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Gendern

Federwelt
Illustration zur Gendern-Meinungsseite in der Federwelt vom April 2017

Gendern – ja oder nein? In der aktuellen Federwelt äußern sich Andreas Eschbach und Sandra Uschtrin zum Thema »Gendern«. Und Sie? Wie stehen Sie dazu? Machen Sie mit bei unserer Umfrage!

Gendern? – Ja klar!

Von Sandra Uschtrin

Demokratie ist kein Geschenk des Himmels. Wir müssen für sie kämpfen. Sie ist nichts Fertiges, keine Form des politischen Miteinanders, in der notwendigerweise alle gleich sind. Tiere haben keine Stimme. Frauen hatten lange Zeit keine. Erst seit 1918 haben deutsche Frauen das Recht zu wählen.

Nach dem Wählendürfen fing die Arbeit erst an, bei der Gesetzgebung und deren Umsetzung. Die Frauen­bewegung hat das gezeigt. Männerhassenden, frigiden Lilalatzhosenemanzen, die keinen Mann ab­gekriegt haben und die Mann nur mal ordentlich hätte durchficken müssen, Feministinnen, verdanken wir es, dass Frauen ohne Erlaubnis des Ehemannes ein eigenes Bankkonto eröffnen (ab 1962) oder arbeiten gehen dürfen (seit 1977). Oder auch: dass das Namens­recht geändert wurde, Vergewaltigung in der Ehe straf­bar ist (seit 1997), Frauen Fußball spielen dürfen ...

Die feministische Sprachkritik hat diese Entwicklung begleitet. Die Aufsätze von Senta Trömel-Plötz und Luise F. Pusch waren wegweisend. Das „Fräulein“ verschwand. 2005 wurde „Bundeskanzlerin“ zum Wort des Jahres. Studien – für die es nun Geld gab – belegten, dass Frauen gedanklich deutlich weniger ein­bezogen werden, wenn wir das generische Maskulinum verwenden. Darin ist Angela Merkel der 8. Bundeskanzler, im Femininum die 1. Bundeskanzlerin. Über den Satz „Deutschland ist noch nicht bereit für einen Mann als Kanzlerin!“ konnte das Publikum beim dies­jährigen Nockherberg-Singspiel herzlich lachen. Vor etlichen Jahren konnten wir ihn nicht mal denken.

Was macht das generische Maskulinum? Es wirkt wie eine Burka, die Frauen und ihre Leistungen unsichtbar macht. Weg damit! Sprechen wir von den Vätern und Müttern des Grundgesetzes! (Und ziehen wir den Hut vor Elisabeth Selbert = „Männer und Frau­en sind gleichberechtigt.“) Oder reden wir von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, wenn wir beide meinen. Das fällt vielen immer noch schwer. Im VS konnte man sich erst 2015 dazu durchringen, den Verband umzubenennen. Männer drohten mit Austritt. Frauen fielen Frauen in den Rücken. Das Übliche. Und doch heißt der VS nun „Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller“. – Geht doch.

Sprache lebt.
Sprache beeinflusst unser Denken und Handeln. Und umgekehrt.
Sprache ist immer politisch – ob korrekt oder inkorrekt.

AutorInnen, die in einem Artikel für die Federwelt nur vom „Autor“ oder „Lektor“ schreiben, senden An­ke Gasch, unserer Chefredakteurin, und mir, der Herausgeberin und Verlegerin, eine Botschaft.

In einem solchen „Fall“ weist Anke darauf hin, dass wir in unserer „Zeitschrift für Autorinnen und Autoren“ (Untertitel) gendern. Sie macht Vorschläge, welche Möglichkeiten es sprachlich gibt, damit Männer mental nicht überpräsentiert werden – zumal die Buchbranche weiblich ist und es weit mehr Lektorinnen gibt als Lektoren, mehr Agentinnen als Agenten ... mehr (Federwelt-)Leserinnen als -Leser.

Was aber, wenn Anke rät, die Figur in einem Textbeispiel von „Paul“ in „Paula“ umzubenennen, und der Autor, die Autorin dann „Nein!“ sagt? Und das bei allen Textstellen. Und dafür die Freiheit der Kunst ins Feld führt. Dann darf er das. Dann kann sie das tun. Aber dann dürfen wir auch sagen: Okay, lieber Autor, liebe Autorin, dann schreib den Artikel für deinen Blog.

Wir Menschen neigen dazu, mühsam Erreichtes für selbstverständlich zu halten, und es dauert lange, bis wir dafür auf die Straße gehen. Sollten wir UndemokratInnen in Deutschland Räu­me zur Verfügung stellen? / Sollten wir AutorInnen, die partout nicht gendern wollen, Seitenplatz einräumen? – „Das muss eine Demokratie aushalten.“ / Die Federwelt ertrüge das.

