
„Willst du nicht auch mal richtig arbeiten?“ Was andere über Autoren oder Autorinnen denken und wie diese damit umgehen.
Erklären, was ich mache
Vorletzten Herbst auf einer Party. Eine Bekannte: „Und, schreibst du noch Geschichten?“
Ich, stolz: „Ich schreibe Bücher!“ In meinen Augen war das ein Riesenfortschritt. Keine komplizierten Geschichten mehr in unbekannten literarischen Zeitschriften und Anthologien. Nein, Frauenunterhaltung in einem großen Verlag, ein Roman war bereits erschienen, der zweite angekündigt, das Manuskript hatte ich ein paar Tage zuvor abgegeben. Also etwas ganz „Normales“, etwas, das alle kennen. Dachte ich. Denn dann ging es los: „Was für Bücher?“
„Romane. Frauenunterhaltung.“
Frauenunterhaltung! Was das denn, bitte schön, sein solle?!
Ein Partygast, männlich, kriegte sich gar nicht mehr ein. Ein anderer erkundigte sich bei meinem ebenfalls anwesenden Ehemann mit gedämpfter Stimme beiläufig nach der Auflagenhöhe. Den Rest der Unterhaltung habe ich vergessen, übrig blieb nur die Erinnerung, wie unvorbereitet mich dieses Partygespräch erwischt hatte.
Mir fielen andere Situationen ein, in denen ich das Gefühl gehabt hatte, in Erklärungsnotstand geraten zu sein, was mein Schreiben betrifft. Das schwierige Gespräch mit meiner Mutter zum Beispiel, in dem ich sie bat, mich vormittags am besten nicht mehr anzurufen, weil ich dann am Schreibtisch säße. – Sie rief dann erstmal überhaupt nicht mehr an. Ich dachte an das schlechte Gewissen mir selbst gegenüber, wenn ich Ausnahmen von dieser Regel machte und vormittags Freundinnen traf, die sich nachmittags nicht verabreden wollten, weil dann ihre Kinder zu Hause waren.
Ich plante dann immer, mein Schreibpensum nachmittags irgendwie nachzuholen. Was mir nie gelang – wegen meiner drei Kinder.
Richtig arbeiten?
Als im selben Zeitraum eine Freundin, von Beruf Pastorin, in einem Gespräch feststellte: „Du willst doch bestimmt auch mal richtig arbeiten, ich meine, sozialversicherungspflichtig und so“, war ich zunächst sprachlos. Dann hielt ich ihr einen Vortrag über die Künstlersozialkasse – völlig überzogen, denke ich heute. Später ergriffen mich tatsächlich Zweifel, ob ich mich nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte, schließlich konnte ich nicht mit Sicherheit sagen, wie es weitergehen würde mit mir als Autorin. Würde ich überhaupt einen weiteren Verlagsvertrag erhalten? Ab da war jedenfalls klar: Das Bild, das andere von „normaler“ Arbeit haben, deckt sich nicht mit meiner Tätigkeit.
Das Bild vom Schriftsteller
Dass Autor oder Schriftstellerin keine geschützte Berufsbezeichnung ist, ist sicher einer der Gründe dafür. Sagt jemand „Ich schreibe Romane“, können damit sowohl auflagenstarke Bestseller als auch Eigenpublikationen gemeint sein, für die sich außer der eigenen Verwandtschaft niemand interessiert. Die Grenze zum Hobby ist fließend, es gibt schließlich viele, die kreativ schreiben, ohne damit Geld zu verdienen, und auch ohne die Absicht, das jemals zu tun.
Dann sind da die Bestsellerautoren, die jedeR kennt. Nele Neuhaus oder Sebastian Fitzek etwa. Den wenigsten ist bewusst, dass es daneben eine ganze Reihe professioneller Autorinnen wie Autoren gibt, die saisonal wechselnd die Regale der Buchhandlungen bestücken und sich, teils mit mehreren Pseudonymen und in verschiedenen Genres arbeitend, einen soliden Neben- oder Hauptverdienst aufgebaut haben. Dass so jemand nebenan wohnt, dass man ihn als ganz normalen Menschen kennt, passt offenbar nicht zum Bild, welches man vom Schriftsteller oder der Autorin hat.
