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    Beigetreten: 30.11.2016
    Warum Fantasy?

    Egal ob hier oder in anderen Autoren- oder auch Schreibforen, immer wieder stelle ich fest, dass vor allem junge Autoren (also jung von Alter und Schreiberfahrung) sich mit dem Genre Fantasy in all seinen Facetten abgeben. Vampire, Halbvampire, Feen, Trolle, Zauberer, Oger, fantastische Welten etc spielen eine zentrale Rolle.

    Für mich ist ehrlich gesagt dieses Phänomen nicht erklärlich. Sind dafür tatsächlich noch die Erfolge von Harry Potter und Herr der Ringe ausschlaggebend? Es gibt sehr wenig Autoren, die sich mit einem stinknormalen Krimi oder einem ebensolchen Sciene Fiction befassen. Von einem Liebesroman ganz abgesehen. Da muss es dann ein schlechter Abschklatsch von Shades of Grey sein (den ich übrigens für einen der langweiligsten Erotik-Romane der literarischen Weltgeschichte halte. Ovids "Über die Liebe" ist da tausendmal spannender (aber das nur am Rand).

    Was also macht den Fantasy-Hype aus?

    Es grüßt ein
    ratloser Ben

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      Beigetreten: 12.03.2014
      RE: Warum Fantasy?
      So, 05.01.2020 15:08

      Lieber Ben,

      ich nehme an und denke dabei nicht zuletzt an meine eigenen Gehversuche mit dem Schreiben, dass es die grenzenlosen Möglichkeiten sind, die junge Autor*innen in diesem Genrebereich anziehen. Man kann schreiberische Schwächen mit bombastischen Schauwerten übertünchen. Allerdings muss ich auch sagen, dass dies genauso auf die Science Fiction zutrifft. Die ist aber schlicht und ergreifend etwas aus der Mode gekommen und daher nicht mehr so oft anzutreffen wie Vertreter der Fantasy.

      Harry Potter hat in den Neunzigern massenhaft junge Menschen für Bücher und das Lesen begeistern können, dementsprechend gibt es, nachdem diese Kinder jetzt erwachsen sind und selbst versuchen, etwas zu schreiben, mehr dementsprechende Literatur. Dem Herrn der Ringe als Buch traue ich diesen Einfluss nicht mehr zu, zu altbacken und trocken ist der Schreibstil des Herrn Tolkien für die Lesegewohnheiten der jüngeren Generation. Das trifft selbstverständlich nicht auf alle zu. Die Filme dürften einen auf die heutige Situation bezogen größeren Einfluss haben.

      Über Shades of Grey habe ich mich in der Vergangenheit schon mehrmals geäußert. Dieses schlecht geschriebene, spießige Buch mag ich überhaupt nicht, aber der Erfolg der Autorin mit diesem Stoff spricht eine andere Sprache. Offenbar gibt es eine Zielgruppe für diese Romane und diese ist gewillt, dafür zu zahlen, und so gibt der Erfolg E. L. James recht, ob mir persönlich das jetzt gefällt oder nicht.

      Sich mit einem "stinknormalen" Kriminalroman zu befassen, ist eine ganz andere Nummer. Ich habe vor wenigen Tagen die Entwurfsfassung eines solchen Romans abgeschlossen und warte nun darauf, dass der letzte Text aus dem Lektorat zurückkommt. Dann geht es ans Überarbeiten und ich habe schon eine Menge Änderungen in meiner Ideenliste. In einem Fantasy-Roman kann ich, wenn die Spannung wegbricht, irgendetwas aus dem Hut zaubern, was die Leser*innen davon ablenkt (nirgendwo finden sich meines Erachtens so viele McGuffins wie in diesem Genre, und der "eine Ring" dürfte das prominenteste Beispiel dafür sein), in einem Krimi muss ich die Spannung aber konstant hochhalten, um die Leser*innen nicht zu verärgern. Und die Lösungen, die ich präsentiere, müssen realistisch und nachvollziehbar bleiben. Insofern dürfte ein Kriminalroman vielleicht nicht der geeignetste Stoff für unerfahrene Jungautor*innen sein. Auch hier aber mein Hinweis darauf, dass es Ausnahmen geben kann und gibt.

      Ob es einen Fantasy-Hype gibt, weiß ich nicht, aber es handelt sich um ein beliebtes Genre, in dem sich nicht nur Bestsellerautoren tummeln. Also kann man damit momentan offenbar Geld verdienen. Pech für mich, denn ich bin kein besonders großer Fan der modernen Fantasy, obwohl mich eine Fantasy-Reihe damals zum Schreiben gebracht hat.

      Ich versuche mich jetzt erstmal mit einem "stinknormalen" Krimi, vielleicht verwirkliche ich später auch mal eines meiner Science-Fiction-Projekte.

      Liebe Grüße
      Dirk

       

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        Beigetreten: 14.03.2014
        RE: Warum Fantasy?
        So, 05.01.2020 15:33

        Ich bin zwar SFler, aber ich habe da eine Vermutung:

        Zum Ersten werden wir als Kinder mit Märchen "gefüttert" und Fantasy ist quasi die "erwachsene Form" davon.

        Zweitens ist Fantasy ganz stark mit romantischen Aspekten (nicht nur in Sache Liebe, auch in Sachen "Selbstbehauptung") verbunden, was sie so interessant für Jugendliche macht - sie wirkt damit in einer weiteren prägenden Phase auf uns ein. 

        Drittens: Wenn ich "uns" schreibe, dann meine ich die Generation(en) nach meiner - also die, die jetzt als Autoren und Leser massenhaft auf den Markt drängen. In meiner Generation war die Flucht aus der Welt heraus hinein in Welten, in denen alles gut werden kann, noch nicht als Normal etabliert. (Der Tenor war eher, dass es in unserer Welt noch gut werden könnte. Auch auf ganz persönlicher Ebene.) Außerdem erlaubt Fantasy ganz, ganz viel "Isso!", ohne ständig Rücksicht auf Strukturen wie in der realen Welt oder auf Naturgesetze nehmen zu müssen.

        Viertens (und das ist wahrscheinlich der wichtigste aktuelle Faktor): Zugleich bedienen Film und Fernsehen das Thema Fantasy viel, viel, viel häufiger und (wegen der modernen Tricktechnik) um Lääääääängen glaubwürdiger. (Ich erinnere mich, dass zu meiner Zeit alle um mich herum wegen der "tollen Trickaufnahmen" in den Sindbad-Filmen schier austickten - sowas dürfte man heute nicht mal als Hobbyfilmer ernsthaft anbieten.)

        Und: Ich denke, dass auch früher schon viel "fantasyrt" wurde - dank Internet (z. B. Foren) und viele leichterem Selfpublishing wird es allerdings heute viel öfter an die Öffentlichkeit gebracht, was wiederum bestärkend auf die wirkt, die bislang im Umfeld eher ob ihrer "Spinnereien" belächelt wurden.

