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NaNoWriMo: Lohnt sich das Wörterzählen?

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Jenny Karpe
NaNoWriMo: Lohnt sich das Wörterzählen?

Klacks oder Koloss – Lohnt sich das Wörterzählen? Die Aufgabe des National Novel Writing Month (NaNoWriMo) klingt für viele Autoren im ersten Moment unlösbar: Schreiben Sie einen ganzen Roman in nur einem Monat. – Waaaas? In nur einem Monat?! – Doch keine Bange, Sie müssen das Projekt in dieser Zeit nicht veröffentlichungsreif zu Papier zu bringen. Es geht nur um eine erste Rohfassung, die Sie später immer noch überarbeiten können. Ob diese Methode wirklich zum Ziel führt, hat unsere Autorin Jenny Karpe genauer untersucht.

Obwohl es keine Studie dazu gibt, lässt sich mit ziemlicher Sicherheit sagen, in welchem Monat Autoren am meisten schreiben. Der Grund dafür heißt National Novel Writing Month, kurz NaNoWriMo. Autorinnen und Autoren aus aller Welt zählen im November ihre Wörter. Viele wollen 50.000 erreichen, manche noch mehr. Doch ist es wirklich sinnvoll, Wörter zu zählen?
Unter Autoren sind Buchstaben, genauer: Wörter, mittlerweile zu einer Maßeinheit geworden. Auf Twitter, in Facebook-Gruppen und in Foren ploppen immer wieder Statusmeldungen auf. „Ich habe gerade 300 Wörter in zehn Minuten geschafft“, heißt es da stolz. Oder: „Mein Roman hat endlich die 80.000 geknackt!“

Textlängenmaße

Es gibt drei Maßeinheiten, um die Länge eines Textes zu bestimmen:
1. die Anzahl der Anschläge (also der Zeichen und Ziffern inklusive der Leerzeichen);
2. die Anzahl der Wörter, wobei man im Deutschen von durchschnittlich etwa 6 Zeichen je Wort ausgehen kann;
3. die Normseite. Das sind 30 Zeilen mit maximal 60 Anschlägen je Zeile. Da Texte auch aus Absätzen, Einrückungen und Leerzeilen bestehen, geht man davon aus, dass eine Normseite etwa 1.500 oder 1.600 Zeichen (inklusive Leerzeichen) hat.

Umrechnungstabelle
Wörter    Zeichen (inkl. Leerzeichen)    Normseiten
1    6    –
250    1.500    1
750    4.500    3
1.500    9.000    6
1.667    10.002    6,67
22.500    135.000    90
50.000    300.000    200
80.000    480.000    320
300.000    1.800.000    1.200
 

Im Flow sein
In den Schreibfluss, auch „Flow“ genannt, können Sie auf viele Arten kommen. Eine gute Methode ist es, alles Ablenkende auszuschalten. Dazu gehört auch, sich zunächst keine Sorgen um die Überarbeitung zu machen. Den eigenen Perfektionismus können Sie überlisten, indem Sie beispielsweise einen Monat lang nur schreiben und auf ein Wortziel hinarbeiten, aber ignorieren, dass sich hier und da Füllwörter, Tipp- und Kommafehler, unschöne Formulierungen oder Wortwiederholungen einschleichen. Danach können Sie immer noch das Beste aus Ihrem Text herausholen. Aber zunächst kann es sehr motivieren, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: auf Ihre Geschichte und darauf, sie zu Papier zu bringen.
 

