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Ein Stern, der deinen Namen trägt ...

Federwelt
Susanne Pavlovic
Bild zum Thema Ein Stern, der deinen Namen trägt ...

Vom Umgang mit schlechten Rezensionen: Wir alle greifen nach den Sternen, wenn wir ein Buch veröffentlichen. So viel Liebe, Mühe, Arbeit und Geduld stecken in diesem Werk, so viele durchgearbeitete Nächte – wir können kaum erwarten, was unsere Leser sagen.

Sterne? Na klar, am liebsten bei Amazon, am liebsten fünf an der Zahl. Doch da gibt es nicht nur die strahlenden Fixsterne, die einem das Lächeln ins das Gesicht zaubern – es gibt auch die anderen. Die Schwarzen Löcher, die Kometen, die beim Einschlag einen riesigen Krater hinterlassen, und gelegentlich die Supernova, bei der kein Stern – Verzeihung, kein Stein auf dem anderen bleibt.

Ein-Sterne-Rezensionen: das wohl am häufigsten totgeschwiegene Thema unter AutorInnen. Zeit, dass wir uns diesem Thema ausführlich widmen.

Kein Stern gleicht dem anderen
Nehmen wir doch zuerst eine kleine Stern-Klassifizierung vor.

  1. Die Supernova: Diesen Stern hat jemand abgesetzt, der unter die Kategorie „frustrierter Leser“ fällt. Sie als Autorin haben alles falsch gemacht, das Buch ist Schund, das E-Book lässt sich nicht „abspielen“ (!), das Geld dafür war zum Fenster hinausgeschmissen. Vielleicht hat aber auch nur der Nachbar die Katze überfahren oder die Kaffeemaschine ist schon wieder kaputt. Das Internet enthemmt, das ist allseits bekannt. Und einen Autor abzuwatschen, weil er gerade zufällig greifbar ist, hilft diesem Kunden gegen Frust. Er (oder sie) meint nicht Sie. Er meint alles, was an diesem Tag oder in seinem Leben schief gelaufen ist.
  2. Der Weiße Zwerg: Nicht der schlimmste Stern, der Ihnen auf Ihrer Reise begegnen wird. Hier hat einfach jemandem Ihr Buch nicht gefallen. „War nicht mein Ding“, „nicht mein Fall“ ist die Hauptaussage. Und über Geschmack lässt sich nicht streiten. Wenn Sie Glück haben, schreibt der/die RezensentIn noch dazu, was genau nicht sein oder ihr Fall war. Das ist weniger für Sie interessant als für andere LeserInnen, die vor dem Kauf die Rezensionen durchsehen. „War für meinen Geschmack zu viel Romantik und zu wenig Action“ kann ein gutes Verkaufsargument für Romantik-LiebhaberInnen sein, sogar wenn sie es sich aus einer Ein-Sterne-Rezension holen.
  3. Das Schwarze Loch: Hier finden sich klassische „Neid-Rezensionen“. Ja, die gibt es tatsächlich, allerdings sehr viel seltener als gemeinhin angenommen. Gerade im Bereich des Selfpublishings wird manchmal mit harten Manschetten und nicht immer fair gekämpft. Gerade AutorInnen, die in den Social Media sehr präsent sind und viel dafür tun, um ihr Buch bekannt zu machen, polarisieren. So manche/r KollegeIn mag sich dann dazu hinreißen lassen, den Bewertungsdurchschnitt der Konkurrenz nach unten zu korrigieren. Sie erkennen eine Neid-Rezension oft daran, dass Fachbegriffe verwendet werden, die der „normale“ Leser nicht auf dem Schirm hat: „Lektorat war schlecht, und Korrektorat wurde offenbar eingespart.“ Außerdem ist der Text oft allgemein gehalten, weil das zugehörige Buch meist nicht gelesen wurde.
  4. Der Rote Riese: Im Weltall sollten Sie ihn meiden, in unserer Nomenklatur ist der Rote Riese so etwas wie der Hauptgewinn unter den schlechten Rezensionen. Hier macht sich ein/e LeserIn die Mühe, Ihnen nicht nur zu sagen, dass Ihr Buch ihr oder ihm nicht gefallen hat, sondern auch, warum. Der Leser bringt durchdachte Kritik an und nennt Gründe. Die Figur der Schwiegermutter bleibt zu sehr im Klischee hängen. Der Handlungsstrang um Klaus, den Astronauten, wird nicht aufgelöst – wir werden nie erfahren, ob Klaus so endet wie Major Tom. Eine größere Menge an Schreib- und Satzbaufehlern verleidet das Lesevergnügen. Und so weiter. Es geht dem Leser also nicht darum, Ihr Buch abzuwerten. Er hat es gelesen, er hat sich seriös damit befasst, und aus seiner Sicht heraus liefert er konstruktive Kritik.