         

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          Beigetreten: 12.03.2014
          RE: Warum Fantasy?
          So, 05.01.2020 16:21

          Ulrike Jonack schrieb:

          Viertens (und das ist wahrscheinlich der wichtigste aktuelle Faktor): Zugleich bedienen Film und Fernsehen das Thema Fantasy viel, viel, viel häufiger und (wegen der modernen Tricktechnik) um Lääääääängen glaubwürdiger. (Ich erinnere mich, dass zu meiner Zeit alle um mich herum wegen der "tollen Trickaufnahmen" in den Sindbad-Filmen schier austickten - sowas dürfte man heute nicht mal als Hobbyfilmer ernsthaft anbieten.)

          Ich nehme an, du meinst mit den "tollen Trickaufnahmen" die Stop-Motion-Tricks von Ray Harryhausen, der war damals (späte 30er bis 1980 und noch ein Mal 2002) wirklich vielbeschäftigt.

          Ulrike Jonack schrieb:

          Und: Ich denke, dass auch früher schon viel "fantasyrt" wurde - dank Internet (z. B. Foren) und viele leichterem Selfpublishing wird es allerdings heute viel öfter an die Öffentlichkeit gebracht, was wiederum bestärkend auf die wirkt, die bislang im Umfeld eher ob ihrer "Spinnereien" belächelt wurden.

          Soweit ich weiß, stammt auch "Fifty Shades of Grey" aus dem Fantasy-Fandom, ich erinnere mich an Texte einer damals völlig unbekannten E. L. James, die in einem "Twilight"-Fan-Forum schwer kritisiert wurde für eine unter dem Usernamen "Snowqueens Icedragon" veröffentlichte SM-Erotik-Geschichte um Bella und Edward. Später kam die Geschichte leicht abgeändert heraus (zunächst im Selfpublishing) und wurde, warum auch immer, zum Mega-Bestseller.

          Liebe Grüße
          Dirk

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            Beigetreten: 14.03.2014
            RE: Warum Fantasy?
            So, 05.01.2020 17:08

            Hallo Dirk,

            damals setzten diese Trickaufnahmen Maßstäbe, heute sind Trick und reale Aufnahmen nicht mehr unterscheidbar, fließen ineinander. Das ist optisch toll. Es erleichtert vor allem, dass der Zuschauer sich "irritationsfrei" in diese Story versetzen kann. Intellekt hin oder her - für das Gefühl entstehen so rundum echte Geschichten. Deshalb bewegen sich die Autoren von heute auch viel selbstverständlicher in solchen Welten - sie erleben sie ja quasi am Bildschirm. 

            Die Fan-Fiction-Szene war schon vor dem Internetzeitalter recht lebendig. Ich glaube (ohne es belegen zu können), die Fan-Fiction-Schreiber haben als erste das Potential der Foren zur "Weitergabe" ihrer Texte an Gleichgesinnte entdeckt. Es sind übrigens durchaus sehr begabte Erzähler in dieser Szene unterwegs, deren Storys echt Spaß machen. (Es gibt natürlich auch Unbegabte, die krudes Zeug in schmerzhaftem Stil verfassen.) Der Einstieg ins Schreiben generell über diesen Weg ist der schlechteste nicht - es übt auf jeden Fall.

            Fantasy ist ja per se ein bisschen wie Fan-Fiction. Es gibt ein paar Eckpunkte, die heute als "Isso!" gelten (Elfen sind heute weniger die frechen Schabernack-Treiber wie in der nordischen Folklore, sondern die edlen, aber kühlen Wesen von Tolkien; Drachen sind nicht mehr per Definition böse wie in den alten Märchen; Vampire sind seit Bram Stokers Dracula hocherotisch und spätestens seit der Biss-Reihe können sie sogar ausgesprochen sozial sein und Cliquen(!) bilden), es existiert also ein gewisser Pool an Settings - ähnlich wie bei Fan-Fiction eben.

             

             

             

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              Beigetreten: 30.11.2016
              RE: Warum Fantasy?
              So, 05.01.2020 21:02

              Hmmm … ja … da mag was dran sein. Davon abgesehen, dass die wenigsten wissen, wer Bram Stoker ist und dass der Original Dracula ein Briefroman ist, sofern sie sich mit Vampiren und sowas beschäftigen.

              Mir ging es bei meiner Frage um junge Menschen, von denen ich viele getroffen haben, die mir sagten: "Eyh, ich schreib ein Buch." Auf Frage, um was geht es, kam meist Vampire. Oder Elfen. Oder Feen. Aber das Argument, dass bei diesem Genre immer dann, wenn man keine Ahnung hat, wie ein Konflikt aufzulösen ist, die Deus-ex-Machina-Karte zieht, ist plausibel.

              Vielen Dank.

              Dirk, wenn du Testleser für deinen Krimi brauchst, denk an mich.

               

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                Beigetreten: 12.03.2014
                RE: Warum Fantasy?
                So, 05.01.2020 22:15

                Lieber Ben,

                das werde ich gerne tun. Ich habe allerdings vorher noch etwas Arbeit zu investieren.

                Ich werde an Dich denken.

                Liebe Grüße
                Dirk
                 

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                  Beigetreten: 17.04.2015
                  RE: Warum Fantasy?
                  Mi, 08.01.2020 01:39

                  Ich hab letztes Jahr auf z. B. auf dem #litcamphh und auf der #fbm mit vielen Leuten aus der Branche gesprochen. Tatsache ist, dass gerade unter Selfpublishern Fantasy und Romance die größten Seller sind. Dystopien z. B. sind total abgemeldet.

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                    Beigetreten: 30.11.2016
                    RE: Warum Fantasy?
                    Mi, 08.01.2020 09:12

                    Zitat:
                    Tatsache ist, dass gerade unter Selfpublishern Fantasy und Romance die größten Seller sind

                    Das war auch ein Grund für meine Frage nach dem Warum. Warum ist dieses Genre sowohl bei Lesern wie Autoren so beliebt. Ich kann's mir nicht erklären.

                    Als Jugendlicher habe ich klar Perry Rhodan gelesen und bin von da aus auf die Klassiker der Science Fiction umgestiegen. Natürlich lag Bram Stoker auf dem Nachttisch wie auch Conan Doyles "Vergessene Welt". Aber bei Tolkien bin ich glaube ich bis Seite 50 oder 100 gekommen. Was nicht ausschließlich am Schreibstil lag. Harry Potter habe ich nie gelesen. Den ersten Film hab ich mir angesehen. War gut und spannend gemacht, die übrigen … naja … will damit sagen, ich kann damit nix anfangen. 