Worum geht es beim NaNoWriMo?
Der National Novel Writing Month (NaNoWriMo) unterstützt die Zählweise nach Wörtern. Die internationale NaNoWriMo-Community verwendet eine Webseite, um während des Novembers täglich ihre Wortzahl einzutragen und den eigenen Fortschritt zu dokumentieren. Mit Hilfe von Balkendiagrammen zeigt die Webseite an, wie viele Wörter geschrieben wurden. Wer möchte, kann sich sogar die geschriebenen Wörter pro Land anzeigen lassen.
Außerdem tauschen sich die Mitglieder in Foren aus, veranstalten Schreibsprints gegeneinander oder beraten sich bei Plotlöchern oder Motivationsproblemen. Der Hauptmonat für dieses Event ist der November; allerdings gibt es auch sogenannte Camps in den Monaten April und Juli, in denen sich jeder Autor sein eigenes Ziel setzen kann.
Gedacht ist der NaNoWriMo für alle, die gerne ein Buch schreiben wollen – egal ob AnfängerIn oder Profi. Im Jahr 2015 knackten von über 350.000 Autorinnen und Autoren nur 12 Prozent das Ziel. Offenbar reicht der Vergleich untereinander nicht aus, um genügend Ansporn zu haben, die 50.000 Wörter zu erreichen.
AutorInnen arbeiten verschieden: Manche tippen brav jeden Tag 1.667 Wörter und erreichen am 30. November pünktlich ihr Ziel, andere schreiben an einem Tag viel und am nächsten wenig und wiederum andere schaffen die 50.000 innerhalb eines Tages (50.000 Wörter entsprechen ungefähr 200 Normseiten, siehe unsere Umrechnungstabelle). Manche sind damit zufrieden, andere wollen 100.000 Wörter oder noch mehr erreichen. Je nach Genre kann während des Novembers also ein ganzer Roman entstehen. Und auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die irgendwo entlang des Weges aufhören.
Natürlich gibt es immer wieder Kandidaten, die einfach nur dabei sein wollen und die 50.000 Wörter gar nicht als Ziel haben. Andere fallen aufgrund ihrer Arbeit, ihres Studiums oder Erkrankungen aus. Manchen geht mitten im November der Stoff für ihre Geschichte aus oder sie lassen sich demotivieren. Denn auch dazu kann das Zählen von Wörtern führen. Kaum etwas kratzt so sehr am Selbstbewusstsein wie ein anderer Autor, der in einer kürzeren Zeit einen ähnlich guten Text schreiben kann. Manche spornt genau das an, anderen nimmt es den Wind aus den Segeln.

Die eigene Schreibgeschwindigkeit steigern
Dabei gibt es allerdings einige Tipps, wie Sie die eigene Schreibgeschwindigkeit steigern können.

  1. Die Handlung sollte vor dem Schreiben feststehen. Solange Sie kein Bauchschreiber, neudeutsch Discovery Writer, sind, der sich beim Erzählen der eigenen Geschichte selbst auf Entdeckungstour begibt, sind Plots essenziell. So verhindern Sie, dass sie mitten im Absatz eine Blockade haben. Wenn Sie ohne Plot in einen Schreibmonat gehen, werden Sie es schwer haben. Besonders, wenn 50.000 Wörter erreicht werden wollen, bleibt zwischendrin kaum Zeit, um lange über wichtige Entwicklungen nachzudenken. Erledigen Sie das also unbedingt vorher!
  2. Irgendwann machen die Finger nicht mehr mit – da lohnen sich sogenanntes Fingeryoga und Warmschreibübungen. Damit die Finger auf Dauer mitspielen, sind Ruhephasen wesentlich gesünder als striktes Durchtippen. Für den Preis einer Geschichte sollten Sie keine Schmerzen auf sich nehmen, zumindest solange es sich nicht vermeiden lässt. Viele AutorInnen schwören während des Novembers auf Stulpenhandschuhe, welche die Hände und Gelenke warmhalten.
  3. Schreibsprints, sogenannte Wordwars, können ebenfalls sehr nützlich sein. Sie sind nur eine von vielen Möglichkeiten, sich gemeinsam mit anderen Autorinnen und Autoren zu motivieren. Variante eins: Wer schreibt in fünf Minuten mehr Wörter? Variante zwei: Wer schreibt zuerst 500 Wörter? Überhaupt lohnt es sich, während des Schreibens mit anderen Autoren in Kontakt zu sein, sei es durch ein Forum oder einen Chat. Das funktioniert ganz wie mit einer Trainingspartnerin beim Sport: Sobald jemand neben einem herjoggt, überwindet man den inneren Schweinehund eher. Allerdings dürfen Sie dabei nicht das Ziel aus den Augen verlieren und sich verquatschen.
  4. Am besten motivieren jedoch nach wie vor Abgabetermine und die damit einhergehende Panik. Wenn Sie keinen Verlag haben, der Sie vertraglich verpflichtet hat, machen Sie solche Deadlines einfach mit sich selbst oder befreundeten Autoren aus. Übertreiben Sie es aber nicht, das Schreiben soll schließlich Freude bereiten! Wer stressresistent ist, kann es trotzdem ausprobieren.

