Hallo!
Das hier ist ein kleiner Rant geworden und entsprechend lang, dafür entschuldige ich mich im Voraus. Ein paar Fragen finden sich aber dennoch im Text, vielleicht hat ja jemand etwas dazu zu sagen.
Ich ergründe gerade die Möglichkeiten, ein Roman-Manuskript bei einem Verlag zu veröffentlichen, und bin auf die Option gestoßen, sich von einem Literatur-Agenten vertreten zu lassen. Grundsätzlich kann ich mich also sowohl an einen passenden Verlag als auch an einen passenden Agenten wenden.
Aus unergründlichen Motiven heraus erwarten aber die verschiedenen Empfänger auch zum Teil sehr verschiedene Formen der Kontaktaufnahme. Einiges ist bei allen Verlagen und Agenturen gleich; ich will hier nur mal die – geradezu frustrierende – Fülle an Unterschieden im jeweils Geforderten aufzählen.
- Papier oder E-Mail
Die meisten Empfänger wollen E-Mails mit Anhängen. Einige aber nennen nur eine Post-Anschrift, wo dann einige Dutzend Seiten Papier hingeschickt werden sollen. Sicher, machbar. Aber wozu? Heizen manche Verlage noch mit Papier? - Länge der Inhaltsangabe
Ich habe schon "Pitches" (zwei bis drei Zeilen), eine "Viertelseite", eine "halbe Seite", "bis zu einer Seite", "zwei bis drei Seiten" und "etwa vier Seiten" gefordert gesehen.
Sicher ist es eine gute Fingerübung, seinen Plot noch einmal in sechs verschiedenen Längen zusammenzufassen. Das gibt einem den richtigen Überblick, was man da eigentlich geschrieben hat. - Charakterisierung der Protagonisten
Manch einer will sie, dann aber sicher wieder in verschiedenen Längen ("drei Zeilen", "halbe Seite"). Die meisten erwähnen sie nicht. - Weltenaufbau
Habe ich auch schon gefordert gesehen (F/SF). Aber selten. - Vita
Meist wird von einer Kurz-Vita gesprochen. Manchmal wird erwähnt, dass nur Veröffentlichungen gemeint sind (aha? Mein Leben reduziert auf meine Schriftstellerei?), aber natürlich wieder nicht immer. - Leseprobe
Natürlich, die muss sein, das versteht jeder. Aber warum muss sie in der geforderten Länge derart schwanken? Ich sah schon alles Mögliche von 20 bis 50 Seiten, teilweise auch angegeben in Kapitelanzahlen. Was mach ich jetzt, wenn nach 20 Seiten mein Text keinen sinnvollen Abschneidepunkt aufweist? - Dateiformate
Viele wollen PDF. Aber natürlich wieder nicht alle. Einige verlangen explizit das von Microsoft benutzte proprietäre Word-Format, das sich natürlich großer Beliebtheit und Verbreitung erfreut. Einige wollten sogar, dass man ihre .doc-Datei als Vorlage verwendet, ausfüllt und zurückschickt. Muss das sein? Bin ich Autor oder Behördengänger, der sein Formular 27B/6 noch braucht? - Genres
Sehr oft liest man, man möge sich bitte informieren, ob das Manuskript zum Verlag/zur Agentur passe. Natürlich, ich gehe ja auch nicht zum Bäcker und suche da nach einer neuen Badewanne. Aber dann wird bei den betreuten Themen das Universalgenre "Belletristik" genannt, einschränkungslos. (Oft mit so lustigen Formulierungen wie "eigentlich nur X, Y und Z, aber wenn das Werk der Hammer ist, ist das Genre auch egal". Tja, nur wie kriegt der Lektor die Qualität mit, wenn er Reisebeschreibungen sofort auf den Ablehnenstapel legt, weil er sich dafür gar nicht zuständig fühlt?)
