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Christliche Belletristik: »Wunder sind schlechtes Handwerk«

Federwelt
Stephanie Rapp

Lektorin Sandra Binder im Werkstattgespräch mit „ihrer“ Autorin Stephanie Rapp. – Sie besprechen: Wie wird ein Roman christlich? Wie kann er einen lebbaren Glauben transportieren? Vor welchen Geschichten haben Christen Angst? Welche Themen finden christliche Lektorinnen interessant? Kann man ein christliches Manuskript auch bei einem weltlichen Verlag unterbringen? Oder auch: Was bedeuten Leser-Rückmeldungen für AutorInnen?

Sandra Binder: Wann ist ein Roman für dich eigentlich „christlich“? Schon dann, wenn ein Stoßgebet nach oben geschickt wird, sobald irgendwas schiefläuft ? Oder würdest du der Autorin Francine Rivers zustimmen, die sagte, ein Roman sei dann christlich, wenn die Handlung zusammenfällt, sobald man die christlichen Gedanken herausnimmt?

Stephanie Rapp: Wenn ein Roman nach diesem Zitat gearbeitet ist, finde ich das meisterhaft. Wenn die Figuren so gut ausgearbeitet sind, dass die Geschichte ohne ihren Glauben nicht möglich wäre. Das macht einen christlichen Roman spannend und glaubhaft, das wirkt wie mitten aus dem Leben und nicht aufgesetzt.

Da stimme ich dir zu. Allerdings habe ich schon viele christliche Romane auf meinem Schreibtisch gehabt, die eine eher überhöhte Sicht des Glaubens widerspiegeln. Ich kann zwar verstehen, woher das kommt: Die Autorinnen und Autoren sind so begeistert, von dem, was sich in ihrem Leben verändert hat, dass sie diese Begeisterung fassbar machen wollen. Nur vergessen sie dabei das Menschliche und dann haben ihre Geschichten mit dem wahren Leben nichts mehr zu tun.

Es ist auf jeden Fall wichtig, nicht zu vergessen, dass wir Christen saunormale Leute sind und Fehler machen. Ein Mensch, der die zehn Gebote perfekt einhält, existiert nicht. Es gibt doch diesen Tipp, dass Autoren eine Figur auf die Werte, die ihr wichtig sind, abklopfen sollten, dass sie sich fragen sollten, wie die Figur reagieren würde, wenn vor ihrer Nase ein Kind hinfiele, sie einem Bettler begegnete. Richtet eine Figur ihr Leben nach Gott aus, dann scheint das immer durch, auch wenn sie Fehler macht. Zum Beispiel ist mein Protagonist Peter Schöffer in einer wichtigen Szene genervt und sehr bärbeißig zu seiner neuen Magd Lena, setzt danach aber im Hintergrund alles daran, für sie noch einen guten Schlafplatz zu finden. Und mein Protagonist Liam weiß, dass er nicht perfekt ist, und geht offensiv damit um. „Ja, ich neige dazu, es grundsätzlich besser zu wissen. Sorry. Ich arbeite daran“, sagt er an einer Stelle.

Mir scheint es oft, als ob Christen manche menschlichen Abgründe ausblenden wollten. Sie schrecken vor Geschichten zurück, in denen Christen existenzielle Fehler begehen.

Da fällt mir der Ausdruck „Faszination des Normbruchs“ ein. Ich wage zu behaupten, dass christliche Leser von diesem Normbruch nicht so fasziniert sind. Zum Beispiel greifen sie nicht so gerne zu Krimis. Einfach, weil sie sich mit dem Normbruch nicht so gerne beschäftigen. – Kannst du das bestätigen, und zeigen das auch die Verkaufszahlen?

Es scheint tatsächlich eine Schwelle des Erträglichen für unsere Leserinnen zu geben. Interessanterweise aber dürfen die Probleme umso größer sein, je weiter die Handlung von unserer Erfahrungswelt heute entfernt ist. Kurz gesagt: Verliert eine Frau im 19. Jahrhundert ihren Mann, ist das spannender, als wenn das einer Frau passiert, die im Haus nebenan wohnen könnte. Ein anderes Beispiel sind Teenagerschwangerschaften. Einer unserer größten Erfolge ist „Die Lady von Milkweed Manor“ von Julie Klassen. Darin wird eine Pastorentochter schwanger. Das wurde ein Riesenerfolg.