Das Internetportal Ten Fast Fingers bietet einen Schnellschreibtest für die 100 oder 1000 häufigsten Wörter einer Sprache an. Dabei wird die Tipp-Geschwindigkeit gemessen und auf Wunsch dokumentiert. Wer den Test regelmäßig wiederholt, wird sehen, dass seine Finger mit der Zeit immer flinker werden. Auch Finger lassen sich trainieren!
> https://10fastfingers.com/typing-test/german
 

Dokumentation ist wichtig
Wer mehrere Tage am Stück schreibt und die Zahlen dokumentiert, wird bald bemerken, dass allein die Gefahr, seine Erfolgsreihe zu unterbrechen, motivieren kann. Denn obwohl es der Geschichte selbst nichts bringt, kann das Zählen der Wörter dafür sorgen, dass überhaupt weitergeschrieben wird.
Kritische Stimmen mögen dagegenhalten, dass eine Autorin, die sich nicht motivieren kann, gar nicht erst schreiben sollte. Ideen und Schaffensfreude kämen von allein. Doch Autoren sind verschieden. Manche haben vor allem Spaß daran, sich Geschichten auszudenken, das Niederschreiben ist für sie wie ein Weg mit vielen Steinen. Für manche ist es schwierig, sich aus dem eigenen Alltag abzukapseln und die Zeit für die Geschichte zu finden. Ganz zu schweigen vom Meister der Ablenkung, dem World Wide Web, dem viele nur schwer widerstehen können.
Wer sich jedoch für jeden Tag ein Ziel setzt und das konsequent erreicht, motiviert sich wie von selbst. Eine Einschränkung kann dabei helfen, rechtzeitig aufzuhören und noch genügend Ideen für den nächsten Tag zu haben. Statt „Ich schaue mal, wie viel ich schaffe“ sind konkrete Ziele wie „Heute Abend möchte ich 1500 Wörter schreiben“ sinnvoller. So bleibt am Ende der Nacht zusätzlich das gute Gefühl zurück, das erreicht zu haben, was man sich vorgenommen hat.
Die Dokumentation der erreichten Zahlen kann auf mehrere Weisen erfolgen. Hier drei Varianten:

  • Der Klassiker: ein Notizbuch, in das Sie jeden Tag die erreichte Zahl eintragen. Vorteil: Es bietet außerdem Platz für Gedanken und kleine Zeichnungen zum Schreibprozess. Nachteil: Das Addieren der Zahlen geht nicht automatisch.
  • Dafür bietet sich eine Excel-Tabelle an, die neben der Dokumentation die Addition übernimmt oder sogar mithilfe von Diagrammen den Fortschritt zeigt.
  • Auch möglich: Die Zahlen nicht dokumentieren, sondern sie nur vergleichen, wenn es nötig ist – etwa bei Wortsprints. Ansonsten kann die Gesamtwortzahl eines Dokuments genügen.

Wort ist nicht gleich Wort
Teilnehmer des NaNoWriMo bemerken früher oder später, dass Wort nicht gleich Wort ist. Jedes Programm zählt anders: Sind es bei Microsoft Word beispielsweise schon 50.000 Wörter, kommt die Webseite von NaNoWriMo nur auf 49.931. Woran das liegt, ist nicht bekannt. Für die eigene Motivation reicht es völlig aus, sich auf eine Zählvariante zu stützen und sich nicht von abweichenden Zahlen verwirren zu lassen. Es gibt einige gängige und etwas spezielle Methoden, seine Wörter zu zählen.