Dieses Bild ist erstaunlich oft mit der Vorstellung vom „genialen Einfall“ verbunden. Von etwas, das „dann mal so kommt“ und mit geregelten Arbeitszeiten nichts zu tun hat. Dass ein Roman vor allem das Ergebnis fortlaufender disziplinierter Arbeit ist, weiß kaum jemand. Erst recht nicht, dass man dazu über ein solides Wissen verfügen muss: über Handlungsführung, Figurenzeichnung, Spannungsaufbau zum Beispiel.
Die Außenwahrnehmung
Man sieht mich zu Zeiten im Haus, in denen andere „auf Arbeit“ sind. Ohne wahrnehmbare soziale Aktivitäten. Tatsächlich aber tausche ich mich in Foren, per E-Mail oder Skype aus – mit einem immer größer werdenden Netzwerk an KollegInnen, die in ganz Deutschland verteilt sind; ebenso mit meinem Verlag, der in Berlin sitzt. – Und man sieht mich ohne erkennbaren Output wie saubere Fenster oder geharkte Beete, sogar ohne Hund. Dafür sind ein paar Seiten der nächsten Geschichte im Rechner, habe ich ein telefonisches Interview zu Recherchezwecken geführt, Textpassagen für eine Lesung gekürzt.
Relativ gut verstehen einen Journalisten oder andere Künstlerinnen. Die können einschätzen, was es heißt, einige hundert zusammenhängende Seiten zu schreiben, mit Abgabefrist, und dafür bezahlt zu werden. Sie haben auch eine Vorstellung davon, wie schwer es ist, einen seriösen Verlag zu finden und sich auf dem Markt zu behaupten. Ein paar anerkennende Worte nicht für mein erstes Buch, sondern allein für die Tatsache, dass es bei einem großen Publikumsverlag veröffentlicht wurde, fand ein Zeitungsredakteur in meiner Straße. Und sofort in den Buchladen, um das Buch zu kaufen, ging eine Freundin, Musikerin, obwohl ich anbot, es ihr zu schenken. Sie wusste, wie wichtig dies als symbolische Geste war.
Veränderungen und Hilfreiches
Inzwischen habe ich festgestellt, dass es Schlüsselwörter gibt, die helfen zu erklären, was ich tue. „Freiberuflich“ ist so eines. „Romane schreiben“ ein anderes. „Frauenunterhaltung“ funktioniert nicht. „Liebesromane“ oder „Urlaubsromane“ schon eher.
Die Frage nach der Auflagenhöhe (meist gestellt von Männern, es gibt offenbar ein Bedürfnis, das Erreichte zu messen) beantworte ich nicht mehr. Weil ich gemerkt habe, dass sie zum Verständnis meiner Tätigkeit wenig beiträgt. Froh bin ich, wenn ich ein Wort wie „Vertrag“ oder, noch besser, „Abgabefrist“ in den Mund nehmen kann. Das gibt dem Ganzen einen professionellen Rahmen.
Als von einer ehemaligen Kollegin die gut gelaunte Frage kam: „Und du bekommst dafür jetzt richtig viel Geld?“, erwiderte ich: „Richtig viel ist relativ, aber ein angemessenes Honorar, ja.“ Und das ist der Punkt: Arbeit wird bezahlt. Und Honorare müssen versteuert werden. Das unterscheidet die berufliche Tätigkeit vom Hobby.
Während ich am dritten Roman arbeite fällt es mir bereits leichter, mit meiner Arbeit selbstverständlich umzugehen. Ich habe Werbepostkarten von meinen Büchern dabei, die ich hervorziehe, um das, was ich tue, für andere greifbar zu machen. Außerdem rede ich über Recherchereisen und Lesungen. Die Anerkennung meiner Umgebung ist mir nicht mehr so wichtig, schließlich habe ich Leserinnen. Ich habe den Rückhalt des Verlags, der auf mich setzt. Und Kollegen, die sich in der gleichen Situation befinden.
Erleben andere AutorInnen das Gleiche?
Kennen sie die Schwierigkeit, sich für seine schreibende Tätigkeit erklären zu müssen? Gar zu rechtfertigen? Ich habe Kolleginnen und Kollegen gefragt:
Hast du schon einmal erlebt, dass deine Tätigkeit als Autorin nicht als Arbeit gewertet wurde? Im Alltag, in der Familie oder unter Freunden und Bekannten? Wie bist du damit umgegangen?
