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Liebeserklärung ans Sachbuch

Federwelt
Anne Weiss

Genres, Erfolgschancen und Ideenfindung und warum es so schön ist, Geschichten zu erzählen, die das Leben schreibt. Und wie man es am besten anstellt.

Zeit für ein Geständnis: Ich habe mal einen Verlagsjob geschmissen, weil ich dort als Lektorin nicht genügend Sachbücher betreuen konnte. Denn ich liebe Sachbücher. Natürlich nur die gut gemachten. Bücher, die mir die Welt erklären. Mich in das Leben einer historischen Person entführen. Mich zum Lachen bringen. Im Grunde wie Belletristik – nur mit dem Prickeln, das mir der reale Hintergrund verschafft.

Dame sucht Charme. Wie ich mich ins Sachbuch verliebte
In meiner Bücherkiste fanden sich früher neben den heutigen Klassikern von Michael Ende, Enid Blyton, Astrid Lindgren und Paul Maar die typischen Kindersachbuch-Standardwerke der Siebziger- und Achtzigerjahre: Was ist was? mit Themen vom Alten Rom über Dinosaurier bis zu Mineralien, erzählerische Naturbücher wie Linnéa und die schnellste Bohne der Stadt, Aufklärungskram wie Peter, Ida und Minimum. Hätte mich damals jemand gebeten, das Ganze zu ordnen, hätte ich vermutlich nicht in Sachbuch und Belletristik unterschieden, sondern in spannend und langweilig.
So wie mir damals geht es vielen Menschen noch heute. Jedenfalls könnte man auf diesen Gedanken kommen, wenn man sich die Rezensionen auf gängigen Leserportalen anschaut. Und die Unterschiede sind manchmal tatsächlich nicht so groß: Auch Sachbücher sind oft so erzählerisch wie ein Roman. Nicht umsonst heißt ein Subgenre im Sachbuch auch „romanhafte Autobiografie“, dazu später mehr.
Meine Leidenschaft gilt dem populären Sachbuch, das anders als das Fachbuch (das sich an Experten wendet) oder das Lehrbuch (das für Schüler oder Studenten gedacht ist) eine breite Zielgruppe anspricht. Es setzt sich mit einem bestimmten Thema, einem Gegenstand oder Sachverhalt auf verständliche und möglichst unterhaltsame Weise auseinander, und ich war lange in Verlagen angestellt, die eine große Bandbreite von solchen Sachbüchern anbieten. Das Tolle: Ich durfte alles umsetzen, was ich wollte, solange ich es der Programmleitung schmackhaft machen konnte.

Top Ten der Lektoratskriterien für den Erwerb eines Manuskripts

  1. I Was Made for Loving You: Das Buch passt zum Verlag
  2. Great Balls of Fire: Es ist eine ganz großartige Idee!
  3. Aber bitte mit Sahne: Der Titel hat das gewisse Extra
  4. Super Trouper: Der Promifaktor, das Webranking oder die Medienpräsenz einer Autorin oder eines Autors helfen bei der Vermarktung
  5. Kung Fu Fighting: Der Autor oder die Autorin ist bereit, das Werk auch nach außen in Talkshows zu vertreten
  6. The Logical Song: Die Fakten stimmen, und es ist gut recherchiert, Persönlichkeitsrechte werden nicht verletzt
  7. One Moment in Time: Das Timing für die Idee stimmt – das Thema liegt in der Luft
  8. Gangnam Style: Der Stil des Textes passt zum Thema
  9. From Me to You: Die Autorin oder der Autor verfügt über große Absenderkompetenz
  10. Forever Young: Der Titel hat Chancen in die SPIEGEL-Bestsellerliste einzusteigen und dort monatelang zu verweilen ...

