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Mein erster Fernsehauftritt

Federwelt
Sandra Henke
Bild zum Thema Mein erster Fersehauftritt

Wow! Das war er also, mein erster TV-Auftritt. Ich bin noch berauscht von den Eindrücken. Aber fangen wir von vorne an.

In den letzten Jahren klopften bereits RTL und VOX bei mir an, aber die Konzepte für Beiträge mit mir waren hanebüchen. Für alle, die mich nicht kennen, muss ich erwähnen, dass ich erotische Liebesromane schreibe. Erotik ist ein Thema, das gerne sensationslüstern dargestellt wird. Ich möchte jedoch als Autorin ernst genommen werden.

Umso mehr freute ich mich, als die Produktionsfirma Encanto mich fragte, ob ich am „West Art Talk“ im WDR-Fernsehen teilnehmen möchte. Die Film- und Fernsehproduktionsfirma gehört Bettina Böttinger, selbst eine bekannte Moderatorin, und produziert den „Kölner Treff“ und weitere beliebte Formate.

Eine sympathische Redakteurin führte mit mir ein erstes Telefoninterview. Zu dem Zeitpunkt war der TV-Talk, der in drei Wochen ausgestrahlt werden sollte, „nur“ in Planung. Es war noch nicht sicher, ob und wie das Thema „Die neue Lust an der Unterwerfung“ mit dem Aufhänger „Shades of Grey“ umgesetzt werden konnte. Auch die Gesprächsteilnehmer standen nicht fest. Die Redakteurin hielt mich ständig auf dem Laufenden. Eine Woche später führten wir ein weiteres, längeres Interview. Noch am selben Tag bekam ich vom Aufnahmeleiter den Vertrag und Informationsmaterial zugeschickt.

Würden meine Nerven mitspielen?
Es wurde ernst! Immer mehr Gäste standen fest. Würde ich etwas Unbedachtes sagen und es später bereuen? Würde ich mich lächerlich machen oder in eine peinliche Situation geraten?

Ich stellte mir vor, dass der Auftritt nur eine weitere Podiumsdiskussion sein würde, denn davon hatte ich schon eine Menge geführt. Aber Filmkameras machen mich nervös, wie ich von Videoaufnahmen meiner Verlage wusste. In meinem Kopf schwirrt alles durcheinander und ich verliere den Faden. Aber einen Live-Talk kann man nicht wiederholen!

Einen Tag vorher bat mich die Redakteurin, zwei meiner Bücher mitzubringen. Die Wahl fiel mir schwerer als gedacht. Am Ende schaffte es „Meister der Lust“ in die Sendung, weil die Kameras das Cover klarer einfangen konnten.

Der Sonntag, an dem der TV-Talk ausgestrahlt wurde, kam. Trotz Aufregung hatte ich in der Nacht zuvor erstaunlich gut und tief geschlafen. Eine Limousine hätte mich vom Hauptbahnhof abholen können, aber da ich in der Nähe wohne, nahm ich mein eigenes Auto und fuhr nach Köln-Bocklemünd, wo sich die WDR-Studios befinden und Sendungen wie „Die Lindenstraße“ aufgenommen werden.

Dort war jedoch niemand zu sehen oder zu hören. Es gab keine Beschilderung und in dem Gebäude, zu dem ich musste, befinden sich gleich mehrere Studios. Daher rief ich die Handynummer der Gästebetreuung an. Der Aufnahmeleiter holte mich ab und führte mich zum Hintereingang, denn ich stand vorne.

Als erstes zeigte mir „meine“ Redakteurin das Aufnahmestudio. Es war ein fensterloser, schwarz ausgekleideter Raum mit Aufstellern zur Sendung. Er wirkte wie ein samtiger Kokon, war abgeschottet, ohne störende Einflüsse von außen.

Im Aufenthaltsraum, in dem schon ein Büffet und Getränke auf mich warteten, lernte ich die anderen Mitarbeiter und Talkgäste kennen: die Vorsitzende von SMart-Rhein-Ruhr e.V. Silke Niggemeier; die Bloggerin, Podcasterin und Feministin Katrin Rönicke; den Paar- und Sexualtherapeuten Tobias Ruland sowie den preisgekrönten Schriftsteller Feridun Zaimoglu.