Julie Leuze (www.julieleuze.de):
Es war schwierig, Freunden und Bekannten begreiflich zu machen, dass ich vormittags arbeite und in der Zeit auch nicht ans Telefon gehe. „Ihr würdet mich ja auch nicht im Büro anrufen!“, habe ich ihnen erklärt. Erreichbar bin ich vormittags nur geschäftlich, für meine Kinder und für meinen Mann.
Hannah Simon (www.hannahsimon.de):
„Du sitzt ja immer nur am Computer und tippst!“, hielt mir meine fünfjährige Tochter irgendwann entgegen. Sie hat das nicht als Arbeit empfunden. Das hat mich damals tatsächlich gestört, da ich mich als Mutter auch in einer Vorbildfunktion sehe. So viel hielt sie also von ihrem „Vorbild“ ;-). Allmählich tasten wir uns an das heran, was ich wirklich tue. Sie entdeckt meine Manuskriptseiten oder ich erzähle ihr von einer Szene, die ich gerade überarbeite. Langsam merkt sie, dass mehr dahintersteckt.
M. C. Poets (www.mariapoets.de):
In meinem näheren privaten Umfeld sind die Reaktionen eigentlich ausschließlich positiv und wertschätzend. Vielleicht hat es damit zu tun, dass offensichtlich ist, dass ich davon lebe, wobei sich das Schreiben und Übersetzen vermengen. Ich habe nur selten erlebt, dass jemand mein Schreiben als Spielerei betrachtet, eigentlich nur bei Leuten, die ich nicht näher kenne. Einmal hat ein Handwerker nach einem Blick in mein Arbeitszimmer (Bücherwand, Computer, ergonomischer Bürostuhl) gemeint: „Ach, und hier arbeiten Sie ein bisschen?“ Keine Ahnung, was der Mann glaubte, wer seine Rechnungen bezahlt.
Ulrike Sosnitza (www.ulrike-sosnitza.de):
Ich hatte große Selbstzweifel und war sauer, wenn ich auf „die Hausfrau“ reduziert wurde. Wenn mein Umfeld ganz automatisch davon ausging, dass ich genügend Zeit hätte, um die kleinen Basketballer zu Auswärtsspielen zu fahren, mich im Elternbeirat zu engagieren oder Kuchen zu backen. Jedes Mal war es ein innerer Kampf: Mache ich, was andere von mir erwarten, oder mache ich es nicht? Viel zu oft habe ich nachgegeben, hatte ein schlechtes Gewissen den anderen Müttern gegenüber, die alle arbeiteten. Ob ich als Hausfrau oder als Autorin angesehen werde, ist jetzt, wo ich Erfolg habe und mich selbst uneingeschränkt als Autorin sehe, interessanterweise nicht mehr wichtig.
Lucy Astner (www.lucyastner.de):
Mir meine Arbeitszeiten zu schützen, fällt mir auch nach vielen Jahren noch schwer. Viele Freunde können es nicht verstehen, dass ich mich unter der Woche nicht einfach mal zum Frühstück mit ihnen verabreden kann. „Du bist doch zu Hause“, höre ich dann oft. Dass ich zu Hause aber sehr diszipliniert arbeite, haben die meisten nicht auf dem Schirm. Mir ist es auch lange schwergefallen, bei Ärzten um Nachmittagstermine zu bitten. Als Selbstständige bin ich ja flexibel, habe ich viele Jahre gedacht. – Erst seit ich die Autoren-Lucy als „Unternehmen“ verstehe, schaffe ich es, auch die Interessen meiner Firma durchzusetzen. Mein Unternehmen muss geführt werden, Produkte liefern, sich weiterentwickeln. Dass dieses „Unternehmen“ hauptsächlich aus mir besteht, macht keinen Unterschied.
Wie sieht das öffentliche Berufsbild aus, mit dem du als AutorIn konfrontiert bist?
Julie Leuze: „Und, schreibst du wieder an einem Buch?“, werde ich gelegentlich gefragt. Und ich denke: Ja, ich schreibe immer an einem Buch, das ist mein Job. Es liegt schon etwas Mystisches um diesen Beruf. Zum Beispiel können die Leute sich nicht vorstellen, dass man jeden Tag dasitzt, auch mal mit Kopfweh oder ohne Inspiration, eben weil man mit dem Schreiben sein Geld verdient. Die meisten sind überrascht, wenn sie von Abgabefristen oder Veröffentlichungsrhythmen hören. „Kannst du dir denn nicht Zeit lassen?“, sagen sie.