In meinem ersten Job als Lektorin betreute ich übrigens sowohl Romane als auch Sachbücher. Damals war alles noch ein wenig offener als heute; die Verlage trennen die Lektorate inzwischen stärker. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen drängten, als wir uns entscheiden sollten, in die Belletristik. Romane machen galt vielen, die sich im Studium mit Literatur beschäftigt hatten, als die Königsdisziplin. „Viel fantasievoller als das Sachbuch“, sagte mir eine Kollegin.
Ich verstand das nicht –, denn zu diesem Zeitpunkt war ich längst dem Sachbuch verfallen. Mit einem Künstler seine Autobiografie planen, mit einer Autorin über ihre Vogelleidenschaft plaudern, in den Alltag eines SEK-Beamten oder eines Lehrers an einer so genannten Problemschule eintauchen: All das war eine so hautnahe Leseerfahrung und vermittelte mir so viele Einblicke in andere Leben, dass ich um kein Geld der Welt mehr hätte tauschen mögen.
Als der Kollege, mit dem ich das Büro teilte, und ich eine Sachbuchidee hatten, war es dann ganz um mich geschehen. Wie wir darauf kamen? Eines Tages saßen wir bei der Arbeit und erzählten uns Blödsinn, den wir erlebt, gelesen oder im Fernsehen gesehen hatten. Die Welt schien vor lauter DSDS, Nachmittagstalkshows, öffentlichen Handygesprächen und Internetjux verrückt geworden zu sein. Und plötzlich hatten wir einen Begriff dafür: Generation Doof. Unser Lektorennäschen sagte uns, dass das ein sehr schöner Titel war. Wir ordneten es in die Kategorie Humor ein und waren offen gestanden überrascht, als es bei Erscheinen als Debattenbuch aufgefasst wurde. So viel schon mal dazu, wie die Genreeinteilung der Verlage von außen wahrgenommen wird. Der Grund ist mir im Nachhinein klar: Das Thema lag einfach in der Luft, und es stellte sich das Kribbeln ein, das ich auch heute noch spüre, wenn ich für eine Idee brenne. Der Schreibprozess war für uns eine weitere Freude: Sich in ein Thema zu vertiefen, zu recherchieren und es im eigenen Stil aufzuschreiben – das hatte ich seit Unizeiten nicht mehr gemacht.
Daher verstehe ich auch nicht ganz, dass alle immer Romane schreiben wollen. Als Lektorin wie als Autorin ist es für mich viel leichter, mich an die Fakten zu halten, sie geben meinem Erzählten ein Gerüst und Halt. Die Idee ist klarer zu umreißen, es fällt mir leichter zu entscheiden: Ja, das ist was fürs Buchprogramm – oder eben nicht. Und eben deswegen schmiss ich besagten Lektoratsjob ein paar Jahre später, weil ich ganz in die Belletristik wechseln sollte.

Checkliste „Taugt meine Idee etwas?“

  • Kann ich meine Idee in wenigen Sätzen pitchen, sodass Freunde und Bekannte neugierig werden?
  • Gibt es bereits (erfolgreiche) Bücher zu meinem Thema am Markt? Was ist das Neue an meinem Projekt? (Gibt es zum Beispiel einen aktuellen Anlass oder einen besonderen Neuigkeitswert meiner Recherche?)
  • Trägt die Idee ein ganzes Buch oder ist das Thema in einem Zeitungsartikel auserzählt?
  • Wer soll es lesen – und wie groß ist diese Zielgruppe?
  • Wird das Thema auch bei Erscheinen in etwa einem Jahr noch ziehen?

Ein weiterer Vorteil davon, sich Sachbüchern zuzuwenden: Die Programme der Unterhaltungsverlage quellen über vor Romanen. Mit einer originellen Idee, einer interessanten Lebensgeschichte, einem Trendthema und einem streitbaren Debattenbuch hat man gute Chancen, einen Buchdeal zu landen. Ein Sachbuch ist viel leichter zu pitchen. Natürlich nur, wenn die Idee was taugt. Und „on top“: Statistisch gesehen kommt man mit einem Sachbuch sogar leichter auf die Bestsellerliste, der Markt ist (ohne Kochbücher, Reiseführer und Strickratgeber, die selten auf der Liste landen) halt nur knapp ein Drittel so groß wie der Belle-Markt.
Wer jetzt Lust bekommen hat oder sich schon lange mit einer Idee für ein Sachbuch trägt, sollte sich die Verlagsprogramme genau ansehen.

