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Meine Tour d’Auteur

Federwelt
Angelika Hesse
Bild zum Beitrag von Angelika Hesse

Über vierstellige Verkäufe via KDP zum digitalen Imprint eines Publikumsverlags: ein Etappensieg. „Bücher von Selfpublishern? Verkaufen sich garantiert eher schleppend“, dachte Angelika Hesse. Und wurde als KDP-Autorin der ersten Generation schnell eines Besseren belehrt. Doch inzwischen kommen immer mehr E-Books auf den Markt: von Verlagen und Indies. Als AutorIn gilt es da vor allem, den Weg zu finden, der am besten zu einem passt. Ein Erfahrungsbericht von Angelika Hesse.

 

Ich bin Autorin. Diesen Satz hätte ich noch bis Mitte letzten Jahres nicht öffentlich ausgesprochen, obwohl ich schon seit vier Jahren publiziere.
Im April 2011 ging Kindle Direct Publishing in Deutschland an den Start und ich gehörte im Sommer mit zur ersten KDP-Autoren-Generation. Ich hatte gerade eine Absage für mein Jugendbuchmanuskript „Grüne Schnüre mit Apfelgeschmack“ von einem der großen Publikumsverlage erhalten, auf den ich große Hoffnung gesetzt hatte. Ich war frustriert und sah mein Buch schon für alle Ewigkeiten in der virtuellen Schublade verwesen.
Dann erfuhr ich von der Möglichkeit unkompliziert E-Books bei Amazon einzustellen. „Warum nicht?“, dachte ich. „Soll doch irgendjemand noch Spaß an der Geschichte haben.“
An eine Verdienstmöglichkeit hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht gedacht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand Bücher ohne Verlagshintergrund kauft. Eigenverlag, so was funktioniert doch eher schleppend, dachte ich. Aber ich wollte meinen Kopf für mein neues Projekt freikriegen, einen humorvollen Frauenroman. Ich hatte mich bei der Literaturagentur Thomas Schlück mit meinem Jugendbuch vorgestellt und noch eine „Frauenkurzgeschichte“ nachgereicht. Franka Zastrow von Schlück gefiel die Kurzgeschichte so gut, dass sie mich ermutigte, daraus einen Roman zu machen. Ich war eingeschüchtert. „Grüne Schnüre mit Apfelgeschmack“ hatte ich in vier Monaten geschrieben, aber einen Frauenroman?
Zuerst wurde der Roman nicht rund. Frau Zastrow war toll, las immer wieder meinen Text. „Sie verweilen zu sehr in Kleinigkeiten“, meinte sie. „Der rote Faden fehlt.“
Sie hatte recht, das erkannte ich selbst und auch, dass der Plot noch keinen ganzen Roman trug. Aber gerade diese „Kleinigkeiten“ machten mir so viel Spaß. Irgendwann schrieb ich fast das vollständige Manuskript im Stil von Kolumnen um und merkte, wie gut mir das von der Hand ging.

Testkaninchen: lustige Kolumnen als Buch
Im Dezember 2012 ging dieses Manuskript als „Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich“ bei KDP online. Mein Jugendroman lief zu dieser Zeit schon über ein Jahr recht erfolgreich. Ob das auch mit meinem „Episodenbuch“ funktionieren würde? – Tat es! Und das ohne jegliche Werbung, weder im Bekannten- oder Freundeskreis noch mit Hilfe von Social Media. Beide E-Books haben sich bis dato im vierstelligen Bereich verkauft.
Auf der Grundidee zu meiner Kurzgeschichte baute ich einen neuen Roman auf. Frau Zastrow beendete die Zusammenarbeit schließlich, ihr war der Plot nach wie vor zu dünn. Aber sie gab mir noch die aufmunternden Worte „Ich bin sicher, Sie schaffen das!“ mit auf den Weg.
Als der Roman fertig war, überarbeitete ich mein Exposé, schickte es an gängige Publikumsverlage wie Rowohlt, Bastei Lübbe und Heyne – und war über die positiven Reaktionen erstaunt. Dass man als unbekannter Autor überhaupt keine Chancen bei den Großen hat, kann ich nicht bestätigen. Zumindest habe ich andere Erfahrungen gemacht. Es arbeiten viele nette Leute in den Verlagen. Es gab teilweise sehr regen E-Mail-Verkehr: „Gefällt mir gut. Ich schicke das an meine Kollegin weiter, die für die humorvolle Frauenliteratur zuständig ist.“ Oder: „Finde ich interessant, aber können Sie sich in drei Monaten noch einmal in Erinnerung rufen? Zurzeit komme ich vor lauter Arbeit um.“ Und: „Wir hätten gerne das Gesamtmanuskript.“
Natürlich gab es auch Verlage, die erst etliche Monate später mit einem Standardschreiben absagten. Aber kurioserweise waren es große Publikumsverlage wie Bastei Lübbe und Heyne, die schnell, verbindlich und nett reagierten. Ich hatte für mein Exposé einen Klappentext ausgearbeitet, der auch später vom Ullstein Verlag eins zu eins übernommen wurde. Ich glaube, ein starker Einstiegstext, der in wenigen Sätzen Lust auf das Projekt macht, ist die Eintrittskarte ins Lektorat.

