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Ernährungskunde für AutorInnen

Federwelt
Bild zum Beitrag von Shirley Seul

Der Autor ist, was er isst ... Ernährungskunde für AutorInnen. Teil 1: Süßes! Schokolade gegen Schreibblockade? – In drei Artikeln widmet sich die Federwelt dem Brennstoff der Kreativität. Wir starten süß mit Schokolade gegen Schreibblockade, fahren im nächsten Heft ein wenig fettig fort und stellen abschließend den Joker Eiweiß vor.

Was brauchen AutorInnen unbedingt? Sitzfleisch. Und Hirnschmalz! Beides können wir durch die richtige Ernährung fördern. Denn Durchhaltevermögen und Einfallsreichtum beim Schreiben hängen auch von der geistigen Leistungsfähigkeit ab, und diese steigern wir, indem wir unsere körperliche Fitness ebenso ernst nehmen wie die Regeln der Grammatik. Zum einen mit Bewegung, zum anderen mit gesunder Ernährung. Wer sich gut ernährt, kann sich besser und länger konzentrieren, ist aufmerksamer und insgesamt wacher, was wiederum die Kreativität steigert. Wenn wir uns unseren Körper als Ofen vorstellen, ist das ganz einfach nachzuvollziehen: Füttern wir ihn mit minderwertigem Brennholz, das schnell herunterbrennt und keine nachhaltige Wärme spendet? Oder legen wir großzügig Buchen- und Fichtenscheite auf, die lang brennen und den Raum unserer Kreativität bis in die Tiefe erleuchten und befeuern?

Schnell was Süßes!
Viele AutorInnen kennen und fürchten das permanente Naschen zwischendurch. Besonders bei der Arbeit an schwierigen Texten wird immer mal wieder zum Kühlschrank oder Süßigkeiten-Schublade gepilgert. Das ist nicht religiös motiviert, sondern vernünftig: Das Gehirn benötigt Energie für die hohe geistige Anforderung des Buchstabenstellens. Leider ist der süße Stoff, zu dem wir so gern greifen, keine wirkliche Hilfe, er erscheint nur so, ähnlich wie die Zigaretten, nach denen Raucher gerne glauben, eine kurzfristige Steigerung von Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit zu verspüren, obwohl das Rauchen die Denkfähigkeit auf Dauer eher herabsetzt. Genauso ist es bei dem Schokoriegel zwischendurch. Danach geht es besser. Viel besser. Da kann man scheinbar wieder vernünftig denken. Bloß: wie lange?

Kurze und lange Ketten
Zucker gehört zu den Kohlehydraten, und die gibt es in einer Lang- und einer Kurzversion. Sie bestehen aus zusammengesetzten Ketten von einzelnen Einfachzucker-Molekülen. Den Einfachzucker, die Glukose, kennen viele unter dem Namen Traubenzucker. Die Zuckerarten unterscheiden sich durch die Anzahl dieser Grundbausteine. Deshalb spricht man von langkettigen und kurzkettigen Kohlehydraten. Alles, was schnell süß schmeckt, gehört zu den kurzkettigen Kohlehydraten: kurze Kette, kurze Wirkung. Schnell ist dieser Zucker im Blut, schnell wird mit viel Insulin gegengesteuert, schnell ist der Zucker wieder weg ... und bald schon ist die Lust auf den nächsten Schokoriegel da. Denn Süßes provoziert den Heißhunger auf Süßes – ein Teufelskreis! Er entsteht dadurch, dass der Blutzuckerspiegel durch die Insulinausschüttung meistens zu tief abgesenkt wird, das heißt, nun ist weniger Zucker im Blut als vor dem ersten Naschen. Zu wenig Zucker im Blut löst im Organismus Alarm aus, und er fordert vehement neuen Zucker an. Besonders das Hirn wird ohne Zucker nervös – er ist der Brennstoff für unsere grauen Zellen.
Ohne Zucker fühlen wir uns antriebslos und müde, können uns nicht mehr konzentrieren, und bei manchen Menschen gerät sogar der Gleichgewichtssinn durcheinander. Andere sind schlicht „grantig“. Jede körperliche und geistige Aktivität strengt an. Höchste Zeit für den nächsten Schokoriegel? Vorsicht: Ein solches Auf und Ab führt zu einem Sägezahnmuster im Blutzuckertagesprofil und ist auf keinen Fall gesund und empfehlenswert. Denn das würde zu einem „Ausleiern“ der Bauchspeicheldrüse führen, wenn nicht gar zu einer Erkrankung an Diabetes. Also lange Ketten essen und noch lange viele Bücher schreiben! Am gesündesten und, nebenbei bemerkt, auch „schlanksten“, sind die langkettigen Kohlehydrate. Sie sind sehr komplex aufgebaut, setzen sich aus bis zu 100.000 Zuckerbausteinen zusammen und finden sich in Nahrungsmitteln wie Vollkornbrot, -nudeln, -reis, Kartoffeln, Hülsenfrüchten, diversen anderen Gemüsen und Obst. „Ihr“ Zucker wird im Magen nur langsam resorbiert und die Gegenregulation durch Insulin ist angemessen. Es gibt keinen explosionsartigen Anstieg.

Volle Energiespeicher mit langen Ketten
Die langen Ketten sind auch unter dem Begriff Stärke bekannt. Diese schmeckt zunächst nicht süß, obwohl sie aus Zuckermolekülen besteht. Durch die Verdauung wird Stärke wieder in Einfachzuckermoleküle zerlegt. Nach längerem Kauen schmeckt Brot süß. Schon mal probiert?
Bei diesem Selbstversuch wird auch aufgedeckt, worin der Vorteil der langkettigen Kohlenhydrate liegt: Sie werden nur langsam abgebaut und liefern deshalb ihre Energiestoffe über einen langen Zeitraum. So schaffen sie die Basis für körperliche und geistige Leistung. Sie stellen sicher, dass unsere Zellen jederzeit ausreichend Glukose gelagert haben. Wunderbarerweise ist unser Organismus in der Lage, Kohlenhydrate in den Muskeln und in der Leber zu speichern. Diese Energiespeicher müssen aufgefüllt sein, wenn wir nicht nur kurze Höhenflüge über Absätze mit anschließenden Abstürzen in der Dramaturgie erleben, sondern die Leichtigkeit des Schreibens lange und oft genießen möchten. – Insofern lohnt sich die Beschäftigung mit den Bausteinen der Nahrung als Fundament einer schriftstellerischen Tätigkeit. Obst, Gemüse, Eiweiß, Ballaststoffe, Kohlehydrate ... aus diesen Silben baut der Körper seine Geschichten.
In einer der nächsten Ausgaben der Federwelt widmen wir uns dem Thema Fett. Denn wer das richtige Fett zu sich nimmt, schmiert sein Gehirn optimal – und das schlägt sich nieder in einem wachen, kreativen Geist, der fit und fidel fabuliert.

> www.aponet.de/wissen/gesunde-ernaehrung-und-sport/gesunde-ernaehrung/zuc...
> http://www.onmeda.de/naehrstoffe/kohlenhydrate.html

In: FEDERWELT, Heft 114, Oktober/November 2015