Das geheime Leben der Genres
Jedes Segment im Sachbuch teilt sich in Genres auf, jedes Genre hat wiederum Subgenres. Wer seine Stoffe bei einem großen Unterhaltungsverlag unterbringen möchte, sollte das wissen. Was in der Spannung die Genres Krimi und Thriller sind und sich dann im Genre Thriller feiner verästelt, unter anderem in die Subgenres Agententhriller, Verschwörungsthriller und Psychothriller, gibt es in ähnlicher Weise im Sachbuch. Das Problem: Die Einteilungen der Genres sind uneinheitlich – jeder Verlag nennt die Segmente dafür in seinem Programm ein bisschen anders. Was bei Droemer Knaur Natur & Wissen heißt, ist bei Ullstein eher Wissenschaft, bei Piper Naturwissenschaft oder Natur & Tiere. Grob stimmt das Ganze aber mit den Bezeichnungen überein, die in Buchhandlungen an den Regalen stehen. Jeder dieser großen Bereiche ist noch feiner unterschieden, wie wir gleich am Beispiel Biografie & Autobiografie, auch Erzähltes Leben genannt, sehen werden.

Gängige Genres
Ratgeber
Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Reiseführer
Spiritualität
Geschichte
Biografie/Memoir
Kochbuch
Geschenkbuch
Humor/Comedy
Reisebericht
Populärwissenschaft
Debattenbuch
Zeitgeschehen
Trendthema

Für Autorinnen wie Autoren gilt herauszufinden, was das eigene Werk ausmacht (Thema, Erzählweise?), und sich anzuschauen, wer so etwas publiziert. Weitere Schwierigkeit: Genres und Subgenres im populären Sachbuch entwickeln sich stetig fort, und es gibt etliche Mischformen, die ihren Weg auf die Bestsellerlisten finden, gerade weil sie einem erfolgreichen Genre noch mal einen besonderen Dreh verleihen.
Derzeit auf der SPIEGEL-Bestsellerliste findet sich beispielsweise mit Am Arsch vorbei geht auch ein Weg von Alexandra Reinwarth ein humorvoller Ratgeber – ein typisches Mischprodukt aus zwei gängigen Genres. Humor ist eine gute Zutat, wie man auch an populären Wissensbüchern wie Giulia Enders’ Dauerseller Darm mit Charme sieht. Debattenbücher wie Philipp Möllers Gottlos glücklich haben neben einem gelegentlichen Augenzwinkern auch mal einen autobiografischen Touch und oft romanhaft erzählte autobiografische Passagen. Eher klassisch kommen Politikbücher wie Die den Sturm ernten von Michael Lüders daher, genau wie True-Crime-Berichte von Pathologen wie Michael Tsokos oder Mark Benecke, die sich vornehmlich mit aufsehenerregenden Todesfällen beschäftigen.
Ein aktueller Trend sind Infografik-Bücher wie Was wir tun, wenn es an der Haustür klingelt von Katja Berlin, die je nach Verlag und Thema mal als Geschenkbuch oder als Humor gelistet werden – ein gutes Beispiel dafür, wie uneins Verlage sich über die Einordnung von Büchern sein können. (Wer sich also nicht sicher ist, welches Genre er für sein Buch im Exposé angeben soll, nennt lieber mehrere erfolgreiche Vergleichstitel.)
Dann gibt es noch einen ganzen Batzen Bücher, in denen Prominente aufschreiben, was ihnen gerade so durch den Kopf geht. Wegen ihrer Medienpräsenz und Bekanntheit dürfen sie sich so ziemlich in jedem Genre austoben. Und da sie zum einen wandelnde Werbung für ihr Werk sind und wir zum andern gern Geschichten über Menschen lesen – zumal, wenn wir sie kennen –, sind sie oft auf den Bestsellerlisten vertreten.

Wo finde ich Infos über Verlage, die mein Projekt publizieren könnten?
•    Auf Verlagshomepages im Internet: Die meisten großen Verlagshäuser listen ihre Titel sogar nach ihren Genres auf und stellen ihre Vorschauen online
•    In Buchhandlungen: Immer (!) ein guter Ort, wo man sich als Autor aufhalten kann und beim Stöbern einen guten Überblick bekommt
•    Via www.autorenwelt.de: Hier sind Verlage und Agenturen gelistet und ihre jeweiligen Ausrichtungen aufgeführt

