Sonstiges

Jeder Tag bringt ein paar neue Ideen.
Viele Wege führen von Flensburg nach Rendsburg – und zurück
Heute musste es einfach sein. Ich wollte schon immer mal mit dem Fahrrad (echtes Fahrrad ohne E-Motor) nach Rendsburg radeln. Es herrschten optimale Wetterbedingungen ohne Wind und Regen, und ich war noch in guter Sommerkondition mit meinen 55 Jahren. Das Abenteuer dauerte 21 Stunden. Vom Freitag, 28. Oktober 2022 um 9:00 Uhr bis zum Samstag, 29. Oktober 2022 6:05 Uhr. Start und Ziel war meine Haustür in der Bauer Landstraße in Flensburg. Unglaubliche 206 Kilometer hatte ich zum Schluß absolviert. Acht Stunden dauerte die Hinfahrt zum NOK bei Breiholz, dann wurde fünf Stunden geangelt und schließlich ging es (leider ohne Fisch) wieder in acht Stunden zurück nach Flensburg. Ich habe seit Januar 2022 eine Angelkarte für den NOK und fahre normalerweise mit dem Auto von Flensburg dort hin. Warum nicht mal was anderes probieren, dachte ich mir. Mit achtzig wäre es wahrscheinlich zu spät für solche Aktionen. Und so belud ich das Fahrrad mit meiner Angelausrüstung und fuhr bei strahlendem Sonnenschein morgens um Punkt neun Uhr von zu Hause aus los ins Ungewisse. Niemals zuvor war ich mehr als 75 Kilometer an einem Tag mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Ich selbst schätzte die Wahrscheinlichkeit für das Gelingen einer solchen Mission als ziemlich unwahrscheinlich ein. Immer wieder hatte ich Bilder von durchtrainierten jungen Athleten in hautengen Rennfahrermonturen vor Augen, die von einem Team mit Helfern begleitet und angefeuert wurden. Wie lächerlich das ist, wurde mir erst nach meiner Tour bewusst. Ich brauchte solchen Beistand nicht, weil ich einfach losfuhr, ohne mir große Gedanken über mein wahrscheinliches Scheitern zu machen. Erstmal am Ziel ankommen und dann weitersehen. Nach 63 Kilometern erreichte ich den kleinen Ort Dörpstedt. Dort gibt es einen Imbiss direkt an der Strasse. Der Imbiss war gut besucht, und ich stellte mit wackligen Beinen das Rad ab. Ich aß dort die besten Currywürste seit langem und kam mit den Leuten ins Gespräch. Sie werden doch wohl an Ihrem Zielort übernachten. Klar, irgendeine Parkbank wird sich schon finden. Gelächter, auch von mir. Ab aufs Rad und weiter. Nach 104 Kilometern erreichte ich schließlich den von mir bevorzugten Angelplatz in der Nähe von Breiholz. Die App von Google Maps hatte eigentlich erheblich weniger Kilometer angezeigt. Na ja, mein Orientierungssinn war schon immer schlecht. Rute raus, der Spaß beginnt! Dieser Einsatz muss belohnt werden! Der Körper war geflutet von Adrenalin und Endorphin. Und tatsächlich. Nach ein paar Würfen kam der erste Zander raus. Leider knapp untermaßig. Ein zweiter folgte noch, leider auch zu klein. Ich wollte mir unbedigt die Krone in Form eines guten Zanders aufsetzen und drehte buchstäblich jeden Stein um, leider vergebens. Um ca. 22 Uhr erreichte ich den Kreishafen in Rendsburg. Dann bekam ich es mit der Angst zu tun. Ein leichter Regenschauer machte mir klar, das ich mich weit außerhalb meiner gewohnten zivilisatorischen Komfortzone befand. Ich wurde kurzzeitig wieder zu einem gutbürgerlichen Bedenkenträger. Scheiß drauf, auf nach Flensburg du Weichei! Um ca. 2 Uhr morgens erreichte ich Schleswig. An einemDönerladen standen zwei Mädels, die ich nach dem Weg Richtung Flensburg fragte. Urplötzlich war ich umringt von jungen Männern, die wohl annahmen, dass ich ihre Chicks anmachen wollte. Ich zückte mein Smartphone und klärte die Situation. Der bärtige (Clanführer?) reichte mir die Hand und bot an, mich mit seinem Transporter nach Flensburg zu bringen. Das sind 40 Kilometer, Alta. Ich sagte, das dies für mich nur noch ein Witz ist. Ich zeigte ihm daraufhin die bereits abgearbeiteten 160 Kilometer auf dem Zähler an meinem Rad. Ich bedankte mich für sein Angebot und sagte, das ich die 200 Kilometer noch „voll machen“ will. Respekt Alta! Ich denke, dass beide Seiten mit dem Gesprächsverlauf zufrieden waren. Vielleicht besuche ich die Jungs noch mal, um von dem weiteren Verlauf des kleinen Abenteuers zu berichten. Man verabschiedete sich also in wertschätzender Art. Aber das Restprogramm hatte es dann doch noch in sich. Reichlich stilles Mineralwasser, Traubenzucker und alle 30 Kilometer eine halbe Tafel Schokolade brauchte ich schon, um die Müdigkeit zu bekämpfen. Leichtes Gefälle mit nassem Laub auf der Strecke bei über 30 km/h ließen verlockende Gedanken an ein warmes Bett aufkommen. Die Lockrufe von Morpheus und Hypnos mussten aber unbedingt in Schach gehalten werden. Ich musste der Versuchung widerstehen, mit dem voll beladenem Fahrrad auf den letzten Kilometern im Straßengraben zu enden. Deshalb bremste ich ab, und sagte mir: Die letzten Kilometer sind die wichtigsten. Um ca. 5:55 Uhr erreichte ich das Deutsche Haus bei Kilometer 204. Um 6:05 war ich zu Hause. Drei Stunden geschlafen und dann wieder mit dem Rad eine kleine Runde am Hafen absolviert. Fazit: Ich hatte vollkommen unterschätzt, was die Angst vor einer Übernachtung auf einer Parkbank für Energie freisetzen