Kommt es vor, dass du einen super Roman auf dem Tisch hast, der aber zu starker Tobak für die christliche Nische ist und den du deshalb ablehnen musst?

Ja, das kommt durchaus vor. Ich siebe schon sehr aus und achte darauf, dass die Schwierigkeiten, die die Figuren in ihren Geschichten meistern müssen, nicht zu existenziell werden. Zurück zum Beispiel „Teenager“: Einen Roman, in dem die Tochter eines zeitgenössischen Pastors schwanger wird, muss ich gar nicht fertiglesen, den kann ich gleich weglegen. Schade. Das ist eine der nicht so schönen Seiten des Lektorenberufs.

Vor einigen Jahren habe ich eine tolle amerikanische Autorin ins Programm genommen, Kathryn Cushman. Sie schreibt Romane, die mir an die Nieren gingen, da verlieren zum Beispiel zwei Mütter bei einem Unfall ihre Söhne („Zeit der Vergebung“, SCM 2011). Cushman beschrieb, wie sie es schafften, zu vergeben. Zutiefst berührend. – In ihrem Roman „Eine Frage der Wahrheit“ (SCM 2012) entdeckt eine Mutter Beweise dafür, dass ihr Sohn ein Mörder ist. Er hat sich gerade von seiner Drogensucht befreit und ist auf dem Weg zurück in ein normales Leben. Wie soll sie sich entscheiden: Soll sie ihren Sohn an die Polizei verraten und sein Leben damit zerstören oder soll sie schweigen? Sie macht sich schuldig, so oder so. Ich habe diese Bücher geliebt. Beide sind spektakulär gefloppt. – Aber wie machst du das? – Wie findet man als Autorin, als Autor, die Balance zwischen dem, was gefällt, und dem, was authentisch ist?

Vielleicht muss man sich da einfach auf sein Gespür verlassen: sich im Klaren sein, dass es Abgründe gibt, sich fragen, welche tatsächlich realistisch sind, und sie einflechten. Aber man sollte sie nicht als die Faszination des Plots aufbauen oder voyeuristisch ausschlachten. Lieber eine schöne Beziehungsgeschichte in den Vordergrund rücken.

Und warum meiden Christen die Abgründe? Haben sie Angst, dass sie durch die Lektüre vom „rechten Weg“ abkommen könnten? Oder kommen ihnen solche Geschichten zu nahe, weil sie eigene Verfehlungen verdrängen wollen?

Vielleicht ist es so eine Art Psychohygiene. Aus meiner Erfahrung gesprochen: Als ich mich entschieden hatte, mein Leben nach Gott auszurichten, habe ich schon gemerkt, dass ich aufpassen muss, mit welchen Sachen ich mich beschäftige. Nicht alle Dinge sind gut für mich. Manche lenken mich ab, lösen dumme Gedanken oder negative Gefühle in mir aus, zum Beispiel Neid oder Gier. Ich möchte das Gute suchen, alles was aufbaut und mich und andere weiterbringt. Allerdings neigen Christen manchmal zu stark zur Realitätsflucht. Mich würde interessieren, ob sie damit aus der Reihe tanzen oder ob sich diese Neigung zur Realitätsflucht auch durch die weltlichen Leserschichten zieht.

Davon würde ich ausgehen. Wenn ich sehe, was sich auf den Bestsellerlisten tummelt, ist Eskapismus stark nachgefragt. Ich finde, dass das unsere Nische der christlichen Belletristik besonders spannend macht: Es stehen nicht nur menschliche Abgründe gegen das Aufbauende, auch das Aufbauende steht gegen das Unterhaltende. Wie schaffst du es, dass deine Geschichten nicht zu seicht werden?

Ich finde, man kann auf die Tränendrüse drücken und tiefe Gefühle beschreiben, kann unterhalten und trotzdem Aufbauendes schreiben. Aufbauend finde ich zum Beispiel die Botschaft, dass Gott sich um Menschen kümmert, er einen Plan für sie hat und mit ihnen Geschichte schreibt. Emotional werden meine Plots, indem ich Eltern-Kind-Beziehungen und Liebesgeschichten reinbringe.

Wenn die Leserinnen und Leser sich mit den Figuren identifizieren können und somit unterhalten werden und ich als Autorin den Erfahrungshorizont der Leser erweitere, zum Beispiel durch einen gut recherchierten historischen Hintergrund oder Charakterentwicklungen, dann biete ich beides: Ermutigung und eine gewisse Tiefe, ein gewisses Augenöffnen. Ich wollte immer Infotainment schreiben, Neues und Interessantes in die Geschehnisse bringen, darum habe ich in meinen historischen Roman auch so viele Details eingearbeitet.