Nicht ohne mein Memoir. Ein Beispiel für ein Dauerbrenner-Genre
Da die Vielfalt sehr groß ist, greife ich ein etabliertes Genre heraus: Das Memoir. Es gehört zum Segment Biografie & Autobiografie. Ebenfalls unter diesen Oberbegriff fallen Promibiografien oder Erinnerungen, alles, was einigermaßen biografisch daherkommt.
Memoirs firmieren in einigen Verlagen auch unter dem Namen Schicksalsberichte. Hier schreibt ein (oft ganz normaler) Mensch etwas Außergewöhnliches auf, das ihm widerfahren ist: die Suche eines Adoptivkinds nach den echten Eltern in Vietnam, die Vergangenheit als Heimkind in der DDR oder eine spektakuläre Entführung wie bei 3096 Tage von Natascha Kampusch. Die Mutter aller Memoirs ist sicher Nicht ohne meine Tochter von Betty Mahmoody, das 1988 auf Deutsch erschien und sofort zum Bestseller wurde. Und auch das Memoir ist als Genre noch untergliedert: Eine Ausprägung ist beispielsweise das Misery Memoir, in dem der Autor oder die Autorin von einer schweren Krankheit, Missbrauch oder Verlust erzählt. Eine weitere Art sind Reisememoirs, in denen jemand eine ungewöhnliche Reiseerfahrung schildert. Beispiel: Ohne Plan durch Kirgisistan von Markus Huth. Keine traurige Schicksalsgeschichte, sondern ein persönlicher Erfahrungsbericht, der humorvoll erzählt ist.
Inzwischen ist der Buchmarkt sehr voll an Stoffen, die unter anderem Verlage wie Bastei Lübbe, Ullstein, Goldmann oder Knaur publizieren. Viele möchten gerne aufschreiben, was ihnen widerfahren ist – umso mehr in Zeiten, da jeder sein Leben ohnehin in Wort und Bild im Internet veröffentlicht. Wer sein Projekt also einem der Verlage, die solche Stoffe im Programm haben, anbieten möchte, muss schon mindestens eine weiße Massai oder eine ehemalige IS-Sklavin sein, um mit seiner Geschichte einen Buchvertrag zu bekommen. (Klingt zynisch, ist aber so.) Dann jedoch lieben Verlage solche Autorinnen oder Autoren, denn die machen sich wunderbar in der Presse. Menschen, die etwas Spektakuläres erlebt haben, werden eben gern zu Talkshows eingeladen.
Wie der Verlag das Buch positioniert, also in welches Genre er es einordnet, zeigt sich auch an der Verpackung: Coverdesign, Titel und Klappentext samt Headline. Dort menschelt es im Memoir besonders. Titel sind oft als Ich-Aussage formuliert wie bei der Autobiografie des ehemaligen Jupiter-Jones-Sängers Nicholas Müller: Ich bin mal eben wieder tot. Wie ich lernte, mit Angst zu leben. Oft trägt ein Memoir auf der Vorderseite ein Bild der Person, die ihre Geschichte erzählt. Oder ein weichgespültes Foto von einem Model, wenn das Buch unter Pseudonym erscheint. Natürlich gibt es auch immer Ausnahmen – eine originelle Lösung, die etwas jugendlicher wirkt und zum Buch passt – wie beim eben genannten Titel, der ohne Foto des Autors auf dem Cover auskommt. Der zeigt übrigens, dass Memoirs gern gelesen werden; er stieg sofort in die SPIEGEL-Bestsellerliste ein. Kein Wunder, es erfüllt ja auch gleich mehrere Punkte auf der Top-Ten-Liste der Lektoratskriterien, zum Beispiel: ein aktuelles Thema, da derzeit zehn Millionen Menschen in Deutschland unter Angstattacken leiden, plus ein mediengeschulter prominenter Autor. Wie aber schafft man die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Buch, wenn man kein Promi ist?