                    Gruß
                    Ben

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                      Beigetreten: 27.11.2014
                      RE: Warum Fantasy?
                      Do, 09.01.2020 14:09

                      Ich denke, man spricht deswegen von einem "Hype", weil dieses "Genre" ja doch etwas vernachlässigt wurde, ein halbes Jahrhundert würde ich meinen, und dementsprechend nun eine "Kompensation" vonnöten war. Klar mit HdR und Potter als Katalysatoren. Beide habe ich nicht gelesen. Ich persönlich bin da über die Literatur im 19. Jahrhundert auf den Geschmack gekommen. Und insbesondere wegen DUNGEONS AND DRAGONS.

                       

                      Vielleicht ist ja die Fantasy deswegen so beliebt, weil sie a la C.G.Jung am ehesten die Archetypen in uns selbst anspricht (Heldenreise). Und natürlich die von Dirk bereits angesprochene "grenzenlose Freiheit". Hat auch die schöne Begleiterscheinung, dass man auch nicht recherchieren oder politisch korrekt sein muss.

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                        Beigetreten: 13.09.2019
                        RE: Warum Fantasy?
                        Mi, 22.01.2020 19:21

                        In unserer komplexen Welt, in der es weniger Schwarz und Weiß gibt, sondern Grautöne vorherrschen, bilden Geschichten mit einem einfachen Schema oft eine willkommene Abwechslung. Das erklärt das Phänomen, das auch Erwachsene von der Fantasy begeistert sind.

                        Auch sie lesen und schauen Harry Potter oder die Tribute von Panem z. B.

                        Oder ich denke an die überaus erfolgreichen Comicverfilmungen, die für mich moderne Heldensagen sind. Damals gab es Herkules, heute Superman oder Wonder Woman.

                        Wenn junge Schreibende sich in der Fantasy tummeln, dann ist das für mich völlig in Ordnung.

                        Fantasy unterscheidet sich inzwischen in unzählige Untergruppen. 

                        Als ich meinen Roman schrieb, wollte ich etwas Anderes schaffen und habe ganz bewusst auf Elben, Drachen und Zwerge verzichtet.

                        Doch verweise ich einmal auf Markus Heitz, der sehr gute Bücher schreibt. 

                         

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                          Beigetreten: 17.06.2016
                          RE: Warum Fantasy?
                          Fr, 24.01.2020 10:39

                          Hallo zusammen!

                           

                          Ich treibe mich als Autorin in verschiedenen Genres rum, und Fakt ist wirklich, dass die Fantasy-AutorInnen tendenziell wesentlich jünger sind als die Krimi-AutorInnen.

                          Vermutlich spielen hier verschiedene Gründe zusammen. Ein paar kommen übers FanFiction-Schreiben zur Fantasy oder über textbasierte Rollenspiele.

                          Außerdem ist man als junger Mensch evtl idealistischer und offener, während man in höherem Alter evtl. rationaler ist. Das würde sich doppet auf das gewählte Genre auswirken, einerseits im Hinblick auf das Schreiben selbst und wie leicht einem das jeweilige Genre fällt, und andererseit auf die Entscheidung, was man schreibt im Hinblick auf Marktchancen.

                          Dass Liebesroman-AutorInnen selten sind, kann ich so nicht bestätigen - mir begegenen sie ständig und überall XD

                          Ein weiterer Punkt ist evtl auch der Rechercheaufwand. Der kann in der Fantasy sehr gering sein (kann!), während man für einen schlüssigen Krimi oder gar einen historischen Roman einiges nachlesen muss.

                          Soweit ein paar Spekulationen dazu von mir,

                           

                          Liebe Grüße

                          Christina

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                            Beigetreten: 22.01.2020
                            RE: Warum Fantasy?
                            Mi, 29.01.2020 16:55

                            Hello

                             

                            Mir gefällt am Schreiben fantasievoller Geschichten vorrangig, dass die Möglichkeiten eben nur durch meine Fantasie begrenzt sind. Naturgesetze werden außer Kraft gesetzt und können neu formuliert werden, Szenenwechsel sind auf magische Weise spontan möglich und generell ist meine Freiheit beim Schreiben einfach viel größer.

                            Und ja, Ben. Durch Harry Potter fühlte ich mich vom Fantastischen angezogen. Um ehrlich zu sein war Harry Potter sogar der Grund für mich, mit dem Schreiben zu beginnen.

                             

                            Liebe Grüße

                            Björn

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                              Beigetreten: 11.07.2018
                              RE: Warum Fantasy?
                              Do, 30.01.2020 11:24

                              Hallo!

                              Ich muss zugeben, das ist ein sehr interessanter Thread. Seit ich mich in der Autorenwelt tummle, stelle ich mir nämlich die gleiche Frage.

                              Dazu muss ich sagen, ich bin ein sehr großer Fan von Harry Potter. Die Bücher (und die Hörbücher:-) aber auch die Filme sind genial. Trotzdem behaupte ich schon immer - und finde, dass es sich gar nicht so sehr widerspricht - dass ich Fantasy überhaupt nicht mag. Weder Bücher noch Filme. Ich lese viele normale Krimis und ansonsten "reale" Romane. Ich bin Anfang der 80er geboren, war also in den 90ern Jugendliche. Da war zum Glück fast nur "Reales" in. Alle Verlage hatten Jugendreihen, die reale Probleme behandelt haben. Ich weiß nicht, wer ich heute wäre, wenn es Christine Nöstlinger nicht gegeben hätte;-))

                              An Harry Potter gefällt mir vor allem so gut, dass die Personen trotz des grundsätzlichen Settings so unglaublich normal sind. Familie Weasley z.B. ist so witzig gerade wegen ihrer zutiefst menschlichen Eigenschaften.

                              Als Schreibende kann ich mit Fantasy auch nicht so viel anfangen. Den meisten Argumenten, die ihr bringt, stimme ich zu. Ein weiteres wäre vielleicht noch, dass Fantasyleser grundsätzlich Menschen sind, die sich gern in andere Welten begeben und daher vielleicht auch gern schreiben. Immerhin ist man dabei ja über einen sehr langen Zeitraum nur mit sich allein in einer anderen Welt. Klingt das irgendwie verständlich?

                              Gruß

                              Nina

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                                Beigetreten: 30.11.2016
                                RE: Warum Fantasy?
                                Do, 30.01.2020 12:40

                                Herzlichen Dank an alle, die sich mit dem Thema befasst haben. Tatsächlich glaube ich auch, wie Nina schreibt, dass der Erfolg von Harry Potter damit zusammenhängt, dass sich die Leser, Kinder, Jugendliche und sicher auch Erwachsene, in Vielem wiedererkennen. Und sicher auch mal davon träumten, mit Magie und Zauberkraft ihre Probleme wegzaubern zu können. Dazu kommt für mich noch das Argument von Dirk, dass Fantasy vermeintlich erlaubt, schreiberische Schwächen zu übertünchen. Das mag in Kleinigkeiten richtig sein. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, wer nicht schreiben kann, schafft es auch nicht, dies zu camouflieren, in dem er in eine literarische Welt jenseits der Realität flieht. 