Sternhagelvoll – Methoden der Schmerzbewältigung
Niemand, der schreibt und veröffentlicht, bleibt verschont. Über kurz oder lang gibt es diesen einen Stern, der Ihren Namen trägt – oder den Ihres Buches – ein Unterschied, auf den wir gleich noch zu sprechen kommen. AutorInnen reagieren ganz unterschiedlich auf dieses Ereignis: manche wutschäumend, manche in Tränen aufgelöst, manche zynisch. Profis reagieren entspannt.

Mein Tipp: Supernovae, Weiße Zwerge und Schwarze Löcher einfach durchlassen. Nicht ärgern, nur wundern. Sie können aus diesen Rückmeldungen nichts lernen, und was nützt es, wenn Sie sich ärgern? Versuchen Sie nicht, Amazon dazu zu bewegen, die Rezension zu löschen. Der Online-Riese tut das nur, wenn im Text radikales Gedankengut oder grobe Verunglimpfungen enthalten sind –, was meistens nicht der Fall ist. Den Roten Riesen drucken Sie sich aus und rahmen ihn ein. Er bringt Sie als AutorIn viel weiter voran als jede überschäumende Fünf-Sterne-Rezension.

Bleiben Sie in jedem Fall konsequent. Wenn Sie die Gewohnheit haben, sich für Rezensionen öffentlich zu bedanken (beispielsweise über die Kommentarfunktion), dann tun Sie das auch bei schlechten Rezensionen. Bleiben Sie höflich und unangreifbar. Sie sind AutorIn, Sie können mit Worten umgehen, oder? Wenn Sie niemals auf Rezensionen eingehen, dann setzen Sie sich auf Ihre Hände und verzichten auch im Falle von Unverschämtheiten auf eine Replik.

Zeigen Sie Größe, auch wenn es sich anfühlt wie ein Weltuntergang oder die größte Unverschämtheit, die unsere Galaxie je gesehen hat. Ziehen Sie niemals, unter keinen Umständen und ohne Ausnahme, in Ihren Social-Media-Kanälen über RezensentInnen her. Holen Sie sich dort auch kein Mitleid und keinen Zuspruch.

Mantras gegen die Enttäuschung

  • 1. Mantra: „Es ist nur das Internet.“ Bei LeserInnen herrscht die gleiche Normalverteilung an netten, unsympathischen, klugen und weniger klugen Menschen wie in jedem beliebigen U-Bahn-Abteil. Und Sie würden ja auch nicht Ihre neuen Schuhe wegschmeißen, nur weil irgendein beliebiger Mitfahrer sie hässlich findet.
  • 2. Mantra: „Ich bin nicht allein.“ Lesen Sie mal die Rezensionen der KollegInnen, die es in die aktuelle Spiegel-Bestsellerliste geschafft haben. Fangen Sie bei den Ein-Sterne-Rezensionen an. Martin Suters „Montecristo“ ist laut Rezensionen beispielsweise nicht nur sehr spannend, präzise erzählt und gut recherchiert, sondern auch voller Klischees und logischer Brüche und außerdem sprachlich schlecht. Tut gut, oder? Zumindest Ihnen – dem Herrn Suter wünsche ich die nötige Größe und Gelassenheit, damit umzugehen und alternativ die Lektüre dieses Artikels.
  • 3. Mantra: „Ich nehme es nicht persönlich.“ Der/Die RezensentIn kennt Sie gar nicht. Es geht einzig um das Buch. Sie haben es veröffentlicht, und das heißt, dass es jetzt da draußen allein unterwegs ist. Es ist erwachsen geworden und ausgezogen, und es wird auf seinem Weg sowohl nette Menschen als auch Blödmänner und -frauen treffen. Davor können Sie es nicht schützen. Lassen Sie es los, wenden Sie sich neuen Projekten zu. Und sollte doch mal ein Rezensent persönlich werden („Wie kommt diese Person nur auf die Idee, sich AutorIn zu schimpfen!“): Fragen Sie sich, ob Sie der Hund sein wollen oder der Baum.