Me too! Trends setzen oder lieber Erfolgreiches kopieren?
Einen Bestseller aus dem Boden zu stampfen, ist schwierig. Trends zu setzen gelingt eher in Ausnahmefällen, immerhin kommt es nicht so häufig vor, dass ein Thema in der Luft liegt, ohne dass es bisher jemand zwischen zwei Buchdeckel gepackt hat. Und selbst wenn alle Voraussetzungen stimmen – prominenter Autor, aktuelles Thema, toll geschrieben – kann der Titel hinter den Erwartungen zurückbleiben, etwa wenn alles gerade auf ein politisches Großereignis ausgerichtet ist oder ein anderer Verlag mit einem gleichzeitig erscheinenden Megaseller das Buch in den Schatten stellt.
Oft sind Verlage auch nicht mutig genug, ein Buch zu publizieren, das nicht in die gängigen Schemata passt. Sie setzen lieber auf Bewährtes, schielen gern auf die Bestsellerlisten, um sich an die Erfolge anderer zu hängen. – Da kennt man immerhin bisherige Verkaufszahlen, die über Media Control abrufbar sind, und kann so abschätzen, wie viel man wohl ungefähr davon verkaufen wird. – Das ist im Sachbuch nicht anders als in der Belletristik: Wenn Darm mit Charme an die Spitze der Bestsellerlisten schießt, braucht man als Lektor sozusagen nur ein Organ und jemanden, der sich damit gut auskennt: von der Haut übers Herz bis zum Penis ...
Solche Trends halten allerdings meist nicht ewig vor. Ein gutes Beispiel dafür ist der so genannte Culture Clash – sehr beliebt vor einigen Jahren. Vielleicht erinnern Sie sich an Maria, ihm schmeckt’s nicht! von Jan Weiler? Das Buch war so rasant erfolgreich, dass es eine ganze Flut von Nachahmern auf den Plan rief. Die Kriterien: Erlebnisse mit dem ausländischem Familienzuwachs, romanhaft und lustig geschrieben, – die sogenannte romanhafte Autobiografie, in der die Dramaturgie einem Roman ähnelt und die auch ins Segment Autobiografie & Biografie fällt –, möglichst mit Liebesgeschichte und Happy End. Die Bücher sahen alle irgendwie gleich aus: pastellig gezeichnete Symbole der anderen Kultur. Und hießen Elchtest, Ich trink Ouzo, was trinkst du so? oder Mordsgouda, je nachdem, wo die angeheiratete Verwandtschaft zu Hause war. Die Lektorinnen und Lektoren stellten schnell fest, dass besonders die Bücher erfolgreich waren, die in beliebten Urlaubsländern spielten; außerdem schien es für die Leserinnen und Leser wichtig zu sein, die eigene Kultur humorvoll durch die Brille der anderen zu sehen. Und sie stellten auch fest: Der Trend begann irgendwann abzuebben. Heute gibt es deshalb kaum noch solche Stoffe. Und wenn, sind sie unter Garantie anders positioniert und gecovert. Der Markt ist zunächst gesättigt – und irgendwann übersättigt. Das ist ein normaler Vorgang: Ein Trend ist etwas Neues, das eine Bewegung in der Gesellschaft auslöst. Sprich: Erst finden es einige cool, dann viele, dann wird es zum Mainstream und verebbt schließlich, weil es zu gewöhnlich und damit langweilig wird.
Ähnlich war es mit Streitschriften, den 30 bis 50 Seiten schmalen Bändchen, deren Siegeszug einst mit dem Essay Empört euch! begann. Und so wird es auch mit den Infografik-Büchern sein. Deswegen muss man als Lektorin oder Autorin immer up to date sein. Der Markt ist nämlich nichts Starres, sondern verändert sich.
Aber was ist der nächste große Trend? Glauben Sie mir, das wüssten alle Verlage gerne – und alle Autoren. Was hilft, ist: Augen offen halten und seiner Leidenschaft folgen.

Ich bin dann mal Bestseller. Warum man eine Idee verfolgen sollte
Bestseller kann man nur bedingt „machen“: Inzwischen werden immer weniger Marketinggelder auf alle Titel im Programm gestreut, sondern meist nur die großen Spitzentitel beworben. Die überwiegenden Titel werden in der Verlagsvorschau dargestellt und müssen dann mit möglichst guten Marketingargumenten (siehe Top Ten) die Aufmerksamkeit der Buchhändler und Radioredakteure oder Zeitungsjournalistinnen erringen, die sie dann ihrem Publikum empfehlen. Oft ein mühsames Unterfangen und für viele Autoren wie Lektorinnen frustrierend.
Daher ist der beste Grund, einem Buchthema nachzugehen, der, dass es einen nicht loslässt und man das Buch selbst gerne lesen würde.

