»Mein Handtuch ist nass geworden«, ärgert sich Jenny als wir zu Dritt in das Holzboot klettern, das uns nach Mitternacht auf das offene schwarz schimmernde Meer, vor der Küste der kambodschanischen Insel Rhong Samloem im Golf von Thailand, schippert. »Halb so schlimm. Wir sind eh die ganze Zeit im Wasser«, lacht Marc und freut sich, dass wir unseren letzten gemeinsamen Abend vor seiner Abreise sprichtwörtlich mit einem Highlight beenden. »Hat einer von euch das Phänomen schon live gesehen?« Wir verneinen beide.
Keine zehn Minuten später, und in Sichtweite zu unserer gerade mal vierundzwanzig Quadratkilometer kleinen Insel, setzt unser Bootsmann den Anker. Der Mond leuchtet kreisrund silbern am nachtschwarzen Firmament, inmitten unzähliger funkelnder Sterne. Nirgends künstliche Lichtquellen. Was für ein himmlisches Geschenk in unserer schnelllebigen Zeit. Im edelsten Silbergewand strahlen die Himmelsbewohner um die Wette, wissend, dass unendlicher Reichtum nicht im Geld, sondern im geordneten Chaos kosmischer Gesetze liegt.
»Alle Mann von Bord«, lautet die Aufforderung von Bug, gefolgt vom Plitsch-Platsch der Schwimmflossen. Die kleine Bordlampe erlischt. Es ist stockfinster. Vertrauensvoll springe ich ins lauwarme Nass der Wellen, nehme einen tiefen Atemzug und tauche mit Maske und Schnorchel ins Unterwasserreich der Sterne ab: Jeder Schwimmzug erhellt sogleich die Dunkelheit. Abertausende kleine Wassertänzer, in der Größe eines Stecknadelkopfes, bringen das Meer zum Leuchten, das so schwarz wie der Himmel selbst ist. Schwebendleicht tanzt das Wasserballett aus fluoreszierendem Plankton zu einer sphärischen Melodie, die wir nicht hören, aber spüren und sehen. Das Ensemble dreht seine kunstfertigen Pirouetten im Takt des Universums und die wohl klangvollste Symphonie aus Licht ertönt gefühlvoll, aber stumm.
Ich fühle mich eins mit dem Kosmos. Verträumt tauche ich durch die salzige Milchtraße. Es scheint als habe der Himmel seinen Zwilling zur Erde gesendet. Als ich auftauche, um Luft zu nehmen, belohnen mich meine Meeres-Freunde mit einem Kleid aus schillernden weißen Lichtpunkten, das sich maßgeschneidert um meine Silhouette legt. In Rückenlage atme ich die feuchte Luft ein. Heute tanze ich mit dem Universum zu jener Musik, die nur für die Augen und Seele bestimmt ist.
Im Schwebezustand lasse ich mich durch die Milchstraße treiben. Die Erdanziehung hat seine Wirkung auf mich verloren. Ich werde zur Sternenwandererin, zur Traumtänzerin, zur Besucherin eines stummen Orchesters. Ein Meisterwerk unter der visuellen Leitung von Mutter Natur. Inszeniert vom Strom der Wellen. Beleuchtet durch das Strahlen des Mondes unter der dramaturgischen Arbeit einer kristallklaren Nacht. Bühne und Kostüm liegen in der Verantwortung der Gezeiten.
Wer oder was die Uraufführung einst inszenierte? Gott? Ich weiß es nicht. Aber ich dankbar für diese unvergesslich magische Aufführung.