Sofort ging es in die Maske. Ich wurde das erste Mal professionell geschminkt und war freudig überrascht, dass es dezent war, wo es doch heißt, die Kameras würden viel Farbe schlucken. Die Wahl meiner Kleidung überließ man mir, nur durfte es kein unruhiges Muster wie Pepita sein und auch kein rein schwarzes/rein weißes Outfit, weil die Kameras damit Probleme haben. Es stand sogar eine Frau extra zum Aufbügeln unserer Garderobe bereit.

Ein Fotograf schoss Pressefotos von jedem von uns und ein anderer Mitarbeiter legte uns Mikrofone an. Zwischendurch saßen wir mit dem Moderator Matthias Bongart zusammen, lernten uns kennen, tranken, aßen und suchten oft die Toilette auf.

Fünfzehn Minuten vor Sendebeginn nahmen wir im Studio Platz. Die Sessel waren mit Namen und Foto versehen. Unsere Mikrofone wurden geprüft. Die zahlreichen Kameras empfand ich gar nicht so furchteinflößend wie die Digi-Cams, mit denen ich bisher gefilmt worden waren. Vielleicht weil sie weiter weg waren. Lautlos glitten sie um uns herum und lenkten nicht ab.

Bevor es losging, bekam jeder von uns gesagt, in welche Kamera er gucken sollte, während Matthias Bongartz ihn mit ein paar Worten ankündigte. Da ich neben dem Moderator saß, hatte ich einen Blick auf den Monitor vor ihm, der unter dem Glastisch verborgen war und das WDR-Programm, also auch uns, zeigte. Ich konnte nicht widerstehen, dort ab und zu hinzuschauen, um zu sehen, wie das, was gerade im Studio ablief, auf dem Bildschirm wirkte. Nicht aus Eitelkeit, sondern weil ich das interessant finde. Denn alles kam mir abstrakt vor. Es fühlte sich nicht an, als würden wir anderthalb Stunden „Fernsehen machen“. Es war angenehm unspektakulär. Somit wurde ich noch lockerer.

Auf Sendung: überraschend entspannt
Im Grunde setzten wir nur das Gespräch, das „backstage“ begonnen hatte, im TV fort. Wir waren uns alle sympathisch, was zum Wohlfühlen beitrug. Sicherlich habe ich nicht immer die passenden Worte gefunden, äußerte mich manchmal zu kritisch und wurde vom Moderator unterbrochen, sodass ich meinen Gedanken nicht zu Ende führen konnte, aber alles in allem war es ein tolles „erstes Mal“. Die Zeit verging wie im Fluge.

Nach dem Ende der Sendung zog ich mir erst einmal eine Jacke an. Man hatte uns gewarnt, unter den Scheinwerfern wäre es heiß und wir sollten uns luftig anziehen. Von wegen! Ich habe gefroren und nachher gescherzt, die Zuschauer hätten mich bestimmt zittern sehen und gedacht, ich wäre nervös gewesen.

Und danach?
Wir plünderten das Buffet und plauderten im Aufenthaltsraum weiter, bis die ersten zum Flughafen mussten. Viele der Teilnehmer tauschten Kontakte aus. Erste Anfragen für Podcasts und Podiumsdiskussionen wurden adressiert. Berauscht und ermattet fuhr ich am ersten Frühlingstag des Jahres heim, was laut Herrn Bongartz jedoch auch bedeuten konnte, dass viele potenzielle Zuschauer lieber den Tag im Freien verbringen würden, statt vor dem Fernseher zu sitzen. Bis dahin hatte ich kein einziges Mal an Einschaltquoten gedacht.

Das Bibbern war also noch nicht zu Ende. Wie war ich bei den Zuschauern angekommen? Auf meiner Facebook-Seite, per E-Mail und Telefon bekam ich positives Feedback. Negatives über die Sendung an sich las ich nur auf der WDR-Website, von „Shades of Grey“-Fans. Kritik ist nicht einfach zu ertragen, das trifft auf LeserInnen zu wie auch auf AutorInnen, die sich das erste Mal im Fernsehen präsentieren. Daher danke, dass ihr alle gnädig mit mir wart.

Sandra Henke: www.SandraHenke.de

Wer den „West Art Talk“ am 8. März 2015 verpasst hat, kann ihn in der WDR-Mediathek anschauen: www1.wdr.de/fernsehen/kultur/west-art-talk/sendungen/westarttalkuebersicht184.html

In FEDERWELT, Heft 112, Juni/Juli 2015

 

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