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Comic und Selfpublishing – mehr als selbstkopierte Comicheftchen

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Comics - von einigen groß gefeiert, von anderen unbeachtet. Wie steht es um den Comic im Selfpublishing? Bietet das Selbstverlegen, vor allem im digitalen Raum, auch für Comics Chancen? Eine Bestandsaufnahme.

Der deutsche Comicmarkt hat in den letzten Jahren einen stetigen Zuwachs an Comicerzeugnissen zu verzeichnen. Neben Verlagspublikationen finden sich unter den Neuerscheinungen auch viele, die in der Regel nicht im Buch- oder Fachhandel zu finden sind – Selbstpublizierte Comics, deren Anzahl ebenfalls kontinuierlich steigt.

Eine Frage des Selbstverständnisses

Beschäftigt man sich mit dem Thema Comic und Selfpublishing, stellt man zunächst fest, dass der Begriff des "Selfpublishers", der in Bereichen der Belletristik schon beinahe eine Art Berufsbezeichnung geworden ist, in der Comic-Branche weit weniger präsent ist. Zwar werden auch hier viele Werke im Selbstverlag veröffentlicht, doch verstehen sich ihre Schöpfer in der Regel eher als Zeichner oder Künstler und weniger als Selfpublisher. Ein Umstand, der vielleicht auch einiges über das Selbstverständnis der Comic-Zeichner aussagt. Zum einen scheint bei vielen Zeichnern die eigene Arbeit, das Erschaffen des eigenen Comics, im Mittelpunkt ihres künstlerischen Schaffens zu stehen und weniger der damit verbundene Publikationsweg. Auch finden sich in der Comic-Szene kaum "Selfpublisher aus Überzeugung", die sich bewusst gegen das Publizieren im Verlag zu Gunsten der eigenen Unabhängigkeit entscheiden, da es für viele Zeichner immer noch das angestrebte Wunschziel ist, den eigenen Comic in einem Verlag veröffentlicht zu sehen. Der Weg dorthin ist jedoch oft lang, kostet Zeit und Nerven und führt nicht selten über den Pfad des Selfpublishing.

Der Einstieg in die Welt des Selfpublishing ist für viele Zeichner trotz Internet und digitaler Welt immer noch der nächste Copyshop, wo der zuvor in nächtelanger mühevoller Arbeit entstandene eigene Comic liebevoll kopiert und zusammengeheftet wird, um anschließend in kleiner Auflage im Freundes- und Bekanntenkreis verkauft zu werden. Einen großen Absatzmarkt oder Bekanntheitsgrad wird man auf diesem Weg jedoch kaum herstellen können. Auch der Weg zum nächsten Buchladen oder Comichändler dürfte für die meisten Selfpublisher zur herben Enttäuschung werden, denn für den stationären Handel bedeuten Selfpublisher in der Regel nichts als Arbeit. Entweder lässt sich der Comic mangels Bekanntheit nur schlecht oder gar nicht verkaufen, oder (was weit seltener der Fall, aber für den Händler nicht weniger ärgerlich ist,) der Selfpublisher ist bei hoher Nachfrage nicht in der Lage seinen Comic schnell genug nachzuliefern.

Die Revolution des Webcomics

Eine Professionalisierung des Comic-Selfpublishing fand mit dem Aufkommen der ersten Smartphones, Tablets und vor allem des High Speed-Internets statt, durch die das schnelle Laden umfangreicher und hochauflösender Bildergeschichten möglich wurde. All diese Entwicklungen ermöglichten Comic-Zeichnern eine neue Publikationsform: den Webcomic. Die Vorteile einer solchen Onlinepublikation liegen für Selfpublisher auf der Hand. Durch sie bietet sich die Möglichkeit, mit relativ geringem finanziellen Aufwand eine hohe Reichweite an potentiellen Lesern zu erreichen.

Das Erscheinungsbild der einzelnen Webcomics reicht von kurzen, wöchentlich erscheinenden Comicstrips über Kurzgeschichten bis hin zu langen Bildergeschichten, die nach mehreren Monaten Arbeit als vollständige Episode oder sogar abgeschlossenes Werk publiziert werden. Veröffentlicht werden die Webcomics häufig auf dem eigenen Blog, auf dem der Zeichner neben der eigentlichen Story auch weitere Skizzen, Panels oder Projekttagebücher zu seinen Arbeiten präsentieren kann.

Professionelle Anbieter entdecken den digitalen Comic

Webcomics stellen für Selfpublisher allerdings nicht die einzige Möglichkeit dar, ihre Werke im Netz zu veröffentlichen. Denn inzwischen haben auch professionelle Dienstleister das Potenzial digitaler Comicproduktionen erkannt und ihre eigenen Anwendungen auf den Markt gebracht. Erste Versuche auf diesem Gebiet unternahm 2012 unter anderem das auf e-Comics spezialisierte Startup Graphicly, das ankündigte, sein Serviceangebot auch für Selfpublisher zu Verfügung stellen zu wollte. Die Pläne scheiterten allerdings, da Graphicly 2014 bankrottging. Viele Zeichner, die zuvor ihr Projekt über Graphicly vertrieben hatten, wechselten in der Folge zu Blurb, einem weiteren Selfpublishing-Anbieter mit ähnlichem Dienstleistungsprofil.

Ebenfalls 2012 gelang dem Digital-Comic-Unternehmen Comixology (das inzwischen zu Amazon gehört) mit seinem Selfpublishing-Angebot "Comixology Submit" der Durchbruch. Neben einer leserfreundlichen Handhabung der Comic-App konnte Comixology auch seine Position als Marktführer im Bereich digitale Comics und die Zusammenarbeit mit Branchengrößen wie Marvel oder DC mit ins Feld führen. Schließlich zog auch Amazon selbst mit einer eigenen Comic-Anwendung nach. Zwar ließen sich Comics bereits seit 2011 über KDP in Kindle-Form bringen, die Darstellung der meisten Bildergeschichten ließ allerdings noch zu wünschen übrig. Amazon reagierte und brachte Anfang 2013 mit seinem Tool "Kindle Comic Creator" eine eigene Web-Software zum Erstellen und Vertreiben professioneller E-Comics heraus. Neben einer verbesserten und speziell auf Comics ausgerichteten Benutzeroberfläche, überbot Amazon mit einem Gewinnanteil von bis zu 70 Prozent das Angebot von Comixology (50 Prozent).

Anders als bei Kindle Direct Publishing hat der Comic-Creator allerdings bislang noch keinen Bestsellerautor vom Format einer Hanni Münzer oder Jessica Winter hervorgebracht. Dies mag auch daran liegen, dass der Comic in Deutschland, anders als in Japan, den USA oder im frankobelgischen Raum, ist. Ob sich dies, möglicherweise auch durch den Einfluss von Selfpublishern, in nächster Zeit ändern wird, bleibt abzuwarten.

von Lukas Lieneke, www.spubbles.de