Selbst wenn meine Geschichte am Ende langweilig oder der Plot unrund geworden wäre, hätten ihre Leserinnen und Leser wenigstens noch was über das 16. Jahrhundert gelernt. – Was wäre dir denn zu seicht, Sandra?

Eine Geschichte, die zu einfache Antworten gibt. Nach dem Muster: Sprich ein Gebet, und du wirst glücklich. Das gibt es leider und ist großer Quatsch. Das Leben und auch der Glaube funktioniert nicht so, und das wissen die Leser auch. Und so hat das Leben auch in anderen Jahrhunderten nicht funktioniert. – Dabei fällt mir ein: Eignen sich historische Stoffe eigentlich besonders gut für christliche Romane?

Ja, durchaus. Ich habe einen zeitgenössischen und einen historischen Roman geschrieben und in den historischen fügte sich der Glaube viel organischer ein. Mir ist bei meinen Recherchen klargeworden, wie stark der Glaube mit dem Leben der Leute vor 500 Jahren verflochten war. Vor der Zeit der Aufklärung waren die Menschen – und auch die Ereignisse – durch und durch vom Christentum beeinflusst.

Zum Beispiel haben die Menschen sich unbegreifliche Naturphänomene durch Gottes Handeln erklärt. Dadurch wurde die Kirche immer mächtiger. Geglaubt hat damals jeder. Ich finde übrigens, dass das religiöse Leben der Menschen in vielen historischen Romanen, die ja durch den Filter der Menschen von heute geschrieben werden, nicht genügend Beachtung findet. In den Romanen, die ich kenne, spielt die Religion vielleicht mal eine kleine Rolle. Die Autoren bilden das religiöse Leben aber oft nicht wirklich ab, weil sie eher aus unserer heutigen, aufgeklärten Sicht schreiben.

Aber war der Glaube nicht oft nur Ritual, da er gesellschaftlich verpflichtend war? Man hatte in die Kirche zu gehen, hätte sich anderenfalls verdächtig gemacht.

Ja, das gab es sicher auch, aber weil der Glaube von Anfang an so sehr zum Leben gehörte, hat er auch eine größere persönliche Rolle gespielt. Natürlich gab es viele Rituale und Erwartungen, die man erfüllen musste, aber die Menschen haben sich auch mehr auf Gott verlassen. Sie waren jeden Tag mit dem Tod konfrontiert: Du wusstest morgens nicht, ob du abends noch am Leben sein würdest. So haben sie sich stärker in Richtung Jenseits orientiert. Heute blenden wir das Thema Tod eher aus.

Wie bist du mit dem Thema „Glaube“ in deinem zeitgenössischen Roman umgegangen?

Da habe ich versucht, von den Figuren her zu arbeiten. Eine Figur, Anna, ist auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, hat schon ein bisschen Erfahrung mit dem Glauben, ist aber enttäuscht worden. Eine andere Figur, Liam, hat in einer Krise zum Glauben gefunden, zum Vertrauen in Gott. Das habe ich in die Dialoge eingearbeitet. Zum Beispiel reden Anna und Liam an einer Stelle über die Vergangenheit.

„Es war keine schöne Zeit, denn es kamen noch ... berufliche Schwierigkeiten hinzu. Ich bin froh, dass das alles hinter mir liegt. Es macht mich immer noch traurig, aber es zieht mich nicht mehr in den Abgrund“, erzählt Liam. Anna fragt zurück: „Hast du das gemeint, als du sagtest, du könntest nicht anders, als an Gott glauben?“

Über solche Themen rede ich im wahren Leben auch mit meinen Freunden, es fühlt sich von daher für mich nicht aufgesetzt an.

Im Plot habe ich den Glaubensaspekt durch das Thema Schuld und Vergebung eingebaut.

Hast du auch persönliche Erfahrungen oder Erlebnisse in deine Geschichte einfließen lassen?

