
Internetpiraterie: „Welche Möglichkeiten haben Selfpublisher, gegen illegale Downloads vorzugehen?“
Dazu meint Professor Lutz:
Rechtlich besteht kein Unterschied zwischen Verlagen und Selfpublishern. Das heißt, auch einzelne AutorInnen haben die Möglichkeit und das Recht, gegen Urheberrechtsverstöße im Internet vorzugehen.
Das größte Problem beim ersten Schritt zur Gegenwehr besteht für Selfpublisher darin, festzustellen, wer überhaupt ihre Texte nutzt. – Manche geben markante Zeilen aus ihren Texten in eine Suchmaschine ein und recherchieren so, ob diese auf fremden Homepages genutzt werden. Die Suchergebnisse müssen die AutorInnen dann daraufhin prüfen, ob sich darunter tatsächlich der geschützte Text befindet. Ist das der Fall, können sie den Rechtsverletzer durch einen Blick in das Impressum ermitteln. Denn in Deutschland gibt es die Impressumspflicht: Jeder Betreiber, jede Betreiberin einer Homepage muss im Impressum (unter anderem) Name, Anschrift sowie Telefonnummer und Mailadresse nennen, es sei denn, ihre oder seine Seite dient ausschließlich privaten oder familiären Zwecken und hat keine Auswirkungen auf den Markt. – Diese Person oder dieses Unternehmen ist für den Inhalt der Homepage verantwortlich und kann daher in Anspruch genommen werden.
Schwieriger ist die Recherche allerdings, wenn Selfpublisher gegen unberechtigte Nutzer von E-Books und Hörbüchern vorgehen möchten. Die Recherchen dazu setzen voraus, dass sie ein geeignetes Suchprogramm besitzen. Solche Programme werden von spezialisierten Rechercheunternehmen entwickelt und genutzt. Diese Unternehmen können mithilfe ihrer Software feststellen, unter welcher URL (= Uniform Resource Locator = Internetadresse) ein Hörbuch oder E-Book zu einem genau bestimmten Zeitpunkt zum Download angeboten wird. Solche Angebote stellen nämlich in Filesharing-Systemen die Urheberrechtsverletzung dar: durch unberechtigtes öffentliches Zugänglichmachen (§ 19a UrhG).
Mit dem Ermittlungsergebnis können die Selfpublisher zu einem Rechtsanwalt gehen, der dann bei dem Landgericht, das für den Internetprovider zuständig ist, einen Beschluss erwirkt, der dem Internetprovider aufgibt, Auskunft zu erteilen, wer zu genau diesem Zeitpunkt Inhaber der URL war (§ 101 Abs. 9 UrhG). Nun kennen sie den Anschlussinhaber. Dieser ist in vielen Fällen für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich. Und gegen den Verantwortlichen können dann die urheberrechtlichen Ansprüche geltend gemacht werden.
Zuerst wird der Anwalt den Verantwortlichen abmahnen, also auffordern, die weitere Nutzung der Texte ohne Genehmigung zu unterlassen. Daneben besteht ein Anspruch auf Schadensersatz. Auch dieser wird zunächst außergerichtlich in der Abmahnung geltend gemacht. Der Schadensersatzanspruch umfasst zum einen alle Kosten des „verletzten“ Selfpublishers (etwa die Rechtsanwaltsvergütung, die Gerichtskosten und die Kosten der Recherche) und zum anderen einen Ersatz für die Nutzung des Werkes.
Dieser Schadensersatz für die Nutzung des Werkes kann auf dreierlei Art berechnet werden. Eine Berechnungsmethode ist die nach dem entgangenen Gewinn der Autorin. Dies ist der Betrag, den die Autorin nicht verdient hat, weil der Text auf der fremden Homepage publiziert beziehungsweise als E-Book oder Hörbuch angeboten wurde. Der entgangene Gewinn lässt sich nur in Ausnahmefällen nachweisen. Die zweite Berechnungsmethode ist die der Herausgabe des sogenannten „Verletzergewinns“; der Verletzer muss also den Gewinn herausgeben, den er durch die Rechtsverletzung erzielt hat. Häufig erzielt man auch dadurch kein oder kein brauchbares Ergebnis. Als dritte Berechnungsmethode gilt die Berechnung anhand der sogenannten Lizenzanalogie: Was hätten vernünftige Lizenzgeber und -nehmer als Vergütung für die Einräumung eines Nutzungsrechtes miteinander vereinbart?
Da der Selfpublisher als Verletzter den „Verletzergewinn“ nicht berechnen kann und auch die Grundlagen für die Berechnung der Lizenz nach der Lizenzanalogie nicht kennt, hat er gegen den Verletzer einen Anspruch auf Auskunft über alles, was er für die Berechnung wissen muss. Der Verletzer muss dem Autor also zum Beispiel mitteilen, welchen Umsatz er mit den rechtswidrig angebotenen E-Books oder Hörbüchern gemacht hat oder wie lange ein Text auf seiner Homepage öffentlich zugänglich war.
In den meisten Fällen von Internetpiraterie beschränkten sich die Verletzten auf die Berechnung des Schadensersatzanspruchs nach der Lizenzanalogie. So finden sich beispielsweise auf www.mediafon.net unterschiedliche „Honorarempfehlungen“. Diese, aber auch die Tarife, die Zeitungen und Zeitschriften für die bei ihnen publizierten Beiträge entwickelt haben (www.djv.de), können als Grundlage für die Ermittlung der angemessenen Lizenz dienen. Die Rechtsprechung hat zwischenzeitlich zu unterschiedlichen Nutzungsformen Lizenzsätze anerkannt, die als angemessen und üblich angesehen werden.
Es empfiehlt sich, einen auf das Urheberrecht spezialisierten Rechtsanwalt, also einen Fachanwalt für Urheber und Medienrecht, mit der Durchsetzung der Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche zu beauftragen. – Da der verantwortliche Anschlussinhaber nur aufgrund eines Gerichtsbeschlusses, den nur ein Rechtsanwalt beantragen darf, ermittelt werden kann, empfiehlt es sich, diesen auch mit der Anspruchsdurchsetzung zu beauftragen. Die Kosten der Ermittlung, des Gerichtsbeschlusses und des Rechtsanwaltes hat der Verletzer zu erstatten.
Ob sich die Verfolgung zu einem lohnenden „Geschäftsmodell“ entwickelt, hängt von der Qualität des Textes ab und davon, wie häufig er unberechtigt genutzt worden ist. Manche AutorInnen erzielen auf diese Weise höhere Einnahmen als durch die klassische Verwertung ihrer Werke.
Professor Dr. jur. Peter Lutz ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie Mitverfasser des im Uschtrin Verlag erschienenen Ratgebers „Traumziel Buch – und wie Sie es erreichen. In 24 Trainingsstunden fit für Verlage und Verträge! Ein Workout für Autorinnen und Autoren“, www.uschtrin.de/produkte/weitere-bücher/traumziel-buch.