Lucy Astner: Zu Beginn meiner Schreibkarriere hatte ich tatsächlich größere Probleme mit meinem eigenen Autorenbild, und die wurden sowohl von außen als auch von innen gefüttert. Viele in meinem Umfeld konnten nur schwer nachvollziehen, warum ich meinen sicheren Job als Lehrerin nicht fortführen wollte, sondern mich stattdessen einer „brotlosen“ Kunst widmen. Besonders Freunde aus der Generation meiner Eltern haben darüber die Köpfe geschüttelt. Meine Mutter war dadurch sogar so verunsichert, dass sie lange erzählt hat, ich würde jetzt im Fitnesscenter jobben, anstatt zu sagen, dass ich hauptberuflich schreibe. – Darüber amüsieren wir uns alle heute noch köstlich.
Obwohl ich immer offen damit umgegangen bin, dass ich hauptberuflich schreibe, ist es auch mir in den ersten Monaten und Jahren schwergefallen, mich als „Autorin“ zu bezeichnen – immerhin hat es eine ganze Weile gedauert, bis tatsächlich der erste Film mit meinem Namen in den Kinos erschien. In der Zwischenzeit habe ich viele skeptische Blicke geerntet. „Ach, du bist Drehbuchautorin? Aber einen Film von dir gibt es noch nicht? Aha ...“ Ich hätte genauso erzählen können, ich hätte gerade ein Einhorn verspeist – die ungläubigen Blicke wären dieselben gewesen. Daran hatte ich ganz schön zu knabbern.
Lena Johannson (www.lena-johannson.de):
Viele stecken in einem Zwiespalt. Sie wissen eigentlich, dass das Schreiben mein ausschließlicher Beruf ist, haben aber immer das Gefühl, diese Tätigkeit ist doch irgendwie auch Hobby. – Einmal sprach ich mit einer Nachbarin darüber, dass ich jetzt aber wirklich urlaubsreif sei. Sie meinte: „Das ist echt komisch, wenn du das sagst.“ Jemand anderem erzählte ich begeistert, dass ich mir jetzt einen eigenen Hobbyraum einrichten würde. Darauf kam die Frage, ob ich dort meinen Schreibtisch aufbauen würde. Am Anfang meiner schriftstellerischen Laufbahn fühlte ich mich von so etwas leicht angegriffen und ging sofort in die Verteidigungshaltung, nach dem Motto: „Hey, ich arbeite hart und viel!“ Inzwischen gehe ich sehr entspannt damit um, denn ich weiß, dass nur rund sechs bis acht Prozent der deutschsprachigen Autoren von ihrem Schreiben leben können. Da ist es doch ganz klar, dass jeder meint, man mache das nur nebenbei. (Wobei ich die Kollegen, die einen Brotberuf und die Schriftstellerei koordinieren müssen, sehr bewundere!) Hinzu kommt, dass mich die Nachbarn zu allen möglichen oder unmöglichen Zeiten im Garten oder beim Einkaufen sehen. Sie sehen natürlich nicht, dass ich dafür abends noch am Schreibtisch sitze. Auch Recherchereisen erscheinen vielen wie Urlaub. Man reist zur Criminale, geht auf Lesereise ... und das soll Arbeit sein? ;-)
Spielt es eine Rolle, was oder in welchem Genre du schreibst?
Frank Posiadly: Wenn ich erzähle, dass ich Drehbücher fürs Fernsehen schreibe, fallen die Reaktionen ganz unterschiedlich aus. Manche Menschen sind neugierig, andere fragen mich, ob ich auch die Schauspieler kennenlerne, wieder andere erzählen mir, dass sie nicht fernsähen. Die Reaktionen beziehen sich häufig stärker auf das Medium als auf das Schreiben. Man wird eher als Teil der Fernsehmaschinerie gesehen denn als Autor, und das spiegelt auch einen Teil der Lebenswirklichkeit wider. Denn Drehbuchautoren sind ja – zumindest in der Außensicht – eigentlich gar keine Autoren. Oder kennt irgendwer einen erfolgreichen oder gar bedeutenden Drehbuchautor?
Aber damit kann ich gut leben. Ich selbst sehe mich auch lieber nicht als Autor, sondern als jemanden, der schreibt. Wenn sich jemand abwertend äußert, erkläre ich manchmal, was mir an meinem Job Spaß macht. Manchmal zucke ich innerlich die Schultern. Es ist letztlich egal, was andere für Erfolg halten. Was ich mit meinem Leben mache, entscheide ich schließlich selbst.
