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3 Fragen an Florian Tietgen

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Florian Tietgen ist Selfpublisher und engagiert sich in der Autorenvereinigung Qindie. 

1. Was bedeutet Qualität im Selfpublishing?

Ich finde, man sollte Qualität nicht nach Selfpublishing und Verlagsveröffentlichung unterscheiden. Der Anspruch sollte immer das bestmögliche Buch sein. Natürlich lässt der finanzielle Hintergrund eines Verlags andere Herangehensweisen zu, aber ein paar Kriterien sollte ein qualitativ gutes Buch immer erfüllen:
Es sollte lektoriert und korrigiert sein, möglichst von unterschiedlichen Menschen. 
Es sollte in der äußeren Gestaltung stimmen: Cover, Layout, Satz.
Es sollte ordentlich recherchiert sein.
Das sind alles zunächst sehr oberflächliche Kriterien, die nichts über Inhalte aussagen. Aber es sind die Dinge, die während des Lesens ins Auge fallen und stören. Die Diskussion um Qualität wird im Grunde überflüssig, wenn sie als Standard etabliert ist. Und die tieferen Kriterien wie Satzbau, Erzählkunst, Sprachmelodie, Längen, Logikprobleme und weitere werden von den Lektoren bedient.

2. Wie lässt sich Qualität im Selfpublishing erzielen? Was ist dabei wichtig?

Die Antwort liest sich immer wie ein Appell gegen Schwarzarbeit und im Grunde ist sie es auch. Facharbeiten von Fachleuten machen lassen. Natürlich ist es teuer und natürlich ist genau das für viele extrem ärgerlich, vielleicht sogar für die Leser. 
Jetzt gibt es endlich die Unabhängigkeit von den "ahnungslosen" LektorInnen, die "nur die Feuilletons bedienen". Jetzt gibt es endlich die Möglichkeit, Geschichten selbst herauszugeben, den Traum "Schriftsteller" zu sein zu verwirklichen, aber wieder ist es nur für die Reichen, die es sich leisten können? Gerade deshalb ist Vernetzung so wichtig. Netzwerke helfen nicht nur, sich und sein Werk bekannter zu machen, sie können auch helfen, Facharbeiter zu finden, die individuelle und günstige Konditionen anbieten können. Aus diesem Grund engagiere ich mich bei Qindie. Es geht darum, über ein Netzwerk Wissen, Erfahrung und Fertigkeiten zu bündeln und Qualität so auch für den unabhängigen Autor/Autorin bezahlbar zu machen. Wichtig ist auch, sich mit Hinweisen auseinanderzusetzen. Wenn SelfpublisherIn und VerlagsautorIn etwas unterscheidet, dann der Umstand, dass der eine direkter Kunde der Fachleute ist, der andere nur indirekter. Bei uns AutorInnen muss sich die Einsicht durchsetzen, dass man niemanden bezahlt, damit er einem nach dem Mund redet, sondern genau dafür, dass er das nicht tut.

3. Ist es wichtig, als SelfpublisherIn seine Bücher auch in der regionalen Buchhandlung unterzubringen und wie schafft man das?

Das kommt meines Erachtens darauf an, was man schreibt. Facharbeiten zu bestimmten Themen werden eher im Internet gesucht, für genrespezifische Unterhaltungsliteratur wie ChickLit, Krimis, Thriller halte ich es auch nicht für notwendig. Da gibt es in den Versandbuchhandlungen eine breite Kundschaft. Aber sicher schadet der regionale Buchhandel nicht. Vor allem der Buchhandel der Region, in der der/die AutorIn lebt oder das Buch spielt. Da kann es sich für den/die AutorIn schon bezahlt machen, die Buchläden seiner Umgebung selbst abzuklappern und zu beliefern. Rein erzählende Literatur und sogenannte Feuilletonliteratur braucht Buchhandlungen. Selbst weltweit übersetzte Bücher finden oft im Versandhandel oder bei Amazon kaum statt, in den sozialen Netzwerken fast gar nicht. In diesem Bereich sind die Parallelwelten von Verlags- und Selfpublishing-AutorInnen am meisten zu spüren, weil es noch keinen Weg gibt, der über die Grossisten in den regionalen Buchhandel, dessen Vorbestellungslisten und dessen Ausstellungstische gibt.

Auch hier könnte ein Weg über Netzwerke wie Qindie entstehen, wenn - da sind wir wieder bei der Qualität - sich Bücher von SelfpublisherInnen und Verlagen in Gestaltung und Rechtschreibung, in Satz und Satzbau, in Cover, Klappentext und inhaltlicher Stimmigkeit kaum mehr unterscheiden.

Bonusfrage: Welches Buch lesen Sie selbst gerade und wie gefällt es Ihnen?

Ich lese gerade »Geliebter Täter« von Gisela Heidenreich, bin aber noch sehr am Anfang und kann gar nichts dazu sagen, wie es mir gefällt. Davor habe ich »Ein russischer Roman« von Meir Schalev gelesen und war hellauf begeistert von Ideenreichtum, Sprachmelodie und Stimmigkeit.

Links: www.floriantietgen.de und www.qindie.de