                                Dass man sich damit allein in einer anderen Welt bewegt, wie Nina schreibt, ist einerseits richtig. Andererseits ist der Autor eines jeden Genres in einer anderenn Welt. Nämlich der seines jeweiligen Projektes. Aber dennoch sollte es einigermaßen logisch zugehen. Wenn in einem Buch wahllos drauflos gehext oder gezaubert wird, fragt sich irgendwann der Leser, was das soll und warum das sein muss.

                                Aber ich bin da kein Fachmann. Wie ich schrieb, las ich früher SF - habe mir auch die von Andreas Eschbach geschriebene "Biografie" von Perry Rhodan besorgt - las unter anderem Ray Bradbury, Isaac Assimov und Stanislaw Lem, habe auch mit Vergnügen den Film "I, Robot" gesehen, in dem ja die inzwischen allgemein gültigen Robot-Gesetze, wie sie Isaac Assimov schon 1942 formulierte, hinterfragt werden, guck heute noch hin und wieder "Raumschiff Orion" (leider fliegt mein Bügeleisen nicht mit mir) und fand sowohl "Tanz der Vampire (Roman Polanski) und auch "Interview mit einem Vampir" ausgesprochen amüsant.

                                 

                                Gruß

                                Ben

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                                  RE: Warum Fantasy?
                                  Do, 30.01.2020 14:57

                                  Ich finde es irgendwie interessant, wie Harry Potter quasi die Generationen unterscheidet. So habe ich HP auch gelesen und gesehen und fand's auch ganz gut. Allerdings ist meine Faszination für Fantasy wesentlich älteren Ursprungs und hat eher mit Herr der Ringe (Buch), Conan der Barbar und Das schwarze Auge zu tun.

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                                    Beigetreten: 18.07.2017
                                    RE: Warum Fantasy?
                                    Mi, 19.02.2020 20:35

                                    Ich schreibe und lese überwiegend Fantasy und kann mich dem Grundtenor hier anschließen: Fantasy fasziniert mich, weil man eben nicht an die Realität gebunden ist. Ich kann also prima vom Alltagsstress abschalten. Ich muss beim Schreiben nicht stundenlang recherchieren, damit die Story auch Sinn macht - was nicht heißt, dass ich es nie mache ;). Wobei ich Ben Recht gebe: Auch bei Fantasy achte ich darauf, dass die Welt in sich stimmig ist. Was mir als "Bauchschreiberin" leider umsomehr Aufwand beim Überarbeiten beschert.

                                    In einem Vortrag habe ich mal gehört, dass es immer einen Grund für Handlungen geben muss, "und wenn der Grund nur einfach ist, dass er böse ist". Das reicht mir persönlich nicht. Trotzdem: Fantasy hat verstärkte eine klare Unterteilung in "Gut- und Böse". Das gibt es im "echten Leben" eben nicht. Wäre ja zu einfach ;) Ich persönlich versuche in meinen Büchern auch ein Stück die Sichtweise des "Bösen" rüberzubringen. Das mag ich an Büchern/Filmen wie "A song of ice and fire". Man mag die einen, hasst die anderen und wenn man weiter ließt hat man doch plötzlich etwas Verständnis für die "Gehassten".

                                    Wie kam ich zum Fantasy? Ähnlich wie Nina bin ich Mitte der 80er geboren. Anders als sie, bin ich mit Fantasy aufgewachsen: Mir wurden als Kind Märchen vorgelesen, später bin ich zu Sagen übergegangen. In meiner frühen Jugend hat mein Nachbar mich für Pen-and-Paper-Rollenspiel (DSA,  DUNGEONS AND DRAGONS, Wahrhammer, Shadowrun... alles schon durch ;) ) begeistert. Bei vielen jugendlichen AutorInnen heute mag es der Einfluss von z.B. Harry Potter und Twilight sein. Bei mir waren es die "Elfquest"-Comics, der mich zu meinem ersten Fantasy-Buch inspiriert haben. Entsprechend habe ich mich in den ersten Büchern überwiegend mit Elfen & Magie befasst. Mittlerweile schreibe ich zwar noch Fantasy, aber ohne Elfen und Magie gibt es nur noch in Form von besonderen Begabungen oder "Übernatürlichen Wesen". Man könnte also sagen, es ist mit dem Alter "realer" geworden.

                                    Der aktuelle Fantasy-Trend scheint mir allerdings eher im Bereich des Romantasy zu liegen. Vor zwei Jahren war ich beim Meet-And-Greet vom BVjA auf der Leipziger-Buchmesse. Da war ich sehr enttäuscht, dass die meisten Verlage, die angegeben haben, dass sie Fantasy suchen, eher an Romantasy interessiert waren. Filme wie "Twilight" gucke ich zwar auch ab und zu, aber Schreiberisch bin ich da sehr weit von weg. Trotzdem: Immerhin 3 Verlage konnte ich mein Buchprojekt vorstellen und es war auf jeden Fall eine Erfahrung wert.

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                                      RE: Warum Fantasy?
                                      So, 29.03.2020 14:47

                                      Nach langer Zeit bin ich wieder im Autorenforum, und was lese ich? Eine Diskussion über Das Thema, das mich lange Jahre beschäftigt hat: Fantasy! Also wärme ich diesen Thread hier wieder auf.

                                      Verwundert war ich allerdings, gleich mal einen Schwung so schwarz-weißer, stereotyper und abgelagerter Ansichten zu lesen, dass man denken könnte, deren Autor*innen seien selber jene Fantasyschreiber*innen, die sie nicht verstehen! – 

                                      Zitat:
                                      irgendetwas aus dem Hut zaubern
                                      – 
                                      Zitat:
                                      ganz, ganz viel "Isso!", ohne ständig Rücksicht auf Strukturen wie in der realen Welt oder auf Naturgesetze nehmen zu müssen
                                      – 
                                      Zitat:
                                      die Flucht aus der Welt heraus hinein in Welten, in denen alles gut werden kann
                                      – 
                                      Zitat:
                                      In unserer komplexen Welt, in der es weniger Schwarz und Weiß gibt, sondern Grautöne vorherrschen, bilden Geschichten mit einem einfachen Schema oft eine willkommene Abwechslung.

                                      Leider habt ihr allzu häufig recht. Aber mal ehrlich: gilt das nicht auch für "Real-Belletristik"? Von Krimis ganz zu schweigen?

                                      Warum mag ich Fantasy (trotzdem)?

