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    Beigetreten: 05.08.2016
    Zeitsprünge Präteritum/Präsens - geht das?

    Grundsätzlich schreibt man Belletristik ja im Präteritum, das wissen wir alle.
    Nur hatte und habe ich den Fall, daß ich dabei auch allgemeingültige Aussagen treffen will, die ich rein gefühlsmäßig im Präsens schreiben würde, weil sie ja eben immer gelten und nicht nur zum Zeitpunkt der Handlung.

    Hier ein Beispiel meines aktuellen Projektes:
    "Sie hörte nicht gerne Musik mit Kopfhörer, weil das die Stimmung verdarb und man manche Musik nur genießen kann, wenn man mitten in ihr steht."

    Hörte - verdarb - kann - steht

    Geht das? Die ersten beiden Verben müssen natürlich im Präteritum stehen, weil sie ja Teil der Handlung sind. Die zweiten beiden sind dagegen zeitunabhängige Verben; die Aussage gilt generell und über den Zeitpunkt der Handlung hinaus.

    Ich frage nur, weil ich selbst das so OK finde und mich auch beim Lesen daran nicht störe, aber schon mehrmals Rückmeldungen von Testlesern bekommen habe, die Probleme mit solchen Tempus-Sprüngen haben.

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      Beigetreten: 09.05.2014
      RE: Zeitsprünge Präteritum/Präsens - geht das?
      So, 04.03.2018 18:10

      Das Problem hatte ich auch öfters. Klare Antwort meiner Lektoren wäre: 

      "Sie hörte nicht gerne Musik mit Kopfhörer, weil das die Stimmung verdarb und man manche Musik nur genießen konnte, wenn man mitten in ihr stand."

      Trotzdem hatte ich in meinem letzen Buch (Krimi) als Stilmittel einen langen Absatz komplett in die Gegenwart versetzt, obwohl die Handlung in der Vergangenheit spielt. Ich hab damit die momentane Stimmung einer Person hervorgehoben. Aber das ist eine andere Sache.
       

       

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        Beigetreten: 16.07.2014
        RE: Zeitsprünge Präteritum/Präsens - geht das?
        Mo, 05.03.2018 06:42

        Grundsätzlich geht alles, wenn man es gut macht.

        Ich stehe solchen Zeitsprüngen kritisch gegenüber, eben weil sie mich persönlich auch aus dem Lesefluss reißen (bei einem gut aufgebauten Rückblick ist das was anderes).

        In meinen eigenen Werken versuche ich so etwas, so ich denn in der Vergangenheitsform schreibe, möglichst zu umgehen. Ich mag das Risiko nicht, meinen Leser durch etwas aus dem Fluss zu reißen, was ich so leicht hätte verhindern können.

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          Beigetreten: 17.04.2015
          RE: Zeitsprünge Präteritum/Präsens - geht das?
          Mo, 05.03.2018 10:20

          Was den Satz angeht: wie Gerd.

          Ich bin halt gegensätzlicher Meinung was die Sache mit den Kopfhörern angeht. :-P

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            Beigetreten: 17.06.2016
            RE: Zeitsprünge Präteritum/Präsens - geht das?
            Mo, 05.03.2018 11:32

            Ich persönlich mag solche Sprünge in die Gegenwart nicht, auch wenn man sie immer wieder liest. Sie stören irgendwie den Lesefluss. Würde es daher auch lieber so schreiben und lesen, wie Gerd vorgeschlagen hat.

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              Beigetreten: 14.03.2014
              RE: Zeitsprünge Präteritum/Präsens - geht das?
              Mo, 05.03.2018 17:57

              Zitat:
              Grundsätzlich schreibt man Belletristik ja im Präteritum, das wissen wir alle.

              Also ich weiß das nicht. ;)

              Davon abgesehen: Ich empfinde Gerds Version als stimmiger. Die Kombination mit der Gegenwart würde ich höchstens benutzen, wenn ein konkreter Erzähler (ein Ich oder jemand, der von Anfang an als Erzähler auftritt) es gewissermaßen "live spricht".

               

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                Beigetreten: 05.08.2016
                RE: Zeitsprünge Präteritum/Präsens - geht das?
                Mo, 05.03.2018 19:49

                Nunja... Offenbar muß ich mich da der Mehrheit beugen. Gerd, nichts gegen Dich, aber über Deine Version stolpere ich eher beim Lesen als bei meiner. Nämlich aus genau dem Grund, den ich eingangs beschrieben hatte: Es handelt sich im zweiten Teil des Satzes um eine allgemeingültige Aussage, die nichts mit der konkreten Handlung zu tun hat und in der Gegenwart genauso gilt wie in der erzählten Zeit.

                Aber gut, ich erkenne an, daß ich mit meiner Meinung offenbar ziemlich allein dastehe. Und weil ich mein Buch ja nicht (nur) für mich schreibe, sondern für diejenigen, die es lesen, sollte ich natürlich auch deren Bedürfnisse berücksichtigen.