Wie kann ich Themen finden?
-    Lesen. Lesen. Lesen. Andere Sachbücher, Zeitschriften, Internetartikel. Sogar kleine Zettel, die jemand in Ihrer Stadt hinterlassen hat. (Auch daraus kann nämlich ein Buch werden: Wellensittich entflogen. Farbe egal.)
-    Welche aktuellen Bestseller bieten ähnlichen Stoff für eigene Bücher? (Inspirieren lassen, nicht eins zu eins kopieren!)
-    Was steht derzeit auf den internationalen Bestsellerlisten? (Die finden sich übrigens unter anderem auf den Websites von Branchenmagazinen wie www.buchreport.de.) Oft schwappen gute Ideen und Trends ein wenig später aus den USA oder aus Großbritannien zu uns. Mitunter lohnt es sich auch, private Kontakte in anderen Ländern darauf anzusprechen, was dort gerade Trend ist und zu überlegen: Könnte dies hierzulande interessant werden?
-    Naht ein Jubiläum, ein Jahrestag, ein Großereignis – und kann ich ein Buch zu diesem Anlass anbieten? (Allein auf Wikipedia finden sich eine Menge Infos, wenn man ein kommendes Jahr ins Suchfeld eingibt. 2020 wird sicher die ein oder andere Biografie zu Florence Nightingale oder Friedrich Engels erscheinen – beide wurden 200 Jahre zuvor geboren. Autorinnen müssten sich jedoch schon im nächsten oder besser noch in diesem Jahr bei den Verlagen melden, um mit ihrer Idee nicht zu spät zu kommen.)

Wenn ein Thema Sie so fesselt, dass es Ihnen immerzu im Kopf herumgeht, wenn Sie ein neues Phänomen entdeckt haben, das Sie fasziniert, oder wenn Sie eine aufregende, besondere Geschichte erlebt haben, die Sie dazu noch gut in TV und Print vermarkten können, dann ist es sinnvoll, diese in einem gut aufbereiteten Exposé klar und appetitanregend darzustellen und sie einer Agentur oder einem Verlag zu schicken, in deren Programm das Buch passen könnte.
Im besten Fall springt der Funke über und Sie werden der neue Peter Wohlleben, der Das geheime Leben der Bäume zum Hit machte, obwohl keiner vorher gedacht hätte, dass ein Naturbuch so viele Menschen interessieren könnte. Wenn man die Entwicklung verfolgt, ist Wohllebens Bestseller jedoch eine besonders große Welle im Meer der aktuell sehr beliebten populären Wissensvermittlung: locker und leicht erzählter Stoff über Menschen und ihre Lebenswelt. Sciencetainment, sozusagen.
Daher sollten Sie aufmerksam durch die Welt gehen, sich für das interessieren, was um Sie herum gerade vor sich geht, dazu lesen so viel Sie können, vorausschauend denken und auch mal Trends in anderen Ländern ausmachen. Denn Themen liegen in der Luft. – Wenn nicht bei uns, dann vielleicht schon irgendwo anders.

Checkliste „Welche Fragen muss das Exposé beantworten?“

  • Welches Thema behandelt das Buch?
  • Warum ausgerechnet jetzt dieses Buch?
  • Wer soll das lesen und warum?
  • Warum soll ein Verlag dafür (im besten Fall viel) Geld ausgeben?
  • Warum bin ich die richtige Autorin/der richtige Autor für das Buch? (Was ist Ihre sogenannte Absenderkompetenz?)
  • Gibt es mögliche Nachfolgeprojekte, die mit meinem Thema zusammenhängen?

Wenn Sie dann eine Idee haben, hilft es nichts: Der harte Teil der Arbeit beginnt: Recherche, Struktur, Faktencheck. Und das Schreiben. Und da erst beweist sich die wahre Liebe zum Sachbuch, denn die bedeutet: Zähne zusammenbeißen und dranbleiben bis zur letzten Seite. Und dabei möglichst locker wirken. Feel the love!

Autorin: Anne Weiss | www.bonnerweiss.de
Weiterlesen in: Federwelt, Heft 127, Dezember 2017
Blogbild: Photo by Thought Catalog on Unsplash

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Dieser Artikel steht in der Federwelt, Heftnr. 127 Dezember 2017: /magazin/federwelt/archiv/federwelt-62017
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