Britta Sabbag (www.brittasabbag.de) im Gespräch mit Karla Paul – über die Lehren aus zehn Jahren Literaturbetrieb, über Genreschubladen, die Zusammenarbeit mit einer prominenten Co-Autorin, Herausforderungen bei Presse und Vermarktung und den Lohn für ihren Glauben an sich selbst
Britta und ich lernten uns auf einer Buchmesse kennen. Wir trafen uns beim Bastei-Lübbe-Stand zu einem ihrer ersten Romane und sie hatte sich relativ frisch als Autorin selbstständig gemacht. Uns einte gleich der Wunsch, mit unserer Kreativität Geld zu verdienen. Wir sind beide Menschen, die gern viel ausprobieren und machen, aber darüber auch mal stolpern. Seitdem treffen wir uns unregelmäßig und sprechen über Fortschritte oder Fehler, Hindernisse und was wir aus deren Überwindung gelernt haben. Zeit, ein bisschen was davon auch für andere mitzuschreiben.
Liebe Britta, herzlichen Glückwunsch zu inzwischen zehn Jahren Autorinnenschaft! Welche Wünsche haben sich in dieser Zeit erfüllt und welche Herausforderungen hattest du nicht erwartet?
Danke! Genau genommen sind es zehn Jahre Freiberuflichkeit. 2012 kam mein erster Roman heraus, aber ich würde sagen, die drei Jahre Bibbern, Glauben und Schreiben davor zählen mindestens genauso. Zu deiner Frage: Vieles hat sich erfüllt, allen voran das Leben-Können vom Schreiben. Das war mein größter Wunsch. Einige Erfolge wie mein Debüt oder auch der Hammer-Erfolg der Hummel Bommel haben meine Wünsche übertroffen. Anderes war schwieriger als erwartet. Mich hat es überrascht, dass der Autorenweg nie gerade zu sein scheint. Ich hätte zum Beispiel nie gedacht, Kinderbuchautorin zu werden, denn das war gar nicht geplant.
Herausforderungen gibt es täglich. Ständig allein sein (einen doofen Tag kann man im Büro mit Kollegen teilen), alleine Entscheidungen fällen („Verwerfe ich die Idee, weil sie nicht so gut ankommt, wie ich dachte, oder bleibe ich dran?“), viele Kämpfe alleine führen.
Es ist wichtig, mit den Verlagen eine gemeinsame Vision zu haben. Wenn das nicht der Fall ist, ist die Arbeit zäh und erschöpfend. Man muss bei jedem Projekt gefühlt immer wieder bei null anfangen, denn es gilt ja, alle dafür zu begeistern. Das gelingt mal leicht, manchmal aber braucht es auch Ausdauer und das richtige Timing. Und selbst dann kann es sein, dass ein Projekt nicht wie erwartet zündet. Das ist ja in der gesamten Buchbranche ein wenig wie Lottospielen.
Das Einzige, was mir immer leichtfällt, ist Ideen zu haben. Sie sind wie Samen an den Pusteblumen: Bei jedem Windhauch kommen neue.
Ständig allein sein, alleine Entscheidungen fällen, viele Kämpfe alleine führen. – Hast du dafür inzwischen Lösungen gefunden? Manche KollegInnen wählen gemeinsame Büros oder treffen sich regelmäßig. Auch, um manch schwere Entscheidung nicht allein treffen zu müssen. Die Zusammenarbeit mit einer Literaturagentur ist ebenfalls oft eine sinnvolle Option. Wie handhabst du das?
Ich werde auch von einer Agentur vertreten. Am Ende des Tages sind es allerdings sehr individuelle Entscheidungen, die dir keiner abnehmen kann. Wechsele ich das Genre, weil eine neue Idee so gut ist? Bleibe ich lieber in der Schublade, damit ich besser zugeordnet werden kann? Sage ich Nein zu einem Angebot, weil ich nicht bereit bin, Abstriche zu machen? Es gibt so viele Entscheidungen zu treffen, besonders, wenn man, wie ich, verschiedene Projekte hat. Dieses Jahr erscheinen sechs Titel von mir, nächstes Jahr auch. Allein die Hummel Bommel wäre fast ein Fulltime-Job, weil jetzt zu den Büchern auch noch Merchandising und die Musik dazukommen.
Natürlich ist Netzwerken gut. Aber letztendlich weißt nur du, wozu du imstande bist, das kann dir keiner abnehmen. Und manchen Rat habe ich nicht befolgt und bin damit sehr gut gefahren. Die kleine Hummel Bommel ist das beste Beispiel – anfangs wollte keiner, dass ich sie mache. Jetzt, über eine halbe Million Auflage später, sieht es anders aus.
Die Hummel Bommel ist inzwischen eine ganze Kinderbuchreihe. Wie kam es zur ersten Zusammenarbeit mit der Sängerin Maite Kelly und der Illustratorin Joëlle Tourlonias?
Maite lernte ich bei einem Filmprojekt kennen, für das ich die Idee geliefert hatte. Das Projekt kam nie zustande, aber wir waren sofort ein Herz und eine Seele. Das ist bis heute so. Sie holte mich in die Welt des Song-Schreibens, ich sie zu den Büchern. Wir ergänzen uns gut, und da fällt manches leichter. Joëlle kam dann durch den Verlag dazu.
Kam die Entscheidung, daraus eine ganze Produktwelt zu machen, von dir beziehungsweise euch oder vom Verlag?