Ja, vor allem die Erfahrung, dass man manchmal über Leute urteilt, ohne sie wirklich zu kennen. Ich habe mal eine bizarre Situation erlebt: Ein Handwerker, den ich noch nie persönlich gesehen hatte, dachte, ich hätte während eines Beratungsgesprächs mit einer seiner Mitarbeiterinnen mündlich etwas bei ihm bestellt, und hat mir das in Rechnung gestellt. Weil es aber ein Missverständnis war und ich das Material gar nicht wollte, also auch nicht von ihm einbauen ließ und somit nicht bezahlte, hat er mich verklagt. Als wir uns dann vor Gericht zum ersten Mal gesehen haben, waren wir, glaube ich, beide völlig überrascht, weil wir uns ein ganz anderes Bild vom anderen gemacht hatten. Wären wir uns unter anderen Umständen und in einer anderen Umgebung begegnet, beim Sport oder auf einer Party, dann hätten wir uns bestimmt angefreundet.

Und wie ging es aus?

Seine Klage gegen mich wurde von der Richterin abgewiesen. Das ganze Missverständnis hat mir aber sehr leidgetan, und das hat mich inspiriert. – Dass man im Kopf ein Urteil über jemanden fällt, beschäftigt mich oft sehr stark, weil ich immer wieder sehe, dass die Welt voller Überraschungen steckt. Dass die Leute gar nicht so blöd sind, wie man vielleicht denkt.

Das ist auch ein Thema bei deinem zweiten Roman, der „Gehilfin des Buchdruckers“.

Ja, in der zweiten Generation der Helden gibt es die Hauptperson Peter Schöffer. Ich habe versucht, ihn am Anfang negativ darzustellen: aus der Sicht meiner Protagonistin Lena. Lenas Meinung ändert sich später sehr stark. – Auch das Thema Vergebung habe ich hier wieder verarbeitet, ich schreibe einfach gerne über Beziehungen. Da bietet sich das an. Zudem ist es ein Kernpunkt des christlichen Glaubens.

Du liest ja viele christliche Romane, und ich weiß, dass du eine sehr kritische Leserin bist. Gibt es Dinge, bei denen du sagst: „Bitte nicht schon wieder!“?

Ich denke, ich bin relativ sensibel, was die Figurenentwicklung angeht. Ich finde es toll, wenn Charaktere fein gezeichnet sind und ambivalent in vielen Dingen. Mir ist in letzter Zeit aufgefallen, dass ich manchmal keinen Zugang zu den Figuren finde, weil ihr Innenleben nicht gezeigt wird. Womit hadern sie? Wer ist Gott für sie: ein alter Mann auf einer Wolke oder ein spannendes Gegenüber, zu dem die Figur eine Liebesbeziehung hat? Macht sie eine innere Entwicklung durch? Das alles sollte man am besten nicht mit großen Worten erklären, nur ab und zu kurz zeigen, dann ist es spannender. Und dann entdecke ich oft, dass der Deus ex Machina* auftaucht. Das ist nach handwerklichen Maßstäben eigentlich schlecht.

[*Der lateinische Ausdruck „Deus ex Machina“ bedeutet „Gott aus der (Theater-)Maschine“. In griechischen Dramen tauchten mittels Bühnenmaschinerie manchmal Götter auf der Bühne auf, um eine Figur zu retten. LektorInnen sprechen heute von einem „Deus ex Machina“, wenn HeldInnen ihre Probleme nicht selbst lösen, sondern ihnen Umstände oder Personen „zufällig“ zu Hilfe kommen.]

Auch im christlichen Kontext ist es aber sehr verführerisch, Probleme durch Wunder zu lösen, oder?

Ja. In meinem Leben sind bereits Wunder geschehen und ich rechne damit, dass Gott eingreift. Beim Schreiben habe ich dann das Problem, dass ich den Deus ex Machina aus handwerklichen Gründen nicht verwenden sollte. – Was mache ich denn dann? Das finde ich echt schwierig. Ich würde das manchmal schon gerne so einbauen, wie ich es erlebt habe, aber weiß dann nicht, wie ich damit umgehen soll. Dann aber lese ich zum Beispiel Francine Rivers, die gebraucht Wunder ständig, und mich hat das nie richtig gestört.

Vielleicht ist das ja gerade die christliche Perspektive: Es stört uns nicht, weil wir oft genug erleben, dass Gott eingreift. Ich muss sagen, dass ich als Lektorin da auch beim Beurteilen relativ großzügig bin. Wunder sind Realität und ich finde es auch gut, wenn Menschen die Wunder, die um sie herum geschehen, wahrnehmen. Doch wenn ich das Gefühl habe, hier will sich der Autor nur aus Bequemlichkeit aus der Bredouille ziehen, würde ich einhaken. Gott wirkt für mich auch, indem er Menschen hilft, sich weiterzuentwickeln und Lösungen selbst zu finden. – Ich weiß, dass du als Leserin beides magst: christliche und säkulare Literatur. Hast du nie darüber nachgedacht, dich für die Veröffentlichung an einen weltlichen Verlag zu wenden?