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                  Beigetreten: 12.03.2014
                  RE: Zeitsprünge Präteritum/Präsens - geht das?
                  Mi, 07.03.2018 09:05

                  Lieber Raphael,

                  ich gebe zu, auch eher zu Gerds Einschätzung zu tendieren. Dein Argument mit der Allgemeingültigkeit kann ich aber auch nachvollziehen (wenngleich ich, was den Genuss der Musik über Kopfhörer angeht, anderer Meinung bin) und halte Ulrikes Vorschlag mit der "Live-Rede" für einen praktikablen Weg. Wechsel in der Zeit, noch dazu in ein und demselben Satz, halte ich für schwierig. Auch mich hat es erstmal aus dem "Lesefluss" herausgeholt, um darüber nachdenken zu können, warum der Autor hier wohl die Zeit wechselt. Das mag aber daran liegen, dass man als Autor Texte anders liest. Ein rein konsumierender Leser mag das tolerieren, ich kann mir ein gewisses Quäntchen Analyse nie verkneifen.

                  Liebe Grüße
                  Dirk

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                    Beigetreten: 09.05.2014
                    RE: Zeitsprünge Präteritum/Präsens - geht das?
                    Do, 08.03.2018 08:51

                    ... abgesehen vom Stilbruch (meiner Ansicht nach) führen die Zeitsprünge zu riesigen Probleme, weil sie ständig passieren würden und oft nicht eindeutig sind. Ich versuch mal ein Beispiel:

                    ​Der Mann lief durch die Krämerstraße. Hier sind die Buchhandlung XY und mehrere Modegeschäfte.

                    ​Frage ist, ob sie wirklich noch da sind. Als der Mann dort lief, waren sie ganz sicher noch da.

                    immer richtig wäre dagegen:
                    ​Der Mann lief durch die Krämerstraße. Hier waren die Buchhandlung XY und mehrere Modegeschäfte.

                    Dass sie zum Zeitpunkt der Handlung dort waren, schließt ja nicht aus, dass sie jetzt nicht mehr da sind.

                     

                    ​Wenn man die Handlung an einem realen Ort spielen läßt, hätte man ständig dieses Probleme. Aber auch jede Menge ähnlicher.
                    ​Z.B.:

                    ​John war bettelarm. Aber er hatte Glück. Er bekam jeden Monat einen Dollar von Bill Gates. Gates ist der reichste Mann der Welt.

                    ​Das stimmte, als der Autor diesen Satz schrieb. Nach der Veröffentlichung stimmte er nicht mehr. Der reichste Mann war da schon Jeff Bezos, und der Leser wundert sich. Hält das vielleicht sogar für einen Fehler.
                    ​Fast nichts ist unveränderlich. Selbst wenn der Zeitenwechsel manchmal nicht so deutlich auffällt, so sollte man ihn schon wegen einer einheitlichen Schreibweise nicht benutzen.

                     

                     

                     

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                      Beigetreten: 05.08.2016
                      RE: Zeitsprünge Präteritum/Präsens - geht das?
                      So, 11.03.2018 11:51

                      Ich danke euch für die Rückmeldung und gebe mich geschlagen. Dann werde ich mein aktuelles Buch mal entsprechend umschreiben, auch, wenn's mir schwerfällt. Aber es mag durchaus sein, daß sich meine eigene Wahrnehmung deutlich von der von anderen unterscheidet.

                      Wo wir aber gerade so schön bei Zeiten sind: Wie haltet ihr es mit Vorgängen, die - aus Sicht der Vergangenheit - in der Zukunft stattfinden oder stattfinden würden? Also eine Art Konjunktiv aus Präteritum-Perspektive? Dazu ein Beispiel:

                      "Im Radio hatten die Zwei-Uhr-Nachrichten begonnen. Sie würden sich von denen, die vor einer Stunde kamen, nicht groß unterscheiden. Jedenfalls vermutete Andreas das, ohne den Nachrichten vor einer Stunde zugehört zu haben."

                      Korrekt müßte es eigentlich lauten: "Sie würden sich von denen [...] nicht groß unterschieden haben." Das wäre grammatikalisch zwar korrekt, aber ist sprachlich nicht mehr schön. Meine Priorität beim Schreiben liegt auf Verständlichkeit und Praktikabilität, nicht so sehr auf 100%ig korrekte Grammatik-Konstruktionen.

                      Wie haltet ihr es mit Zukünften, die in der Vergangenheit als Zukunft beschrieben werden?

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                        Beigetreten: 09.05.2014
                        RE: Zeitsprünge Präteritum/Präsens - geht das?
                        So, 11.03.2018 14:33

                        Eindeutig die erste Variante.

                        Ehrlich gesagt, finde ich die zweite Formulierung unlogisch (und deshalb auch grammatikalisch falsch), da sowohl die (vollständigen) Nachrichten als auch die Unterscheidung in der Zukunft liegen. Hier gibt es also gar keinen Zeitsprung. Und die Unterscheidung setzt bereits nach dem ersten veränderten Wort sein, ist also ein laufender Prozess in der Zukunft.
                        ​Ein ganz heißer Tipp, Raphael: Verlass Dich einfach auf Dein Sprachgefühl. Vermutlich hast Du dann viele Probleme gar nicht erst.