                                      Harry Potter und selbst Tolkien können nicht der Grund sein; Ersterer kam lange nach meiner Jugend, Letzteren las ich erst während des Studiums. Aber Märchen, Sagen und SF-Geschichten (darunter auch manches, was heute eher unter "Fantasy" liefe), ja, das hat mich früh fasziniert und geprägt. Während des Studiums kam dann das Fantasy-Rollenspiel DSA, dann ein Mitschreiben an dessen Welt und das "Briefspiel", daraus hervorgehend ein erster Roman (unpubliziert). Übrigens mit der Motivation, dem tatsächlich überhandnehmenden Schwarzweiß etwas entgegenzusetzen.

                                      Ich mag das "Weltenbauen". (Dafür muss man übrigens durchaus einiges recherchieren. :-) ) Ich mag es, mich in andere Realitäten hineinzuversetzen, über das Hier & Jetzt und das gegebene Soisses (jaja ;-) ) hinauszudenken. Ich mag es, mich in Schicksale einzufühlen, ohne sie in ein reales Setting platzieren zu müssen. (Ja, gut, da kommt eine gewisse Recherchevermeidung zum Tragen.) Ich mag es, menschliche "Grundthemen" zu behandeln, ohne sie an realhistorischen Geschehen verankern zu müssen. Und ja, ich mag auch eine gewisse "Flucht aus dem Alltag". Andere machen dafür Strandurlaub, fliegen in exotische Länder oder meinen, sie würden in schwimmenden Kreuzfahr-Städten die Welt erleben ...

                                      Ich mag Geschichten erzählen. Wollte ich die bekannte, gegebene Realität darstellen, würde ich Sachbücher oder Reportagen schreiben.

                                      An Fantasy-Lesestoff empfehlen würde ich übrigens Andrzej Sapkowski (Geralt-Episodenromane), Susanna Clarke oder auch Funkes Tinten-Romane.

                                      Gruß, Friederike

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                                        RE: Warum Fantasy?
                                        So, 29.03.2020 15:06

                                        Moin Frederike,

                                        erst mal danke, dass du diesem Fred neues Leben einhauchst. Ich hab den Thread eröffnet und Hintergrund war, dass viele vor allem junge Menschen, die ich sowohl im realen als auch im virtuellen Leben (und hier vorwiegend in Foren) traf, mir erzählten, sie schreiben grade einen Phantasy-Roman. Auf die Frage warum ausgerechnet Phantasy kamen seichte Antworten wie "Gefällt mir halt", "ich lese sowas gern", "macht mir Spaß", "ich mag Feen und Trolle", ich habe halt soviel Phantasie" und ähnliche, die mich nicht wirklich weiter brachten.

                                        Wobei ich persönlich das Erfinden und Gestalten von Welten und Gesellschaften sehr viel anspruchsvoller empfinde, als einen Krimi in der realen, der vorhandenen Welt spielen zu lassen. Hier bist du den Naturgesetzen verpflichtet (mehr oder weniger - Bruce Willis oder Arnold Schwarzenegger mal ausgenommen), während man in Fantasy-Romanen durchaus mal auf etwas Märchhaftes zurückgreifen darf.

                                        Ich mag durchaus Science Fiction, die ja durchaus auch etwas Märchenhaftes haben darf, vor allem, weil keiner von uns weiß, wie es "da draußen" aussieht und was uns dort eines Tages erwartet. Leider ist gute Science Fiction rar. Vermutlich ebenso rar wie gute Fantasy. Dennoch konnte ich mich nie für Harry Potter oder Herr der Ringe erwärmen. Und selbst Terry Pratchett, der wirklich gut schreiben kann (konnte), hat es nicht geschafft, dass ich mal auf seinen Scheibenwelten Urlaub buchte.

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                                          RE: Warum Fantasy?
                                          So, 29.03.2020 15:59

                                          @Ben schon mal was aus Terry Brooks Shannara-Kosmos gelesen? Ist ja im Grunde auch ein Fantasy SF Crossover.

                                            Status:
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                                            RE: Warum Fantasy?
                                            So, 29.03.2020 16:06

                                            Moin Ben,

                                            (bin grad noch online, daher so hurtige Antwort)

                                            also, ich weiß nicht, ob ich FRED wirklich neues Leben einhauchen will. Kommt der dann als Zombie wieder?  cheeky

                                            Ja, es gibt wenig gute SF und vermutlich noch weniger gute Fantasy. (Jaja, über diese Genres und ihre Schreibweisen könnte man sich auch seitenweise auslassen.) Aber wieviel wirklich gute "Real-Belletristik" gibt es denn, vor allem prozentual vom Gesamtvolumen gesehen?

                                            Der Rest ist Geschmackssache. Ich liebe Krimis, aber mit etlichen Autoren oder Untergenres kann ich einfach nichts anfangen. (Dafür z. B. mit der SPQR-Reihe!) Ich bin halt auch gerne auf Mittelaltermärkte gegangen, Burgen haben mich mehr interessiert als moderne Architektur, Reiten habe ich mal besser gekommt als jemals Autofahren usw.

                                            Umgekehrt habe ich mich immer gefragt, was Leute denn daran reizt, z. B. irgendwelche Kindheitsromane, Eigenen-Nabel-Beschauungsromane, Familienromane zu schreiben oder zu lesen. Wenn ihr Real World haben wollt, lest Zeitung, hört im Café den Nachbarn zu oder schaut euch eure eigene Familie & Umfeld mal genauer an! Dafür braucht man doch nicht zu lesen! Tja ...

                                            (Erinnere mich vage an die Lektüre von Wellershoffs "Liebeswunsch". Klasse Sprache. Der Rest ... so irrelevant und langweilig, dass ich echte Mühe hatte, dabei zu bleiben, und ich mir von Handlung oder Personen auch nichts gemerkt habe. Solche Erlesnisse hatte ich öfters.)

                                            Pratchett liebe ich. Frech, lebendig, auf den Punkt gebracht, vermeintlich Bekanntes auf den Kopf gestellt, trotzdem humorig bis lustig, nicht bloß slapstickig. – Du weißt, dass er auch anderes als nur die Fantasy-Scheibenwelt geschrieben hat?

                                            Nun, zumindest hoffe ich Dir einen Einblick gegeben zu haben, was es noch für Gründe geben kann, Fantasy zu schreiben.

                                            Und jetzt mache ich noch meine Vorstellung im Vorstellungsbereich fertig, dann gehe ich offline.

                                            Bis demnächst!

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                                              RE: Warum Fantasy?
                                              So, 29.03.2020 16:07

                                              colwyn schrieb:

                                              @Ben schon mal was aus Terry Brooks Shannara-Kosmos gelesen? Ist ja im Grunde auch ein Fantasy SF Crossover.