Also schaut man sich die veröffentlichten Bücher an. Und scrollt und scrollt und scrollt. Ist das erhoffte Genre ohnehin nur für 5% Marktanteil der gesamten Belletristik (https://de.wikipedia.org/wiki/Belletristik#Marktsegment_Belletristik) verantwortlich, kann man nach 50 betrachteten Büchern ohne Treffer immerhin zu fast 94% sicher sein (sofern man die Formel kennt), dass das gesuchte Genre nicht zum Programm passt. Oder gerade halt nicht en vogue ist. Oder immer nur im Herbstquartal dran ist. Oder einfach nur selten angeboten wird.
Können die Damen und Herren nicht einfach eine Liste der von ihnen gesuchten Genres einstellen?
All diese netten Unterschiede bewirken jetzt, dass ich mein Werk (und mich) nicht mehr in einer Form vorstellen kann, die ich selbst für besonders passend erachte, sondern einem Schema entsprechen muss, das vielleicht besonders ungeeignet ist. Ich kann verstehen, wenn ein Lektor meint, er möchte Inhaltsangaben, die immer eine Seite lang sind. So kann er vermutlich seine Arbeit besser planen. Aber für mich ist das ein Zeichen von geringer Wertschätzung oder einem extrem kleinen Betätigungsfeld. Man wählt ein Gemälde ja auch nicht nach seinen Maßen aus.
Zudem bedeutet es natürlich einen erheblichen Aufwand, den jeweiligen Vorlieben der Empfänger zu entsprechen. Ist eine Charakterisierung der Protagonisten enthalten, muss das in der Inhaltsangabe nicht mehr drin sein. Die Varianten multiplizieren sich schnell. Meine Hauptaufgabe als Autor sollte aber doch eigentlich etwas anderes sein, als Zusammenfassungen jeglicher Länge zu erzeugen, von Freunden checken zu lassen, umzustellen, zu verbessern, neu zu schreiben, … Man verbraucht auch seine Beta-Leser ab einem bestimmten Punkt. Ich frag schon keinen mehr.
Wer das schon gemacht und dabei geahnt hat, dass er nur eine einzige Gelegenheit hat, einen ersten Eindruck zu erwecken, der weiß auch, wie viel Zeit in diesen Teil der Arbeit fließen kann. Ich bin jetzt seit Wochen kaum noch zum eigentlichen Schreiben gekommen, weil das ganze Drumherum um die Vorstellung des Werkes (Recherche, Exposé-Varianten usw.) meine dürftigen Ressourcen aufzehrt.
Dann, Agenturen im Speziellen
- Exklusivität
Ich verstehe die Leute ja, sie wollen keine nutzlose Arbeit machen, und sechs Wochen nach Empfang ein Exposé anschauen, das schon vor vier Wochen bei der Konkurrenz positiv beschieden und vor zwei Wochen zu einem Vertrag geführt hat, ist eben relativ nutzlos. Ich finde es natürlich auch ärgerlich, wenn man als Autor keine etablierte Möglichkeit hat, ein Angebot wieder zurückzuziehen, weil man es in der Zwischenzeit schon anderweitig vergeben hat.
Aber muss man als Agentur deshalb wirklich Exklusivität des Angebots verlangen? Nicht falsch verstehen – wenn das Werk schon bei 20 Verlagen abgelehnt worden ist, sollte die Agentur das wissen. Dazu später noch mehr. Hier meine ich nur, dass verlangt wird, die Konkurrenz außen vor zu lassen. (Hin und wieder übrigens verpackt in Formulierungen der Art "Lassen Sie es uns wissen, wenn sie auch andere Agenturen angeschrieben haben.")
Die Exklusivität des Angebots einzufordern ist etwas ziemlich Unverschämtes. Diese Forderung ist nur aus der Position der Stärke der Agentur heraus zu verstehen. Man stelle sich vor, ein Arbeitsuchender dürfe nur einem potenziellen Arbeitgeber gleichzeitig eine Bewerbung schicken. Es bedeutet aus meiner Sicht als Autor, dass ich die Agenturen sequenziell anschreiben muss und jedes Mal auf eine Absage warten muss, die oft auch noch – oh, das ist mein nächster Punkt. - Absage per Wartezeit
Viele Agenturen schreiben allen Ernstes, wenn eine bestimmte Zeit verstrichen sei, sei das als Absage zu werten. Eine explizite Absage (E-Mail) sei nicht zu leisten(!) aufgrund der Masse. Wir reden hier auch nicht davon, ein paar Tage oder eine Woche warten zu müssen, sondern oft von mehreren Monaten. Ich kann also bei Dutzenden von möglichen Agenturen Jahre damit verbringen, Absagen nicht zu erhalten, sondern aus der Länge des Schweigens zu deduzieren.
