übertragenen oder lizenzierten Rechts erfolgt.

Dazu sagt derzeit nur Wolfgang Tischer vom Literaturcafé etwas in seinem sehr lesenswerten Artikel. Denn der VS ist nach wie vor dafür, dass die Verlage künftig wieder mitverdienen an den Geldern, die die VG WORT einnimmt. Diese Praxis habe sich bewährt, wird immer wieder gebetsmühlenartig argumentiert. Bewährt besonders für die Verlage.

Mit Artikel 12 wird das sogenannte Vogel-Urteil quasi aufgehoben und die Uhr auf die Zeit davor zurückgedreht.

Keinen Verlagsanteil für Pseudoverlage und Druckdienstleister!

Nicht definiert wird in Artikel 12 der Begriff »Verlage«. Früher erhielten auch Pseudo-/Bezahlverlage, die gerne Mitglied im Börsenverein des Deutschen Buchhandels sind, sowie (Selfpublishing)-Druckdienstleister Gelder von der VG WORT. Gerade auch das empörte viele AutorInnen und nicht zuletzt Martin Vogel, der das BGH-Urteil erstritten hat. Diese Praxis, dass auch Nichtverlage an den VG-WORT-Einnahmen mitverdienen, könnte man nun endlich abschaffen. (Lediglich aufgrund ihrer ISBNs, die Druckdienstleister und Pseudoverlage den Büchern zuordneten, definierte man diese als »Verlage«.)

Verlagsanteil kräftig zurückstutzen

Und auch über die Höhe des Entschädigungsanteils ließe sich diskutieren. Warum im Bereich Wissenschaft Verlage vor dem Vogel-Urteil 50 (!) Prozent erhielten und im Bereich Belletristik 30 Prozent ist nicht ersichtlich. Warum den Prozentsatz für Verlage nicht in Zukunft an den Prozentsatz des Autorenhonorars koppeln und auf 5 bis 10 Prozent zurückschrauben?

VerlagsautorInnen sind in den letzten Jahren immer stärker in der Pflicht, sich über die sozialen Medien am Marketing zu beteiligen und vertun damit viel Zeit, die ihnen dann zum Schreiben fehlt und die ihnen nicht vergütet wird. Da wäre es nur fair, wenn die AutorInnen in Zukunft mehr vom VG-WORT-Kuchen abbekämen und die Verlage - wenn es denn schon sein muss - sehr viel weniger als früher.

Es lohnt sich darüber nachzudenken. Bei zu viel Starrsinn seitens der Verlage könnten Autorinnen/Selfpublisher sonst leicht auf die Idee kommen, sich zusammenzuschließen und ihre eigenen Verlage zu gründen.

Links
> https://www.vgwort.de/fileadmin/pdf/allgemeine_pdf/Aktuelle_Information_Lizenzen_vs._Uploadfilter.pdf
> https://urheber.info/
> https://www.article13.de/keine-dummen-fragen
> https://www.selfpublisher-verband.de/eu-urheberrechtsreform-stellungnahme/
> https://urheber.info/aktuelles/2019-03-06_ini-urheberrecht-dem-gesetzentwurf-zustimmen
> https://urheber.info/aktuelles/2019-03-11_230-organisationen-fordern-zustimmung-fuer-die-eu-richtlinie
> http://www.urheberrecht.org/topic/EU-Urheberrechtsreform/
> http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2014_2019/plmrep/COMMITTEES/JURI/DV/2019/02-26/Copyright-AnnextoCOREPERletter_EN.pdf
> https://www.literaturcafe.de/artikel-12-der-urheberrechtsreform-warum-buchautoren-kuenftig-weniger-verdienen-werden/
> https://www.literaturcafe.de/artikel-13-warum-autoren-die-urheberrechtsreform-bekaempfen-statt-bejubeln-sollten/
> https://www.autorenwelt.de/blog/branchen-news/vs-und-vdue-fuer-verlegerbeteiligung
> https://www.autorenwelt.de/blog/branchen-news/bgh-urteil-mit-reaktionen-der-protagonisten
> http://www.spiegel.de/politik/deutschland/eu-urheberrechtsreform-cdu-will-die-uploadfilter-beerdigen-a-1258124.html

Blogbild: Foto von Sara Kurfeß auf Unsplash