Lucy Astner: Es ist für mich immer noch bemerkenswert, dass die meisten Menschen zu einem kreativen Produkt eine persönliche Meinung haben, die sie dann auch sehr selbstbewusst und meist ungefragt kundtun: Der und der Schauspieler spielt in deinem Film mit? Den find ich total doof! Komödien? So was schau ich mir nicht an! Kinderbücher? Ach ja, wenn ich mal in Rente gehe, schreibe ich auch ein Kinderbuch ...
Ich nehme diese Meinungen nicht persönlich, weil ich sehr glücklich bin mit meinem Job und weiß, dass oft auch ein kleiner (oder größerer) Funken Neid dahintersteckt. Die Leute sehen, dass ich in meinem Traumjob arbeite – und damit auch noch erfolgreich bin. Viele von denen haben sich auf ihren Lebenswegen nicht für ihre Leidenschaften entschieden, sondern für Sicherheiten und haben insgeheim damit zu kämpfen. Solange ich zufrieden bin, mit dem was ich tue, ist es mir egal, was oder wen andere Leute „doof“ finden.
Matthias Teut (www.erellgorh.com):
Oft heißt es „Ach so, Fantasy“ und die Leute wenden sich ab. Fantasy wird als anspruchslos empfunden. Das ist natürlich schade. Es ist für mich zum Beispiel deutlich schwerer, Lesungen zu akquirieren, als für meinen Partner, der Krimis schreibt. Ich versuche dann, Überzeugungsarbeit zu leisten und zu erklären, welchen Mehrwert meine Lesungen haben, zum Beispiel passende Musik und großformatige Illustrationen. Trotzdem winken viele ab.
M. C. Poets: Mit dem Genre Krimi werde ich hier auf dem Land, in einem nicht akademischen Umfeld, ernst genommen. Es ist gut, dass ich das schreibe, was die Leute auch lesen. Mein Standing wäre mit E-Literatur sicher schlechter.
Ulrike Sosnitza: Nachdem ich im Buchreport als „Liebesromanautorin“ bezeichnet worden bin, wurde ich von einem Freund gefragt, ob ich das nicht als abwertend empfinden würde. Eine interessante Beobachtung. „Krimiautorin“ klingt irgendwie cooler, oder? Natürlich bin ich eine Liebesromanautorin. Und ich finde nicht, dass es abwertend klingt. Ich habe mich anfangs im E-Bereich versucht, war dort aber nie erfolgreich und auch nicht richtig aufgehoben. Meine Texte waren schon immer unterhaltend. Manchmal habe ich den Eindruck, es wäre ehrenrühriger gewesen, es weiterhin erfolglos beim Irseer Pegasus zu probieren, anstatt bei Heyne erfolgreich Liebesromane zu veröffentlichen.
Lena Johannson: Im Gegenteil. Die meisten sind völlig aus dem Häuschen, wenn sie hören, was ich beruflich mache. Ich bin dann immer ganz platt, weil ich denke, sie können ja gar nicht wissen, ob ich nur Schrott produziere oder etwas Lesbares. Mein Mann ist Schwimmmeister, seinen Beruf haben alle immer so hingenommen. Dabei rettet er Leben, wenn es darauf ankommt und war schon oft genug mit sehr schwierigen Situationen konfrontiert. Doch das schien niemanden besonders zu interessieren! Was das WAS betrifft, bin ich eher selber das Problem. Ich habe dauernd den Drang, mich dafür zu rechtfertigen, dass ich Unterhaltung schreibe, statt staatstragende Wortakrobatik zu produzieren.
Haben sich dein Selbstbild und das Bild von außen mit zunehmender Professionalisierung verändert? Gab es Wendepunkte?
Julie Leuze: Je professioneller man sich selbst sieht und darstellt, desto stärker wird man auch so wahrgenommen. Und je mehr man verkauft und veröffentlicht, desto stärker verringern sich auch die eigenen Zweifel. Für mich ist daneben meine Agentur wichtig, von der ich mich bestens betreut fühle. Sie vermittelt mir, dass ich was kann und dass es weitergehen wird. Das anfängliche Bedürfnis, von allen als Autorin wahrgenommen zu werden, ist hingegen eher geschwunden.