                                               

                                              "Strata"!  :-)

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                                                RE: Warum Fantasy?
                                                Mo, 30.03.2020 11:25

                                                FriStein schrieb:

                                                 

                                                colwyn schrieb:

                                                @Ben schon mal was aus Terry Brooks Shannara-Kosmos gelesen? Ist ja im Grunde auch ein Fantasy SF Crossover.

                                                 

                                                "Strata"!  :-)

                                                Strata ist ja schon was für Feinschmecker. Wobei ich "Die dunkle Seite der Sonne" etwas besser fand.

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                                                  RE: Warum Fantasy?
                                                  Sa, 11.04.2020 14:06

                                                  Hallo zusammen, 

                                                  ich habe gerade wieder einen Fantasy Roman beendet, bin etwas frustriert von der Geschichte, habe jetzt diesen Thread gefunden und freue mich, dass ihr euch über Fantasy austauscht. 

                                                  Ich gehöre auch zu Harry Potter Generation und habe ein paar Freundinnen, die sehr gerne Fantasy (und größtenteils auch nichts Anderes) lesen. Sie mögen bei Fantasy vor allem - wie hier auch schon mehrfach geschrieben wurde, - dass sie der Realität entfliehen und in eine fantastische Welt eintauchen können. 

                                                  Ich merke aber, dass mr das zu wenig ist und Fantasy für mich in bestimmte Bereiche gehört (wie z.B. in Weihnachtsgeschichten). Ich freue mich sehr, dass es Leser*innen und Autor*innen gibt, die für Fantasy brennen, gerne in fremde Welten eintauchen oder diese erfinden. Aber ich merke, dass die meisten Fantasy Bücher, zu denen ich greife, immer wieder auf das "Gut / Böse"-Schema hinaus laufen. Die Fantasie im Weltenbau wird dann dazu beutzt, die "Gut / Böse"-Thematik voranzutreiben z.B. die Wunderwaffe, die den Guten hilft, gegen die Bösen zu kämpfen usw. 

                                                  Was mir an Harry Potter so gut gefallen hat war, dass das "Gut / Böse"-Schema über den Haufen geworfen wurde und Charaktere, die man für böse oder gut hielt auch die jeweils andere Seite von sich gezeigt haben. Außerdem lieferte J.K. Rowling eine Begründung für Voldemorts Handeln und somt war er nicht "nur" böse. Die ersten Bände (bis zu Band 4) hatten auch immer in sich abgeschlossene Geschichten, was mir auch gut gefallen hat, weil es die "Abenteuer im Kleinen" waren. 

                                                  Was ich mir von Fantasy wünsche ist, dass es über das "Gut / Böse"-Schema hinaus geht. Aber vielleicht gibt es auch Titel, die das schon tun und ich habe sie bisher einfach nur nicht entdeckt :-). Ich versuche bei Literatur immer etwas "fürs eigene Leben" mitnehmen, oder eine neue Perspektive auf ein Thema bekommen zu können. Bei antasy kann das z.B. Rollenkonflikte sein. 

                                                  @Thomas Dein Argument, dass das einfache Grundschema beabsichtigt ist, finde ich sehr interessant. Ich habe mich nämlich bis gerade eben gefragt, warum niemand über dieses Schema hinaus geht. 

                                                  Ich vermute auch, dass manche Leser*innen vielleicht das fantastische Setting brauchen, um sich mit manchen Konflikten auseinandersetzen zu können oder zu wollen, weil diese in der fantastischen Welt nicht so offensichtlich sind, wie z.B. bei einem Krimi. (z.B. habe ich mal einen Fantasy Roman gelesen, in dem eine Leiche gefunden wurde und de Protagonist dann herausfinden musste, wer der Mörder war...). 

                                                  viele Grüße und frohe Ostern :) 

                                                    Status:
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                                                    RE: Warum Fantasy?
                                                    Sa, 11.04.2020 15:39

                                                    Hallo Ayasha (oder doch lieber Emma Zecka?),

                                                    es gibt immer Autoren, die Fantasie "nur benutzen".

                                                    Die meisten, die vor allem Bücher verkaufen wollen, bedienen allerdings wirklich die gängigen Muster. Dazu kommen sie, die diese Muster gern bedienen, weil sie sie selbst auch bevorzugen. Der Anteil dieser Autoren ist seit dem Fantasie-Boom (und mit dem SP-Boom) gesteigen.

                                                    Unter den Klassikern findet man dagegen öfter Bücher, die ein anderes Thema (als Gut vs. Böse) im Mittelpunkt haben. Terrry Pratchet ist ein Paradebeispiel - bei ihm geht es mehr oder weniger offen um gesellschaftliche Mechanismen. Endes berühmte "Unendliche Geschichte" ist eine Ode an die Phantasie. "Peter Pan" - obwohl in der Verarbeitung des Stoffes oft ebenfalls auf den Kampf gegen das Böse heruntergebrochen - läuft, wenn man genauer hinsieht, auf die Zweispältigkeit der so gern verherrlichten "unbeschwerten" Kindheit (und das Verharrenwillen darin) hinaus. Die Avalon-Bücher von Zimmer-Bradley vertiefen die in den Legendes des Arthus-Kreises angelegte Schilderung der "dunklen Folgen der heidnischen Umtriebe", gepaart mit einer gewissen nostalgischen Erinnerung an die magische Weltsicht des Vorchristentums.

                                                    Ich bin sicher, es gibt solche Bücher auch heute noch. Vielleicht sind sie schwerer zu finden, eventuell erkennt man an den Klappentexten schon, ob ein Buch "nur" das "simple" Grundmuster Gut vs Böse bedient.

                                                     

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                                                      RE: Warum Fantasy?
                                                      Sa, 11.04.2020 17:09

                                                      Liebe Emma,

                                                      die von dir benannten Gut/Böse-Strickmuster sind ja nicht nur in der Fantasy präsent. Doch da die Strukturen der Konflikte in der Fantasy zumeist sehr archaisch sind, fällt es da wesentlich stärker auf. Dabei geht es im Grunde nur darum, auf welcher Seite der oder die ProtagonistIn steht. Und dann kann man sich fragen (als LeserIn oder AutorIn gleichermaßen) ob und/oder wann der Protagonist/die Protagonistin das in Frage stellt. Was in der Dutzendware (die mit dem Strickmuster) eher selten passiert.

                                                      Viele moderne AutorInnen versuchen auch dieses Schema aufzuweichen. Ein Beispiel ist George R. R. Martin mit Game of Thrones, der im Grunde ein böse/böse-Schema benutzt, die einen oder anderen Charaktere erscheinen einem einfach etwas sympathischer. Richtig "gute" Figuren gibt es in Westeros wohl nicht.