Wie lange dauert es, eine E-Mail mit einem Textbaustein zu verschicken? Ich tippe mal auf eine Minute, wenn man das routiniert macht. Es sind nur ein paar Klicks, um auf eine E-Mail mit Template zu antworten. Und es geht nur darum, dem Autor zu sagen, dass die Exklusivität nicht mehr gilt, dass er zur nächsten Agentur ziehen kann.
Okay, die Lektor*innen haben also die Minute nicht, da sie dann entsprechend weniger Angebote durchschauen können, und das ist ihre Hauptaufgabe, denn nur über die gefundenen Nuggets finanziert sich die Agentur.
Da kommt in mir die Frage hoch, wie lange sich die Leute denn jedes Angebot überhaupt anschauen, wenn ein paar Klicks so sehr ins Gewicht fallen. Absagen verschicken kann ja im Übrigen auch ein Praktikant, dafür braucht man kein Fachwissen. Stapel durchsehen, E-Mails schicken.
Ich weiß schon, dass die Agenturen nichts direkt davon haben, wenn sie diese Minute investieren. So wie ein Autor auch nichts direkt davon hat, wenn er sich an die Forderung hält, das Angebot nicht zeitgleich auch noch anderen zu unterbreiten.
Nur indirekt haben beide Seiten etwas davon, wenn sie sich mit Respekt behandeln. Es ist eine Frage des Anstandes, der langfristig eben doch das Zusammenleben verbessert.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich noch nicht klar sehe, wie meine Strategie als Einsteiger sein sollte.
Agenturen wollen nur Angebote, die noch kein Verlag (oder möglichst wenige) abgelehnt hat. Daher liegt nahe, erst einmal alle Agenturen abzuklappern, und wenn sich da keine findet, die Verlage im Anschluss (denn ein Verlag sollte kein Problem damit haben, dass Agenturen kein Interesse hatten).
Dem steht aber das eigentümliche Verhalten der Agenturen entgegen, die oben genannte Absage per Wartezeit und die Exklusivität.
Zudem lese ich hier (und anderswo) vermehrt, dass die Zusammenarbeit mit einer Agentur nicht unbedingt ein Zuckerschlecken ist, oft geprägt von langen Wartezeiten und Vernachlässigungsgefühlen. Wie ist es, wenn ich einen Vertrag mit einem Agenten habe und dann das Gefühl habe, da passiert nichts? Kann ich ihm das Mandat wieder entziehen? Mir einen anderen suchen? Oder sind ich und mein Werk dann womöglich an jemanden gekettet, der es in der Schublade verrotten lässt?
Muss ich davon ausgehen, dass mein Agent eine weitere Schicht ist, die mein Werk in den (von mir akzeptierten, sonst wäre ich ja nicht auf diesem Pfad) kommerziellen Mainstream pressen will? Wird es so sein, dass erst mein Agent mein Werk verändert, dann einen Verlag gewinnen kann und dann der Verlag das noch einmal tut? Wenn das das zu Erwartende ist, kann man argumentieren, dass beide Schritte das Werk ja verbessern sollen. Aber ich habe den Verdacht, dass dann auch eine Menge Hin und Her zu erwarten ist. Die Metapher der Vielen Köche drängt sich mir auf.
Oder ist nach der Einflussnahme des Agenten in der Regel Schluss (weil dann üblicherweise alle Schwächen ausgemerzt sind) und Verlage übernehmen das Werk so, wie es ist?
Oder schätze ich Agenten da grundsätzlich falsch ein, nehmen die ein Werk eher so, wie es ist, und legen es Verlagen ans Herz, auf dass diese die Schwächen bearbeiten?