Sterne aus der Blogosphäre
Amazon ist wohl der größte Umschlagplatz für Lesermeinungen, doch beileibe nicht der einzige. Auch Rezensionen, die in Literaturblogs erscheinen, haben eine große Strahlkraft und erreichen viele potentielle LeserInnen. Großartig, wenn Ihr Buch auf einem Blog besprochen wird – und umso enttäuschender natürlich, wenn das Fazit des Bloggers/der Bloggerin eher durchwachsen ausfällt.

Leider haben manche AutorInnen eine, sagen wir, expressive Art, ihrer Enttäuschung Luft zu machen: Hassmails bis hin zu Drohungen und groben Beleidigungen finden sich immer wieder im Posteingang von BloggerInnen, die es wagen, ein Buch mal nicht spektakulär zu bewerten.

Sternschnuppen aus dem Bücher-Universum:
Teil eins von C. M. Singers Liebesroman „... und der Preis ist dein Leben“ wurde mit einem Stern bedacht, weil es kein Science-Fiction-Roman war.

Inca Vogt bekam einen Stern für ihren Thriller „Gebrannte Kinder“, weil sie angeblich eigenmächtig die Lese-App vom Endgerät des Kunden gelöscht hat.

„Dann doch lieber Winterschlaf“ entschied ein Leser nach der Lektüre der Geschichtensammlung „13 gegen den Winterschlaf“.

„... der Schluss war echt das Letzte, was ich lesen wollte“, befand ein Leser zu Patrick R. Ullrichs „Mission Herodes“.

„Klein-Mädchen-Geschichte, die keiner braucht“, urteilte eine Leserin über Lila Terrys Roman „Liebe ist Vertrauenssache“.

Helene Luise Köppels Roman „Marie“ fing sich einen Stern ein mit der Bemerkung: „Leckt mich am Arsch, ich kauf Bücher wieder im Buchladen!“

Claudia Junger, Betreiberin des Blogs „Krimi & Co.“, führt eine Rubrik namens „Abgebrochen“, in der sie schlecht geschriebene oder schlecht lektorierte und korrigierte Bücher aufführt. Darin kommentiert sie nicht, sondern listet schlicht die Textstellen auf, die sie zum Abbruch der Lektüre bewogen haben – meist solche, die böse Schreib- oder Ausdrucksfehler enthalten. Die AutorInnen der „abgebrochenen“ Bücher bekommen somit ihre technischen Fehler vor Augen geführt (etwas, wofür andere AutorInnen ein Lektorat bezahlen) und könnten davon profitieren. Dennoch schlägt bei manchen AutorInnen die erste Enttäuschung in (Vernichtungs-)Wut um, denn: Frau Junger erhält Hassmails. Ob sie das davon abhält, die Rubrik weiterzuführen? „Nö“, sagt Claudia Junger. „Die Rubrik bleibt. Ich lasse mich nicht einschüchtern.“

Einen anderen Weg geht Carmen Weinand, Betreiberin des Blogs „Horror and more“: „In schlechte Bücher investiere ich inzwischen weder Zeit noch Nerven. Rezensionsexemplare nehme ich nicht mehr an; gelegentlich empfehle ich ein Buch, das ich selbst gekauft habe. Meine Gastrezensenten handhaben das teilweise anders und müssen sich dann auch mit erzürnten Autoren herumschlagen.“ Ein Stück Verbitterung ist dabei aber unüberhörbar. „Traurig, nicht?“

Ja, allerdings, vor allem, wenn man bedenkt, dass die meisten BloggerInnen ihre Blogs in ihrer Freizeit führen und nicht selten viel Zeit und Herzblut darauf verwenden. Setzen Sie sich also, siehe oben, auf Ihre Hände, solange der Zorn in Ihnen brodelt. Wenn Sie sich beruhigt haben, schreiben Sie dem Blogger/der Bloggerin eine sachliche Mail, in der Sie sich für die Mühe bedanken. Immerhin hat da jemand mit viel Sachverstand Ihr Buch gelesen und analysiert und womöglich hat er oder sie Ihnen gezeigt, wo genau Ihr Verbesserungspotenzial liegt. Dann kehren Sie zu Ihrem persönlichen Lieblings-Mantra zurück und ergänzen es durch die ewige Wahrheit: „Schlechte Presse ist besser als gar keine Presse.“

Susanne Pavlovic: www.textehexe.com

In FEDERWELT, Heft 112, Juni/Juli 2015

 

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Dieser Artikel steht in der Federwelt, Heftnr. 112, Juni 2015: /magazin/federwelt/archiv/federwelt-32015
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