Das ergab sich nach und nach. Nachdem der erste Teil einschlug, dachte der Verlag an eine Fortsetzung – und wir hatten die Idee längst parat. So kam eines zum anderen. Bei den Lesungen verlangten Eltern nach Stofftieren und Merch, was uns ehrlich wunderte. Wir sind tatsächlich vorsichtiger als man glauben mag, denn wir wollen unser Hummelchen nicht verheizen. Wir hätten noch viel mehr machen können, haben aber Vieles abgesagt wie eine Kinderbekleidungslinie vor einigen Jahren (es war zu früh) oder verschoben. So etwas nach und nach zu entwickeln ist viel gesünder.
Die Baby Hummel Bommel-Linie entstand, weil Maite und ich nach einer Schreibsession noch Zeit hatten. (Wir treffen uns immer mehrere Tage, übernachten bei der anderen und schreiben eingesperrt so lange, bis wir nicht mehr stehen können und uns auf die Nerven gehen.) Da haben wir aus Spaß was gereimt. Das wurde dann die Gute-Nacht-Hummel. Vielleicht kam das ganz aus den aktuellen Bedürfnissen heraus, wir hatten zu der Zeit beide kleine Kinder.
Wie hat das Muttersein deinen Schreiballtag verändert?
Ich bin ganz klar effizienter geworden. Früher war es egal, ob ich um 9,11 oder auch um 15 Uhr anfange. Heute weiß ich, dass ich bis mittags das Meiste geschafft haben muss und bin somit viel schneller. Zudem denke ich bei den Kinderbüchern sehr praktisch: Braucht es diesen oder jenen Titel wirklich? Oder ist es nur eine schöne Idee unter vielen? Und wenn ich ihn machen will, wieso? Welchen Nutzen hat er für andere?
Wie entscheidest du denn, welche deiner vielen Ideen du umsetzt: welchem kreativen Drang nachgehen – bei welchem Projekt bei Verlagen beharrlich bleiben und bei welchen nicht?
Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt da eine Idee, die ich aktuell habe, aber noch nicht umsetze, weil sie so groß ist und ich mehr Zeit brauche, als ich aktuell habe. Oder das Beispiel vom Waschbär Waschmichnicht, da war ich tierisch schnell und der Verlag auch, weil ich immer dachte: Die Idee kommt sonst von jemand anderem, das ist so offensichtlich und verrückt, dass es das noch nicht gab.
Bei der Hummel Bommel trug ich die Idee vier Jahre mit mir rum bis zum fertigen Buch.
Es gibt aber auch den Fall, dass das Bebrüten mancher Ideen zu lange dauerte, sodass andere Autoren in der Zwischenzeit auf dieselbe Idee kamen.
Welche fünf Tipps würdest du der Britta von vor zehn Jahren mitgeben, damit sie sich vielleicht manchen Fehler rund um die Autorinnenschaft erspart?
1) Fang früher an. Nach deinem Studium kräht kein Hahn mehr.
2) Freu dich über alle, die sich mitfreuen, und teile deine Erfahrungen mit anderen. Aber wisse auch, dass es Menschen gibt, die das ausnutzen.
3) Schließe nichts aus, dein Leben und dein Schreiben ändert sich und das ist auch gut so.
4) Stelle immer Fragen und wenn du doofe Antworten bekommst, frage weiter. Sie führen dich zum Ziel.
5) Vertraue deinem Bauch – nur du weißt, wozu du imstande bist.
Wenn man die wirklich große Presse haben will, muss man sich als Person hinter dem Buch meist mit verkaufen, sowohl in Talkshows als auch in großen Magazinen. Kinderbuchautorin Britta ist aber inklusive lachendem Kind vor dem Schreibtisch in keiner Homestory zu finden ...
Mein Kind hat in der Öffentlichkeit nichts zu suchen, das war mir von Anfang an klar. Wenn ich Bilder poste, weil ich etwas dazu schreiben will, dann nur ohne Gesicht oder von hinten. Ein großes Landmagazin wollte mal eine Homestory mit mir machen, es war dafür der Garten besprochen. Dann sollte aber doch das ganze Haus mit den unterschiedlichen Zimmern gezeigt werden, da habe ich abgesagt. Mein Zuhause ist mein Refugium, was bleibt mir noch, wenn ich das öffne? Ich finde, als Autor tut man das ohnehin schon durch seine Bücher so sehr, das ist fast wie nackt auf der Straße tanzen. Man trägt sein Herz durch seine Bücher nach außen. – Ich zumindest, denn alles, was ich schreibe, trägt ein ordentliches Stückchen Seele von mir in sich.
Wie viel Prozent deiner Arbeit ist reines Schreiben, wie viel Prozent ist Planung, Verwaltung, Organisation ...? Wie viele Stunden pro Woche arbeitest du insgesamt?
Es gibt unterschiedliche Zeiten. Die reinen Schreibzeiten zum Beispiel für die Romane werden (im Idealfall) seltener unterbrochen, weil ich dann so wenig Termine wie möglich plane. Das ist ungefähr die Hälfte des Jahres so. Die andere Hälfte widme ich Lesungen, anderen Terminen und den Kinderbüchern, die nicht so eine lange Schreibzeit haben. Mittlerweile geht aber viel Zeit durch Meetings und vor allem Telefonate „verloren“, da so vieles abgesegnet werden muss. Gerade produzieren wir die Hörspiele zur Hummel Bommel. Hier sind nicht mehr nur Maite und ich die Sprecherinnen, wie es beim Hörbuch der Fall war, sondern viele Schauspieler. Da müssen zum Beispiel Stimmen getestet, die Skripte erstellt und abgenommen werden. Ich arbeite sicher mehr als eine typische Vollzeit-Woche, weil auch oft abends, am Wochenende und an Feiertagen, vor allem, wenn das Kind schläft. Familienzeit ist mir nämlich heilig.
Autorin: Karla Paul | www.buchkolumne.de | [email protected]
Weiterlesen in: Federwelt, Heft 137, August 2019
Blogbild: Gaby Gerster
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