                                                      Oder man schreibt eher Stories in Richtung Sword & Sorcery, wo so stark durch die Sicht der Protagonisten erzählt wird, dass es den Lesern sehr deutlich wird, dass auch ihr Held/ihre Heldin nur um seine/ihre eigene Haut kämpft und dass Kategorien von Gut und Böse hier nicht anwendbar sind.

                                                      Es muss auch nicht immer um das Schicksal der Welt gehen. Das könnte auch schon helfen, das Strickmuster zu erweitern.

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                                                        RE: Warum Fantasy?
                                                        So, 12.04.2020 10:06

                                                        colwyn schrieb:

                                                        FriStein schrieb:

                                                         

                                                        colwyn schrieb:

                                                        @Ben schon mal was aus Terry Brooks Shannara-Kosmos gelesen? Ist ja im Grunde auch ein Fantasy SF Crossover.

                                                         

                                                        "Strata"!  :-)

                                                        Strata ist ja schon was für Feinschmecker. Wobei ich "Die dunkle Seite der Sonne" etwas besser fand.

                                                        Haben beide was, auf ihre Art, finde ich.

                                                        Gruß, Friederike

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                                                          RE: Warum Fantasy?
                                                          So, 12.04.2020 10:38

                                                          Hallo noch einmal,

                                                          Emma Zecka:

                                                          Zitat:
                                                          Sie mögen bei Fantasy vor allem (...) - dass sie der Realität entfliehen und in eine fantastische Welt eintauchen können.

                                                          (Was im Grunde auch interessant ist, wie unsere Realtiät empfunden wird. Dies nur am Rande.)

                                                          Zitat:
                                                          Was ich mir von Fantasy wünsche ist, dass es über das "Gut / Böse"-Schema hinaus geht. Aber vielleicht gibt es auch Titel, die das schon tun und ich habe sie bisher einfach nur nicht entdeckt :-).

                                                          Wie schon genannt, Pratchett. Auch Sapkowski. Plaschka, "Magier vom Montparnasse". – Ich selbst habe meinen ersten Roman eben darum geschrieben, weil mich das Schwarzweiß so nervte, als Gegenentwurf.

                                                          Zitat:
                                                          Ich habe mich nämlich bis gerade eben gefragt, warum niemand über dieses Schema hinaus geht.

                                                          Leider gibt es wohl tatsächlich viele Leser*innen, die Weltrettung + Schwarzweiß haben wollen. (Oder heutigentags auch Nur-Schwarz, siehe G.o.T.) Entsprechendes bekommt man denn auch als Autor*in von Verlagen zu hören, die wiederum anderes gar nicht (bzw. kaum) veröffentlichen. Womit sich die Katz' in den Schwanz beißt.

                                                          Manuel Bianchi:

                                                          Zitat:
                                                          die von dir benannten Gut/Böse-Strickmuster sind ja nicht nur in der Fantasy präsent. Doch da die Strukturen der Konflikte in der Fantasy zumeist sehr archaisch sind, fällt es da wesentlich stärker auf

                                                          Was auch ein Vorteil von Fantasy sein /kann/: Behandeln eines Konfliktes, losgelöst von Zeitumständen. (Dürfte aber sehr selten sein und gleitet dann schnell in ein reines Gleichnis ab.)

                                                          Schöne Grüße, Friederike

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                                                            RE: Warum Fantasy?
                                                            Di, 14.04.2020 10:30

                                                            Hallo zusammen, 

                                                            vielen Dank für die Literaturtipps. Von Terry Pratchet hab ich schon viel gehört und "Die Nebel von Avalon" wurde mir auch schon mehrfach empfohlen. Ich denke, ich werde mir die Titel demnächst mal genauer anschauen. 

                                                              Status:
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                                                              RE: Warum Fantasy?
                                                              Di, 22.09.2020 22:33

                                                              Ein wichtiger Punkt bei Fantasy (genau wie SciFi und Horror) ist, dass man als Autor die Freiheit hat, seine Geschichte so umzusetzen, wie man sie erzählen möchte.  Durch die fantastischen Elemente ist man weniger eingeengt in dem, was man erzählen kann.  Die Chuzpe, sich einen Dreck um Fakten zu scheren und einfach in der Realität Dinge anzusiedeln, die dann dort aber gar nicht mit den realtweltlichen Fakten übereinstimmen, hat nicht jeder Autor (Beispiel: Hitlers Tod in »Inglorious Basterds«).  Das Nutzen von Fantastischem ist daher ein Mittel zum Ausweichen.

                                                              Wenn ich eine Geschichte erzählen will, in der sich Personen extrem fürchten, dann baue ich ein namenloses Grauen wie das in Stephen Kings »Es« ein.

                                                              Wenn meine Charaktere eine klare und umumstößliche und von niemandem angezweifelte Vorstellung von Gut und Böse haben sollen (weil Dialektik eben nicht ablenken soll), dann baue ich eine Gut/Böse-Unterteilung wie im Herrn der Ringe ein.

                                                              Wenn ich die Bedeutung von Konzentration und dem Kontrollieren der eigenen Gedanken hervorheben will, dann weise ich ihnen physische Kräfte zu wie bei den Jedi in Star Wars.

                                                              Wenn ich einen hoffnungslos unterlegenen Protagonisten glaubhaft machen will, der dennoch einen absolut übermächtigen Feind besiegt und damit alle Zuschauer verblüfft, dann schreibe ich David gegen Goliath in die Bibel.

                                                              Wenn ich eine Geschichte um den Kampf gegen seinen eigenen Schatten (gemeint ist die eigene dunkle Seite) schreiben will, dann wird dieser ein physisches Wesen wie in der Erdsee-Trilogie von Ursula K LeGuin.

                                                              Wenn ich einen in seiner Familie unterdrückten und langsam aufbegehrenden Jungen beschreiben will, dann schreibe ich Harry Potter, der wegen seiner Zauberei von seinen spießbürgerlichen Verwandten verachtet wird.

                                                              Wenn ich einen besonderen Kultur-Clash beschreiben will, dann lasse ich Magier auf Raumfahrer prallen.

                                                              Viele dieser Beispiele sollen irgend etwas widerspiegeln, das im realen Leben erfahrbar ist, nur verfremdet, vereinfacht, von störenden Umgebungseinflüssen befreit und auf das Wesentliche konzentriert.  Kings namenloses Grauen reflektiert beliebige Formen von Lebens- und Alltagsängsten, vereinfachte Gut/Böse-Darstellungen finden sich in vielen Köpfen und Religionen, die Kontrolle über die eigenen Gedanken ist eine Essenz von Disziplin, Unterlegenheitsgefühle und die Hoffnung, dennoch zu obsiegen, ist eine weitverbreitete Alltagserfahrung (Behörden usw.), die Auseinandersetzung mit der eigenen dunklen Seite ist vielfach psychischer Alltag, genauso wie familiäre Unterdrückung, und das Aufeinanderprallen von Kulturen erleben wir alle tagtäglich in unseren Gesellschaften.

