Die Marktwirtschaft weiterentwickeln
In Zeiten von Corona, Klimawandel, dreistelligen Milliardären und weltweit
870 Millionen Hungernden ist es höchst an der Zeit, das vorherrschende
Wirtschaftsmodell, den Freihandelskapitalismus nach westlichem
Zuschnitt, zu hinterfragen und menschlichere, sozialere und vor
allem ökologisch nachhaltigere Wirtschaftsmodelle zu entwickeln.
Jens Mayer legt zunächst in der Analyse den Finger in die Wunde der
Sozialen Marktwirtschaft, die nur noch zum Teil als Realität existiert, zum
Teil aber als Reminiszenz oder Fiktion. Was haben systematische Steuervermeidung
durch sämtliche DAX-Konzerne, Wendelin Wiedekings Jahreseinkommen
im dreistelligen Millionenbereich, Josef Ackermanns
Geburtstagsfeier im Kanzlerinnenamt oder die Legalität von Hochfrequenzhandel,
Geierfonds, Schattenbanken oder auch die Abschaffung von
Vermögens- und Erbschaftssteuern mit „sozialer Marktwirtschaft“ noch
zu tun? Gleichzeitig wird diese immer noch angerufen, um tiefergehende
Reformen am aktuellen System abzuwehren.
Bei den nötigen Reformen sollte jedoch kein Kind mit dem Bade ausgeschüttet,
Märkte oder private Unternehmen nicht samt und sonders
verurteilt und abgelehnt werden, sondern ihrer Designschwächen und
destruktiven Verknüpfungen – mit Kapitalismus und seinen Werten
Gewinnorientierung, Eigennutzmaximierung, Konkurrenz und Wachstum
– entledigt werden. Eine partizipative Marktwirtschaft beteiligt mehr
Menschen an unternehmerischen Entscheidungen, der zugehörigen Verantwortung,
dem Risiko, aber auch am Fruchtgenuss. Das ist ein großes
Reformprojekt der Marktwirtschaft, die sich in den größeren Rahmen
einer generellen Gemeinwohl-Orientierung einbettet.
Weitere konkrete Vorschläge wie ein Bedingungsloses Grundeinkommen,
die Einschränkungen für die Werbung oder die Stärkung der Tierrechte
sind das Mindeste, was am derzeitigen Wirtschaftssystem kor5
rigiert, reformiert und weiterentwickelt werden muss. Besonders gut
argumentiert ist die Einführung eines „bedingungsfreien“ Grundeinkommens,
allein die Erinnerung an historisch erfolgreiche Vorläufermodelle
wie Mincome in Kanada in den 1970er Jahren, sind wertvolle Debattenbeiträge.
Jens Mayer reiht sich in die Stimmen derer, die nicht nur analysieren
und kritisieren, sondern konkrete und praktische Alternativen benennen
und schmackhaft machen.
Ich wünsche dem Buch viele Leser*innen, und dem Thema der nachhaltigen
Transformation der Wirtschaftsordnung viele weitere Bücher.
Zum Gemeinwohl!