  • Aktuelle Versionen von Microsoft Word zeigen die Gesamtwortzahl in der unteren Leiste des Programmes. Bei OpenOffice findet man die Funktion unter Extras und dem Punkt Wörter zählen. Papyrus und Scrivener machen die Wortzahl ebenfalls unten im Fenster sichtbar.
  • Programme wie Scrivener und StoryMill haben zusätzlich eine Funktion, die den Schreibfortschritt zeigt. Vor Beginn einer Session können Sie ein Ziel festlegen, dem Sie sich dann Wort für Wort nähern.
  • Etwas reduziertere Schreibprogramme mit möglichst wenig Ablenkung sind zum Beispiel Q10, WriteMonkey und OmmWriter. Alle drei sind kostenlos und zeigen die Wortzahl direkt unter dem Dokument an. Ein wenig umfangreicher und ebenfalls gratis ist das Programm yWriter. Nachteil hier: Die Wortzahl einer Szene überträgt sich nicht in Echtzeit auf den Counter, Sie müssten das Dokument erst speichern. Diese „Fehlfunktion“ kann jedoch praktisch für alle sein, die regelmäßig auf ihren Wortzähler schauen und sich aus dem Konzept bringen lassen, sobald sie innerhalb einer Zeitspanne langsamer waren als gewöhnlich.
  • Wer gut unter Stress arbeiten kann, sollte sich Write or Die anschauen. Sobald der Nutzer dieser höllischen Webseite keine Taste drückt, färbt sich der Bildschirm rot, es gibt schreckliche Musik oder sogar eine Funktion, die den bisher geschriebenen Text löscht. Die Online-Version gibt es für 10 Dollar auch für den Desktop und verfügt über einen Pausenmodus, durch den Sie völlig ablenkungsfrei und entspannt schreiben können, ähnlich wie bei Q10 und dem OmmWriter. Außerdem gibt es eine Funktion, mit der mehrere Autoren gegeneinander schreiben können – perfekt für Schreibsprints! (Einen Test zu Write or Die finden Sie in diesem Heft auf Seite xxx.)
  • Auf Spaßseiten wie writtenkitten.co können Sie sich selbst belohnen. Hier erscheint beispielsweise alle hundert Wörter ein neues Katzenbild.
  • Wem es nur um die Sache geht, kann auf woerter-zaehlen.de seinen Text einfügen und mit einem Klick zählen lassen.
  • Zu guter Letzt bietet auch die NaNoWriMo-Webseite (http://nanowrimo.org/) während der Schreibmonate ein Schreibprogramm mit einem Zähler an, welcher automatisch aus den Einträgen eine Statistik erstellt. Wer es vorzieht, in seinem eigenen Programm zu schreiben, muss dann regelmäßig den eigenen Text kopieren und auf der Webseite des NaNoWriMo einfügen. Wer das nicht möchte, kann die Zahl auch manuell eingeben. Zum Validieren der 50.000 Wörter am Ende des Novembers muss man jedoch den Text einmal ins NaNoWriMo-Fenster kopieren. Die Betreiber der NaNoWriMo-Webseite versprechen, den Text nirgends zu speichern.

750 Wörter zum Ziel
Es gibt Communitys, die sich besonders dem Wörterzählen verschrieben haben. Neben ganzjährigen Events in allgemeinen Schreibforen wie dem Tintenzirkel oder der Schreibnacht gibt es mit 750words.com einen Ort speziell für AutorInnen, die dauerhaft am Ball bleiben wollen. Die größtenteils englischsprachige Community hat mindestens 750 Wörter als Tagesziel, was in 30 Tagen 22.500 Wörter wären. Je nach Genre entspricht das etwa einem Drittel bis Sechstel eines Buches. Im Jahr können so fast 300.000 Wörter zusammenkommen. Statt also einmal in der Woche oder nur sehr unregelmäßig viel auf einmal zu schreiben, können kleinere Happen sinnvoll sein, um langfristig viel zu schreiben.
Buster Benson, der 750words ins Leben gerufen hat, ist auch Teil des Teams hinter dem NaNoWriMo. Er kam auf die Idee zu der Wortzähler-Community, nachdem er von sogenannten Morning pages erfahren hatte. Dabei handelt es sich um drei Seiten Text, die am Morgen vor allen anderen Aufgaben geschrieben werden. Drei Seiten, das sind zusammen rund 750 Wörter – genau so viel, dass Sie sie nicht nebenbei schreiben können, aber für Sie auch keinen zu großen Aufwand bedeuten. Dabei geht es nicht unbedingt um Geschichten, sondern um alles, was einem gerade einfällt. Der Gedanke dahinter: den Kopf freibekommen und den Rest des Tages Platz für andere, wichtige Dinge haben. Schreiben also als eine Art Yoga oder Work-out des Kopfes.
Hinter 750words steht dasselbe Konzept, allerdings kann man die 750 Wörter jederzeit schreiben – und natürlich muss es sich dabei nicht um Tagebucheinträge oder um Dinge handeln, die einem gerade durch den Kopf schwirren. Stattdessen können diese 750 Wörter auch Teil einer großen Geschichte sein. Buster Benson erwähnt immer wieder den Zusammenhang von Schreiben und Meditation, was sich auch auf seiner Webseite zeigt. Sie beinhaltet eine Funktion, die nach dem Schreiben darstellt, wie sich der Autor währenddessen gefühlt hat. Das bietet sich allerdings eher für Autoren an, die auf Englisch schreiben, denn allein das deutsche Wort „war“ kann dazu führen, dass das Tool Ihnen kriegerische Absichten unterstellt. Und „die“ heißt im Englischen „sterben“ – auch das kann schnell falsch interpretiert werden. Nutzen können Sie stattdessen das Statistiktool. Damit können Sie sich anzeigen lassen, wie lange Sie an den 750 Wörtern geschrieben haben, wie schnell Sie schreiben und wie oft Sie sich haben ablenken lassen, indem Sie beispielsweise in andere Tabs wechselten. Die Webseite ist zwar vor allem als sozialer Treffpunkt gedacht, die Texte bleiben aber privat. Praktisch ist, dass 750words alle Wörter automatisch speichert, sobald im Browserfenster geschrieben wird. Trotzdem empfehle ich, die Texte auch privat abzusichern.
Geeignet ist die Community für alle, die wirklich lange am Ball bleiben wollen und nicht nur an einem Tag in der Woche schreiben. Für diejenigen mit Durchhaltevermögen gibt es viele Auszeichnungen, sogenannte Badges, sichtbare Sinnbilder des Erfolgs. Wer es wirklich ernst meint, kann sich für einen Monat verpflichten, jeden Tag zu schreiben – wenn man dieses Ziel nicht erreicht, landet man mit seinem Klarnamen in einer Hall Of Shame. Für manche DER Ansporn.