Der Glaube ist so sehr Teil meiner Persönlichkeit, er gehört so stark zu mir dazu. Es ist ein so starker Teil meiner Motivation zu schreiben, mit Gott zu rechnen, dass ich das nicht aus meinem Leben rausdenken könnte. Es wäre für mich wirklich unecht und aufgesetzt, nicht darüber zu schreiben oder es wegzulassen, was ich müsste, um eine Geschichte in einem weltlichen Verlag unterzubringen. Mir würden gar keine Geschichten einfallen, in denen das überhaupt keine Rolle spielt. – Würdest du das einem christlichen Autor denn raten – einen Roman auch in einem weltlichen Verlag zu veröffentlichen? Hast du Autorinnen und Autoren, die das tun? Was müsste man dabei bedenken? Schließlich will man sich als Autorin ja eine Art Marke aufbauen, auf die sich die Leser verlassen können.

Klar, warum nicht? Das kann eine große Chance sein, Leser zu erreichen, die nie zu unseren Büchern greifen würden. Bis jetzt hatte noch keine meiner Autorinnen die Ambition, aber ich würde dem nicht im Wege stehen. Sie müssen sich halt nur drauf einstellen, dass Glaubensthemen in säkularen Romanen sehr viel subtiler und nebensächlicher verpackt werden müssen. – Aber wie ist es für dich, wenn du auch mit „nichtchristlichen“ Lesern zu tun hast, wie auf der Buchmesse in Leipzig. Bekommst du da Rückmeldungen zu den christlichen Aspekten deiner Bücher?

In Leipzig selbst habe ich keine Rückmeldungen bekommen, bei der Leserunde auf lovelybooks.de allerdings schon, die habe ich wirklich für mich entdeckt. Da diskutieren die Leserinnen und Leser über viele Szenen und Reaktionen der Figuren. Ganz interessant fand ich zum Beispiel, dass jemand sich beschwert hat, dass „Die Gehilfin des Buchdruckers“ gar kein christliches Buch sei. Da sieht man, dass die Wahrnehmung unglaublich unterschiedlich sein kann. Einer springt schon in die Luft, wenn nur der Name Gott fällt, dem anderem kann’s nicht deutlich genug sein. Man kann’s nie allen recht machen.

Was deine Frage zu Rückmeldungen von nichtchristlichen Lesern angeht: Eine Frau hat mir mal gesagt, dass sie den Glaubensaspekt in meinem ersten Buch gut fand, weil es mal was ganz Neues war. Bis jetzt hat mir kein Nichtchrist ins Gesicht gesagt, dass ihm meine Bücher nicht gefallen. Aber ab und zu reagieren nichtchristliche Leser auf Internetplattformen, indem sie ihr Befremden zum Beispiel durch eine empörte Rezension zeigen.

Erfordern christliche Romane eigentlich eine andere Sprache, ein besonderes Vokabular?

Es gibt da verschiedene Herangehensweisen. Man kann den Figuren die Glaubensinhalte in den Mund legen. Die Sprache muss dann natürlich zu den Figuren passen. Ich zum Beispiel versuche, alles, was mit dem Glauben zu tun hat, so zu formulieren, dass es jeder versteht. Das Fachvokabular meide ich. Mir gefällt es am besten, die Botschaft des Glaubens so einzubinden, dass sich jeder seine eigenen Gedanken machen kann. Ich habe genau das versucht, indem ich in „Die Gehilfin“ Texte von Luther verwendet habe. Und ich versuche, auf christliche Phrasen wie „Sünde, sich bekehren, Zeugnis geben, sein Leben Jesus geben ...“ zu verzichten, hoffe natürlich dabei auch immer auf meine Lektorin. Bis jetzt hatten wir beide noch keine heißen Diskussionen über bestimmte Phrasen bei der Endbearbeitung, oder?

Nein, da fällt mir auch nichts ein. Ich merke deinen Texten an, dass du sehr darauf acht gibst.

Auf welche Phrasen stößt du denn als Lektorin? Welche würden für dich gar nicht gehen und welche schätzt du? Ist das manchmal auch unterschiedlich?

