
Jessica Koch hat das geschafft, wovon viele Autorinnen und Autoren träumen: 2016 erschien ihr Debütroman Dem Horizont so nah im FeuerWerke Verlag und entwickelte sich zum E-Book-Bestseller, woraufhin rororo die Printrechte an der ebenfalls sehr erfolgreichen Taschenbuchausgabe erwarb – und Audible die Hörbuchrechte. Ab dem 10. Oktober 2019 wird Dem Horizont so nah als große Filmproduktion auf den deutschen Kinoleinwänden zu sehen sein.
Fast hätte dein Debüt ja gar nicht das Licht der Welt erblickt ...
Ja, ich hatte die Geschichte 2003 schon einmal aufgeschrieben und ausgedruckt. Ich hab dieses provisorische Manuskript, das ich auf einer elektrischen Schreibmaschine geschrieben hatte, damals rein aus Neugier an zwei Verlage geschickt und überraschenderweise eine Zusage bekommen. Ich hab mich dann aber gegen eine Veröffentlichung entschieden und das Skript verbrannt. Mein eigentliches Ziel war es ja nie, Schriftstellerin zu werden, ich hatte mir vor allem eine emotionale Last von der Seele schreiben wollen. Die Vorstellung, dass alle Welt meine viel zu persönliche Lebensgeschichte lesen kann, erschreckte mich plötzlich. Nur auf Anraten meines Mannes habe ich meine Geschichte mit Danny ein weiteres Mal aufgeschrieben und an eine Handvoll Literaturagenturen geschickt.
Hattest du selbst nicht daran geglaubt, dass du mit deiner Geschichte so viele Leute faszinieren könntest?
Ich habe immer daran geglaubt, dass ich mit dieser Geschichte die Menschen emotional erreichen kann. Ich hab nur nicht daran geglaubt, dass das Buch so ein großer Erfolg wird. Einfach aus dem Grund, weil es wahnsinnig viele tolle Bücher auf dem Markt gibt und längst nicht alle entdeckt werden.
Kannst du dir erklären, was den unglaublichen Erfolg von Dem Horizont so nah ausmacht? Inzwischen sind ja über 300.000 E-Book-Exemplare verkauft worden. Was macht das Buch so besonders?
Die Frage wurde mir im Laufe der letzten Jahre natürlich öfter gestellt und meine Antwort ist immer dieselbe: Diese Geschichte hätte einfach jedem passieren können. Dir, mir, dem netten Mädchen von nebenan. Fast jeder kann sich mit mir, der Jessica im Buch, identifizieren, weil sie eine ganz normale junge Frau ist. Dazu kommt sicherlich auch, dass Dannys Geschichte im Gegensatz dazu einfach einmalig ist. Ich glaube, man merkt meinem Buch auch an, dass es nicht nur heruntergeschrieben wurde, sondern dass da meine ganze Liebe drinsteckt.
Ja, das merkt man. Ich kann mich noch erinnern, als damals die ersten Testleser-Feedbacks bei uns ankamen, dass ich beim Lesen Gänsehaut und teils Tränen in den Augen hatte. Das war schon beeindruckend.
Wie war das eigentlich mit den Filmrechten?
Als sich das E-Book 2016 zu einem spektakulären Bestseller entwickelte, kamen neben Verlagen auch Filmverleiher und Produktionsfirmen auf den FeuerWerke Verlag zu. Daraufhin wurden vorhandene Kontakte in die Branche angezapft und neue aufgebaut, um eine möglichst große Bandbreite auf dem Filmrechtemarkt abzudecken. Letztlich hatten Autorin und Verlag dann das Glück – aber auch die schwierige Aufgabe –, sich zwischen zwei tollen Filmstudios und deren Angeboten entscheiden zu dürfen.
Der Film zu Band eins von Pantaleon Films und Studiocanal (einem der größten Filmverleiher Deutschlands) ist ja keine kleine Produktion gewesen. Wie war das für dich? Warst du in die Verhandlungen involviert? Warst du von Anfang an für einen Kinofilm? Bei einer so persönlichen Geschichte ist das Loslassen sicher nicht einfach ...
Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich am Anfang komplett gegen einen Kinofilm war. Der Gedanke, das alles auf der Leinwand zu sehen, fühlte sich irgendwie falsch an. Es hat eine Weile gedauert, bis ich realisiert habe, dass es etwas ganz Besonderes ist, wenn das eigene Buch verfilmt wird, und dass ganz viele Autoren von dieser Chance träumen, die mir geboten wurde. Schließlich habe ich zugestimmt.
Ich war in alle Verhandlungen und in alle Vorgänge involviert. Und natürlich war das Loslassen nicht einfach, aber das Buch bleibt ja bestehen, deswegen ist es mir am Ende auch sehr gut gelungen. Wir beide haben bei der Suche nach einer Produktionsfirma viele Gespräche mit möglichen Partnern geführt, sodass wir unser Herzensprojekt vertrauensvoll in kompetente Hände abgeben konnten. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen wurde dann alles genau abgesprochen.
Auch wenn man als Autor, nachdem man einmal unterschrieben hat, natürlich nur noch bedingt mitbestimmen kann: Gab es später im Drehbuch oder bei den Schauspielern denn Punkte, mit denen du nicht einverstanden warst und bei denen du um Änderung gebeten hast?
Ja, da gab es mehrere kleinere Dinge im Drehbuch, die mir nicht ganz gefallen haben oder die ich nicht hundertprozentig authentisch fand. Das haben wir dann besprochen und das wurde alles zu meiner Zufriedenheit geändert.
Du warst ja – wie ich – auch beim Dreh mit dabei. Dass da täglich bis zu hundert Komparsen engagiert sind und wie unglaublich viel Aufwand so ein Film ist, das hat mich überwältigt ...
Ich fand es wahnsinnig spannend zu sehen, wie alles entsteht. Es gab Szenen, die wurden x-mal gedreht, bis alles gestimmt hat.
Über Tim Rohrer, die Leselupe und den FeuerWerke Verlag:
Tim Rohrer ist Betreiber von Leselupe.de, einer Literaturcommunity, die er 1998 mit einem Schulfreund gründete. Damals war er ambitionierter Nachwuchsautor. Heute ist Tim Rohrer weniger schreibend aktiv, dafür umso mehr lesend, veröffentlichend und vermarktend: als Literaturagent (www.leselupe-literaturagentur.de) und Kleinverleger im von ihm gegründeten FeuerWerke Verlag (www.feuerwerkeverlag.de). So ist er ständig auf der Suche nach neuen, spannenden Autorinnen, Autoren und deren Manuskripten.
Du hast nicht nur hinter, sondern auch vor der Kamera gestanden – das haben wir beide uns extra vor der Vertragsunterschrift zusichern lassen. Wie war es für dich, als Komparsin in deinem Film auch mal selbst vor der Kamera zu stehen? Ich saß in einer 20er-Jahre Kirmesraupe direkt hinter dem knutschenden Liebespaar – das war schon aufregend.
Aufgeregt war ich ehrlich gesagt nicht. Ich saß da ja nur rum, einmal in der großen und einmal in der kleinen Turnhalle, in der der Boxkampf gedreht wurde. Ich hab eher gestaunt, wie super lieb die Leute vom Film alle waren und wie gut sie für uns gesorgt haben.
Merkwürdig war es aber schon. Luna (Anmerkung der Redaktion: Luna Wedler, die weibliche Hauptdarstellerin „Jessica“) stand vor der Tür und wurde dann in die Halle hineingerufen. Und wann immer „Jessica“ gerufen wurde, dachte ich, dass ich gemeint bin. Außerdem gab es da so einen Augenblick, in dem ich mich echt ein paar Jahre in der Zeit zurückversetzt gefühlt habe, als Jannik (Anmerkung der Redaktion: Jannik Schümann, der „Danny“-Darsteller) in den Ring getreten ist und mir zugewinkt hat. Ich war froh, dass meine Freundin Patricia, die auch meine Facebook-Gruppe (Jessica Koch – read the world) leitet, dabei war.
Man hatte echt das Gefühl, dass wir als Menschen und an der Entstehung des Buches Beteiligte willkommen waren. Es waren ja auch noch ein paar Fans beim Dreh dabei ...