Ein Roman in drei Tagen
Wer es ernster als ernst meint, kann sich am Three day novel contest versuchen und einen Roman in drei Tagen schreiben. Dabei gibt es viel zu beachten: Sie sollten körperlich und psychisch vor Gesundheit nur so strotzen; genau wissen, an welchem Ort Sie am produktivsten sind und sich genau dort aufhalten; und sich so gut kennen, dass Sie sich durch ein System von Selbstbelohnung immer wieder bestens motivieren.
Dinge, die Ihnen im normalen Schreiballtag nebensächlich erscheinen, müssen plötzlich in einen zeitlichen Rahmen gepresst werden – zum Beispiel die Nahrungsaufnahme. Natürlich empfiehlt es sich auch hier, genau wie vor dem NaNoWriMo, mit einem fertig ausgearbeiteten Plot ins Rennen zu gehen und sich auf eine lange Überarbeitungszeit einzustellen. Auf der Webseite 3daynovel.com gibt es hilfreiche Überlebenstipps für alle, die das Abenteuer wagen wollen.

Was zählt: die Geschichten hinter den Zahlen
Doch sind die Werke von AutorInnen wirklich nur Aneinanderreihungen von Wörtern? Lässt sich die Arbeit, die in einem Roman, einer Novelle oder einer Kurzgeschichte steckt, wirklich anhand der Länge vergleichen? Natürlich nicht. Eine Kurzgeschichte kann über mehrere Jahre entstehen, während ein Roman in drei Tagen geschrieben werden kann. Eine Überarbeitung kann reibungslos ablaufen oder sich ewig ziehen. Meinungen von Betalesern und Lektorinnen können auseinanderdriften und einen Plot komplett über den Haufen werfen. Manche Wörter werden nicht nur einmal geschrieben, sondern dutzende Male gelöscht, ausgetauscht und verbessert. Ein Schriftsteller sollte sich niemals nur darauf berufen, wie viele Wörter er beispielsweise in einem Jahr geschrieben hat, denn das sind nur Zahlen. Was wirklich zählt, sind die Geschichten dahinter, das Herzblut, die Intention und die Freude, die man beim Schreiben hatte. Die Wörter und das Zählen sind ein Mittel zum Zweck: zum Sich-Vergleichen, zur Motivation und zur Selbstbeschränkung. Auch kann der eigene Tagesablauf zwischen Arbeit, Studium, Familie und anderen Dingen besser bewältigt werden, wenn die Leidenschaft für das Schreiben nicht nur einen festen Platz hat, sondern auch begrenzt ist. Wie beim Sport wird so nicht einfach trainiert, bis man nicht mehr kann, sondern bis ein bestimmtes Ziel erreicht wurde. Das kann eine Wortzahl sein oder auch eine Mindestdauer.