Chance: E-Book im namenhaften Verlag
Im Sommer 2014 bekam ich eine Mail vom Ullstein Verlag. Man sehe das Projekt nicht im Printbereich, würde das Manuskript aber gerne für eine Veröffentlichung als reines E-Book für das hauseigene, neue digitale Imprint „Forever“ (http://forever.ullstein.de) prüfen.
Sollte ich das Manuskript schicken? – „Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich“ lief gut. Den neuen Roman hatte ich aus Sicht derselben Protagonistin geschrieben. Sollte kein Verlag es in sein Print-Programm aufnehmen wollen, hatte ich eigentlich vorgehabt, das E-Book wieder selbst zu veröffentlichen. Auf der anderen Seite wird man durch einen namenhaften Publikumsverlag als Autorin von der Umwelt ganz anders wahrgenommen, auch wenn es sich „nur“ um den E-Book-Ableger handelt. Gleichzeitig erübrigt sich die Suche nach einem Lektor oder einer Lektorin.
Schließlich schickte ich Ullstein das Manuskript und bewarb mich zusätzlich bei dotbooks, von deren kompetenter Verlagsleitung ich auch sehr angetan war und die unverzüglich das Gesamtmanuskript anforderten. Ein paar Wochen später kam die Zusage von Ullstein. Die Veröffentlichung sollte zeitnah noch vor Weihnachten erfolgen. Ich unterschrieb den Vertrag. Auch dotbooks meldete sich mit einer Zusage.

Der Verlagsvertrag als Motivation: Ich professionalisiere mich.
Mit Vertragsunterzeichnung bei Ullstein begann ich, an meinem Auftritt als Autorin zu arbeiten. Ich verbrachte ganze Nächte vor dem PC, bastelte eine Homepage und erstellte Konten bei Facebook und Twitter. Ich ließ meine alten Bücher neu korrigieren (danke Kanut Kirches) und bot sie über BookRix nun auch auf den restlichen E-Book-Plattformen an. Zuvor war ich exklusiv bei KDP gewesen, aber in Vorbereitung auf den neuen Roman wollte ich als Autorin nicht nur auf Amazon präsent sein. Ich sprach zwei Lokalzeitungen an, die zwei größere Artikel über mich brachten.
Der Herbst war hektisch und schön. Die Zusammenarbeit mit meiner Lektorin machte riesigen Spaß. Ich war begeistert über das Mitspracherecht, das man mir einräumte. Wenn man vorher selbst publiziert hat und einem niemand in die Suppe spucken durfte, fällt es unglaublich schwer, plötzlich die Zügel locker zu lassen. Umso erleichterter war ich, dass viele meiner Wünsche und Vorschläge umgesetzt wurden und ich alles zur Absegnung vorgelegt bekam.
Anfang Dezember wurde „Aus Liebe verzettelt“ veröffentlicht. Es war ein toller Moment, als ich das erste Mal mein Autorenprofil auf den Ullstein-Seiten erblickte – direkt neben den teilweise sehr bekannten Autorinnen und Autoren (www.ullsteinbuchverlage.de/nc/autor/name/Angelika-Hesse.html).

Der Name „Ullstein“ als Verkaufsmotor?
Aber hat sich mein E-Book durch den Namen Ullstein besser verkauft?
„Aus Liebe verzettelt“ ist bei Weitem nicht so erfolgreich wie der Vorgänger. Die Luft auf dem E-Book-Markt ist dünn geworden, die Konkurrenz größer. In den Anfängen des Selfpublishing wurde noch sehr viel experimentiert, einfach hochgeladen und abgewartet, was passiert. So, wie ich es anfänglich auch gemacht habe. Heute sind die meisten Selfpublisherinnen und Selfpublisher extrem professionell unterwegs und auch die Verlage haben verstanden, dass sie reagieren müssen. Immer mehr digitale Verlagsableger schießen aus der Erde. Damit wird es für alle zunehmend schwerer, nicht in der Masse unterzugehen.
Insgesamt habe ich von der Veröffentlichung über Forever by Ullstein aber auf jeden Fall profitiert. Mit einem Publikumsverlag im Rücken traute ich mich endlich, öffentlich zu meinen Romanen zu stehen. Zuvor war ich mir immer ziemlich blöd vorgekommen, wenn jemand im Bekanntenkreis mitbekommen hatte, dass ich schreibe. Schüchternheit liegt nicht gerade in meiner Natur, aber auf Reaktionen wie „Bisse die neue Joanne K. Rowling?“ ist mir dann manchmal einfach kein gescheiter Konter eingefallen.
Ich weiß, es gibt einige sehr erfolgreiche Indie-Autorinnen und -Autoren, die vormachen, wie man sich auch ohne Verlag einen Namen macht. Aber das war nie so meins. Ich finde es toll, dass es heutzutage möglich geworden ist und ich habe ja ebenfalls vom Selfpublishing profitiert. Die Frage, ob man wirklich einen Verlag braucht, kann man nicht pauschal beantworten. Das kommt auf die Mentalität des Einzelnen an, wie selbstbewusst er ist und wie viel Zeit, Energie und Kreativität er in seine Eigenvermarktung stecken möchte. Und zeitaufwendig ist das Ganze, auch mit Verlag, das merke ich immer wieder.

Mein Weg?
Ich versuche weiterhin, so viel wie möglich zu schreiben und mich zu verbessern. Ich investiere viel Zeit in meine Blogs und in die sozialen Netzwerke, um als Autorin bekannter zu werden. Soeben habe ich die Arbeiten an meinem neuen Projekt beendet: einem realistischen Kinderbuch.
Auf Dauer ist mein Ziel, ganz klassisch in einem renommierten Verlag gedruckt verlegt zu werden und mich weiter zu etablieren. Der Weg dorthin ist steil und steinig, aber ich konnte zumindest schon Etappensiege verbuchen.
Der Satz: „Ich bin Autorin“ geht mir übrigens immer noch nicht flüssig, aber doch inzwischen viel leichter von den Lippen.

In: FEDERWELT, Heft 114, Oktober/November 2015