Alles, was zum Stil der Autorin oder des Autors passt, ist organisch und gut. Bei frommen Phrasen wie denen, die du genannt hast, oder auch: „Mit Jesus unterwegs sein“, „Gott legt mir etwas aufs Herz“ und so weiter, da würde ich schon eingreifen. Ich versuche auch persönlich, solche Wendungen zu vermeiden. Ich finde sie nicht authentisch. Aber ich bin sicher nicht deine einzige Kritikerin, oder? Hast du eine Testleserin, einen Testleser? Vielleicht auch einen fiktiven, für den du deine Geschichten schreibst? Bei dem du weißt: Wenn der es versteht, dann verstehen es andere auch?

Meine Mutter ist dafür ganz gut, weil sie einen anderen Hintergrund hat als ich und weil sie ganz viel liest. Ansonsten versuche ich natürlich immer, mir die Zielgruppe vor Augen zu halten.

Du schreibst gerade an der Fortsetzung der Gehilfin. Gibt es da Dinge, die du anders machst?

Das letzte war eine vielschichtig angelegte Familiensaga über eine Erzählzeit von dreißig Jahren mit vielen Protagonisten. Das nächste soll sich nur auf eine Generation beziehen, eine Hauptfigur haben und auch nicht so oft von einem Ort zum anderen springen. Es gibt Leserinnen und Leser – einige meiner Freunde zumindest ticken so –, die kommen nicht so einfach in einen fiktiven Traum rein, wenn sie oft von einer Szene mit einer bestimmten Figur zur nächsten mit einer anderen Figur hüpfen müssen und sich immer wieder neu in diese hineindenken sollen. Eine Rezensentin meinte, dass man aus dem Stoff von „Die Gehilfin des Buchdruckers“ drei Bücher hätte machen können. Sprich, man hätte ein langsameres Erzähltempo wählen können, weniger große Zeitsprünge, die Entwicklung einzelner Charaktere noch mehr beleuchten. Andererseits ist das Geschmackssache, denn eine andere Rezensentin meinte, die Geschichte sei so genau richtig.

Und welche christlichen Themen willst du im zweiten Band aufgreifen?

Mein Kernthema: nämlich Vorurteile gegenüber anderen überwinden. Ich möchte vor historischem Hintergrund beschreiben, wie sich verschiedene ethnische Gruppen und Konfessionen gegeneinander abschotten, übereinander erheben und nicht miteinander reden. Im Laufe der Geschichte werden diese Mauern dann niedergerissen.

Welche Themen hast du auf der Agenda? Welche Themen sind aus Verlagsperspektive spannend? Und wenn du Zeit hättest, was für ein Buch würdest du selbst schreiben?

Vergebung ist auf jeden Fall ein zentrales Thema, weil sich hier zeigt, dass der Glaube Konsequenzen hat. Dass er kein blutleeres Lippenbekenntnis ist, sondern uns verändert. Das kann man noch weiter fassen: Immer, wenn Menschen durch Gott verändert werden, ist das spannend. Wenn Heilung passiert, zum Beispiel. Wenn Menschen aktiv werden, gegen Unrecht vorgehen, fromm gesagt, wenn sie Gottes Liebe weitergeben.

Mich fasziniert es, dass es hinter unserer sichtbaren Welt eine unsichtbare gibt, dass Kräfte und Mächte am Werk sind, die wir in unserem Alltag oft ausblenden. Gott aber durchbricht die Trennung zwischen den Welten, er streckt sich nach uns aus und bleibt nicht in seiner „Dimension“, in dem, was wir den Himmel nennen. Ich glaube, wenn ich mir Zeit nehmen würde zu schreiben, würde ich eine Geschichte erfinden, die das thematisiert.

Hast du einen Tipp für jemanden, der jetzt Lust hat, einen Roman mit Botschaft zu schreiben? Was wäre ein guter Startpunkt für ihn?

Das Thema Beziehungen bietet sich immer an. Wir haben einen Gott, der Beziehungen vor allem anderen lebt. Und aus Beziehungen kann man so viele Geschichten flechten und dabei immer wieder zentrale Aspekte des Glaubens reinbringen.

 

Sandra Binder | http://scmedien.de
Stephanie Rapp | www.stephanie-rapp.de/#uber-stephanie-rapp
In: Federwelt, Heft 118, Juni 2016