Jeder schreibt anders
Als SchriftstellerIn sollten Sie im Hinterkopf behalten, dass jeder anders schreibt und unterschiedliche Ansprüche hat. Manche schreiben sehr viel und gleichzeitig sehr gut; andere brauchen mehr Zeit dafür und wieder andere überarbeiten lieber den Text, den sie sich schnell von der Seele geschrieben haben. So gut man sich auch mithilfe von Zahlen vergleichen kann – der emotionale Wert lässt sich nicht messen.
Das gilt auch für diesen November. Wer sich die 50.000 Wörter zum ersten Mal vornimmt, hat einen steilen Weg vor sich. Wer den NaNoWriMo schon einmal geschafft hat und genau weiß, dass 100.000 machbar sind, kann besser vorplanen. 50.000 Wörter können ein Klacks oder ein Koloss sein. Den Respekt für andere Ansichten zu haben, sollte unter Autorinnen und Autoren selbstverständlich sein.

Fünf Tipps für NaNoWriMo-Neulinge
Wer den Schreibmonat zum ersten Mal in Angriff nimmt, könnte mit folgenden Tipps ans Ziel gelangen:

  1. Planen Sie vorher und lassen Sie sich nicht von plötzlichen Ideen, sogenannten Plotbunnys, ablenken! Ein niedergeschriebener Plot eignet sich in der Regel besser als eine Idee im Hinterkopf. Trotzdem sollte der Plan nicht so eng gefasst sein, dass gar kein Platz für kleine Abweichungen ist.
  2. Bleiben Sie gelassen! Wenn Sie in den ersten Tagen das Soll von 1.667 Wörtern nicht erreichen: einfach weitermachen! Übung macht die Meisterin. Schon bald werden Sie es schaffen. Außerdem wissen Sie nach spätestens zwei Wochen, zu welcher Uhrzeit die Worte am besten fließen. Auch, wenn andere Autoren schneller sind und mehr schaffen: Gönnen Sie ihnen ihr Tempo oder den Umstand, dass sie in ihrem Alltag mehr Zeit fürs Schreiben haben.
  3. Die mittleren Wochen sind die schwierigsten. Während es in der ersten und in der letzten Woche meistens gut läuft, kann es in den Wochen zwei und drei echte Durchhänger geben. Schrauben Sie gegebenenfalls ihr Wortziel etwas herunter und bleiben Sie am Ball – in Woche vier gibt es durch das Ende des Events meist so viel Ansporn, dass Sie automatisch mehr schreiben. Gegen Durchhänger helfen Abwechslung, Austausch mit anderen Autoren und ein Schreib-Tagebuch.
  4. Erst schreiben – dann überarbeiten. Fehler und unschöne Formulierungen gehören einfach dazu und können im Nachhinein überarbeitet werden. Also im Dezember oder im nächsten Jahr. Beim NaNoWriMo geht es nur ums Schreiben und darum zu lernen, den inneren Kritiker auszuschalten. Überarbeiten ist später.
  5. Wenn Ihnen die Genugtuung, Ihr Ziel zu erreichen, nicht genügt, können Sie sich auch selbst belohnen. Wie wäre es zum Beispiel mit dem Lieblingsfilm für das Erreichen eines Etappenziels?

Ob sich das Wörterzählen lohnt, muss jede Autorin, jeder Autor selbst herausfinden. Die Anzahl der geschriebenen Wörter ist eine gute Maßeinheit, um sich untereinander zu vergleichen. Wenn das Zählen nicht aufhält und sogar motiviert, ist es absolut empfehlenswert. Und auch eine Teilnahme an einem Community-Event wie dem NaNoWriMo kann dafür sorgen, dass die eigene Geschichte schneller zu Papier gebracht wird als gedacht.

Über die Autorin: Jenny Karpe wurde 1996 in Bad Oeynhausen geboren und erfindet Geschichten, seit sie sprechen kann. Sie schreibt für mehrere Lokalzeitungen und Fachzeitschriften. Die Rohfassung ihres Debütromans „Zwei Kontinente auf Reisen“ entstand in drei Tagen (und acht weiteren, kraftzehrenden Fassungen).
 

Autorin: Jenny Karpe
Weiterlesen in: »der selfpublisher«, Heft 7, September 2017
Illustration: Carola Vogt und Peter Boerboom

 

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Dieser Artikel steht im »selfpublisher«, Heftnr. 7, September 2017: /magazin/der-selfpublisher/archiv/der-selfpublisher-32017
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