Ja, es waren einige Leser aus meiner Gruppe mit dabei.
Apropos Leser: Es gibt beim Thema „Film zum Buch“ ja auch meist kritische Stimmen, da ein Film immer komprimieren muss und somit manche Buchinhalte oder Emotionen auf der Strecke bleiben. Wie war das in deinem Fall?
Einige Leser waren tatsächlich überzeugt davon, der Film könnte gegen das Buch nur den Kürzeren ziehen. Manche sagten auch, sie könnten es nicht nachvollziehen, wieso ich die Freigabe gegeben habe, vom Inhalt des Buches abzuweichen. Und einige hatten schlichtweg Sorge, dass sich ihre Vorstellung von den Protagonisten nicht mit den Schauspielern deckt. Ich dachte anfangs auch, dass man keine Schauspieler finden wird, die ich mit meinen Gedanken vereinen kann. Ich habe mir dann vorgenommen, den Film komplett losgelöst vom Buch zu sehen. Jetzt nach dem Dreh habe ich persönlich in diesem Punkt die geringste Sorge, weil mich die Schauspieler völlig überzeugt haben.
Auszügen aus vier Rezensionen
goelenz, ein Stern – amazon.de: „Der Klappentext verspricht einen Liebesroman, auch mit Höhen und Tiefen [...]. Jedoch geht es um Lebensgeschichten, in denen es um Missbrauch, Vergewaltigung, Gewalt und Drogen geht. Das ist schwere Kost, die, so finde ich, als Hinweis in den Klappentext gehören. Denn selbst wenn es in den [...] (biografischen) Lebensgeschichten um erlebte Liebe geht, stellt sich der Leser unter einem Liebesroman etwas anderes vor.
Ich hätte das Buch nicht gelesen [...], wenn ich gewusst hätte, auf welcher Basis die Geschichte beruht.“Michaela T., fünf Sterne – amazon.de: „Ein unglaublich ergreifendes Buch! Ohne Tränen ist es nicht zu lesen. [...]“
Gabriella, ein Stern – amazon.de: „[...]Selten habe ich ein Buch gelesen, das vom Schreibstil her wirkt, als sei es von einer 12-jährigen Schülerin geschrieben worden. [...]“
Mia Bruckmann auf www.mia-bruckmann.de, fünf Sterne: „Der Schreibstil ist so, als ob Jessica und der Leser des Buches gemeinsam auf dem Sofa sitzen, vielleicht bei einer Tasse Tee, und Jessica erzählt, was sie mit Danny erlebt hat.“
Anderes Thema: Wie gehst du allgemein mit Kritik um? Trotz fast 2.500 Rezensionen auf Amazon und einer Durchschnittsbewertung von 4.7 Sternen sind immer wieder kritische Rezensionen dabei. Trifft dich das? Zwei Kritikpunkte, die immer mal wieder aufkommen, beziehen sich zum einen auf das Thema des Buches (HIV, Missbrauch …) und zum anderen auf deine recht „einfache“, eingängige Sprache. Kannst du das nachvollziehen und wie siehst du das?
Ich muss gestehen, ich lese nach wie vor jede einzelne Rezension zu jedem Buch von mir. Jede Kritik trifft mich, die eine mehr, die andere weniger.
Die Kritik in Bezug auf das Thema des Buches trifft mich härter, weil es eben genau um dieses Thema geht. Kritik an meiner Sprache trifft mich eher weniger. Die Sprache habe ich bewusst so gewählt und die vielen begeisterten Leser, die die Geschichte mitgefühlt haben, zeigen mir, dass sie sich komplett in das Buch hineinversetzen konnten. Das wäre nicht möglich gewesen, wäre die Sprache überzogen oder literarisch hochgestochen gewesen.
Das sehe ich als Verleger ähnlich: Es ist eine Kunst, eine Sprache und einen Stil zu finden, der die Menschen erreicht und sie im Herzen berührt. Das gelingt dir offensichtlich. Behalte dir das bei!
Autor: Tim Rohrer | www.feuerwerkeverlag.de
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Blogbild: Andrea Moessinger
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