Wenn ich den Namen „Nina George“ lese, dann weiß ich schon im Voraus, was gleich darauf folgen wird: eine ziemlich einseitige Betrachtung zum Thema Urheberrecht. In der Federwelt Nr. 115 vom Dezember 2015/Januar 2016 war ihr Artikel erwartungsgemäß keine Ausnahme, weshalb ich eine Besprechung ihrer inhaltlichen Argumente anfangen will, obwohl das eine wenig produktive Quälerei werden dürfte.
Ohne den Artikel ganz gelesen zu haben (!), mag ich zunächst den Rahmen, den Blick auf’s große Ganze abstecken: Nina George ist selbst Autorin und schreibt nicht nur über das Urheberrecht, hat also ein persönliches wirtschaftliches Interesse daran, dass sich ihre Publikationen gut verkaufen (lassen). Ferner betreibt sie Lobby-Arbeit für Autoren, von daher ist ihre Haltung in Urheberrechtsfragen wohl weder uneigennützig noch gemeinnützig. Und ja, an solchen Interessen ist nichts verwerfliches, nur sollte dabei die Perspektive der Gegendarstellungen in der öffentlichen Debatte nicht zu kurz kommen. Im Literaturbetrieb sind schließlich die Autoren nicht die einzigsten “Stakeholder”.
Deshalb als einführende Frage: ist sich Frau George bewusst, dass sich Forderungen nach dem Unterlassen oder Aufschieben einer vernünftigen Urheberrechtsreform oder eine weitere Verschärfung des Urheberrechts längst nicht mehr nur auf Unterhaltungsliteratur beziehen, sondern auch auf andere Medienwerke wie Sachtexte (wenigstens das dürfte ihr nicht unbekannt sein), Bilder, Videos, Musik, Datenbanken, Webseiten, Software usw.? Dass eine Schutzdauer von 70 Jahren nach Tod des Autors für Romane vielleicht verschmerzbar sind, weil man auf einen solchen auch gut verzichten kann, ist nur die eine Seite. Auf der anderen muss man sich fragen, ob der Übergang eines Computerprogramms in die Gemeinfreiheit 70 Jahre nach Tod des Autors noch für eine Relevanz hat, wenn längst kein Rechner mehr existiert, auf dem die Software ausgeführt werden könnte (Emulatoren to the rescue, maybe). Niemand geringeres als William „Bill“ Henry Gates der III. setzte sich seinerzeit für die Anwendung des Urheberrechts auf Software ein, siehe sein Open Letter to Hobbyists [1], was ihn letztendlich dann auch zum mehrfach reichsten Mann der Welt machte, weil Privatpersonen und Firmen wieder und wieder Geld dafür ausgeben mussten, um selbst die primitivsten Funktionen zur Benutzung eines Computers zur Verfügung gestellt zu bekommen.
Insofern: würde Frau George eine Unterscheidung von Typen von Werken im Urheberrecht eher begrüßen oder ablehnen? Hält sie die Unterscheidung in Werke der Kunst, Unterhaltung sowie Meinungsäußerung und Werke von praktischem Nutzen für sinnvoll? Ohne eine Antwort auf diese Frage kann man den Artikel nicht weiter in Erwägung ziehen, denn Bücher und E-Books sind beileibe nicht das eine und einzigste, was von der Urheberrechtsgesetzgebung betroffen ist.