                                                              Jetzt könnte man als Autor natürlich die darzustellenden Aspekte auch in unserer Welt ansiedeln und damit auf die fantastischen Elemente verzichten.  Doch dann sind sie eben immer umgeben von vielerlei weiteren Dingen, die ablenken können, weil sie ebenfalls bekannt, aber gar nicht das Thema sind, das der/die Autor*in beackern möchte.

                                                              Wenn Harry Potter von einem untergetauchten Drogenbaron (statt dem Dunkelmagier Voldemort) sein Leben lang verfolgt würde und auf eine normale Schule ginge, dann würden gleich wieder andere bekannte Themen (wie Drogenmissbrauch, Kriminalität und Matheprobleme) mit hineinspielen.  Die möchte man als Erzählende*r aber vielleicht gar nicht thematisieren.  Die fantastischen Genres bieten dann die Möglichkeit, das zu Erzählende herauszuschneiden und in eine emotional sterile Umgebung einzubetten, die nicht Gefahr läuft, einen besonderen wunden Punkt beim Leser zu erwischen.  Denn niemand aus der realen Welt hat Alltagserfahrungen mit Magie, niemand findet bspw. besonders Schwebezauber nervig zu lernen, niemand hat eine unangenehme Erinnerung an die erste Schulstunde in Zaubertränke.  Aber jeder verbindet mit den Schilderungen eigene Erinnerung an das, was auch immer bei ihm jeweils besonders nervig zu lernen war, eine besonders unangenehme erste Schulstunde in irgend einem Fach, usw.  Man holt also alle Leser an derselben Stelle ab und hat so die Chance, ihnen allen dieselbe Geschichte mit demselben relevanten Kern zu bieten.

                                                              Erzählt man hingegen in der und über die reale Welt, werden Unmengen an Punkten für jeden Leser unterschiedliches Bedeuten.  Erwähne ich eine U-Bahn-Fahrt, kriegt der eine Leser kalte Füße, weil er dort mal überfallen worden ist, die meisten haben aber eher Langeweile im Hinterkopf.  Nenne ich ein Möbelhaus, denkt ein Drittel der Leser an die Einrichtung eines Kinderzimmers, manche aber an HiFi-Möbel.  Erwähne ich Reibungen zwischen Arabern und Deutschen, ist die Palette der ausgelösten Emotionen wieder enorm breit, von den lauten Nachbarn über die Schulfreunde, die »komischen« Stadtviertel bis hin zu Fernsehnachrichten, Brandanschlägen und leckerem Essen.

                                                              Ich will nicht behaupten bestimmte Genres seien besser als andere.  Aber einige sind besser geeignet für bestimmte Formen des Erzählens.  Nur in der realen Welt zu erzählen ist eine ganz besonders harrsche Einschränkung.  Jeder sollte die Freiheit der Fantastik mal ausprobieren.

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                                                                RE: Warum Fantasy?
                                                                Sa, 01.10.2022 16:52

                                                                Ich spreche jetzt mal für mich: Meine Generation ist mit diesen Büchern, Filmen und a auch Videospielen aufgewachsen. Mit Heavy Metal und Schwarzer Romantik. Hört euch mal die alten Alben von Iron Maiden oder Metallica an. Ganz zu schweigen von Ozzy Osbourne und Alice Cooper, die ja den schaurigen Metal und Hardrock mitbegründet haben. Viele Metalbands der 80er hätten ohne Tolkien gar kein Thema gehabt. Das fiel ja genau in die Satanic Panic in den USA. D&D Rollenspiele usw. Die aktuelle Staffel von "Stranger Things" ist eine großartige Hommage an diese Zeit im übrigen. Und man darf nicht vergessen die Kids von damals sind heute auch schon Ü50. ;)

                                                                 

                                                                Warum also Fantasy? Ich denke die phantastische Literatur wird immer unterschätzt, weil man sie abtut als "leicht" oder "für Kinder" oder "muss man nicht ernst nehmen". Ein Umstand der z.b. "Star Trek" vor dem Zensurstift der McCarthys und Edgar J. Hoovers seiner Zeit bewahrte. (bei einem Produzenten wie Gene Roddenberry, der schon Mal Sätze von sich gab wie "Natürlich bin ich Sozialist!" Hups!) Es rettete aber auch eine ganze Reihe von Autoren in der Sowjetunion und dem Wahrschauer Pakt. Man konnte öffentlich nicht über gesellschaftliche Probleme schreiben, da blieb den Autoren nur noch ein Weg: die Fantasy und Sci-Fi. Von Stanislaw Lem über die Gebrüder Strugaski bis hin zu Isaak Asimov. Das es in Osteuropa so eine starke Kultur der Sci-Fi-Literatur gab kam ja nicht von ungefähr. Es war das Resultat aus der realweltlichen Zensur.

                                                                 

                                                                Auf der anderen Seite kann man tatsächlich mit dem Genre Dinge bearbeiten, die in Form eines Gesellschaftsromans wohl nur schwer Abnehmer finden würden. Bei Tolkien war es sein Trauma des 1. Weltkriegs und der Industrialisierung. Das er nebenbei Professor für englische Geschichte und Literatur war und sich in der Folklore bestens auskannte? Geschenkt! J.K. Rowling hat in "Harry Potter" ihre schweren Depressionen verarbeitet. Stephen Kings Bücher sind im Grunde eine Aufarbeitung seiner persönlichen Tragödien und Ängste. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Die Phantastik ermöglicht nur auf den ersten Blick unrealistische, ferne Welten. Die Hauptthemen widmen sich fast immer menschlichen Grundthematiken. Angst, Identität, Freundschaft, Fragen um das Menschsein an sich. Die Raumschiffe, Drachen und Rittersleut sind im Grunde nur hübsches Beiwerk einer tiefer liegenden philosophischen Anschauung. 

                                                                 

                                                                Weshalb ich mich auch über Kram wie "Twilight" so extrem ärgere. Im Grunde sind das die seichten Erotikromane aus der Grabbelecke, nur mit Vampiren und Werwölfen aufgepimpt damits nach mehr aussieht. Da kann ich auch die Schmonzetten-Hefte aus der Bahnhofshandlung lesen. Hat genauso viel Mehrwert. Das ist eben der Unterschied zwischen seichtem Geplänkel und den besseren  Vertretern des Genres. Wer sich mit dem seichten Zeug zufrieden gibt. Schön, aber man verpasst eben auch echt den Kern der Sache. Es lohnt sich durchaus sich durch 1500 Seiten "Herr der Ringe" durchzuarbeiten. "Twilight" ist eher McDonalds. Und Tolkiens Werke sind das "Ritz", wenn ihr versteht. ;)