Autor*in, Coach

Ich denke an Leonie und an Leonies Füße und daran, dass man kein bisschen
aufs Leben vorbereitet wird, zuhause nicht und auch nicht in der Schule.
Vielleicht bin ich ja ein kleines bisschen in Leonie verliebt gewesen und vielleicht
jetzt auch in Zoe, denke ich, und vielleicht ist das ein Problem oder auch
nicht, woher soll ich das wissen. Ich bin behindert, sage ich. Wär mir gar nicht
aufgefallen, sagt Zoe. Küssen wir jetzt oder lieber nicht. Wir küssen jetzt, sage
ich unvorsichtig, und es klingt in meinen Ohren mindestens so wagemutig,
als hätte ich gesagt, dass wir jetzt von einer irrsinnig hohen Klippe ins Meer
springen oder uns zwischen die Gleise legen und einen Zug über uns hinwegfahren
lassen, nur irgendwie kribbelt es mehr. Und auch das Küssen lernt
man ja nirgendwo, wie hält man den Kopf und wo tut man die Hände hin, man
kann sie ja schlecht in die Hosentasche tun. Und dann berühren sich unsere
Münder, nachdem zuerst die Nasen im Weg gewesen sind und Zoes Lippen
sind weich und trocken und es fühlt sich interessant an und gar nicht schlimm
und man kann auch schön sagen. Und irgendwie fühlt es sich auch noch anders
als bloß schön an und ich sehe auf den Teppich, wo eine kackbraune
Schnecke durch das Zimmer rennt und zu mir hochsieht, und nachdem ich mich vergewissert habe, dass sonst niemand im Zimmer ist, mache ich die
Augen zu und Zoe macht ihren Mund etwas auf und das macht das Küssen zu
noch mehr Küssen und es schmatzt ein wenig, so dass ich die Augen wieder
aufmache, um zu sehen, was da schmatzt, und vielleicht hat es etwas mit dem
Küssen zu tun oder vielleicht mit der Schnecke, die jetzt ihre Flügel ausbreitet
wie ein Schmetterling und der Schneckenschmetterling flattert durch das
Zimmer und kann nicht heraus und etwas in mir fühlt sich erschreckend gut
an und ich wüsste jetzt gerne, wie man das Ganze einen Moment unterbricht,
ohne es aufhören zu lassen, denn der Schneckenschmetterling will raus in die
Freiheit, also sage ich, Einen Moment, öffne das Fenster und schließe es wieder.
Frische Luft, fragt Zoe. Der Schneckenschmetterling will raus, sage ich.
Aha, sagt Zoe. Ich muss mal, sage ich.