Lucy Astner: Alles änderte sich schlagartig, als mein erster Film – noch dazu von und mit Matthias Schweighöfer – in die Kinos kam. Seitdem weckt mein Beruf immer sehr viel Interesse und Anerkennung. Die Welt der Stars hat für viele einen gewissen Zauber.
Lena Johannson: Wendepunkte gab es nicht und auch keine großen Veränderungen. Ich bemerke manchmal, dass Bekannte, die mein Schreiben eher als Hobby eingeordnet haben, in eine Lesung kommen. Wenn sie dann sehen, dass die Hütte voll ist, dass (im besten Fall) eine lange Schlange vor meinem Signiertisch steht, dann fragen sie plötzlich nicht mehr: Na, schreibst du mal wieder ein Buch? Dann fragen sie eher danach, wie die Titel so laufen. ;-)
Matthias Teut: Ein erschienenes Buch ist die Voraussetzung, um überhaupt als Autor wahrgenommen zu werden. Vorher betrachten viele das Schreiben eher als Hobby. Wenn das Buch sich dann verkauft und es gut bewertet wird, wird erst deutlich, dass das, was man macht, auch eine berufliche Tätigkeit ist. Das Bild, das andere haben, hängt aber auch davon ab, wie man sich selbst organisiert. Ich erledige meine Arbeit so professionell es geht und stelle fest, dass Leute ihre skeptische Meinung gegenüber Selfpublishing oder Fantasy auch ändern. Inzwischen werde ich von vielen Kollegen, Verlagen und Buchhändlern als Autor ernst genommen. Eine Website, Social Media, die Präsenz im Großhandel und auf Messen – all das ist unabdingbar und unterstreicht den professionellen Anspruch, mit dem wir natürlich auch an die Bücher selbst herangehen. Satz, Lektorat, Cover, Logo – das Gesamtpaket muss stimmen. Aber auch, wie man sich auf dem Markt bewegt, ob kollegial, wertschätzend und offen, ist entscheidend dafür, wie man wahrgenommen wird.
Ulrike Sosnitza: Kurz nach Erscheinen klebte auf Novemberschokolade der berühmte rote Aufkleber vom SPIEGEL. Platz 34. Seitdem werde ich ernst genommen. Die Sprüche der anderen über ihre berufliche Belastung mit dem Neid in den Zwischenzeilen – „So viel Zeit wie du möchte ich auch gerne haben!“ – sind weniger geworden. Meine Nachbarin ist nicht mehr sauer, wenn ich die Mülltonnen zu spät reinräume, entfernte Verwandte schicken mir Fotos, wenn sie das Buch in einer Buchhandlung sehen. Der Erfolg von Novemberschokolade hat mir sehr geholfen, aber auch die beiden nahtlos daran anschließenden Verträge für Hortensiensommer und einen noch namenlosen Roman, der im Frühling 2019 erscheinen soll. Ich habe so viel zu tun, es wäre absurd, das Schreiben als Hobby anzusehen. Auf jeden Fall gehört der Glaube an die eigenen Fähigkeiten dazu, sich als Autorin zu etablieren. Nur dann verfolgt man das Ziel konsequent, lässt sich nicht vom Weg abbringen, investiert Geld und Zeit in Workshops und Seminare, schickt Texte ein, schreibt immer weiter. Das Wichtigste erscheint mir sowieso, einfach nie aufzugeben. Seinen eigenen Weg zu finden, ob es der Publikumsverlag oder das Selfpublishing ist. In welchem Genre und mit welcher Selbstvermarktungsstrategie auch immer.
Es hängt von mir ab
Mein Fazit: Wer nicht zu den Stars der Branche gehört, ist eher unsichtbar, verschwindet hinter seinen Büchern. So, wie man zu Beginn eines Projekts ans fertige Buch glauben muss, an die Geschichte, die schließlich noch nicht existiert, außer im eigenen Kopf, muss man an seine Tätigkeit glauben und sie selbstbewusst nach außen vertreten. Ja, man schreibt. Und man verdient Geld damit. Über die Künstlersozialkasse ist man als Freiberuflerin sogar sozialversichert. Mit zunehmender Professionalisierung wird das leichter, mit jedem veröffentlichten Buch wächst das Selbstbewusstsein und schließlich bestreitet man auch das Partygespräch übers Autorendasein ganz locker.
Autorin: Clara Weißberg | www.claraweissberg.de
In: Federwelt, Heft 129, April 2018
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