Und wie wäre es im umgekehrten Fall? Wenn wir unsere Leser aufforderten, sich doch bitte mitgemeint zu fühlen, und in Zukunft nur noch „Autorin“ oder „Lektorin“ verwenden würden? – Nur, wer will schon die Hälfte der Menschheit sprachlich in Luft auflösen? – Ich nicht.

www.uschtrin.de

 

»Gendern«? – Nein, danke!

Von Andreas Eschbach

Sollen Autoren „gendern“?

Natürlich nicht. Bereits der bloße Akt der Unterwerfung unter eine politisch begründete Sprachregelung ist falsch. Kunst muss frei sein. Kunst muss aus dem Inneren kommen und darf nicht von außen bestimmt werden. Kunst besteht nicht selten sogar darin, gegen Regeln zu verstoßen. Wer ideologischen Sprachregeln folgt, schafft Propaganda, keine Kunst.
Und das „Gendern“ ist Ideologie, behauptet es doch, die Sprache „gerechter“ zu machen und die Welt gleich mit. Tatsächlich macht es die Sprache in erster Linie formelhaft und hässlich. Ja, mag sein, dass es das Deutsche mit den Geschlechtern nicht so genau nimmt. Der Plural „Patientinnen“ ist eine klare Sache, wer mit „Patienten“ gemeint ist, dagegen nicht – der Urologe wird wohl besser „männliche Patienten“ auf Prostatabeschwerden untersuchen. Und dass eine Horde Männer mit demselben Pronomen bezeichnet wird wie eine einzelne Frau – „sie“ –, ist auch nicht gerade umwerfend logisch.

Aber das „Gendern“ hat dafür keine überzeugenden Lösungen anzubieten – andernfalls würden sie sich von selbst durchsetzen. Was es anbietet, sind nur Sprachschablonen („und -innen“) oder im wahrsten Sinne des Wortes unaussprechliche Verunstaltungen der Sprache („er*sie“), die bisweilen wie Satire wirken („Profx“). Wessen Sprachgefühl einen nicht daran hindert, auf diese Art zu schreiben, mag ein guter Pro­pagandist und ideologisch auf Linie sein; zum Schrift­steller taugt er nicht. Und wer sich auf eine Diskussion einlässt, welche „Gender-Regel“ akzeptabel sei, hat bereits verloren, weil er damit die Grundprämisse, jemand anders habe das Recht, einem den Gebrauch der Sprache vorzuschreiben, schon akzeptiert hat: So, als diskutiere man nur noch, welche Farbe die Burka haben darf, die Frauen tragen sollen.

Schriftsteller sind es, die die Sprache weiterentwickeln, sie formen, ihr neue Möglichkeiten des Ausdrucks erschließen. Sie müssen die Wahrheit schreiben, wie sie sie sehen, und das so präzise, so kraftvoll und so ehrlich, wie sie können – und sollte dabei irgendeine Regel im Weg sein, zum Teufel damit!

Das heißt nicht, dass Künstler Regeln grundsätzlich missachten oder missachten sollten. Wer ein Sonett schreiben will, muss dessen formale Regeln erfüllen, weil es andernfalls kein Sonett ist. Die meisten Autoren folgen auch den Regeln der Rechtschreibung und Grammatik … außer, wenn sie es nötig finden, ihnen nicht zu folgen. Manchmal erlegen sie sich sogar selber Regeln auf, wie zum Beispiel: „Ich schreibe einen Roman ohne den Buchstaben e.“

Aber das ist eben der springende Punkt: Sie tun es aus eigenem Antrieb. Künstler nutzen Regeln – und schaffen bei Bedarf neue. Das ist ihr Job. Und den Unterschieden zwischen den Geschlechtern gerecht zu werden, wo dies wichtig ist, ist einfach eine Frage präzisen sprachlichen Ausdrucks.

Wer sich vor den Karren einer politischen Ideologie spannen lässt, handelt wie ein Adler, der sich freiwillig die Flügel stutzen lässt: Über unentdecktes Land wird er nie wieder fliegen.

So wenig, wie es beim „Gendern“ wirklich um Gerechtigkeit geht, so wenig ist es möglich, diese durch Sprachmanipulationen zu erreichen. Es gibt Sprachen, die all die „Fehler“, die man dem Deutschen „ausgendern“ will, von vornherein gar nicht haben – das Viet­namesische zum Beispiel, das überhaupt keine grammatikalischen Geschlechter kennt! Stimmte die Theorie hinter dem „Gendern“, müsste in Vietnam die absolute Gleichberechtigung herrschen. Doch sagen wir so: Das ist nicht das, was man beobachtet.

„Gendern“ ist nicht nur ein schleichendes Gift für die Sprache, es ist auch Augenwischerei. Aus all diesen Gründen „gendere“ ich nicht.

www.andreaseschbach.de

In: Federwelt – Zeitschrift für Autorinnen und Autoren, Heft 123, April 2017, Seite 44–45.

 

Und wie ist Ihre Meinung?

Bitte nehmen Sie an unserer Umfrage teil!

Hier geht es zur Umfrage: https://goo.gl/forms/5U2bu01G8uDma9qB3